Sonntag, 15. September 2013
Zu dem Artikel über die Bergleute in Santo Domingo Chontales
Brief von Ulrich aus Nikaragua
Liebe Genossen!
Zu dem Artikel über die Bergleute in Santo Domingo Chontales, Nikaragua, habe ich Einiges zu sagen. Der Konflikt ist schon eine Weile her. Das war im Februar und März dieses Jahres.
Ich habe dort gearbeitet und eine Goldwaschanlage für die Goldwäscher gebaut. Es ist eine der verwegensten Gegenden Nicaraguas, so ein bisschen wilder Westen.
Es muss mal klar festgehalten werden, dass es sich bei den Goldwäschern (guiriseros) nicht um Bergarbeiter im industriellen Sinn handelt. Das ist keine wirkliche Arbeiterklasse. Es sind Kleinbesitzer, häufig Ausbeuter oder Selbstausbeuter mit einer Mentalität, die ihrer Klassensituation entspricht: Störrische Eigenbrödler, mit einem steilen Hang zum Lumpenproletariat. Ihre Vision ist keineswegs proletarisch. Da kann einer 10.000 U$, von der letzten Schürfe, in seiner Elendshütte unter dem Bett haben, die bringt der schnell durch. Die Elendshütte bleibt die Selbe. Es sind raue Gesellen die sich in harter Arbeit, auf eigene Faust so durch die Berge buddeln. Solidarität ist nicht ihre Stärke, aber sie sind misstrauisch bis zum Anschlag. Da wird auch mal kräftig gesoffen und die „Vendetta“ (Familienrache) kennt man dort auch noch. Das ist jetzt sehr global, aber es ist eine der der extremsten Erfahrungen, die ich in 30 Jahren in Nicaragua gemacht habe und selbst die Nicas aus den anderen Regionen, die im Land geboren sind, sind dort auch nur fast wie in einem fremden Land. Das war Gespräch.
Dann, in den neunziger Jahren kamen die Kanadier (damals mit anderem Namen und anderer Firma) und boten drei mal 5000 U$ für jede Konzession, die die Schürfer hatten. Es waren so um die 200 herum. Da hingen auch noch sogenannte „Opportunistas“ dran, die nicht organisiert waren oder legalisiert, aber eben halt inoffiziell mitbuddelten.
Das Spiel war wie bei den alten Kolonisatoren, Missionaren und Konquistadoren, die die Eingeborenen mit Spiegeln und Glasperlen übers Ohr hauten. Im zentralen Park, wo ein Kiosk stand, fast das einzige wirklich als gastronomisch akzeptables Establishment, ging’s dann rund mit Rum und Gebratenem und großer Verbrüderung. Die Konzessionen wurden beim Saufgelage an die Kanadier verhökert.
Die Kanadier wussten natürlich, was sie wie und warum zu machen hatten, um das Hühnchen in den Käfig zu kriegen. Ich sagte denen noch: „Tut das nicht, verkauft nicht eine einzige Konzession, stärkt lieber eure Kooperative, ihr könnt dabei nur verlieren. Ihr begeht eine apokalyptische Dummheit.“ Allein! Es war vergebens.
Und dann ging’s rund! Jeder bekam die ersten 5000 Dollar. Die gingen Alle in die Kneipe oder zur „Maria pelona“ (Kahle Maria), könnt euch ja vorstellen, wer das ist. Die Musikbox wurde angeschmissen, ein song – zwanzig Dollar.
Ein schlauer Mensch ging dem Ganzen mit der Kamera nach und hat festgestellt: Von all diesen Guiriseros haben nur sieben ihr Geld irgendwie investiert. Die dachten Alle, sie könnten sich jetzt billig eine Finca kaufen. Denkste! Wo jeder 5000 Dollar hat, gehen auch die Preise in die Höhe. Das hatte ich ihnen auch gesagt. Schall und Rauch!
Der langen Rede kurzer Sinn: Die Heuler verprassten die ohnehin mickrigen Linsen für ihr Erstgeburtsrecht mit Pauken, Trompeten und Schalmeien. Das hat sehr wohl etwas mit ihrem Klassencharakter zu tun: die Vison ihres informellen Klassenbewusstseins reichte nicht weiter als bis zum spießig, naiven Geglitzer von Dollardukaten in ihrem Delirium. Und soweit ich ihre Forderung heute sehe, wollen sie jetzt auch nicht mehr. Selbst schnell reich werden.
Es ist eine zum Untergang verurteilte Klasse, so wie die letzten Ritter des Eppelein von Gailingen. Als die 15 000 US-$ in nicht mal einem Jahr glücklich durch waren – der Kommerz vor Ort machte das Geschäft seines Lebens – kam der große Katzenjammer. Und seit dem sind sie am Greinen.
