Sonntag, 15. September 2013
Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR (Auszüge)
Von Josef W. Stalin vom 1. Februar 1952
(A) Die Frage des Wertgesetzes (1) beim Sozialismus
Manchmal wird gefragt, ob bei uns, bei unserem sozialistischem System, das Wertgesetz besteht und wirkt.
Ja, es besteht und wirkt. Wo es Waren und Warenproduktion gibt, kann auch das Wertgesetz nicht fehlen.
Die Wirkungssphäre des Wertgesetzes erstreckt sich bei uns vor allem auf die Warenzirkulation, auf den Warenaustausch im Wege von Kauf und Verkauf, auf den Austausch vor allem von Waren des persönlichen Konsums. Hier, auf diesem Gebiet, bewahrt das Wertgesetz, natürlich innerhalb bestimmter Schranken, die Rolle eines Regulators.
Aber die Wirkung des Wertgesetzes ist nicht auf die Sphäre der Warenzirkulation beschränkt. Sie erstreckt sich auch auf die Produktion. Allerdings hat das Wertgesetz in unserer sozialistischen Produktion keine regulierende Bedeutung, aber immerhin wirkt es auf die Produktion ein, und das darf man bei der Leitung der Produktion nicht außer acht lassen. Es handelt sich darum, daß für die Konsumtion bestimmte Produkte, die für die Deckung des Aufwands an Arbeitskraft im Produktionsprozeß notwendig sind, bei uns produziert und realisiert werden als Waren, die der Wirkung des Wertgesetzes unterliegen. Hier zeigt sich gerade die Einwirkung des Wertgesetzes auf die Produktion. Im Zusammenhang damit haben in unseren Betrieben Fragen wie die der wirtschaftlichen Berechnung und der Rentabilität, der Selbstkosten, der Preise u. dgl. m. aktuelle Bedeutung. Deswegen können und dürfen unsere Betriebe nicht ohne Berücksichtigung des Wertgesetzes auskommen.
Ist das gut? Es ist nicht schlecht. Unter unseren gegenwärtigen Verhältnissen ist das wirklich nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler im Geiste einer rationellen Leitung der Produktion erzieht und sie diszipliniert. Es ist nicht schlecht, da er unsere Wirtschaftler lehrt, die Produktionswerte zu berechnen, sie genau zu berechnen und ebenso genau die Sachwerte in der Produktion zu erfassen und nicht über aus der Luft gegriffene „schätzungsweise Angaben“ zu schwätzen. Es ist nicht schlecht, da es unsere Wirtschaftler lehrt, die in der Produktion verborgenen Reserven zu finden und auszunutzen und nicht mit Füßen zu treten. Es ist nicht schlecht, da es unsere Wirtschaftler lehrt, die Produktionsmethoden systematisch zu verbessern, die Selbstkosten in der Produktion zu senken, der wirtschaftlichen Berechnung Geltung zu verschaffen und danach zu streben, daß die Betriebe rentabel seien. Das ist eine gute praktische Schule, die in der gegenwärtigen Entwicklungsetappe die Vervollkommnung unserer Wirtschaftskader beschleunigt und sie rascher zu echten Leitern der sozialistischen Produktion macht.
Das Unglück besteht nicht darin, daß das Wertgesetz bei uns auf die Produktion einwirkt. Das Unglück besteht darin, daß unsere Wirtschaftler und Planer mit wenigen Ausnahmen mit den Auswirkungen des Wertgesetzes schlecht vertraut sind, sie nicht untersuchen und es nicht verstehen, sie bei ihren Aufstellungen zu berücksichtigen. Damit ist eigentlich auch der Wirrwarr zu erklären, der bei uns immer noch in der Frage der Preispolitik herrscht. Hier eines von zahlreichen Beispielen.
