Erneut 19 Männer nach Afghanistan abgeschoben. Betroffene wurden einmal mehr zu Straftätern, »Gefährdern« und »Identitätstäuschern« erklärt
Von Jana Frielinghaus
Büro der Hilfsorganisation Save The Children im
afghanischen Dschalalabad am Mittwoch nach einem Angriff von Islamisten:
Afghanistan ist einem UN-Bericht vom Dezember zufolge derzeit das nach
Syrien zweitgefährlichste Land der Welt. Die BRD schiebt weiter dorthin
ab
Foto: Parwiz/ REUTERS
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Die Bundesregierung wie auch die an der Sammelabschiebung am Dienstag abend beteiligten Länder rechtfertigten diese erneut mit der angeblicher Kriminalität der Betroffenen. Abgeschoben werden seit dem schweren Anschlag auf die deutsche Botschaft Ende Mai in Kabul nämlich erklärtermaßen »nur« Straftäter sowie »Gefährder« und Personen, die »hartnäckig die Mitwirkung an der Feststellung ihrer Identität« verweigern. Gerade die beiden letzten Kategorien sind schon formaljuristisch höchst fragwürdig. Die Erfahrungen der letzten Monate haben gezeigt, dass insbesondere letztere vollkommen willkürlich gegen Menschen verwendet wird.
Nach Angaben einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums haben Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland Pfalz, Schleswig-Holstein, aber auch das von Linkspartei, SPD und Grünen regierte Thüringen Personen nach Düsseldorf bringen lassen. 13 Passagiere der Maschine nach Kabul sind demnach Straftäter, der aus Thüringen geschickte ein »Gefährder«, die restlichen fünf sogenannte Identitätstäuscher. Ursprünglich hatten rund 80 Personen nach Kabul geflogen werden sollen. 57 Beamte der Bundespolizei, ein Arzt, ein Dolmetscher und ein Mitarbeiter der EU-Grenzschutzbehörde Frontex waren mit an Bord der Maschine.
Acht Passagiere und damit die große Mehrheit kamen erneut aus Bayern. Nach Angaben der Staatsregierung in München sind drei verurteilte Straftäter und fünf »Mitwirkungsverweigerer«. Insgesamt hatte Bayern, das regelmäßig die meisten Kandidaten auf die Listen für die Abschiebeflüge setzt, 15 Menschen abschieben wollen. Bei sieben von ihnen wurde dies aber nach Angaben von Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrates, verhindert. Bei vier von ihnen sorgten Gerichtsentscheidungen für Verschonung, bei den anderen Krankheit und Einsprüche gegen die Zwangsmaßnahme. Einer der von Abschiebung Bedrohten war der 20jährige Zia Rahman Z., der derzeit eine Ausbildung absolviert. Er sollte schon am 6. Dezember nach Kabul gebracht werden, saß seitdem in Abschiebehaft und stand jetzt erneut auf der Passagierliste des Freistaats (siehe jW vom 18.1.). In seinem Fall stoppte am Dienstag, quasi in letzter Minute, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Rückführung, wie Dünnwald am Mittwoch im Gespräch mit jW berichtete. Der gegen Z. erhobene Vorwurf der Mitwirkungsverweigerung sei nicht ausreichend begründet, hätten die Richter moniert; außerdem hätte sein Antrag auf Duldung wegen eines Ausbildungsverhältnisses berücksichtigt werden müssen.
Unterdessen berichtete Die Welt am Mittwoch unter Berufung auf Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Behörde habe seit 2015 bis Ende 2017 mehr als 82.000 Asylanträge von Afghanen abgelehnt. Von den abgelehnten Asylbewerbern aus dem Land sind nach Angaben der Behörde 14.416 ausreisepflichtig. Die meisten von ihnen – 10.257 – verfügten aber über eine sogenannte Duldung, weil die Rückführung auf absehbare Zeit nicht möglich ist. (mit dpa)
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