Da hilft kein Zappeln und kein Strampeln, sie werden proletarisiert, ob es ihnen passt oder nicht – das Kapital kennt da keine Gnade. Das Kapital? Oh, die sind sehr schlau, diese Kanadier. So ab und zu machen sie ein Konzessionchen, das wenig kostet und ein paar soziale Investitionen, die ihrem satten Gewinn echt nicht weh tun und sind selbstverständlich immer „dialogbereit“.
Die Kampfform der Geschassten ist ja – genau wie bei den alten Rittern, am Ende – nicht weit weg von der der Wegelagerer. „Ich will jetzt was haben und sperre eine Strasse“. Wenn man hierzulande eine Landstrasse sperrt, dann sperrt man damit gleich eine ganze Region und das Leben wird kompliziert. Wer dabei leidet sind keineswegs die kapitalistischen und imperialistischen Ausbeuter, sondern die Bauern und die Bevölkerung im Allgemeinen, die ja nun wirklich keine Schuld haben.
Nein es sind keine Proletarier, wie in dem Film „Das Salz der Erde“. Es ist Lumpenproletariat und obsoletes Kleinbürgertum, das unter die Mühlen der imperialistischen Ausbeutungswalze der Kapitalkonzentration geraten ist und sich in seiner neuen Klassensituation hoffentlich bald zurechtfindet.
Der Skandal ist in der Tat, dass nach der Revolution diese ganzen Bergwerke und Bergrechte, die vorher Volkseigentum waren, für einen Apfel und drei Erdnüsse an imperialistische Haie verscherbelt wurden und auch jetzt sehe ich nicht, dass der „Antiimperilist“ Daniel Ortega da anders fährt.
Mit kommunistischem Gruß
Ulrich aus Nikaragua
Nicaragua:
Im Bergbaukonflikt wird der Ton schärfer
Von Gerhard Mertschenk
amerika21.de vom 22.02.2013
El Cafetal, Nicaragua. Mehrere Dutzend Verletzte und mehr als 40 Festnahmen ist die Bilanz eines Konflikts zwischen kleingewerblichen Bergleuten und dem kanadischen Unternehmen B2 Gold in der Zentralregion Nicaraguas.
Medienberichten zufolge kam es zu der Auseinandersetzung, als Polizeikräfte eine von protestierenden Bergleuten aus der Ortschaft El Cafetal errichtete Straßensperre räumten, mit der sie B2 Gold davon abbringen wollten, mit dem Abbau im Sektor La 4 zu beginnen, wo der Konzern seit Oktober 2012 Schürfrechte besitzt. Nach Polizeiangaben war das Eingreifen auf Verlangen von Anwohnern erfolgt, die sich durch die Sperre in der beruflichen und Investitionstätigkeit behindert fühlten.
Seit einigen Monaten fordern die aufständischen Bergleute vom Konzern mehrere Millionen US-Dollar Entschädigung, da die Präsenz des Unternehmens sie ihrer Arbeitsmöglichkeiten beraube. Zu den Vorgängen gibt es widersprüchliche Angaben. Gegenüber der Zeitung El Nuevo Diario erklärten Konzernvertreter, bestmögliche Anstrengungen unternommen zu haben, um Lösungen zu finden, aber ohne Erfolg. Die Zeitung berichtet, dass B2 Gold Gespräche initiierte, die darauf gerichtet seien, Arbeitsplätze zu schaffen, über einen würdigen Lohn das Familieneinkommen zu sichern und Kleinstbetriebe für die Bergarbeitergruppen zu gründen und zu finanzieren. Die Entwicklung und der Ausbau des Projekts Jabalí Central (Goldader) habe die Tätigkeiten der gewerblichen Bergleute nicht beeinträchtigt und werde dies auch zukünftig nicht tun.
Der Polizeichef bestätigte inzwischen, dass die Protestierenden zurückgedrängt wurden und die Straße geräumt wurde. Er bezog sich auf die verfassungsmäßige Pflicht, ungehinderten Verkehr und freien Zugang zu den Ortschaften zu garantieren.
Über die Entschädigung hinaus verlangen die Bergleute die Genehmigung für die weitere Förderung kleiner Goldmengen in Gebieten, die sich – so wird versichert – in kommunalem Besitz befinden sowie gerechte Aufkaufpreise.
Laut der nicaraguanischen Exportbehörde trug Gold 2012 circa 432 Millionen US-Dollar zum Export bei, was 15,7 Prozent des unter die Zollgesetze fallenden gesamten Exports entspricht. Im Januar 2013 stand Gold an erster Stelle der nicaraguanischen Exporte und löste damit erstmals den Kaffee ab.
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