Vor einiger Zeit war beschlossen worden, im Interesse des Baumwollanbaus das Verhältnis der Baumwoll- und Getreidepreise zu regeln, die Preise für Getreide, das an Baumwollzüchter verkauft wird, zu präzisieren und die Preise für Baumwolle, die an den Staat abgeliefert wird, zu heben. In diesem Zusammenhang brachten unsere Wirtschaftler und Planer einen Vorschlag ein, der die ZK- Mitglieder in Erstaunen setzen mußte, da nach diesem Vorschlag der Preis für eine Tonne Getreide fast in gleicher Höhe wie der für eine Tonne Baumwolle angesetzt wurde, wobei eine Tonne Getreide im Preis einer Tonne Brot gleichgesetzt worden war. Als die ZK-Mitglieder hierzu bemerkten, daß der Preis für eine Tonne Brot höher sein müsse als der Preis für eine Tonne Getreide, da das Mahlen und Backen zusätzliche Kosten verursachen, und daß Baumwolle überhaupt viel mehr kostet als Getreide, wovon auch die Weltpreise für Baumwolle und Getreide zeugen, wußten die Verfasser des Vorschlags nichts Einleuchtendes zu antworten. Infolgedessen sah sich das ZK genötigt, diese Sache selber in die Hand zu nehmen, die Getreidepreise zu senken und die Baumwollpreise zu erhöhen. Was wäre geschehen, wenn der Vorschlag dieser Genossen Gesetzeskraft erlangt hätte? Wir hätten die Baumwollzüchter ruiniert und wären ohne Baumwolle geblieben.
Hat dies alles jedoch zu bedeuten, daß das Wertgesetz bei uns ebenso großen Spielraum hat wie beim Kapitalismus, daß das Wertgesetz bei uns ein Regulator der Produktion ist? Nein, das hat es nicht zu bedeuten. In Wirklichkeit ist die Wirkungssphäre des Wertgesetzes bei unserem ökonomischen System streng begrenzt, und ihr sind bestimmte Schranken gezogen. Es war schon die Rede davon, daß die Wirkungssphäre der Warenproduktion bei unserem System begrenzt ist und daß ihr bestimmte Schranken gezogen sind. Das gleiche muß auch von der Wirkungssphäre des Wertgesetzes gesagt werden. Zweifellos muß das Nichtvorhandensein von Privateigentum an den Produktionsmitteln und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel in Stadt und Land die Wirkungssphäre des Wertgesetzes und den Grad seiner Einwirkung auf die Produktion begrenzen.
In derselben Richtung wirkt auch das Gesetz der planmäßigen (proportionellen) Entwicklung der Volkswirtschaft (2), das an die Stelle des Gesetzes der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion getreten ist.
In derselben Richtung wirken auch unsere Jahres- und Fünfjahrespläne und überhaupt unsere gesamte Wirtschaftspolitik, die sich auf die Forderungen des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft stützt.
All dies führt in seiner Gesamtheit dazu, daß die Wirkungssphäre des Wertgesetzes bei uns streng beschränkt ist und daß das Wertgesetz in unserem System nicht die Rolle eines Regulators der Produktion spielen kann.
Damit ist eigentlich auch die „frappante“ Tatsache zu erklären, daß das Wertgesetz bei uns trotz des steten und stürmischen Wachstums unserer sozialistischen Produktion nicht zu Überproduktionskrisen führt, während das gleiche Wertgesetz, das beim Kapitalismus eine weite Wirkungssphäre hat, trotz des niedrigen Tempos des Wachstums der Produktion in den kapitalistischen Ländern zu periodischen Überproduktionskrisen führt.
Man sagt, das Wertgesetz sei ein ständiges, für alle historischen Entwicklungsperioden unerläßliches Gesetz, und wenn das Wertgesetz in der Periode der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaft auch als Regulator der Tauschbeziehungen außer Kraft trete, so werde es in dieser Entwicklungsphase als Regulator der Beziehungen zwischen den verschiedenen Produktionszweigen, als Regulator für die Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszweigen in Kraft bleiben.
Das ist absolut falsch. Der Wert ist ebenso wie das Wertgesetz eine historische Kategorie, die mit dem Bestehen der Warenproduktion zusammenhängt. Verschwindet die Warenproduktion, so verschwinden auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz.
