Fulminant strahlt Lutz Godes (sur-)realistische Bildwelt von Riesentableaus mit expressiver Farbigkeit in den Eingangsbereich des Suhler Congress Centrums. Sein Werk, von der Galerie und ihrer Leiterin Gabriele Just begeistert aufgenommen, erregt Aufsehen.
Gode hält der Wirklichkeit seinen Augenspiegel vor. Er fixiert Dinge, indem er sie in Bewegung bringt, zu einer ins Leibhaftige und Zeichenhafte übersetzten Zeitgeschichte. Bedrängende Verhältnisse teilen sich in Godes Malerei, Handzeichnungen und bemalten Papierplastiken in Körpererfahrungen als Bilderfahrung mit. Der Leib, knochengestützt, bewegt von Impulsen der Muskeln und Sehnen, »ein System von Oberflächenkrümmungen« (Lutz Gode), das er farbig überhitzt oder abgekühlt steigert und in einer Fülle an Ausdrucksformen in ein eigenes semantisches System umkodiert. Der emphatischen Erklärung Lutz Godes: »Der menschliche Körper ist als höchste Schöpfung, ein Heiligtum. Er ist schön in seiner Funktionalität«, setzt er sarkastisch spillerige, monströse, verrenkte Körper entgegen. Seine Gemälde sind bevölkert mit lachenden zahnlosen Mündern, die ihre geschwulstartig wabernden Organe zeigen und Schädel schwenken. »Die Körpererfahrung ist eine wichtige Seite unseres Seins. Ein zentraler Teil der Werteverlustwirkung ist der fahrlässige und unwürdige Umgang mit dem Körper«, betont Gode. Was in der Hässlichkeit zynisch wirkt, liegt in der vielschichtigen Sache selbst und nicht in den Bilder und Plastiken von Gode. »Über die Aura der wahrnehmbaren, interessebezogenen Dinge« erschließt sich dem Künstler ihre, wie seine Ausstellung betitelt ist, »Bewunderung & Akzeptanz«.
Der Erfurter Lutz Gode, 1940 im oberschlesischen Beuthen geboren, erlebte vierjährig im eisigen Kriegswinter die sogenannte Heimholung ins Reich, ins fremde Zwickau, wo er aufwuchs. Sein zeichnerisches Talent trat früh zutage, so konnte er sein Abitur an der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät erwerben, die in Dresden als Oberschule mit erweitertem Kunstunterricht ausgeprägt war. Die Arbeiter-und-Bauern-Fakultät war eine Möglichkeit, das bürgerliche Bildungsmonopol zu brechen und die Talente des Volkes zu fördern. Danach ging Gode für ein Jahr in die Produktion und arbeitete als Gießer. Er lernte, Dinge hinter den Dingen zu sehen. Seine kritische realistische Grundhaltung prägte sich bei Heinz Lohmar und bei Gerhard Kettner an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden aus.
Das zeigt die Reihe der etwa 20 ausdrucksstarken, authentische Porträts, in denen die Individualitäten scharf beobachtet und klug wie humorvoll erfasst sind, manchmal mit ironischen bis tragischen Momenten, die das persönliche Drama zeigen. Alte und junge Frauen – das Giftige, getroffen bei »Ilse F.«, die Natürlichkeit und Liebe bei »Marianne C.«, seiner Schwiegermutter. Porträtzitate nach bedeutenden Künstlerkollegen, wie Bronzino, würdigen seine Modelle. Die Porträts »Anja«, von seiner Frau, oder »Julia« sind von berührender Schönheit und Harmonie. Die Ausstellung wirkt als ein Album der Freundinnen und Freunde, wie das Schriftstellerehepaar Wiesigel, und Kolleginnen sowie Kollegen der Pädagogischen Hochschule/Universität Erfurt, wo Lutz Gode als Lehrer für künstlerisches Gestalten von 1966 bis zur Rente Kunsterzieher formte.
Die verschiedenen menschlichen Temperamente und Individualitäten, oft sind es hundert, ergeben für ihn hundert Handschriften. Monströse, metaphorisch überhöhte Gestalten, oft mit »Charaktermaske«, bevölkern die Bilder. Ihre kolossalen Füße sind zu Sinnbildern der Unbeweglichkeit mutiert. Aus den Mundlöchern stoßen Zungen wie die Dolche tötender Worte. Die Aussagekraft von Höhlen, Knochen und Steinen folgt der Weltsprache der Plastik von Henry Moore. In Godes Plastik aus bemalter Papiermaché ist der Rücken des »Erblasttragenden Christophorus«, 2013, von einem Raubtier besetzt; das ICH und ÜBERICH sind im Konflikt mit dem ES. Die Galeristin nennt die Figur »Erdlasttragender Christophorus«, so fälschlich wie andere Titel auch.
Godes Bildthemen und -titel sind provokant, werden teils dadaistisch mit geistvoller ironischer Überbebilderung vorgetragen, wie »Seelsorgender Schattentanz verflüssigt Tageslied in Historienhelle«.
Wenn ich die drei Teile von »Adam & Eva«, 2009, in meiner Erinnerung mit dem »Jugendbild« von 1972 vergleiche, so steht dem optimistischen Alpha des Lebens das problematische Omega gegenüber. Das Menschenpaar hat gelitten und wird mit ihrem weltgeschichtlichen Sündenfall konfrontiert: unter der Baumruine unendlich viele Totenköpfe. Der Kopf von Adam, dem Gott in Form eines Kometenpendels begegnet, hat versteinerte Züge angenommen, dem Kometen ähnlich, der wie eine Abrissbirne gegen ihn ausschlägt. Die von Adam, der Menschheit, veränderte, ökologisch gestörte Welt schlägt gegen ihn zurück, indem sie ihn zwingt, sich dieser selbst verursachten Veränderung anzupassen. Mit solchen Bildern singt Lutz Gode den versteinerten Verhältnissen ihre eigene Melodie vor. Sie damit zum Tanz zu zwingen, wie es ein sehr lebendiger toter Philosoph hoffend aussprach, wäre überfordernd.
Mit ineinandergreifenden Techniken – Acryl, Öl und Aquarell – drängt sich im pluralen Synthesestil auf den Bildflächen ein Tausenderlei von Farb- und Formkontrasten, von Motivmutationen und verschieden gefärbten Körperteilen, die einem Bild die strukturelle Dichte von zehn geben. Das mag kritisch gesehen werden, aber zudem als das, was es unbedingt auch ist: die Aura von Erfindungsreichtum.
Ausstellung »Bewunderung & Akzeptanz« bis 28.1.2018 in der CCS-Galerie, Friedrich-König-Straße 7, 98527 Suhl, Mo bis Fr 13-17, Sa und So 11-17 Uhr
|
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen