06.03.16
„In
der Theorie sind die Genossinnen schon gleichberechtigt, in der Praxis
aber hängt der Philisterzopf den männlichen Genossen noch ebenso im
Nacken wie dem ersten besten Spießbürger.“ Clara Zetkin
Einleitung
Der liberale Feminismus mit seiner Forderung nach formal gleichen Rechten war immer an den Nationalstaat gebunden, der diese Forderungen durchsetzen sollte. Die Frauenbewegung hat in vielerlei Hinsicht die tragischen Niederlagen der Arbeiterbewegung wiederholt. Ihre Kämpfe für Gleichberechtigung führen tiefer in das System hinein statt über dieses hinaus. Der postmoderne Feminismus hat in vielerlei Hinsicht das Erbe des liberalen Feminismus angetreten. Theoretisch werden die Entwicklungen der internationalen Debatte bislang nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und haben auch keinen Eingang in die Praxis gefunden. Das betrifft insbesondere die Idee, dass mehrere Unterdrückungsverhältnisse wie z.B. Rassismus, Sexismus, Klassenunterdrückung (Konzept der Intersektionalität) zusammen gedacht und aufeinander bezogen werden müssen. Daher ist auch die verschärfte Ausbeutung von zumeist nicht-weissen Frauen im Trikont und deren Widerstand oder die Betroffenheit vieler Frauen durch die imperialistische Kriegspolitik des Westens kaum Thema in entsprechenden Demonstrationsaufrufen und Debatten – die Bewegung verharrt stattdessen in reformorientierter Identitätspolitik und damit auf dem Stand der frühen 1990er Jahre. Wir behaupten deshalb, dass insbesondere auch in der autonomen antifaschistischen Bewegung ein solcher Feminismus, der vornehmlich Ansätze der Veränderung der politischen Kultur verfolgt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt dominiert. Die sich daraus für uns ergebenden strategischen Fehleinschätzungen und unsere solidarischen Vorschläge für einen revolutionär verstandenen Feminismus möchten wir im Folgenden vorstellen.
I Die Struktur der Ungleichheit
Das Patriarchat ist eine der ältesten Herrschaftsverhältnisse und hat damit weit vor dem existiert, was wir als kapitalistisches System begreifen. Als Ungleichheitsverhältnis war es daher über die Jahrhunderte unterschiedlichen Einflüssen unterworfen und weist bis heute je nach nationalen, kulturellen, religiösen, geschichtlichen bzw. allgemein gesellschaftlichen Einflüssen unterschiedliche Ausformungen auf. Die Trennung zwischen öffentlich und privat ist wesentliches Strukturmerkmal bürgerlicher Gesellschaften: So ist mit dem aufkommenden Kapitalismus eine bestimmte Ausformung dieses Ungleichheitssystems entstanden, die dem Mann klassischerweise die öffentliche, vergleichsweise privilegierte Position der Lohnarbeit, der Frau die Rolle der privaten, nicht entlohnten Reproduktionsarbeit (Erziehung und Hausarbeit) zuwies. Die Frau übernahm somit auch die materielle und psychische Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft des Mannes. Zwar sind mit den Kämpfen der 1968er Bewegung auch die statischen Rollenmodelle zunehmend in Bewegung geraten, jedoch wurde im Neoliberalismus einmal mehr ein Freiheitsversprechen aufgegriffen, repressiv gewendet und in das System integriert. So findet sich immer noch nahezu die gesamte Bevölkerung in den alten Rollenmustern und der ihr entsprechenden Lebensform der Ehe wieder, welcher zuvor als abweichend geltende Beziehungsmodelle einfach untergeordnet werden. Die von Unternehmerverbänden eingeforderte Flexibilität an den Arbeitsplätzen löst auch traditionelle Sozialbeziehungen und Identitäten tendenziell auf, dies hat aber keine wirkliche Erhöhung von Freiheitsspielräumen zur Folge, sondern die Verschärfung von Leistungsdruck und Konkurrenz. Zwar konnten sich Frauen aus der persönlichen ökonomischen Abhängigkeit von ihren Ehemännern befreien, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen, mit ihrem Eintritt als Konkurrentinnen auf den Arbeitsmarkt wurden sie jedoch bevorzugt in prekäre und nicht existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Schließlich ist es Fakt, dass die Mehrheit der Frauen in den meisten Berufen signifikant weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen, ihr