In der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaft wird die für die Herstellung der Erzeugnisse aufgewandte Arbeit nicht auf Umwegen, nicht vermittels des Werts und seiner Formen gemessen werden, wie es bei der Warenproduktion der Fall ist, sondern direkt und unmittelbar, durch die Menge der Zeit, durch die Zahl der Stunden, die die Herstellung der Erzeugnisse in Anspruch genommen hat. Was die Verteilung der Arbeit angeht, so wird die Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszweigen nicht durch das Wertgesetz reguliert werden, das zu jener Zeit nicht mehr in Kraft sein wird, sondern durch den wachsenden Bedarf der Gesellschaft an Erzeugnissen. Das wird eine Gesellschaft sein, wo die Produktion durch den Bedarf der Gesellschaft reguliert werden wird und wo die Erfassung des Bedarfs der Gesellschaft für die Planungsorgane erstrangige Bedeutung gewinnen wird.
Völlig falsch ist auch die Behauptung, daß das Wertgesetz bei unserem heutigen ökonomischen System, in der ersten Entwicklungsphase der kommunistischen Gesellschaft, die „Proportionen“ reguliert, in denen sich die Arbeit auf die verschiedenen Produktionszweige verteilt. Würde das stimmen, so wäre es unbegreiflich, warum man bei uns die Leichtindustrie als rentabelste Industrie nicht mit aller Macht entwickelt, warum man sie nicht vor der Schwerindustrie bevorzugt, die häufig weniger rentabel und manchmal auch völlig unrentabel ist.
Würde das stimmen, so wäre es unbegreiflich, warum man bei uns eine Reihe vorläufig noch unrentabler Betriebe der Schwerindustrie, wo die Arbeit der Arbeiter nicht den „gebührenden Nutzeffekt“ zeitigt, nicht schließt und nicht neue Betriebe der unbedingt rentablen Leichtindustrie eröffnet, wo die Arbeit der Arbeiter einen „größeren Nutzeffekt“ zeitigen könnte.
Würde das stimmen, so wäre es unbegreiflich, warum man bei uns die Arbeiter aus wenig rentablen, wenn auch volkswirtschaftlich sehr notwendigen Betrieben nicht in rentablere Betriebe versetzt, laut dem Wertgesetz, das angeblich die „Proportionen reguliert“, in denen sich die Arbeit auf die Produktionszweige verteilt.
Offenbar müßten wir, wenn wir diesen Genossen folgen wollten, zugunsten der Produktion von Konsumtionsmitteln auf das Primat der Produktion von Produktionsmitteln verzichten. Was hieße es aber, auf das Primat der Produktion von Produktionsmitteln verzichten? Das hieße, unserer Volkswirtschaft die Möglichkeit eines ununterbrochenen Wachstums zu nehmen, denn es ist unmöglich, ein ununterbrochenes Wachstum der Volkswirtschaft zu sichern, ohne zugleich das Primat der Produktion von Produktionsmitteln zu sichern. Diese Genossen vergessen, daß das Wertgesetz nur beim Kapitalismus, beim Vorhandensein des Privateigentums an den Produktionsmitteln, beim Vorhandensein von Konkurrenz, von Anarchie der Produktion und von Überproduktionskrisen Regulator der Produktion sein kann. Sie vergessen, daß die Wirkungssphäre des Wertgesetzes bei uns beschränkt ist durch das Vorhandensein des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln, durch das Wirken des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft – , daß es folglich beschränkt ist auch durch unsere Jahres- und Fünfjahrpläne, die eine ungefähre Widerspiegelung der Forderungen dieses Gesetzes darstellen.
Manche Genossen ziehen hieraus den Schluß, daß das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und die Planung der Volkswirtschaft das Rentabilitätsprinzip in der Produktion zunichte machen. Das ist ganz falsch. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Nimmt man die Rentabilität nicht vom Standpunkt einzelner Betriebe oder Produktionszweige und nicht in der Perspektive eines Jahres, sondern vom Standpunkt der gesamten Volkswirtschaft und in der Perspektive, sagen wir, von zehn bis fünfzehn Jahren, was die einzig richtige Einstellung zu der Frage wäre, so hält die zeitweilige und labile Rentabilität einzelner Betriebe oder Produktionszweige keinem Vergleich stand mit der höheren Form einer stabilen und ständigen Rentabilität, die wir dem Wirken des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und der Planung der Volkswirtschaft zu verdanken haben, welche uns die die Volkswirtschaft verheerenden und die Gesellschaft materiell kolossal schädigenden periodischen Überproduktionskrisen ersparen und uns das stete Wachstum der Volkswirtschaft mit seinem hohen Tempo sichern.
