25 Jahre zapatistischer Aufstand in Mexiko
Protest Mit ihrer
Rebellion sorgte die EZLN weltweit für Aufsehen, die eine
Vorreiterrolle für Globalisierungskritik einnimmt und als
Inspirationsquelle für Autonomie gilt.
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Subcomandante
Insurgente Galeano (ehemals Marcos), Sprecher der Ejército
Zapatista de Liberación Nacional (EZLN), ist mit seiner
schwarzen Skimaske und seiner Tabakpfeife im Mund zu einer
Ikone der Bewegung geworden. Rafael Sebastián Guillén
Vicente studierte an der Nationalen Autonomen
Universität von Mexiko (UNAM) in Mexiko-Stadt Philosophie
und Geisteswissenschaften, woraufhin er sich 1984 dem
Vorgänger der EZLN, der Fuerzas de Liberación Nacional
(FLN), anschloss und 1994 mit dem zapatistischen Aufstand
als Subcomandante Marcos weltbekannt wurde. Die Bewegung gab
nicht nur einen wesentlichen Impuls für indigenen Widerstand
in Lateinamerika, sondern beflügelte auch
globalisierungskritische Bewegungen. Was war
passiert?
Die
Rebellion der Zapatisten hat ihren Ursprung in der
Mexikanischen Revolution von 1910, als mehrere
Rebellengruppen den skrupellosen Diktator Porfirio Díaz,
welcher als Präsident von 1888 bis 1911 mit eiserner Hand
regierte, stürzen wollten. Im
liberal-bürgerlichen Lager kämpften die Brüder Ricardo und
Jesús Magón, wohingegen im Norden des Landes die Villisten
(Anhänger von Francisco 'Pancho' Villa) und im Süden die
Zapatisten (Anhänger von Emiliano Zapata) für eine
Landverteilung zugunsten der ärmeren Bevölkerungsschichten
kämpften. Mit Hilfe von Villa und Zapata schaffte es
Francisco Madero, Mitglied der Liberalen Partei Mexikos, den
langjährigen Diktator Díaz 1911 zu stürzen. Weil dieser
Abgeordnete und Funktionäre des Díaz-Regimes im Amt beließ
und politisch unerfahren war, wurde dieser 1913 von dem
Oberbefehlshaber der Armee, General Victoriano Huerta, mit
einem Militärputsch von seinem Amt enthoben. Huerta wiederum
wurde von dem Militär unter Venustiano Carranza und seiner
Anti-Huerta-Koalition gestürzt, welcher 1917 zum Präsidenten
Mexikos ernannt wurde. Auf seine Anweisung hin
wurde 1919 Zapata in einen Hinterhalt gelockt und ermordet,
woraufhin der Zapatismus in Mexiko totgeglaubt wurde.
Was auf die Mexikanische Revolution folgte war die
Hegemonie der Einheitspartei Partido Revolucionario
Institucional (PRI), welche die Interessen der verschiedenen
Gruppen, die während der Revolution hervortraten, vereinen
sollte. Stattdessen entstand ein de facto Einparteiensystem in
Mexiko, in der die PRI 71 Jahre ununterbrochen (1929-2000)
regierte. Geprägt war diese Phase von sozialen Ungleichheiten,
Korruption, Klientelismus, Wirtschaftskrisen, Verwicklung von
PRI-Funktionären in den Drogenhandel, Repressionen und Gewalt.
Doch mit dem Inkrafttreten des NAFTA-Freihandelsabkommens
1994, mit der sich Mexiko eine Eintrittskarte in die 'Erste
Welt' verschaffen wollte, wurde das Land von der Rebellion der
EZLN überrascht. Eine Guerilla mit hauptsächlich indigenen
Kämpfern besetzte im dem Bundesstaat Chiapas, im Süden
Mexikos, zahlreiche Gemeinden und enteignete Landbesitzer. Die
indigene Bevölkerung befürchtete Landenteignungen, da Chiapas
reich an Wasser-, Energie-, Erdöl- und
Edelmetallressourcen ist. Was darauf folgte,
waren bewaffnete Auseinandersetzungen mit dem mexikanischen
Militär, welche bald in die 'Verhandlungen von San Andrés' um
die Anerkennung indigener Rechte in Mexiko mündeten. Hierbei
handelte es sich in erster Linie um Landrechte, kulturelle
Anerkennung und die Autonomie der indigenen Bevölkerung, die –
trotz voriger Verhandlungen und Vereinbarungen 1996 – im Jahr
2001 mit wesentlichen Veränderungen vom mexikanischen
Präsidenten Vicente Fox ratifiziert wurden, so dass die
Zapatisten das Gesetz nicht anerkannten.