Lohn ist oft als Zuverdienst zur männnlichen Ernährerrolle konzipiert. Das in der Zeit des deutschen Faschismus eingeführte Ehegattensplitting, das diese einseitige Bevorzugung der Konstellation „Ernährer“ und Hausfrau bzw. Zuverdienerin darstellt, ist bis heute Bestandteil des deutschen Steuerrechts. Die Wahl lautet oft genug: schlecht bezahlte Lohnarbeit samt unbezahlter Hausarbeit oder berufliche Verwirklichung auf Kosten der familiären. Heute setzen widersprüchliche Erwartungshaltungen Frauen von verschiedenen Seiten unter Druck: Frau muss schön sein, ihre Erfolge besonders hart erkämpfen und gleichzeitig zuhause für Nestwärme sorgen. Hinzu kommt, dass in der unentlohnten Erziehungsarbeit und in sogenannten helfenden Berufen (Erziehung, Soziale Arbeit, Altenpflege, Krankenhilfe etc.), in sexualisierten Berufsbildern (Stewardess, Sekretärin) und in gering qualifizierten Arbeiten der Anteil von Frauen nach wie vor überproportional hoch ist, was sie weiterhin in die Rolle der Haushüterin zurückdrängt. Durch diese Benachteiligungen und durch ihre erzieherische Rolle sind Frauen wiederum stärker gezwungen, prekäre Arbeitsverhältnisse anzunehmen. Daraus folgt, dass Frauen im Kapitalismus doppelt unterdrückt sind: Einmal sind sie, ebenso wie ihre männlichen Kollegen, der Ausbeutung durch Lohnarbeit unterworfen. Zum Anderen sind sie darüber hinaus sozial und ökonomisch benachteiligt und bis heute systemisch bedingter Ungleichheit unterworfen. Solange der Reproduktionsbereich privat und nicht gesellschaftlich geregelt wird, wird dies auch so bleiben. Feminismen, solange sie dies nicht zum Thema machen, können der systematischen Diskriminierung als dem Grundpfeiler des Patriarchats nichts entgegensetzen und sind somit strukturell sexistisch.
II Rape culture: Die Kultur der Gewalt
Geschlechterverhältnisse sind nicht zuletzt Gewaltverhältnisse: Seit Jahrtausenden und durch die Mehrheit menschlicher Gesellschaften hindurch wurden Frauen systematisch unterworfen und, jeweils historisch unterschiedlich, zum Objekt der Verfügungsgewalt der Männer gemacht. Die bürgerliche Kleinfamilie war und ist nach wie vor Keimzelle des Staates und Hort der Herrschaft. In der Erziehung werden genau jene Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnisse, die das System als Ganzes prägen, im Kleinen immer wieder hergestellt, was sie „natürlich“ erscheinen lässt. Die Naturalisierung gesellschaftlicher Institutionen verklärt daher bestimmte Tätigkeiten zur „naturgegebenen“ und „wesenhaften“ Bestimmung der Frau. Neben der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung werden mit der Trennung in öffentlich und privat bestimmte menschliche Bedürfnisse, wie z.B. Emotionalität, mit Weiblichkeit gleichgesetzt und aus der Öffentlichkeit verbannt. Dem beschriebenen Rollenmuster entsprach die gesellschaftliche Institution der Ehe, die das oben beschriebene ökonomische Ungleichheitsverhältnis in rechtlichen Formen goss und zementierte. Das bürgerliche Gesetzbuch sicherte trotz vorgeblicher Gleichberechtigung im Grundgesetz Ehemännern die Bevormundung ihrer Frauen zu: Noch bis 1958 konnten Ehemänner die Arbeitsverträge ihrer Frauen fristlos kündigen und bis 1977 mussten sie der Arbeitsaufnahme ihrer Ehefrauen zustimmen. Die besondere Form der bürgerlichen Privatsphäre schützte wiederum häuslich-patriarchale Gewalt. Diese wurde bis zur entsprechenden gesetzlichen Anpassung 1992 als Straftatbestand nur in Ausnahmefällen verfolgt, da sie nicht als „von öffentlichem Interesse“ galt. Und noch bis 1997 galt in der BRD auch Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftatbestand; ein Freibrief für die totale Verfügungsgewalt des Mannes über den weiblichen Körper. Die rechtliche und physische Gewalt des Familienpatriarchen über Frau und Kinder definierte exakt den Ausnahmebereich des staatlichen Gewaltmonopols, der aber gerade dadurch dessen Herrschaft in den privaten Bereichen der Gesellschaft auf brutale Weise sicherstellt. Auch der langwierige Kampf gegen den §218 und für das Recht auf Abtreibung ist nur in diesem Kontext