Mit einem Wort: es ist nicht zu bezweifeln, daß das Wertgesetz bei unseren heutigen sozialistischen Produktionsbedingungen kein „Regulator der Proportionen“ sein kann, in denen sich die Arbeit auf die verschiedenen Produktionszweige verteilt.
(B) Die Frage des Zerfalls des einheitlichen Weltmarkts und der Vertiefung der Krise des kapitalistischen Weltsystems
Als wichtigstes ökonomisches Resultat des Zweiten Weltkriegs und seiner wirtschaftlichen Auswirkungen muß der Zerfall des einheitlichen allumfassenden Weltmarkts angesehen werden. Dieser Umstand war bestimmend für die weitere Vertiefung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems.
Der zweite Weltkrieg wurde selbst durch diese Krise hervorgebracht. Jede der beiden kapitalistischen Koalitionen, die sich während des Krieges ineinander verkrallt hatten, rechnete darauf, den Gegner zerschlagen und die Weltherrschaft erringen zu können. Darin suchten sie einen Ausweg aus der Krise. Die Vereinigten Staaten von Amerika rechneten darauf, ihre gefährlichsten Konkurrenten, Deutschland und Japan, außer Gefecht setzen, die Auslandsmärkte, die Weltrohstoffressourcen an sich reißen und die Weltherrschaft erringen zu können.
Der Krieg hat diese Hoffnungen jedoch nicht gerechtfertigt. Allerdings wurden Deutschland und Japan als Konkurrenten der drei wichtigsten kapitalistischen Länder – der USA, Englands und Frankreichs – außer Gefecht gesetzt. Aber gleichzeitig fielen China und die anderen volksdemokratischen Länder, die in Europa, vom kapitalistischen System ab und bildeten zusammen mit der Sowjetunion ein einheitliches und mächtiges sozialistisches Lager, das dem Lager des Kapitalismus gegenübersteht. Das Bestehen zweier entgegengesetzter Lager führte ökonomisch zu dem Ergebnis, daß der einheitliche allumfassende Weltmarkt zerfiel, und als Resultat haben wir jetzt zwei parallele, einander gleichfalls gegenüberstehende Weltmärkte.
Es muß konstatiert werden, daß die USA und England wie auch Frankreich, natürlich gegen ihren Willen, zur Bildung und Festigung des neuen, parallelen Weltmarkts beigetragen haben. Sie verhängten über die UdSSR, China und die europäischen volksdemokratischen Länder, die dem System des „Marshallplans“ nicht beitraten, eine Wirtschaftsblockade, um sie auf diese Weise zu erdrosseln. In Wirklichkeit kam es aber nicht zur Erdrosselung, sondern zur Festigung des neuen Weltmarkts.
Immerhin ist das Wichtigste in dieser Angelegenheit natürlich nicht die Wirtschaftsblockade, sondern der Umstand, daß sich diese Länder in der Nachkriegsperiode ökonomisch zusammenschlossen und ihre ökonomische Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe in die Wege leiteten. Die Erfahrungen dieser Zusammenarbeit zeigen, daß kein einziges kapitalistisches Land den volksdemokratischen Ländern eine so wirksame und technisch qualifizierte Hilfe hätte erweisen können, wie sie ihnen die Sowjetunion erweist. Es handelt sich nicht nur darum, daß diese Hilfe zum billigsten Preis erwiesen wird und technisch erstklassig ist. Es handelt sich vor allem darum, daß dieser Zusammenarbeit der aufrichtige Wunsch zugrunde liegt, einander zu helfen und einen allgemeinen ökonomischen Aufschwung zu erzielen. Im Ergebnis haben wir in diesen Ländern ein hohes Entwicklungstempo der Industrie zu verzeichnen. Wie man mit Gewißheit sagen kann, wird es angesichts eines solchen Entwicklungstempos der Industrie bald soweit sein, daß diese Länder nicht nur keiner Wareneinfuhr aus den kapitalistischen Ländern bedürfen, sondern auch selbst die Notwendigkeit empfinden werden, die überschüssigen Waren der eigenen Produktion an dritte abzugeben.
