Im Bundestag zeigt sich so mancher Abgeordneter wie Mitarbeiter nach den ersten Sitzungstagen überrascht, dass es sich bei den Rednern der AfD in aller Regel nicht um rechte Dumpfbacken oder fanatisierte BDM-Mädels handelt. Die Debatten um Auslandseinsätze der Bundeswehr, Pflegepersonal in Kliniken und Erhöhung des Mindestlohns haben gezeigt: Mit Häme, Überheblichkeit oder pauschalen Rassismus- und Neonazivorwürfen wird der Rechtsaußen-Fraktion im Parlament nicht beizukommen sein. Die pauschale Aus- und Abgrenzung, die manche schon für ein politisches Konzept halten, kann auf Dauer nicht durchgehalten werden und ist auch nicht zielführend.
Wer die Rechten stellen will, muss wissen, wie sie ticken – woher sie kommen und wohin sie wollen. Der linke Soziologe und ehemalige Redakteur der Tageszeitung junge Welt, Thomas Wagner, hat sich zu den rechten Ideengebern und Thinktanks begeben. Im Verlauf der Recherchen für sein Buch »Die Angstmacher« hat der Autor exklusive Gespräche mit Vertretern verschiedener Generationen der Neuen Rechten geführt. Er hat den im Frühjahr 2017 verstorbenen Henning Eichberg, Schöpfer des Begriffs »Ethnopluralismus«, interviewt, Alain de Benoist, den Protagonisten der »Kulturrevolution von rechts«, in Frankreich besucht wie auch mit Frank Böckelmann, einstiger Aktivist der »subversiven Aktion«, über dessen Weg von links nach rechts gesprochen. Er hat den rechten Antaios-Verleger Götz Kubitschek und dessen Frau, die Publizistin Ellen Kositza, auf ihrem Rittergut Schnellroda in Thüringen interviewt. Wagner interessiert sich für seine Gesprächspartner, begegnet ihnen ohne Häme und Hysterie. Er will verstehen, nicht verteufeln. Es muss einem nicht gefallen, was da ins Mikrophon gesprochen wird, interessant und erhellend ist es allemal. Den Österreicher Martin Sellner von der »Identitären Bewegung« hat Wagner als »redegewandten und einen auf sympathische Weise einnehmenden Kopf und Aushängeschild der Poprechten« kennengelernt und schreibt: »Dabei stellte ich mir die Frage, ob es tatsächlich eine gute Idee sei, rechte Intellektuelle vom politischen Diskurs auszuschließen, wie es immer wieder geschieht. Ist der offen geführte Streit nicht der viel bessere Weg, um mit ihnen umzugehen?«
Thomas Wagners Antwort ist klar: Er plädiert für die inhaltliche Kontroverse. Vorbildlich gelungen war dies in der Schlussphase des Bundestagswahlkampfes etwa dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, als der die immer neue Reduzierung der AfD auf provokative Sprüche nicht mehr mitmachen wollte und den »Alternative«-Frontmann Alexander Gauland mit der Aufforderung entzauberte, doch mal das Rentenkonzept seiner Partei darzulegen. Ähnlich FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der in seiner letzten Rede im schleswig-holsteinischen Landtag Mitte Dezember in nur wenigen Sätzen einen AfD-Antrag zur Rückführung von Flüchtlingen als rassistisch entlarvte, ohne dabei patzig, plump oder pauschalierend zu sein. Hier können Linke von den Liberalen lernen.
Im Zuge seiner Arbeit habe sich immer mehr herauskristallisiert, schreibt Wagner, »wie wichtig 1968 für das sich aus vielen ideologischen Strömungen zusammensetzende rechte Lager tatsächlich war«. Das historische Datum markiere den Beginn eines »in sich widersprüchlichen Erneuerungsprozesses«, der bis heute anhalte. Wagner: »Die Revolte der linken Studenten löste eine tiefe Erschütterung aus, auf die das rechte Milieu auf zweifache Weise reagierte. Zum einen liegen hier die Wurzeln des heute in der AfD gepflegten Feindbilds der ›links-grün-versifften Gutmenschen‹ oder des ›Achtundsechzigers‹. Zum anderen begannen junge Rechtsintellektuelle von den Aktionsformen und Themen der Neuen Linken zu lernen.« Thomas Wagner arbeitet heraus, dass »1968« nicht nur Geburtsstunde einer neuen Linken jenseits der Sozialdemokratie war, sondern auch die einer neuen Rechten.
Mit Rechten reden, heißt nicht automatisch, mit ihnen inhaltlich übereinzustimmen oder sich mit ihnen gemein zu machen oder deren Gerede zu akzeptieren und richtig zu finden. Dies wird von vielen Linken leider immer wieder gerne vergessen, wenn sie moralinstark den Diskurs verweigern. Man kann Thomas Wagner für die Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation der Gespräche nur Respekt zollen. Der Autor selbst dankt seinen Interviewpartnern am Ende auch ausdrücklich, dass sie ihm ihre Zeit geschenkt haben. Auch für die journalistische Souveränität ein »Chapeau« an den Autor.