der Zurückweisung der männlichen Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper zu begreifen. Aus den genannten Gründen ist wenig überraschend, dass die rape culture gegen Frauen auch im Jahr 2016 ungebrochen anhält, begründet sie sich doch auf die strukturell bedingte Ungleichheit der Geschlechter und eine jahrtausendealten Kontinuität der Gewaltkultur. Laut einer aktuellen Studie der Europäischer Grundrechtsagentur hat bereits jede dritte Frau körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren und jede zweite war mit einer oder mehreren Formen der sexuellen Belästigung konfrontiert. Nur die wenigstens Fälle werden juristisch geahndet – abgesehen davon, dass im patriarchal geprägten Recht ja definiert ist, was überhaupt als Straftat/Vergewaltigung zu gelten hat. Verletzungserfahrungen sind zunächst immer subjektiv und Patriarchat heißt eben auch männnliche Deutungshoheit über weibliche (Körper-)Erfahrung. Dies umzukehren, ist vor allem der Verdienst des aus der feministischen Bewegung stammende Konzepts der Definitionsmacht. Aufgrund unserer Kampfansage an die herrschende rape culture und weil staatliche „Aufklärung“ von Sexualverbrechen für viele Betroffene eine Re-Traumatisierung bedeutet, ist dieses Konzept nach wie vor unser Bezugspunkt für die Thematisierung sexueller Gewalt in unseren eigenen Reihen.
III Zur repressiven Vereinnahmung einer Bewegung
Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte erreichten im vorigen Jahr einen neuen Höchststand und setzen sich auch 2016 unvermindert fort. Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht 2016 wurde die vermeintlich positive deutsche Willkommenskultur medial und politisch gekippt. Männerbündisch organisierte rechte Strassenschläger und Sexisten spielen sich als „Frauenrechtler“ auf, weil sie mit den Übergriffen auf die Körper der Frauen den Anspruch auf „ihr“ deutsches Territorium verletzt sehen. ChauvinistInnen nutzen die Übergriffe in Köln als Vorwand, um gegen Geflüchtete und MigrantInnen (mit oder ohne deutschen Pass) zu hetzen und bürgerliche PolitikerInnen wiederum greifen diese Vorfälle auf und nutzen sie zu einer Verschärfung des ohnehin geschleiften Asylrechts. Diese bürgerlichen Chauvinisten auf der Straße und in der Politik sind es, die das ganze Jahr über den patriarchalen Normalzustand verteidigen und die genau dieselben Taten, werden sie nur von „Deutschen“ begangen, verharmlosen oder verschweigen und damit dafür sorgen, dass sich an der Alltäglichkeit von Diskriminierung und Übergriffen gegen Frauen nichts ändert. Diese hausgemachte rape culture wird auf das „Andere“ und „Fremde“ projiziert. In der globalen Krise des Kapitalismus haben sowohl staatliche Spaltungspraxen als auch die Empfänglichkeit für rassistisches Gedankengut Hochkonjunktur – und Stereotype über Geschlechter ebenso wie über Kulturen halten sich hartnäckig im Alltagsbewusstsein. Dass im Rückgriff auf Frauenrechte und Emanzipation in einem breiten neoliberalen Parteikonsens gegen Geflüchtete Stimmung gemacht werden kann, und dass sich inzwischen auch RechtspopulistInnen Frauen- und Homosexuellenrechte auf die Fahnen schreiben, wo es um die Verteidigung „ihres Abendlandes“ geht, zeigt uns: Zwar haben auf juristischer und formeller Ebene die Frauenbewegung der 1960er und 70er Jahre und die daran anschließenden Third Wave/LGBTIQ-Bewegungen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Queere) wichtige Reformen erkämpfen können, jedoch sind diese, wie alle Fortschritte im Kapitalismus, eine Sysiphos-Angelegenheit und fortwährend von Zurücknahme oder Vereinnahmung bedroht. So fand in den Jahrzehnten nach 1968 eine schrittweise Integration des reformorientierten Teils der Frauen- und LGBT-Bewegung in die herrschende Politik statt, d.h. genau jenen Teils, der den Kampf um die Befreiung der Frau nie revolutionär und antikapitalistisch, sondern als Kampf um Gleichstellung innerhalb des Systems verstanden hat. Im Zuge dieses Integrationsprozesses wurden legitime Forderungen repressiv gewendet. Einerseits in Form von Menschenrechtsrethorik und der Propagierung