Daraus folgt aber, daß sich die Sphäre, in der die wichtigsten kapitalistischen Länder (die USA, England und Frankreich) die Weltressourcen ausbeuten können, nicht erweitern, sondern verengen wird, daß sich die Bedingungen des Weltabsatzmarkts für diese Länder verschlechtern werden, während die Unterbelastung der Betriebe in diesen Ländern zunehmen wird. Und hierin besteht eigentlich gerade die im Zusammenhang mit dem Zerfall des Weltmarkts eingetretene Vertiefung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems.
Das spüren die Kapitalisten selbst, denn es ist schwer, den Verlust solcher Märkte wie die UdSSR und China nicht zu spüren. Sie bemühen sich, diese Schwierigkeiten durch den „Marshallplan“, durch den Krieg in Korea, durch die forcierte Aufrüstung, durch die Militarisierung der Industrie zu überbrücken. Aber dabei sehen sie sehr nach Ertrinkenden aus, die sich an einen Strohhalm klammern.
(C) Die Frage der Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern
Manche Genossen behaupten, kraft der Entwicklung der neuen internationalen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern aufgehört, unvermeidlich zu sein. Sie sind der Ansicht, daß die Gegensätze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus stärker sind als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern, daß die Vereinigten Staaten von Amerika sich die anderen kapitalistischen Länder hinreichend untergeordnet hätten, um es verhindern zu können, daß sie miteinander Krieg führen und sich gegenseitig schwächen, daß die vorgeschrittenen Männer des Kapitalismus aus den Erfahrungen der beiden Weltkriege, die der ganzen kapitalistischen Welt ernstlich Abbruch getan haben, genug gelernt hätten, um es sich nicht zu erlauben, die kapitalistischen Länder neuerlich in einen Krieg gegeneinander zu zerren, daß all diesem zufolge die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern aufgehört hätten, unvermeidlich zu sein.
Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche flimmernden äußeren Erscheinungen, sehen aber nicht die tiefwurzelnden Kräfte, die, wenn sie auch vorerst noch im Verborgenen wirken, dennoch den Gang der Ereignisse bestimmen werden.
Äußerlich scheint alles in „bester Ordnung“: die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa sowie Japan und die anderen kapitalistischen Länder auf feste Ration gesetzt; Deutschland (Westdeutschland), England, Frankreich, Italien und Japan sind nun in den Krallen der USA und tun gehorsam, was ihnen die USA gebieten. Aber es wäre falsch anzunehmen, daß diese „beste Ordnung“ sich auf „ewige Zeiten“ erhalten könnte, daß diese Länder die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, daß sie nicht versuchen würden, das Joch der amerikanischen Sklaverei abzuschütteln und einen selbständigen Entwicklungsweg zu betreten.
Nehmen wir vor allem England und Frankreich. Zweifellos sind diese Länder imperialistische Länder. Zweifellos haben billige Rohstoffe und sichere Absatzmärkte für sie erstrangige Bedeutung. Kann man annehmen, daß sie die jetzige Lage endlos dulden werden, wo die Amerikaner unter dem Mäntelchen der „Hilfe“ im Rahmen des „Marshallplans“ die Wirtschaft Englands und Frankreichs durchdringen, bemüht, sie in ein Wirtschaftsanhängsel der Vereinigten Staaten von Amerika zu verwandeln, wo das amerikanische Kapital die Rohstoffe und die Absatzmärkte in den englischen und französischen Kolonien an sich reißt und somit für die hohen Profite der englischen und französischen Kapitalisten eine Katastrophe heraufbeschwört? Wäre es nicht richtiger zu sagen, daß das kapitalistische England und anschließend auch das kapitalistische Frankreich zu guter Letzt genötigt sein werden, sich den Umschlingungen der USA zu entreißen und es auf einen Konflikt mit ihnen ankommen zu lassen, um sich eine selbständige Lage und natürlich hohe Profite zu sichern?
Wenden wir uns den wichtigsten besiegten Ländern zu, Deutschland (Westdeutschland) und Japan. Diese Länder fristen jetzt unter dem Stiefel des amerikanischen Imperialismus ein klägliches Dasein. Ihre Industrie und Landwirtschaft, ihr Handel, ihre Außen- und Innenpolitik, ihre ganze Lebensweise sind dem schweren Druck des amerikanischen Okkupations“regimes“ ausgesetzt. Dabei waren diese Länder doch noch gestern imperialistische Großmächte, die die Herrschaft Englands, der USA und Frankreichs in Europa und in Asien in den Grundfesten erschütterten. Anzunehmen, daß diese Länder nicht versuchen würden, wieder hochzukommen, das „Regime“ der USA zu zerschlagen und sich einen selbständigen Entwicklungsweg zu erzwingen, hieße an Wunder glauben.
