Sonntag, 29. September 2013

MANIFIESTA 2013

von Jens-Torsten Bohlke Brüssel, 22. September 2013. – Zufriedenheit strahlte Genosse Hendrik Vermeersch in seiner Funktion als Leiter des von der Wochenzeitung SOLIDAIR und dem Verein „Gesundheit für das Volk“ mit stärkster Unterstützung der Belgischen Arbeiterpartei (PVDA/PTB) veranstalteten MANIFIESTA 2013 in Bredene aan Zee nahe Oostende in Belgien aus, als er am 21. September spätnachmittags auf der Hauptbühne in der Einleitung der Abschlussveranstaltung, des Zentralen Momentes, verkündete: „Heute nehmen beinahe 10.000 Menschen an der 4. Auflage der ManiFiesta in Bredene teil.“ Jubel brandete auf. „Wir haben unsere Zielstellung hinsichtlich der Besucherzahlen so gut wie erfüllt.“ Der Genosse neben mir raunzt mir ins Ohr: „Ja, wir freuen uns immer über noch mehr interessierte Menschen.“ Und wir rechnen mal kurz nach, dass sich die Teilnehmerzahl in den letzten 4 Jahren ebenso verdoppelt hat wie die Mitgliederzahl der PVDA/PTB. MANIFIESTA ist das große politisch rote Informations-, Diskussions- und Kulturfestival der fortschrittlichen Kräfte Belgiens. Diesmal war als Regierungsvertreterin die Arbeitsministerin Monica de Coninck von der Sozialistischen Partei zur Diskussion mit zwei Vertretern der beiden mitgliederstärksten Transportarbeitergewerkschaften eingeladen worden, welche tags zuvor noch protestierende Gewerkschafter wie mich durch Polizei daran hindern ließ, ihr unseren Protest in ihr Arbeitsministerium zu überbringen. Alle Veranstaltungen auf der MANIFIESTA laufen zweisprachig in niederländischer und französischer Sprache ab. Im Mittelpunkt der jetzt alljährlich stattfindenden MANIFIESTA steht der antiimperialistische Solidaritätsgedanke auf allen Ebenen des gesellschaftlichen und alltäglichen Lebens der arbeitenden Klassen. Dies beginnt im Belgien heutzutage mit der entschiedenen Absage an die reaktionären bürgerlichen Parteien, welche die Spaltung Belgiens in ein unabhängiges Flandern und eine unabhängige Wallonie betreiben und damit den Sozialkahlschlag beschleunigt fortsetzen wollen. Neben dieser innenpolitischen Ebene Belgiens gibt es die breite sozialökonomische Ebene, die noch wichtiger ist, denn die arbeitenden Klassen werden unter dem ständig sich zuspitzenden Konkurrenzkampf der Monopole immer gnadenloser entrechtet und ausgebeutet, so dass der breite antiimperialistisch-demokratische Kampf die Klassensolidarität der Arbeiter und das gesellschaftliche Bündnis aller antiimperialistisch-demokratischen Kräfte geradezu schreiend auf die Tagesordnung setzt. Kein Wunder daher, dass MANIFIESTA die protestierenden Frauen und Jugendlichen mit der organisierten kämpferischen Arbeiterbewegung zusammenführt, und zwar über Ländergrenzen und kulturelle oder religiöse Unterschiede hinaus. Immer wieder ging es um die Diskussion darüber, wie gemeinsam der sozialen Ungleichheit, dem imperialistischen Konkurrenzkampf mit seinen Folgen bis hin zu Hochrüstung und Krieg sowie der schamlosen und für jedermann sichtbar gewordenen Raffgier der Euro-Milliardäre begegnet werden kann und muss. Es wurde intensiv über die jüngsten Massenentlassungen nicht nur in Belgien, auch in den anderen EU-Ländern wie Griechenland und Spanien oder Italien sowie die Ausweitung der Niedriglöhne in Deutschland und Polen diskutiert. Und immer wieder war man sich einig, dass die kapitalistische Gesellschaft am Ende ist und ihr revolutionärer Sturz auf der Tagesordnung steht, damit die Menschheit endlich weltweit in Frieden und Wohlstand leben kann sowie die sozialen Menschenrechte für jeden Menschen gesichert werden können. Die Entwicklung zur Erreichung gesellschaftlichen Fortschritts verläuft in diesen Jahren in Belgien und innerhalb der EU nicht revolutionär, sondern evolutionär, – auch darin waren sich die diskutierenden Menschen sehr einig. Daher liegt der Schwerpunkt für die Linken im Kampf gegen die Monopole und auch gegen die Folgen ihrer Herrschaft, beispielsweise für die Einführung einer Millionärssteuer und Vermögenssteuer auf die großen privat angehäuften Vermögen der Millionäre. Forderungen wie die nach Absenkung der Mehrwertsteuer auf die Ware Energie und Wasser für den alltäglichen Bedarf in den privaten Haushalten der arbeitenden Menschen sind keinesfalls revolutionär und dennoch von großer Bedeutung für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der arbeitenden Klassen. Ebenso verhält es sich mit den Forderungen nach Verhinderung von Mietwucher durch Begrenzung der Mieten für Wohnraum, nach höheren Löhnen und höheren Renten für die arbeitenden Menschen sowie höheren Sozialleistungen für Sozialfälle. Auch die Forderung nach einem Verbot von Massenentlassungen für multinationale Konzerne wurde erhoben und vielfach unterstützt. Genosse Vermeersch: „Die vielen Festivalbesucher haben die Qualität der Debatten sehr genossen. Wir hatten ein Dutzend größere politische Podiumsdiskussionen diesmal. Es gab Dutzende Konzertauftritte von Musikgruppen. 