IMI-Standpunkt 2018/001
von: Jürgen Wagner | Veröffentlicht am: 9. Januar 2018
Erst am 18. Dezember 2017 veröffentlichte das Weiße Haus die seit einiger Zeit in der Mache befindliche „Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten“
(NSS). In ihr finden sich – normalerweise zumindest – die außen- und
sicherheitspolitischen Prioritäten der Regierung und damit zuallererst
die des Präsidenten. Wohl aufgrund des späten
Veröffentlichungszeitpunkts fand das Dokument wenig Beachtung – zu
Unrecht, denn es bestätigt den Trend, dass diejenigen, die versuchen,
die US-Militärpolitik in die gewohnten (üblen) Fahrwasser
zurückzugeleiten, innerhalb der Regierung – und gegenüber dem
Präsidenten – immer weiter die Oberhand gewinnen.
Als deren mindestens ebenso unappetitlicher Konterpart in der Regierung fungiert ein rechtsradikal-islamophober, aber zum Beispiel relativ pro-russischer Flügel. Der verlor allerdings mit Steve Bannon schon im August 2017 nach seinem Rauswurf aus der Regierung seinen wichtigsten Vertreter. Noch früher erwischte es den ersten Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn, der schon im Februar 2017 – mutmaßlich für seinen zu „weichen“ Moskau-Kurs – wahrscheinlich auf Betreiben der US-Geheimdienste wegen illegaler Kontakte zu Russland seinen Hut nehmen musste. Ersetzt wurde er durch den Russland-Hardliner Herbert Raymond „H. R.“ McMaster unter dessen Ägide nun die Nationale Sicherheitsstrategie angefertigt wurde.
Insofern verwundert es auch nicht, dass die aktuelle NSS im Wesentlichen den Kurs fortsetzt, der bereits mit der „Defense Planning Guidance“ aus dem Jahr 1992 von den Neo-Konservativen eingeschlagen und auch von späteren demokratischen Regierungen mehr oder weniger strikt gehalten wurde. Die USA müssten durch militärische Stärke ihre Vormachtstellung gegenüber jedem potenziellen Rivalen bewahren, so die damalige (und heutige) Kernaussage. In der „Defense Planning Guidance“ wurde das damals folgendermaßen formuliert: „Unser erstes Ziel ist, den (Wieder-)Aufstieg eines neuen Rivalen zu verhüten, sei es auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung der Größenordnung darstellt, wie früher die Sowjetunion. Das ist eine beherrschende Überlegung, die der neuen Verteidigungsstrategie für die Region zugrunde liegt. Dies erfordert es, dass wir versuchen müssen zu verhüten, dass irgendeine feindliche Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen – unter gefestigter Kontrolle – ausreichen würden, eine Weltmachtposition zu schaffen. Zu diesen Regionen gehören Westeuropa, Ostasien, die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion und Südwestasien.“
Ungeachtet teils unterschiedlicher daraus abgeleiteter Politiken im Detail steckte dieser Anspruch den Rahmen sämtliche folgender US-Regierungen ab. Und nachdem sich zunehmend die „Traditionalisten“ in der US-Regierung durchsetzen, macht auch die 2017er Version der NSS hier keine Ausnahme: „China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu untergraben. […] Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht. […] Wir werden den Frieden durch Stärke wahren, indem wir unser Militär neu aufstellen, damit es vorherrschend bleibt, unsere Feinde abschreckt und, sofern erforderlich, in der Lage ist, zu kämpfen und zu siegen. Wir werden mit allen nationalen Machtmitteln sicherstellen, dass Regionen der Welt nicht von einer Macht dominiert werden.“
Insofern stellt etwa Peter Feaver in der Foreign Policy zufrieden fest, die NSS bewege sich „im überparteilichen Mainstream der US-Außenpolitik.“ Derselbe Autor wirft allerdings gleichzeitig die völlig berechtigte Frage auf, inwieweit es sich hier tatsächlich um „Trumps“ Nationale Sicherheitsstrategie handelt. Schließlich weichen die Äußerungen des US-Präsidenten immer wieder teils erheblich von den Positionen der „McMaster-Fraktion“ ab, zu der zum Beispiel auch Verteidigungsminister Jim Mattis und Außenminister Rex Tillerson zählen. Nirgendwo wird dies deutlicher, als in der Frage der US-Politik gegenüber Russland und China, gegenüber denen der Präsident – nicht zuletzt während der Vorstellung des Dokumentes selbst – deutlich konziliantere Töne anschlägt, als „seine“ diesbezüglich recht scharfe Nationale Sicherheitsstrategie.