»Nur wer weiß, wie die Akteure wirklich denken, ist in der Lage, angemessen auf ihre Provokationen zu reagieren«, schreibt Thomas Wagner. Sein Buch ist eine wichtige Handreichung für den Kampf gegen rechts, der Autor liefert das Rüstzeug, selbstbewusst und ohne Angst in die Auseinandersetzung zu gehen.
Thomas Wagner: »Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten«, Aufbau Verlag, 352 Seiten, 18,95 €
Wer die Rechten stellen will, muss wissen, wie sie ticken – woher sie kommen und wohin sie wollen. Der linke Soziologe und ehemalige Redakteur der Tageszeitung junge Welt, Thomas Wagner, hat sich zu den rechten Ideengebern und Thinktanks begeben. Im Verlauf der Recherchen für sein Buch »Die Angstmacher« hat der Autor exklusive Gespräche mit Vertretern verschiedener Generationen der Neuen Rechten geführt. Er hat den im Frühjahr 2017 verstorbenen Henning Eichberg, Schöpfer des Begriffs »Ethnopluralismus«, interviewt, Alain de Benoist, den Protagonisten der »Kulturrevolution von rechts«, in Frankreich besucht wie auch mit Frank Böckelmann, einstiger Aktivist der »subversiven Aktion«, über dessen Weg von links nach rechts gesprochen. Er hat den rechten Antaios-Verleger Götz Kubitschek und dessen Frau, die Publizistin Ellen Kositza, auf ihrem Rittergut Schnellroda in Thüringen interviewt. Wagner interessiert sich für seine Gesprächspartner, begegnet ihnen ohne Häme und Hysterie. Er will verstehen, nicht verteufeln. Es muss einem nicht gefallen, was da ins Mikrophon gesprochen wird, interessant und erhellend ist es allemal. Den Österreicher Martin Sellner von der »Identitären Bewegung« hat Wagner als »redegewandten und einen auf sympathische Weise einnehmenden Kopf und Aushängeschild der Poprechten« kennengelernt und schreibt: »Dabei stellte ich mir die Frage, ob es tatsächlich eine gute Idee sei, rechte Intellektuelle vom politischen Diskurs auszuschließen, wie es immer wieder geschieht. Ist der offen geführte Streit nicht der viel bessere Weg, um mit ihnen umzugehen?«
Thomas Wagners Antwort ist klar: Er plädiert für die inhaltliche Kontroverse. Vorbildlich gelungen war dies in der Schlussphase des Bundestagswahlkampfes etwa dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, als der die immer neue Reduzierung der AfD auf provokative Sprüche nicht mehr mitmachen wollte und den »Alternative«-Frontmann Alexander Gauland mit der Aufforderung entzauberte, doch mal das Rentenkonzept seiner Partei darzulegen. Ähnlich FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der in seiner letzten Rede im schleswig-holsteinischen Landtag Mitte Dezember in nur wenigen Sätzen einen AfD-Antrag zur Rückführung von Flüchtlingen als rassistisch entlarvte, ohne dabei patzig, plump oder pauschalierend zu sein. Hier können Linke von den Liberalen lernen.
Im Zuge seiner Arbeit habe sich immer mehr herauskristallisiert, schreibt Wagner, »wie wichtig 1968 für das sich aus vielen ideologischen Strömungen zusammensetzende rechte Lager tatsächlich war«. Das historische Datum markiere den Beginn eines »in sich widersprüchlichen Erneuerungsprozesses«, der bis heute anhalte. Wagner: »Die Revolte der linken Studenten löste eine tiefe Erschütterung aus, auf die das rechte Milieu auf zweifache Weise reagierte. Zum einen liegen hier die Wurzeln des heute in der AfD gepflegten Feindbilds der ›links-grün-versifften Gutmenschen‹ oder des ›Achtundsechzigers‹. Zum anderen begannen junge Rechtsintellektuelle von den Aktionsformen und Themen der Neuen Linken zu lernen.« Thomas Wagner arbeitet heraus, dass »1968« nicht nur Geburtsstunde einer neuen Linken jenseits der Sozialdemokratie war, sondern auch die einer neuen Rechten.
Mit Rechten reden, heißt nicht automatisch, mit ihnen inhaltlich übereinzustimmen oder sich mit ihnen gemein zu machen oder deren Gerede zu akzeptieren und richtig zu finden. Dies wird von vielen Linken leider immer wieder gerne vergessen, wenn sie moralinstark den Diskurs verweigern. Man kann Thomas Wagner für die Vorbereitung, Durchführung und Dokumentation der Gespräche nur Respekt zollen. Der Autor selbst dankt seinen Interviewpartnern am Ende auch ausdrücklich, dass sie ihm ihre Zeit geschenkt haben. Auch für die journalistische Souveränität ein »Chapeau« an den Autor.
»Nur wer weiß, wie die Akteure wirklich denken, ist in der Lage, angemessen auf ihre Provokationen zu reagieren«, schreibt Thomas Wagner. Sein Buch ist eine wichtige Handreichung für den Kampf gegen rechts, der Autor liefert das Rüstzeug, selbstbewusst und ohne Angst in die Auseinandersetzung zu gehen.
Thomas Wagner: »Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten«, Aufbau Verlag, 352 Seiten, 18,95 €
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