Bismarck und Ossietzky? Ihre unterschiedlichen Lebensdaten verraten eigentlich, dass es zwischen ihnen keine Berührungspunkte geben kann. Als Otto von Bismarck 1898 starb, war Carl von Ossietzky gerade einmal acht Jahre alt. In der Stadtgeschichte von Halle gibt es allerdings einen Zusammenhang zwischen beiden, der ins sogenannte Paulusviertel führt.
Das markante Zentrum des beliebten Wohnviertels bildet die wuchtige Pauluskirche mit ihren knapp 1000 Sitzplätzen; neben der Marktkirche ist sie der wohl imposanteste Sakralbau der Stadt. Ihr 60 Meter hoher Vierungsturm und die große Freitreppe mit 62 Stufen steigern noch die Monumentalität. Nach dem Vorbild der norddeutschen Backsteingotik wurde die Kirche in den Jahren 1900 bis 1903 auf dem damals außerhalb der Stadt liegenden Hasenberg errichtet, einer circa zehn Meter hohen Porphyrkuppe. Die Grundsteinlegung erfolgte am 22. Oktober 1900, dem Geburtstag der Kaiserin Auguste Viktoria. Am 6. September 1903 wurde die Kirche im Beisein der Kaiserin eingeweiht, die auch einen Teil der Baukosten übernommen hatte und zur Schutzpatronin der Kirche wurde. Kaiser Wilhelm II., ihr Gemahl, weilte an diesem Tag ebenfalls in Halle, nahm aber an der Einweihung der Pauluskirche nicht teil. Wie zahlreiche historische Postkarten beweisen, war es ein großer Tag für die Saalestadt, obwohl die Hallenser etwas verschnupft waren, dass »Seine Majestät« nur mit der Kutsche durch die reich geschmückte Stadt fuhr und seinen Fuß nicht auf halleschen Boden gesetzt haben soll.
Gleichzeitig mit dem Bau der Pauluskirche wurden auch die Planungen des »Kaiserviertels« rund um die Kirche vorangetrieben. In den folgenden Jahrzehnten entstand ein ring- und strahlenförmiges Straßensystem rund um den Kaiserplatz: mit herrschaftlichen Villen und vornehmen Wohnhäusern für Professoren, Ärzte und höhere Beamte im inneren Kreis und jenseits der Kronprinzenstraße mit Mietshäusern für die niederen Beamten und die Angestellten. Noch heute sind hier alle Stilrichtungen des Historismus und des frühen 20. Jahrhunderts vertreten – von der Neogotik über den Jugendstil bis zum Neuen Bauen.
Die meisten Straßen wurden nach deutschen Dichtern benannt: Goethe, Schiller, Lessing, Herder, Uhland, von Scheffel …, sie alle waren hier vertreten, so dass die Hallenser bald von ihrem »Dichterviertel« sprachen. Die Hauptstraßen erhielten allerdings wilhelminische Namen: Kaiserstraße, Hohenzollernstraße, Kronprinzenstraße oder Bismarckstraße. Nach 1945 – so verrät jedenfalls ein Stadtplan von 1948 – wurden die meisten dieser Straßen jedoch umbenannt. Kaiserplatz und Kaiserstraße wurden gleich mehrfach durch Willy Lohmann (ein Lehrer und Politiker), Walther Rathenau und Heinrich Heine ersetzt, der »Kronprinz« musste Friedrich Schleiermacher weichen, die Hohenzollern dem 1848-Politiker Robert Blum. Selbst die Kaiserin Viktoria wurde straßenmäßig durch Maxim Gorki abgelöst. Allein der »Eiserne Kanzler« behauptete sich weiterhin. Irgendwie schienen die neuen sozialistischen Stadtoberen an ihm vorerst keinen Anstoß zu nehmen. Selbst auf dem Stadtplan von 1955 tauchte sein Name noch auf, erst zwei Jahre später musste er schließlich Carl (damals noch Karl geschrieben) von Ossietzky Platz machen. Nach über einem halben Jahrhundert sind die neuen Straßennamen längst im Sprachgebrauch auch der älteren Hallenser angekommen und die Umbenennungen nur noch eine Angelegenheit für Historiker und Heimatforscher.
Seit einigen Jahren finanziert die Bürger.Stiftung.Halle unter dem Titel »Bildung im Vorübergehen« Zusatzschilder an halleschen Straßenschildern, welche über den/die Namensgeber der Straße informieren. Eine Aktion, die bis heute bei den Hallensern eine breite Resonanz findet. 2016 wurden schließlich solche Zusatzschilder an der Carl-von-Ossietzky-Straße angebracht – mit der Information: »Journalist, Pazifist, Herausgeber der Zeitschrift ›Die Weltbühne‹, 1935 Friedensnobelpreis«.
Nach der Wende hat sich das Mieterspektrum im Paulusviertel geändert, das nach der 1993 einsetzenden Sanierung und Modernisierung heute zu den attraktivsten Wohngegenden der Stadt gehört. Zwar wohnen Professoren, Ärzte und Beamte immer noch hier, aber auf Grund der Nähe zur Universität sowie zum Stadtzentrum und zu den »grünen« Freizeitmöglichkeiten an der Saale ist das Viertel inzwischen besonders bei Studenten und jungen Familien mit Kindern beliebt.