Dies veranlasste unter anderem Jeremy Shapiro vom „European Council on Foreign Relations“ zu dem zynischen Kommentar, er sei sich nicht einmal sicher, ob der Präsident das Dokument überhaupt gelesen habe. Eine solche Kritik wäre wohl aber auch bei anderen Präsidenten wie etwa George W. Bush zutreffend gewesen, wurde aber damals nie sonderlich laut geäußert. Denn während sich Bush strikt an das neokonservative Kriegsdrehbuch hielt, tanzt Trump ein ums andere Mal aus der Reihe und ist damit schlicht ein Unsicherheitsfaktor, den der „McMaster-Flügel“ nicht gänzlich eingenordet bekommt. „Die eigentlich schwierige Frage besteht darin, wer tatsächlich die US-Außenpolitik bestimmt“, so Shapiro. „Sind es die vernünftig klingenden Generäle und außenpolitischen Experten der republikanischen Partei, die dieses Dokument verfasst haben? Oder ist es der unberechenbare Präsident, der sie am Tag ihrer Veröffentlichung dementierte?“
Dem „McMaster-Flügel“ und den ihm nahestehenden Akteuren auf der anderen Seite des Atlantiks geht, zu denen sich auch Shapiro augenscheinlich zählt, geht es vor allem darum, den US-Präsidenten davon abzuhalten, ihnen ein ums andere Mal in die Parade zu fahren und ihn auf die Rolle eines Grüßaugust zu beschränken. Und abseits regelmäßiger rhetorischer Querschüsse zeigt die praktische US-Politik der letzten Monate, dass dies weitgehend gelingt. Das eigentliche Drama besteht aber darin, dass auch überhaupt nichts damit gewonnen wäre, wenn es sich anders verhalten würde, wie allein das fahrlässig-gefährliche Agieren des US-Präsidenten im Konflikt mit Nordkorea zeigt. Dies offenbart umso deutlicher, dass in den USA vor allem eines fehlt: Eine wirklich friedenspolitische Alternative abseits von Bannon, McMaster oder Trump.
Als deren mindestens ebenso unappetitlicher Konterpart in der Regierung fungiert ein rechtsradikal-islamophober, aber zum Beispiel relativ pro-russischer Flügel. Der verlor allerdings mit Steve Bannon schon im August 2017 nach seinem Rauswurf aus der Regierung seinen wichtigsten Vertreter. Noch früher erwischte es den ersten Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn, der schon im Februar 2017 – mutmaßlich für seinen zu „weichen“ Moskau-Kurs – wahrscheinlich auf Betreiben der US-Geheimdienste wegen illegaler Kontakte zu Russland seinen Hut nehmen musste. Ersetzt wurde er durch den Russland-Hardliner Herbert Raymond „H. R.“ McMaster unter dessen Ägide nun die Nationale Sicherheitsstrategie angefertigt wurde.
