Mittwoch, 19. September 2012
Zur Rettung verurteilt? Was ist Europa wert?
Von whs
Arbeiterkorrespondenz auf Kommunisten-online vom 18. September 2012 – Ausnahmsweise übernehme ich mal eine Schlagzeile der Frau Illner, die am Donnerstag mal wieder mit einigen herausragenden Herren und einer weniger herausragenden Dame über den sogenannten „Euro-Rettungsschirm“ salbadern durfte. Gleich noch etwas zur zweiten Dame, es war die allseits bekannte und „beliebte“ Marie-Christine Ostermann, ihres Zeichens Vorsitzende des „Bundesverbandes Junger Unternehmer“.
Die herausragenden Herren, waren Herr Hans-Dietrich Genscher, Herr Volker Kauder, Herr Martin Schulz (SPD/Präsident des EU-Parlaments) und Her Joachim Starbatty (Prof. em. Für Volkswirtschaftslehre an der Universität Tübingen).
Auf die einzelnen Redebeiträge der Damen und Herren möchte ich hier eigentlich nichteingehen, kann jeder auf ZDF-Mediathek nachhören und –sehen. Nur auf einige wichtige Beiträge werde ich näher eingehen.
Zunächst zu unserer Jungunternehmerin. Sie hat noch nicht mitbekommen, dass sie im Zeitalter des Imperialismus, des staatsmonopolistischen Kapitalismus lebt. Sie vermisst schmerzlich die Marktwirtschaft, manchmal sogar die soziale. Sie hat noch nicht mitbekommen, dass sie selbst und ihre ganzen anderen Jungunternehmer ein Auslaufmodell sind. Solange sie die Gewinnmaximierung der Monopole nicht tangieren, dürfen sie durchaus auch etwas Profit machen. Wird der allerdings zu groß und entdeckt ein Monopol, dass es diesen Profit lieber selber haben möchte, geht es der Möchtegernmarktwirtschaftlerin an den Kragen. Im besten Falle wird sie ausbezahlt, im schlimmsten in die Pleite getrieben.
Nur Frau Ostermann mag dies nicht zu begreifen. Weinerlich fordert sie „gleiche Regeln für alle“ (natürlich nur alle Ausbeuter), „Zinsen müssen sich an den Märkten bilden“ usw. usf. Und natürlich hat sie auch die Schuldigen ausgemacht, die Politiker in den Schuldnerländern. Allerdings gesteht sie auch deutschen Politikern „teilweise“ Fehler gemacht zu haben zu.
Herr Starbatty ist der typische bürgerliche Gelehrte, der jedem nach dem Motto „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ bedienen möchte. So meint er denn auch, dass das Bundesverfassungsgericht eine Obergrenze für Zahlungen gesetzt habe, die aber aufgestockt werden müssten, wenn Europa auseinanderzubrechen drohe. Nun frage ich mich, was ist das für eine Obergrenze, wenn sie jederzeit überschritten werden kann? Ist das genauso eine Grenze, wie sie unser Bundesengelchen all die Jahre wirkungslos immer wieder nach oben verschob? Und dann meint er (und lässt damit die Katze aus dem Sack herausblinzeln, dass es um die Rettung Europas ginge, nicht darum, den Menschen zu helfen.
Eine wichtige Erkenntnis hat Herr Starbatty auch gewonnen, indem er feststellte, dass der „griechische Euro“ überbewertet und der „deutsche Euro“ unterbewertet wäre. Wie er dazu gelangte, hat er uns allerdings nicht verraten, auch nicht, ob es mehr „deutsche“ oder mehr „griechische“ Euronen gibt.
Nun bleiben eigentlich nur noch die drei Vertreter der Monopolbourgeoisie übrig. Und die ließen sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen. In trauter Einigkeit demonstrierten sie, dass es weder um das Parteibuch geht, noch um politische Ansichten, es geht darum, der deutschen Monopolbourgeoisie ihren Profit zu sichern.
Lasst mich dazu etwas weiter ausholen. Zunächst einmal waren sich alle drei unisono einig, dass Deutschland und Europa dem Weltfrieden dienen. Nun weiß der geneigte Leser, dass bis zum Ende der DDR tatsächlich keine deutschen Soldaten im Ausland eingesetzt worden sind. Das änderte sich aber nach der „Wiedervereinigung“. Schröder setzte noch durch, dass deutsche Soldaten nicht in den Irak geschickt wurden. Aber schon in Jugoslawien „war man wieder wer“ und mischte auch militärisch kräftig mit. Friedenssicherung? Dann kam Afghanistan und Deutschland war wieder mit dabei. Friedenssicherung? Schließlich jagte man „Piraten“ an Somalias Küste. Friedenssicherung? Und dann sperrten deutsche Kriegsschiffe die Küste des Libanon. Zumindest hier kam es zu keinen Kampfhandlungen.
Und Europa? Frankreich und Großbritannien fielen im Verbund mit anderen EU-Staaten und den USA über Libyen her. Im Moment steht man in den Startlöchern, um Syrien den Garaus zu machen. Friedenssicherung? Geht’s noch, Herr Genscher, Realitätsverlust, Herr Kauder? Oder ist das das jetzt offizielle EU-Politik, Herr Schulz?
Herr Genscher und Herr Schulz machten dann in aller Klarheit deutlich, dass „Deutschland finanziert nicht nur, sondern zieht auch Nutzen“ (Genscher). „Niemand hat so profitiert wie Deutschland. Wir finanzieren ein Sanierungsprogramm in Europa.“ (Genscher) „Die Aufwertung der Deutschen Mark (bei Scheitern des Euro) wäre so hoch, dass der exportorientierte Mittelstand kaputt gehen würde.“ (Schulz) Nun vergaß aber Herr Schulz zu sagen, dass da noch ganz andere exportorientierte Betriebe große Schwierigkeiten bekämen.
Und völlig ließen sie die Katze aus dem Sack, als es um die Sparprogramme in den einzelnen Ländern ging. Schulz: „Italien fährt ein rabiates Sparprogramm.“ Kauder: „Die Bundeskanzlerin hat deutlich gemacht, keine Leistung ohne Gegenleistung.“ Schulz: „Die Staaten können gegen diese Maßnahmen nicht vorgehen, sonst kommen Maßregeln aus Brüssel.“ Schulz: „ Monti hat den Leuten Sparprogramme aufgedrückt, die es noch nie gegeben hat. … Deshalb gibt es ja diese Proteste in Rom und Brüssel.“
Zum Schluss noch das Schlusswort von Herrn Kauder, damit wir die „Demokratie“, die diese Herren meinen, besser verstehen: „Wir haben immer die Mehrheiten, die wir brauchen.“
Dazu kann es aus unserer Sicht nur eine Entgegnung geben. Schaffen WIR die Mehrheiten, die WIR brauchen – nicht nur durch Wahlen!
Rot Front!
Werner
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