Das markante Zentrum des beliebten Wohnviertels bildet die wuchtige Pauluskirche mit ihren knapp 1000 Sitzplätzen; neben der Marktkirche ist sie der wohl imposanteste Sakralbau der Stadt. Ihr 60 Meter hoher Vierungsturm und die große Freitreppe mit 62 Stufen steigern noch die Monumentalität. Nach dem Vorbild der norddeutschen Backsteingotik wurde die Kirche in den Jahren 1900 bis 1903 auf dem damals außerhalb der Stadt liegenden Hasenberg errichtet, einer circa zehn Meter hohen Porphyrkuppe. Die Grundsteinlegung erfolgte am 22. Oktober 1900, dem Geburtstag der Kaiserin Auguste Viktoria. Am 6. September 1903 wurde die Kirche im Beisein der Kaiserin eingeweiht, die auch einen Teil der Baukosten übernommen hatte und zur Schutzpatronin der Kirche wurde. Kaiser Wilhelm II., ihr Gemahl, weilte an diesem Tag ebenfalls in Halle, nahm aber an der Einweihung der Pauluskirche nicht teil. Wie zahlreiche historische Postkarten beweisen, war es ein großer Tag für die Saalestadt, obwohl die Hallenser etwas verschnupft waren, dass »Seine Majestät« nur mit der Kutsche durch die reich geschmückte Stadt fuhr und seinen Fuß nicht auf halleschen Boden gesetzt haben soll.
Gleichzeitig mit dem Bau der Pauluskirche wurden auch die Planungen des »Kaiserviertels« rund um die Kirche vorangetrieben. In den folgenden Jahrzehnten entstand ein ring- und strahlenförmiges Straßensystem rund um den Kaiserplatz: mit herrschaftlichen Villen und vornehmen Wohnhäusern für Professoren, Ärzte und höhere Beamte im inneren Kreis und jenseits der Kronprinzenstraße mit Mietshäusern für die niederen Beamten und die Angestellten. Noch heute sind hier alle Stilrichtungen des Historismus und des frühen 20. Jahrhunderts vertreten – von der Neogotik über den Jugendstil bis zum Neuen Bauen.
Die meisten Straßen wurden nach deutschen Dichtern benannt: Goethe, Schiller, Lessing, Herder, Uhland, von Scheffel …, sie alle waren hier vertreten, so dass die Hallenser bald von ihrem »Dichterviertel« sprachen. Die Hauptstraßen erhielten allerdings wilhelminische Namen: Kaiserstraße, Hohenzollernstraße, Kronprinzenstraße oder Bismarckstraße. Nach 1945 – so verrät jedenfalls ein Stadtplan von 1948 – wurden die meisten dieser Straßen jedoch umbenannt. Kaiserplatz und Kaiserstraße wurden gleich mehrfach durch Willy Lohmann (ein Lehrer und Politiker), Walther Rathenau und Heinrich Heine ersetzt, der »Kronprinz« musste Friedrich Schleiermacher weichen, die Hohenzollern dem 1848-Politiker Robert Blum. Selbst die Kaiserin Viktoria wurde straßenmäßig durch Maxim Gorki abgelöst. Allein der »Eiserne Kanzler« behauptete sich weiterhin. Irgendwie schienen die neuen sozialistischen Stadtoberen an ihm vorerst keinen Anstoß zu nehmen. Selbst auf dem Stadtplan von 1955 tauchte sein Name noch auf, erst zwei Jahre später musste er schließlich Carl (damals noch Karl geschrieben) von Ossietzky Platz machen. Nach über einem halben Jahrhundert sind die neuen Straßennamen längst im Sprachgebrauch auch der älteren Hallenser angekommen und die Umbenennungen nur noch eine Angelegenheit für Historiker und Heimatforscher.
Seit einigen Jahren finanziert die Bürger.Stiftung.Halle unter dem Titel »Bildung im Vorübergehen« Zusatzschilder an halleschen Straßenschildern, welche über den/die Namensgeber der Straße informieren. Eine Aktion, die bis heute bei den Hallensern eine breite Resonanz findet. 2016 wurden schließlich solche Zusatzschilder an der Carl-von-Ossietzky-Straße angebracht – mit der Information: »Journalist, Pazifist, Herausgeber der Zeitschrift ›Die Weltbühne‹, 1935 Friedensnobelpreis«.
Nach der Wende hat sich das Mieterspektrum im Paulusviertel geändert, das nach der 1993 einsetzenden Sanierung und Modernisierung heute zu den attraktivsten Wohngegenden der Stadt gehört. Zwar wohnen Professoren, Ärzte und Beamte immer noch hier, aber auf Grund der Nähe zur Universität sowie zum Stadtzentrum und zu den »grünen« Freizeitmöglichkeiten an der Saale ist das Viertel inzwischen besonders bei Studenten und jungen Familien mit Kindern beliebt.
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