Sonntag, 29. September 2013

Daimler und der WDR: Argentiniens verschwundene Gewerkschafter

Von Karl Faust Um 23.30 Uhr wird die ARD am 23.09.13 den Dokumentarfilm »Mercedes-Benz-Argentina« ausstrahlen. Sein Thema ist die Ermordung von 14 Mercedes-Benz-Gewerkschaftern während der argentinischen Militärdiktatur. Daß sich das deutsche Fernsehen des Themas nach 15 Jahren annimmt, ist zu begrüßen. Jede Erwähnung durchbricht den Nachrichtenboykott. Aber schon der Untertitel des 45minütigen Beitrags vom WDR ist irreführend: »Ein Konzern und seine Verantwortung«, lautet er – als hätte die Firma jemals Verantwortung für die Verbrechen übernommen. Auch die Vorankündigung ist fehlerhaft: »In Argentinien hat die Justiz nach dem Ende der Militärdiktatur festgestellt, es habe eine Komplizenschaft des Unternehmens wegen Mitwisserschaft gegeben«. Schön wär’s. Einer der Überlebenden, Héctor Ratto, hatte 1985 im Prozeß gegen die Junta-Kommandanten als Zeuge ausgesagt, Produktionschef Tasselkraut habe der Polizei bei seiner Verhaftung die Adresse seines Kollegen Núñez mitgeteilt, der in der derselben Nacht verschleppt wurde und bis heute als »verschwunden« gilt. Damals wurde es in der Presse als »Heldentat« Tasselkrauts bewertet, daß er Ratto nicht der Polizei, sondern den Militärs übergab. Rattos Hinweis auf die Adressenübergabe wurde nie nachgegangen. Erst durch den WDR-Hörfunk wurde die Komplizenschaft des Unternehmens 1999 bekannt. Seitdem ist Rattos Geschichte um die Welt gegangen. Die damalige WDR-Produktion über die verschwundenen Betriebsräte stammte von der Journalistin Gaby Weber, die Bücher und einen langen Dokumentarfilm folgen ließ. Daimler mußte eine Untersuchungskommission unter dem Vorsitz des Völkerrechtlers Christian Tomuschat einrichten. Deren Gefälligkeitsgutachten konnte die Vorwürfe nicht widerlegen. Webers 90minütiger Film lief im argentinischen Fernsehen und im dortigen Parlament. Er war in der jW-Ladengalerie zu sehen und ist Beweismittel in einem Verfahren, das die Opfer in den USA angestrengt haben (es ist beim Supreme Court anhängig). Warum hat der WDR eine eigene Produktion bezahlt? Die Autoren erwähnen Weber in ihrem Exposé mit keinem Wort und erfinden, daß »kommunistische Guerillagruppen und Parteien in Argentinien zur realen Gefahr für Mercedes-Benz« geworden waren. Dabei weiß jedes Schulkind, daß die argentinische KP die korrupten Gewerkschaftsbonzen und nach dem Putsch die Diktatur unterstützt hat. Weber erklärte gegenüber jW »sehr enttäuscht«, sie arbeite seit über 30 Jahren für die ARD und habe das Thema seit 2003 in Angeboten an die Redaktion ständig aktualisiert. »Beim Hörfunk wäre sowas nicht passiert.« Ihr Film ist zu finden unter kurzlink.de/wunder-gibts-nicht. Wunder gibt es nicht“ – die Verschwundenen von Mercedes-Benz. Eine Recherche von Gaby Weber Die in Argentinien lebende Journalistin zeigt in ihrem Dokumentarfilm, wie während der Militärdiktatur Gewerkschafter von Mercedes Benz Argentina nachts aus ihren Wohnungen entführt, in Folterzentren verschleppt und ermordet wurden und wie sie die Überlebenden gefunden hat. Es berichten die Opfer und die Manager, darunter der Folterer und Kindesräuber Rubén Lavallén, Sicherheitschef bei Mercedes. Die Firma hat medizinische Geräte für Frühgeburten an das Militärhospital Campo de Mayo geliefert. Dort mussten schwangere Gefangene ihre Kinder zur Welt bringen, bevor sie ermordet wurden. Der Produktionschef, Juan Ronaldo Tasselkraut, erinnert sich, dass die Produktivität wegen Sabotage auf 30 Prozent gefallen war, bis sie normalisiert werden konnte. Ob ein Zusammenhang mit den Morden an den Betriebsräten bestand? „Wunder gibt es nicht, Euer Ehren“, so seine Antwort. Der Film berichtet auch über die Bemühungen, die Täter vor Gericht zu bringen. Die spanische Version des Films wurde zur besten Sendezeit in mehreren südamerikanischen Kanälen gezeigt. Er ist Beweismittel im US-Verfahren gegen die Daimler AG. Er wurde im argentinischen Parlament vorgeführt und soll zum "nationalen Interesse" erklärt werden. Das Labournet hat diesen Fall von Anfang an unterstützt. Das deutsche Fernsehen hat diesen Dokumentarfilm nicht ausgestrahlt, sondern ein anderes Filmteam nachdrehen und kommentieren lassen. Der Film entstand 2003 und jetzt liegt eine aktualisierte Fassung vor. Das Video bei labournet.tv (spanisch mit dt. UT | 90 min | 2003) http://de.labournet.tv/video/6126/wunder-gibt-es-nicht Wer einen unabhängigen und investigativen Journalismus fördern will, kann auf der Seite der Autorin online spenden http://www.gabyweber.com/werke.php Kontakt zur Autorin: gaby.weber@gmx.net Siehe dazu im Archiv des LabourNet Germany Argentinien: Die verschwundenen Betriebsräte bei Mercedes Argentinien http://archiv.labournet.de/branchen/auto/dc/ar/index.html

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