Man sagt, die Gegensätze zwischen Kapitalismus und Sozialismus seien stärker als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern. Theoretisch ist das natürlich richtig. Das ist nicht nur jetzt, in der Gegenwart, richtig, das war auch vor dem Zweiten Weltkrieg richtig. Und das Verstanden die Leiter der kapitalistischen Länder auch mehr oder minder. Dennoch brach der Zweite Weltkrieg nicht als Krieg mit der UdSSR aus, sondern als ein Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern. Warum?
Erstens, weil ein Krieg mit der UdSSR als dem Land des Sozialismus für den Kapitalismus gefährlicher ist als ein Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern, denn wenn es bei einem Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern nur um das Übergewicht der und der kapitalistischen Länder über andere kapitalistische Länder geht, so steht bei einem Krieg mit der UdSSR unbedingt die Existenz des Kapitalismus selber auf dem Spiel.
Zweitens, weil die Kapitalisten, wenn sie auch zu „Propaganda“zwecken über Aggressivität der UdSSR zetern, selber an eine Aggressivität der UdSSR nicht glauben, da sie die Friedenspolitik der Sowjetunion ins Kalkül ziehen und wissen, daß die Sowjetunion von sich aus die kapitalistischen Länder nicht überfallen wird.
Nach dem Ersten Weltkrieg war man auch der Ansicht, daß Deutschland endgültig außer Gefecht gesetzt sei, genau so wie manche Genossen jetzt denken, daß Japan und Deutschland endgültig außer Gefecht gesetzt seien. Damals wurde auch geredet und in der Presse laut verkündet, die Vereinigten Staaten von Amerika hätten Europa auf feste Ration gesetzt, Deutschland könne nicht mehr auf die Beine kommen, von nun an könne es keine Kriege zwischen kapitalistischen Ländern mehr geben. Aber Deutschland kam wieder hoch und stand kaum 15 bis 20 Jahre nach seiner Niederlage wieder als Großmacht da; es hatte sein Joch abgeschüttelt und einen selbständigen Entwicklungsweg betreten. Dabei ist es charakteristisch, daß es niemand anderes als England und die Vereinigten Staaten von Amerika waren, die Deutschland halfen, sich ökonomisch wiederaufzurichten und sein kriegswirtschaftliches Potential zu heben. Natürlich halfen die USA und England Deutschland, sich ökonomisch wiederaufzurichten, weil sie dabei die Absicht hatten, das wieder hochgekommene Deutschland gegen die Sowjetunion vorzuschicken, es gegen das Land des Sozialismus auszunutzen. Aber Deutschland richtete seine Kräfte in erster Linie gegen den englisch-französisch-amerikanischen Block.
Und als Hitlerdeutschland der Sowjetunion den Krieg erklärte, schloß sich der englisch-französisch- amerikanische Block nicht nur Hitlerdeutschland nicht an, sondern war im Gegenteil genötigt, mit der UdSSR eine Koalition gegen Hitlerdeutschland einzugehen.
Folglich erwies sich der Kampf der kapitalistischen Länder um die Märkte und der Wunsch, ihre Konkurrenten zu ersäufen, praktisch als stärker denn die Gegensätze zwischen dem Lager des Kapitalismus und dem Lager des Sozialismus.
Es fragt sich, welche Garantie dafür besteht, daß Deutschland und Japan nicht wieder hochkommen, daß sie nicht versuchen werden, das amerikanische Joch abzuschütteln und ein selbständiges Leben zu beginnen? Ich denke, solche Garantien gibt es nicht.
Daraus folgt aber, daß die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern in Kraft bleibt.
Man sagt, Lenins These, daß der Imperialismus unvermeidlich Kriege hervorbringe, müsse als veraltet gelten, da heute mächtige Volkskräfte herangewachsen sind, die sich für den Schutz des Friedens einsetzen und gegen einen neuen Weltkrieg auftreten. Das ist falsch.
