Müde vom ziellosen Umherstreifen in der wirklichen Welt, landete ich mit Anfang 20 beruflich in der Staatsbibliothek »Unter den Linden«, einem der größten Wissensspeicher der DDR. Nach einer kurzen Phase in der Kopierabteilung, wo ich Blut leckte, ließ ich mich ins Magazin versetzen.
Bereits auf meinen ersten Gängen durch die Schatzkammer blinkten mir viele Diamanten entgegen: das Deutschlandarchiv, die Schriften der Gruppe 47, Anton Ackermanns Vorstellungen eines »deutschen Wegs zum Sozialismus«, die im Neuen Deutschland der späten 1940er Jahre nur einen Moment das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften, Sartres existenzielle Bücher, Ian Kershaws Stalinkritik – womit sollte man anfangen?! Bei einem Ausflug in die Zeitschriftenabteilung stieß ich auf Siegfried Jacobsohns Schaubühne. Eine Theaterkritik Alfred Polgars, die ich – noch stehend – las, fesselte mich durch ihre Schärfe, ihren Witz, ihre Prägnanz. Ich blätterte weiter, nahm einen Band der Weltbühne in die Hand, wie die Zeitschrift seit April 1918 hieß: dieselbe Qualität, derselbe hohe Anspruch an Genauigkeit und Unbestechlichkeit. Selbst die Artikel zu Politik und Wirtschaft lasen sich spannend wie ein Krimi. Wie hier schwierigste wirtschaftliche Zusammenhänge, die innere Machtstruktur eines Systems aufgedeckt wurden, das gegen Wiederaufrüstung und rechte Bewegungen seltsam scheu, gegen links dafür umso entschlossener vorging, war schon à l’honneur. Zwei Autoren stachen heraus: Tucholsky und Ossietzky. Ihre Texte und ihr Mut bestechen bis heute. Schreibende wie Ossietzky und Tucholsky werden der Maßstab bleiben.
Gern erinnere ich mich an meine Jahre in der Staatsbibliothek. Ich arbeitete nur vier Jahre (bis 1986) dort, doch die Anregungen, die ich in dieser Zeit erhielt, die literarischen Begegnungen mit Tucholsky und Ossietzky gehörten mit zum prägendsten, was es im Leben eines aufgeschlossenen Heranwachsenden geben kann.
Bibliotheken suchen heute nach neuen Konzepten: Unter dem Schlagwort »Smart Library« sollen Büchereien »metropolitane ›Placemaker‹«, »Garanten für die Attraktivität der Stadt«, »Ort der Freizeitgestaltung« mit »›Gaming‹-Angeboten« und noch vieles mehr werden. Das Wort Buch kommt in den Visionen einer künftigen Bibliothekslandschaft weniger vor. – Bleibt zu hoffen, dass künftige Bibliotheksmitarbeiter und -besucher in dieser verwirrenden Vielfalt noch die wahren Schätze wie Schaubühne und Weltbühne und ihre Nachfolge-Zeitschriften vorfinden werden.
Vom 16. April bis 26. Oktober 2013 fuhr Uwe Meißner über 12.500 Kilometer mit dem Fahrrad von Berlin nach Wladiwostok. Von seinen Reiseetappen berichtete er damals in Ossietzky. Im Januar 2017 erschien beim BS-Verlag das Buch zur Reise: »Wladiwostok – Mit dem Fahrrad von Berlin bis ans östliche Ende der westlichen Welt«, 279 Seiten, 12,90 €. Inzwischen ist es auch in russischer Sprache im Anthea-Verlag herausgekommen (304 Seiten, 14,90 €).
Bereits auf meinen ersten Gängen durch die Schatzkammer blinkten mir viele Diamanten entgegen: das Deutschlandarchiv, die Schriften der Gruppe 47, Anton Ackermanns Vorstellungen eines »deutschen Wegs zum Sozialismus«, die im Neuen Deutschland der späten 1940er Jahre nur einen Moment das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften, Sartres existenzielle Bücher, Ian Kershaws Stalinkritik – womit sollte man anfangen?! Bei einem Ausflug in die Zeitschriftenabteilung stieß ich auf Siegfried Jacobsohns Schaubühne. Eine Theaterkritik Alfred Polgars, die ich – noch stehend – las, fesselte mich durch ihre Schärfe, ihren Witz, ihre Prägnanz. Ich blätterte weiter, nahm einen Band der Weltbühne in die Hand, wie die Zeitschrift seit April 1918 hieß: dieselbe Qualität, derselbe hohe Anspruch an Genauigkeit und Unbestechlichkeit. Selbst die Artikel zu Politik und Wirtschaft lasen sich spannend wie ein Krimi. Wie hier schwierigste wirtschaftliche Zusammenhänge, die innere Machtstruktur eines Systems aufgedeckt wurden, das gegen Wiederaufrüstung und rechte Bewegungen seltsam scheu, gegen links dafür umso entschlossener vorging, war schon à l’honneur. Zwei Autoren stachen heraus: Tucholsky und Ossietzky. Ihre Texte und ihr Mut bestechen bis heute. Schreibende wie Ossietzky und Tucholsky werden der Maßstab bleiben.
Gern erinnere ich mich an meine Jahre in der Staatsbibliothek. Ich arbeitete nur vier Jahre (bis 1986) dort, doch die Anregungen, die ich in dieser Zeit erhielt, die literarischen Begegnungen mit Tucholsky und Ossietzky gehörten mit zum prägendsten, was es im Leben eines aufgeschlossenen Heranwachsenden geben kann.
Bibliotheken suchen heute nach neuen Konzepten: Unter dem Schlagwort »Smart Library« sollen Büchereien »metropolitane ›Placemaker‹«, »Garanten für die Attraktivität der Stadt«, »Ort der Freizeitgestaltung« mit »›Gaming‹-Angeboten« und noch vieles mehr werden. Das Wort Buch kommt in den Visionen einer künftigen Bibliothekslandschaft weniger vor. – Bleibt zu hoffen, dass künftige Bibliotheksmitarbeiter und -besucher in dieser verwirrenden Vielfalt noch die wahren Schätze wie Schaubühne und Weltbühne und ihre Nachfolge-Zeitschriften vorfinden werden.
Vom 16. April bis 26. Oktober 2013 fuhr Uwe Meißner über 12.500 Kilometer mit dem Fahrrad von Berlin nach Wladiwostok. Von seinen Reiseetappen berichtete er damals in Ossietzky. Im Januar 2017 erschien beim BS-Verlag das Buch zur Reise: »Wladiwostok – Mit dem Fahrrad von Berlin bis ans östliche Ende der westlichen Welt«, 279 Seiten, 12,90 €. Inzwischen ist es auch in russischer Sprache im Anthea-Verlag herausgekommen (304 Seiten, 14,90 €).
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