Von Gerd Goertz
(Mexiko-Stadt, 19. Januar 2018, npl).- Die Diskussion um das Ende
vergangenen Jahres vom mexikanischen Abgeordnetenhaus und dem Senat
mit den Stimmen der Regierungsmehrheit und Teilen der konservativen
Oppositionspartei PAN verabschiedete Gesetz zur Inneren Sicherheit
(siehe Poonal
Nr. 1281) wird vor dem Obersten Gerichtshof weiter geführt.
Mehrere Tage vor Ablauf der entsprechenden Frist am 20. Januar hatte
bereits die Stadt Cholula eine Verfassungsklage eingereicht. Am
Donnerstag folgten 188 Parlamentsabgeordnete einschließlich
wichtiger Dissident*innen innerhalb der PAN. Die Allianz der
Oppositionsparteien kam damit deutlich über das für die Klage
notwendige Quorum von mindestens einem Drittel aller 500
Mandatsträger*innen im Abgeordnetenhaus. Die Opposition im
mexikanischen Senat kündigte ihre Klage auf Verfassungswidrigkeit
des Gesetzes für Freitag, 19. Januar, an. Am Donnerstag war die
Unterschrift von mindestens 43 der 128 Senator*innen gesichert. Es
wird erwartet, dass auch die staatliche Nationale
Menschenrechtskommission (CNDH) noch mit einer Klage nachziehen
wird.
Das äußerst umstrittene Gesetz überträgt dem Militär eine
Vielzahl von Polizeiaufgaben und weitreichende
Entscheidungsbefugnisse für den Einsatz im Inneren. Begründet wird
dies mit dem notwendigen Kampf gegen die Drogenkartelle. Es gibt
jedoch zahlreiche Befürchtungen, das Gesetz werde genauso dazu
dienen, gegen soziale Proteste und Bewegungen vorzugehen.
Beispiele hat das Militär dafür in der Vergangenheit immer wieder
geliefert. Fehlende Transparenz und Rechenschaftslegung, die dem
Militär durch das Gesetz möglich sind, werden ebenso scharf
kritisiert. Praktisch alle nationalen und internationalen
Menschenrechtseinrichtungen bis hin zur UNO hatten sich deswegen
ausdrücklich gegen das Gesetz ausgesprochen. Das Gesetz verletzt
laut Gegner*innen zahlreiche Verfassungsartikel, darunter mehrere
Grundrechte. Auch das dem Senat zugeordnete Forschungsinstitut
Belisario Domínguez (IBD) kommt in seiner Untersuchung zum
Ergebnis, dass das Gesetz zur Inneren Sicherheit de facto die
Aufhebung von Verfassungsrechten bedeutet und in der Verfassung
niedergelegte Menschenrechte verletzt. Die Stadt Cholula stützt
ihre Klage darauf, durch die Befugnisse für das Militär in ihrer
Autonomie beschränkt zu sein.
Trotz der massiv vorgebrachten Zweifel hatte Präsident Enrique
Peña Nieto das Gesetz noch vor Jahresende verkündet, statt sein
mögliches Veto einzulegen. Über strittige Punkte solle falls nötig
das Oberste Gericht entscheiden, wusch er sich die Hände in
Unschuld. Verteidigungsminister Salvador Cienfuegos betonte,
Marine und Heer würden sich der Entscheidung der
Verfassungsrichter beugen. In einem Land, wo sich das Militär
anders als in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern stets –
gegen die Garantie der Straffreiheit für das Vorgehen der
Streitkräfte – der zivilen Macht unterordnete, wirkt diese
eigentlich selbstverständliche Äußerung fast schon als
unterschwellige Drohung. Kein anderer mexikanischer
Verteidigungsminister hat sich in der Vergangenheit so oft
„politisch“ geäußert wie Cienfuegos. Für die Verabschiedung des
Gesetzes zur Inneren Sicherheit war das Militär ebenfalls
ungewöhnlich offensiv in der Öffentlichkeit eingetreten.
Bisher zehn Menschenrechtsorganisationen aus mehreren Ländern
haben anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Inneren
Sicherheit und der „Verschlechterung der Menschenrechtssituation
im Land“ im vergangenen Dezember das Internationale
Mexiko-Observatorium gegründet. Ein Mitglied ist die
Deutsche Menschenrechtskoordination Mexiko.
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