Die gegenwärtige Friedensbewegung hat das Ziel, die Volksmassen zum Kampf für die Erhaltung des Friedens, für die Verhütung eines neuen Weltkriegs aufzubieten. Folglich setzt sie sich nicht das Ziel, den Kapitalismus zu stürzen und den Sozialismus zu errichten, sie beschränkt sich auf die demokratischen Ziele des Kampfes für die Aufrechterhaltung des Friedens. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die jetzige Bewegung für die Erhaltung des Friedens von der in die Zeit des Ersten Weltkriegs fallenden Bewegung für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg, da diese letztere Bewegung weiterging und sozialistische Ziele verfolgte.
Es ist möglich, daß sich der Friedenskampf beim Zusammentreffen gewisser Umstände hier und dort zu einem Kampf für den Sozialismus entwickeln wird. Aber das wird bereits nicht mehr die gegenwärtige Friedensbewegung sein, sondern eine auf den Sturz des Kapitalismus gerichtete Bewegung.
Am wahrscheinlichsten ist, daß die jetzige Friedensbewegung als eine Bewegung für die Aufrechterhaltung des Friedens im Erfolgsfall zur Verhütung eines BESTIMMTEN Krieges führen wird, zu seinem zeitweiligen Aufschub, zur zeitweiligen Aufrechterhaltung des GEGEBENEN Friedens, zum Abtreten einer kriegslüsternen Regierung und zu ihrer Ersetzung durch eine andere, die bereit ist, den Frieden zeitweilig aufrechtzuerhalten. Das ist natürlich gut. Sogar sehr gut. Aber das ist dennoch nicht hinreichend, um die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern überhaupt aufzuheben. Das ist nicht hinreichend, da der Imperialismus trotz aller dieser Erfolge der Friedensbewegung dennoch bestehen bleibt, in Kraft bleibt und folglich auch die Unvermeidlichkeit von Kriegen in Kraft bleibt.
Um die Unvermeidlichkeit von Kriegen zu beseitigen, muß man den Imperialismus vernichten.
Fußnoten:
(1) WERTGESETZ – ökonomisches Gesetz der Warenproduktion, dem zufolge sich die Waren entsprechend der zu ihrer Reproduktion notwendigen Menge gesellschaftlicher Arbeit, also zu ihrem Wert, austauschen. … Die Waren müssen normalerweise zu einem Preis verkauft werden, der ihrem Wert entspricht, um die materiellen Bedingungen des Reproduktionsprozesses – und damit die Existenzbedingungen der Warenproduzenten – auf einfache ökonomische Weise zu sichern. … Im Kapitalismus erfährt das Wertgesetz eine Modifikation duch die Herausbildung des Produktionspreises bzw. des Monopolpreises. … Durch Schwanken der Preise um den Wert setzt sich das Wertgesetz durch. Jedoch haben starke Abweichungen der Preise vom Wert und ökonomisch unbegründete Preise negative Wirkungen auf den Markt oder auf die Ökonomie der Zeit in der Produktion. … (Ökonomisches Lexikon, Band 2, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1966)
(2) GESETZ DER PLANMÄßIGEN, PROPORTIONALEN ENTWICKLUNG DER VOLKSWIRTSCHAFT – ökonomisches Gesetz des Sozialismus, das die Möglichkeit und Notwendigkeit der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft bei Bestehen des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln, einem hohen Grad der Vergesellschaftung der Produktion und schnellem Anwachsen der Produktivkräfte widerspiegelt. … Es geht dabei um die Sicherung einer harmonischen Entwicklung der Volkswirtschaft mit höchstem Nutzeffekt durch eine bewußte Gestaltung der Proportionen zwischen den Abteilungen I und II der gesellschaftlichen Produktion, zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen den einzelnen Zweigen unter besonderer Beachtung der führenden Zweige der Volkswirtschaft, zwischen Akkumulation und Konsumt¡on, Kauf- und Warenfonds, Arbeitsproduktivität und Durchschnittslohn usw. Dabei müssen die Erfordernisse der technischen Revolution und der internationalen Arbeitsteilung sowie einer rationellen Standortverteilung der Produktion berücksichtigt werden. … (Ökonomisches Lexikon, Band 1, Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1966)
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