Insofern verwundert es auch nicht, dass die aktuelle NSS im Wesentlichen den Kurs fortsetzt, der bereits mit der „Defense Planning Guidance“ aus dem Jahr 1992 von den Neo-Konservativen eingeschlagen und auch von späteren demokratischen Regierungen mehr oder weniger strikt gehalten wurde. Die USA müssten durch militärische Stärke ihre Vormachtstellung gegenüber jedem potenziellen Rivalen bewahren, so die damalige (und heutige) Kernaussage. In der „Defense Planning Guidance“ wurde das damals folgendermaßen formuliert: „Unser erstes Ziel ist, den (Wieder-)Aufstieg eines neuen Rivalen zu verhüten, sei es auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion oder anderswo, der eine Bedrohung der Größenordnung darstellt, wie früher die Sowjetunion. Das ist eine beherrschende Überlegung, die der neuen Verteidigungsstrategie für die Region zugrunde liegt. Dies erfordert es, dass wir versuchen müssen zu verhüten, dass irgendeine feindliche Macht eine Region dominiert, deren Ressourcen – unter gefestigter Kontrolle – ausreichen würden, eine Weltmachtposition zu schaffen. Zu diesen Regionen gehören Westeuropa, Ostasien, die Gebiete der ehemaligen Sowjetunion und Südwestasien.“
Ungeachtet teils unterschiedlicher daraus abgeleiteter Politiken im Detail steckte dieser Anspruch den Rahmen sämtliche folgender US-Regierungen ab. Und nachdem sich zunehmend die „Traditionalisten“ in der US-Regierung durchsetzen, macht auch die 2017er Version der NSS hier keine Ausnahme: „China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu untergraben. […] Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht. […] Wir werden den Frieden durch Stärke wahren, indem wir unser Militär neu aufstellen, damit es vorherrschend bleibt, unsere Feinde abschreckt und, sofern erforderlich, in der Lage ist, zu kämpfen und zu siegen. Wir werden mit allen nationalen Machtmitteln sicherstellen, dass Regionen der Welt nicht von einer Macht dominiert werden.“
Insofern stellt etwa Peter Feaver in der Foreign Policy zufrieden fest, die NSS bewege sich „im überparteilichen Mainstream der US-Außenpolitik.“ Derselbe Autor wirft allerdings gleichzeitig die völlig berechtigte Frage auf, inwieweit es sich hier tatsächlich um „Trumps“ Nationale Sicherheitsstrategie handelt. Schließlich weichen die Äußerungen des US-Präsidenten immer wieder teils erheblich von den Positionen der „McMaster-Fraktion“ ab, zu der zum Beispiel auch Verteidigungsminister Jim Mattis und Außenminister Rex Tillerson zählen. Nirgendwo wird dies deutlicher, als in der Frage der US-Politik gegenüber Russland und China, gegenüber denen der Präsident – nicht zuletzt während der Vorstellung des Dokumentes selbst – deutlich konziliantere Töne anschlägt, als „seine“ diesbezüglich recht scharfe Nationale Sicherheitsstrategie.
Dies veranlasste unter anderem Jeremy Shapiro vom „European Council on Foreign Relations“ zu dem zynischen Kommentar, er sei sich nicht einmal sicher, ob der Präsident das Dokument überhaupt gelesen habe. Eine solche Kritik wäre wohl aber auch bei anderen Präsidenten wie etwa George W. Bush zutreffend gewesen, wurde aber damals nie sonderlich laut geäußert. Denn während sich Bush strikt an das neokonservative Kriegsdrehbuch hielt, tanzt Trump ein ums andere Mal aus der Reihe und ist damit schlicht ein Unsicherheitsfaktor, den der „McMaster-Flügel“ nicht gänzlich eingenordet bekommt. „Die eigentlich schwierige Frage besteht darin, wer tatsächlich die US-Außenpolitik bestimmt“, so Shapiro. „Sind es die vernünftig klingenden Generäle und außenpolitischen Experten der republikanischen Partei, die dieses Dokument verfasst haben? Oder ist es der unberechenbare Präsident, der sie am Tag ihrer Veröffentlichung dementierte?“
Dem „McMaster-Flügel“ und den ihm nahestehenden Akteuren auf der anderen Seite des Atlantiks geht, zu denen sich auch Shapiro augenscheinlich zählt, geht es vor allem darum, den US-Präsidenten davon abzuhalten, ihnen ein ums andere Mal in die Parade zu fahren und ihn auf die Rolle eines Grüßaugust zu beschränken. Und abseits regelmäßiger rhetorischer Querschüsse zeigt die praktische US-Politik der letzten Monate, dass dies weitgehend gelingt. Das eigentliche Drama besteht aber darin, dass auch überhaupt nichts damit gewonnen wäre, wenn es sich anders verhalten würde, wie allein das fahrlässig-gefährliche Agieren des US-Präsidenten im Konflikt mit Nordkorea zeigt. Dies offenbart umso deutlicher, dass in den USA vor allem eines fehlt: Eine wirklich friedenspolitische Alternative abseits von Bannon, McMaster oder Trump.
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