Dienstag, 1. Oktober 2019

Auf »Funk«, einem Online-Angebot von ARD und ZDF, macht Franziska Schreiber rechte und extrem rechte Propaganda

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Ausgewogen gegen alles Linke

Erinnern Sie sich noch an Franziska Schreiber? Ah, ja: die Frau, die aus der rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland ausgetreten ist, das Buch »Inside AfD« veröffentlicht hat und anschließend durch die Talkshows gereicht worden ist wie die Wiedergeburt Christi. Denn sie lieferte das, wonach sich so viele Bürgerliche die Finger lecken: ein bisschen Kritik an der AfD, aber nicht zu radikal, auch immer mit einem Appell an »das gute Deutschland« versehen. Schreiber bezeichnete sich zu ihrer Zeit in der AfD als »Anarchokapitalistin«, ein Etikett, das ansonsten primär 15 Jahre alte Jordan-Peterson-Fans, die zu viel Zeit auf 4chan verbringen, stolz vor sich hertragen, und plädierte für das Recht auf Waffenbesitz und Holocaustleugnung. Rechtsradikal war sie natürlich trotzdem nie, versteht sich, weder als sie 2015 in die AfD eintrat und sich dort zur Pressesprecherin von Frauke Petry hocharbeitete, noch bei ihrem Austritt 2017, zu dem es mysteriöserweise zu einem ähnlichen Zeitpunkt kam, als Petry selbst die AfD verließ, um wenig erfolgreich ihre eigene »Blaue Partei« zu initiieren.
Und nun ist Schreiber eben Youtuberin bei »Funk«, dem Online-Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks »für Jugendliche und junge Erwachsene«. Ins Boot geholt hat sie der Webvideoproduzent und Videoblogger Mirko Drotschmann, der es unter dem Namen »MrWissen2Go« als seine Aufgabe sieht, Fragen zu beantworten wie »Woher kommen die ganzen Hipster?«, »Warum ist Afrika so arm?«, »Wie funktioniert die Börse genau?«. Drotschmann geriet in die Kritik, weil er ein Video veröffentlicht hatte, in dem er Abtreibung mit Mord gleichsetzte und in einem Podcast des Machers des Youtube-Kanals »Vulgäre Analyse« auftrat. In dessen Videos werden Frauen herabgewürdigt und Muslime beleidigt. Martin Sellner, der Sprecher der rechtsextremen »Identitären«, zählt zu den Fans.
Auf eine Nachfrage des »neuen deutschland« gibt der zum Südwestrundfunk (SWR) gehörende Online-Kanal »Funk« an, dass Drotschmann mit dem Abtreibungsvideo ein »unglückliches Experiment« gewagt und - als des Teufels Advokat - eine Position eingenommen habe, die nicht seiner eigenen entspräche; inzwischen sei das Video offline und eine Erklärung veröffentlicht worden. Der Podcast mit »Vulgäre Analyse« ist, laut »Funk«, Reaktion darauf, dass sich der Betreiber in »zahlreichen Videos sehr negativ über Drotschmann ausgelassen« habe. In dem Gespräch mit einem Mann, dessen Videos primär aus menschenverachtender Hate Speech bestehen, sollte Drotschmann dann seine »Position klarmachen und sich verteidigen«. Anscheinend hat sich das Reden mit Rechten auch gelohnt, denn in dem Podcast wurde Drotschmann schließlich Folgendes attestiert: »Aus meiner Sicht bist du legit, was den politischen Teil von ›Funk‹ angeht. Der einzige Typ, der kein kompletter Hurensohn ist. Könntest du mir einen anderen nennen, der nicht nur borderline-linksextreme Meinungen vertritt?«
Auftritt Franziska Schreiber: Diese veröffentlicht jetzt Videos mit Titeln wie »Warum Feminismus peinlich und nutzlos ist«, »Seid stolz auf Schwarz-Rot-Gold« und »Schluss mit linker Doppelmoral«. Schreiber hackt dort in der Regel auf populäre Feindbilder der Rechten ein - Feminist*innen, Antifaschist*innen, Tierschutz-Organisationen, dicke Menschen. Feminismus, so führt sie beispielsweise eines der Lieblingsargumente der Feinde von »Gender-Gaga« und MeToo aus, sei früher schon wichtig gewesen, als es noch um elementare Dinge wie Wahlrecht oder Abtreibung ging. Aber inzwischen ginge das einfach alles zu weit, die Weiber lamentierten nur noch über sexuelle Gewalt, anstatt sich einfach mal zu wehren. Wenn der Chef sexistisch sei, dann solle man eben kündigen, empfiehlt Schreiber dann. Und wenn die ganze Branche sexistisch ist? Einfach aussteigen und sich mit anderen Frauen zusammentun. Ja, so einfach ist das! Auf tiefergehende Analysen oder gar Gesellschaftskritik wird vollständig verzichtet. Mehr als Behauptungen, dass der Feminismus nichts bringe, liefert Schreiber nicht, ihre Argumente ließen sich mit ein bisschen Zeit und Mühe einfacher zerlegen als ein Lego-Set für Sechsjährige. Dazwischen finden sich auch ein paar auf den ersten Blick progressiv anmutende Videos zu Drogenlegalisierung oder Klimastreiks, aber der Tenor ist doch der einer bürgerlichen FDP-Wählerin, die nicht nur den Status Quo aufrechterhalten möchte, sondern auch aktiv jene Kräfte bekämpft sehen will, die eine progressive Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse anstreben.
Auf Nachfrage des »neuen deutschland« antwortet die vom ZDF und der ARD getragene Redaktion von »Funk«, dass es ihr um eine »reflektierte und ausgewogene« Berichterstattung ginge: »Diesem Anspruch zu genügen, ist für uns, in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und der herrschenden Tendenz zur Abwertung anderer Positionen als der eigenen, eine wirkliche Herausforderung, die wir versuchen so reflektiert wie möglich anzunehmen (…). Deshalb wollen wir auch ein möglichst großes Spektrum an Positionen und Themen spiegeln, immer unter der Voraussetzung, dass diese Positionen auf den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Der Kanal von Franziska Schreiber ist in diesem Kontext zu sehen.«
Ja, Franziska Schreiber vertritt eine Position der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Antifeminismus, Antikommunismus, Nationalismus, das sind Grundpfeiler eines postnazistischen Deutschland, dem die Demokratie auch erst mal von den Alliierten eingeprügelt werden musste. Schreiber ist gewiss keine Faschistin, aber: Mit Antifeminismus und Propaganda gegen alles Linke bedient sie genau jenes Publikum, das es zwischen Bürgerlichen und Neonazis immer schon gab.

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