Nach
den Revolutionen in Kuba 1959 und Nicaragua 1979, die von
Guerilleros geführt wurden, entstanden zahlreiche
Rebellengruppen in Lateinamerika, doch nach dem Erfolg der
Sandinisten in Nicaragua konnten diese nicht an erfolgreiche
Umstürze anknüpfen. Ein wesentlicher Grund war hierbei die
Demokratisierungswelle in den 1970er Jahren in
Lateinamerika, so dass nach und nach autokratische Regime
sich zu Demokratien transformierten. Mit dieser Welle
verloren auch Guerillas an Bedeutung, da legale Zugänge in
die Politik entstanden. Diesem Trend passte sich auch die
EZLN an, die den Dialog mit der mexikanischen Regierung und
der Zivilgesellschaft suchte. Die als sozialistische
Guerilla 1983 gegründete EZLN unterschied sich wesentlich
von anderen Rebellengruppen aufgrund der basisdemokratischen
Entscheidungsfindung, der Ablehnung von Staatsmacht, des
Bildens von autonomen Strukturen in dem Bundesstaat Chiapas,
der Schaffung einer kritischen Öffentlichkeit anhand von
Medien sowie des Angebots eines alternativen
Gesellschaftsmodells nach dem Fall der Berliner Mauer und
dem Ende der Sowjetunion. Hierbei verbinden die Zapatisten
den Kampf um indigene Rechte mit globalen Themen wie
Neoliberalismus, Diskriminierung, Rassismus und
Menschenrechte. In diesem Kontext spielte der Subcomandante
eine zentrale Rolle, welcher in seinen Kommuniqués indigene
Mythen und Fabeln mit europäischer Klassik sowie
mexikanische Revolutionsgeschichte mit einer post-modernen
Performanzkultur verbindet. Das diskursive Repertoire der
Bewegung ist breit: schwarze Banner mit roten Sternen,
Masken, philosophierender Käfer Durito, Mayagötter sowie die
Identifikation mit Minderheiten in anderen Ländern. Diese
Praktiken und Gegebenheiten sorgten dafür, dass die
Zapatisten mit Sympathie umspült wurden, so dass
internationale Treffen (Intergaláctica) mit der globalen
Zivilgesellschaft organisiert wurden und zahlreiche NGOs
sich mit der EZLN solidarisierten und Büros in Chiapas
eröffneten.
Die
Weltbekanntheit und die internationalen Netzwerke der EZLN
bekamen einen Dämpfer, als die Zapatisten 2005 mit der 'Otra
Campaña' (Andere Kampagne) ihr Autonomiemodell verkündeten
und den Kontakt zu ressourcenstarken Organisationen aus dem
Globalen Norden abbrachen, um ihrer Abhängigkeit von diesen
ein Ende zu setzen. Die zapatistische Ideologie beruht
hierbei auf drei Pfeilern: Hinterfragung von
Tatsachen (preguntado caminamos – fragend
streiten wir voran), Graswurzeldemokratie (mandar
obedeciendo – das befehlende Gehorchen) und Dialog
(escuchar/hablar – zuhören/sprechen). Auf dieser Basis
wurden autonome zapatistische Gemeinden
(MAREZ) in bestimmten Verwaltungsbezirken
(Caracoles) gegründet, wobei ein Caracol die regionale
Administration der Einheit der MAREZ ist. Die Juntas de Buen
Gobierno (JBG) wiederum sind das ultimative
Entscheidungsorgan, die die exekutive, judikative und
politische Kraft innehaben. Diese bestehen aus
Repräsentanten der MAREZ, wobei die Mitglieder der JBG je
nach Caracol alle acht bis 60 Tage rotieren, um gegen
Korruption und Machtunterschiede präventiv vorzugehen, eine
möglichst hohe politische Partizipation zu erreichen sowie
die Autonomie zu festigen.
In
einem Kommuniqué am 17. August 2019 erklärten die Zapatisten
weitere Gebiete zu ihrem Territorium, so dass nun insgesamt
43 autonome Gemeinden - zwölf Caracoles und 31 MAREZ - unter
zapatistischer Verwaltung stehen. Diese Gebiete zeichnen
sich nicht nur durch Autonomie, Inklusion und
Gemeindevollversammlungen, in denen Entscheidungen
basisdemokratisch gefällt werden, aus. Hinzu kommen eigene
Schulen, Krankenhäuser, Sozialwesen und Kulturstätten. Mit
diesem einzigartigen und innovativen Autonomiemodell
inspirieren die Zapatisten nicht nur zahlreiche linke
Aktivisten, sondern zeigen mit ihrem Aufstand auch, wie eine
indigene Bewegung aus dem Globalen Süden eine Vorreiterrolle
für globalisierungskritische Bewegungen einnehmen, eine
globale Zivilgesellschaft mobilisieren, einen Impuls für
indigene Widerstände in Lateinamerika geben und zahlreichen
Aktivisten als Inspirationsquelle dienen kann. In einer
Zeit, in der rechte politische Parteien weltweit einen
enormen Zuwachs bekommen und viele linke Parteien gegen die
Bedeutungslosigkeit kämpfen, demonstrieren die Zapatisten
ein Gegenprojekt von unten und von links nach dem Motto
'Zapata vive, la lucha sigue' (Zapata lebt, der Kampf geht
weiter).
Chiapas98 Mailingliste
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