150 teilnehmende Vereine und Organisationen stellten sich mit Informationsständen vor. Die Bücherstände fanden regen Anklang. Unser Jugendverband COMAC ist aktiv wie nie zuvor dabei gewesen und organisierte einen großartigen Platz der Jugend mit politischen und sogar sportlichen Höhepunkten sowie einer großartigen Betreuung der Kinder auf der PioFiesta im Kinderdorf mit dem Höhepunkt der Kinderdemonstration durch unser gesamtes Gelände. Damit ist das Konzept von ManiFiesta in der Tat einzigartig. Und zu all dem spielte auch noch das Wetter allerbestens mit.“ Ich selbst freute mich über Einladungen nach Kuba, Bolivien, Ekuador, in die Philippinen. Im Anschluss an seinen Auftritt bei einer Podiumsdiskussion über die Menschenrechtssituation konnte ich den Abgeordneten Satur Ocampo von der Partei Bayan Muna über seine Einschätzung zu den Ereignissen derzeit in Zamboanga City sprechen, wo seit ca. zwei Wochen eine ca. 200 Invasoren starke bewaffnete Rebellengruppe der MNLF mit zivilen Geiselnahmen das Hissen ihrer Flagge am Rathaus der sehr stark militärisch befestigten Garnisonsstadt Zamboanga zu erzwingen versuchte und in diesen Tagen nicht nur das Scheitern der gesamten Aktion zu verkraften hat, sondern allgemein dem Ansehen der MNLF als einer großen sozialen Widerstandsorganisation des Bangsamoro-Volkes in den Südphilippinen und materiell wie ideell auch der Bevölkerung in den betroffenen sechs Küstendörfern von Zamboanga City sehr geschadet hat. Mich überraschte sehr ein Informationsstand über Leonard Peltier, der bereits 1973 in den USA politisch inhaftiert war und es mit seinen 90 Jahren immer noch ist, – trotz der Bitte um Begnadigung an US-Präsident Obama. Auf Obama hofften einige auch im Fall der Cuban Five, aber auch da gab wie so oft keinerlei YES WE CAN, sondern lediglich eine Fortsetzung der Arroganz seiner Amtsvorgänger im Weißen Haus. Die Verleihung des SOLIDAIR-Ehrenpreises 2013 war einer der Höhepunkte der MANIFIESTA, und fast 2000 Teilnehmer hatten dazu online abgestimmt. Der Preis ging an ein Netzwerk von Bürgerinitiativen namens „Plattform Recht für Alle – Recht voor iedereen – Justice pour tous“, welches in Belgien gegen eine Umstrukturierung der gesetzlichen Regelung über Rechtsbeistand durch die Regierung kämpft. Christine Mahy von „Réseau wallon de lutte contre la pauvreté – Waalse netwerk voor de strijd tegen armoede – Wallonisches Netzwerk für den Kampf gegen Armut“ nahm den Preis unter Beifall entgegen. Bei der Abschlussveranstaltung, dem „Zentralen Moment“, sprachen dann auch noch Nico Cué, Vorsitzender der Metallarbeitergewerkschaft der ABVV-MWB, Katrien Verwimp, Vorsitzende von ACV Transcom. Adán Chávez Frías’ Grußbotschaft wurde wegen Abwesenheit von einer venezolanischen Teilnehmerin verlesenen. PVDA/PTB-Vorsitzender Peter Mertens griff in seiner Rede den Maßnahmeplan der belgischen bürgerlich-opportunistischen Koalitionsregierung mit scharfen und viel Beifall findenden Worten an. Er nannte die Verquickung der Monopolherren sowie Bankenbesitzer mit den Politikern der bürgerlichen und opportunistischen Parteien eine „aristokratische Klasse“. Er rief dazu auf, dass die arbeitenden Menschen als eigenständige Klasse, die den gesamten gesellschaftlichen Reichtum produziert, mit eigenen Maßnahmen eingreifen und Widerstand leistet. Das Publikum im überfüllten Hauptzelt der MANIFIESTA reagierte begeistert auf diese kämpferische Rede. Sobald die Rede schriftlich veröffentlicht vorliegt, werde ich sie übersetzen. Erstmals berichteten auch große bürgerliche Medien Belgiens über die MANIFIESTA. Insgesamt 4 Fernsehsender von VRT bis RTLB waren vor Ort. Der Bürgermeister von Bredene (SP.a) hatte seiner Freude Ausdruck verliehen, dass die MANIFIESTA alljährlich am Strand von Bredene stattfindet. Einigen meiner Genossen in der PVDA fiel auf, dass keinerlei Organisation aus Deutschland diesmal teilnahm und nicht einmal etwas von der DKP zu sehen gewesen war, so dass sie mich zum zu ihrem anwesenden Vertreter der kommunistischen Bewegung des heutigen Deutschlands ernannten … ich lächelte nur zurück mit der Bemerkung, dass wir Kommunisten auch in Deutschland sehr daran arbeiten müssen, Thälmanns Partei der Arbeiterklasse erneut aufzubauen. Da traf sich gut, dass ein belgischer Kommunist mir auf deutsch erzählte, dass auch in Belgien die kommunistische Partei derzeit nur als Kommunistische Partei der Wallonie und in Brüssel existiert, in Flandern jedoch vor dem Wiederaufbau steht, sich angesichts dieser desolaten fast alle Kommunisten Belgiens in der PVDA/PTB organisiert haben. http://www.manifiesta.be/nl/news/manifiesta-2013-bijna-10000-deelnemers-lanceerden-een-krachtige-solidariteitsboodschap

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