von Frauen-und LGBTIQ-Rechten/Quoten zur Legitimierung von Kriegseinsätzen (Afghanistankrieg zur Befreiung der Frau von der Burka) – mit der Begleitmusik des antimuslimischen Rassismus. Andererseits als Stichwortgeber in der Innenpolitik für Kampagnen gegen Zuwanderung, „kriminelle Ausländer“, „den Islam“, „Parallelgesellschaften“ usw. und dazugehörige polizeiliche und ordnungspolitische Maßnahmen. Auch die Popularität von sogenannten „Pick-Up-Artists“, die in ihren Seminaren Vergewaltigungen an Frauen ganz legal als Aufreiss-Qualifikationen verkaufen können oder die in PEGIDA und anderswo aktiven AbtreibungsgegnerInnen und Maskulinisten sind ein konkreter Ausdruck solcher Roll-Back-Bemühungen. Aufgrund des Aufgehens des reformorientierten Feminismus im Mainstream oder, noch schlimmer, seiner Funktion als Stichwortgeber für die reaktionäre Agenda der Neuen Rechten muss eine antifaschistische Linke die dissidente und revolutionäre Tradition des Feminismus und der ArbeiterInnenbewegung aufgreifen und sie konträr positionieren: radikal und materialistisch statt liberal und reformistisch, klassenkämpferisch und revolutionär statt national und reaktionär, antiimperialistisch statt kriegstreiberisch, antikolonial statt eurozentristisch und international-solidarisch an der Seite der Kämpfevon Frauen, LGBTIQs und ArbeiterInnen in aller Welt.
IV Die Alternativen: Internationalismus…
Spätestens hier wird klar: Das Thema rape culture ist kein alleiniges Problem der „Fremden“ oder der Gesellschaften der „Dritten Welt“, sondern vielmehr ein nur allzu gerne totgeschwiegenes oder verharmlostes in den imperialistischen Metropolen. Das Patriarchat nimmt international unterschiedliche Formen an – jeweils bedingt durch die sehr unterschiedlichen soziokulturellen Koordinaten der jeweiligen Regionen und Länder. Global gesehen verrichten Frauen nahezu die gesamte Subsistenzwirtschaft (Landwirtschaft zum unmittelbarten Eigenbedarf). In weiten Teilen der Welt dominieren Billigarbeit/Hungerlöhne und Sextourismus, werden Frauen als Ehefrauen oder Dienstmädchen gehandelt. Entsprechend sind die Kämpfe der vom Patriarchat Betroffenen unterschiedlich. Es ist dann auch wenig verwunderlich, dass beispielsweise die Frauenbewegung in Rojava (Westkurdistan) aufgrund der ungemein schärferen Repression vor Ort einen viel militanteren Ausdruck findet als beispielsweise in Europa. Dies spiegelt sich auch in den Kämpfen wider: So werden von der kurdischen Bewegung Frauenzentren geschaffen, in denen sich Frauen überhaupt erstmal im öffentlichen Raum bewegen und dort gemeinsam über Probleme oder Übergriffe austauschen können. Auch kämpfen kurdische Frauen bewaffnet in eigenen Einheiten. Dass Frauen in Indien und Bangladesh häufig an Klassenkämpfen beteiligt sind und mit den Gewerkschaften an vorderster Front streiken, ist Ausdruck der noch verschärften neokolonialen Klassenunterdrückung vor Ort. Da europäische Frauen insbesondere der Betroffenheit von Krieg, rassistischer Diskriminierung und der verschärften Klassenunterdrückung im Trikont entzogen sind, sind sie global betrachtet vergleichsweise privilegiert. Die europäische Frauenbewegung war, wie insbesondere der „black feminism“ herausgearbeitet hat, jedoch häufig blind sowohl gegenüber der verschärften Klassenunterdrückung, als auch gegenüber neokolonialer und rassistischer Politik. Genau jener provinzielle weiße Mittelstandsfeminismus ist es eben auch heute, der in der herrschenden Kriegs- und Verarmungspolitik aufgeht. Eine revolutionäre Frauenbewegung in den westlichen Ländern hat entgegen solcher bereitwilligen Eingliederung in das Programm der Herrschenden die Aufgabe, die internationale Solidarität mit anderen Kämpfen zu suchen, von ihnen zu lernen und eigene Privilegien zu hinterfragen, anstatt die mittlerweile genderneutrale westliche Geld- und Militärmacht als vermeintlich alternativlosen Fortschrittsbringer zu preisen.
…und Antirassismus als Antiimperialismus!
Die Verhältnisse im Kapitalismus sind real geprägt durch Lohnarbeit, Sexismus und Rassismus – Race, class und gender. Antirassismus kann dabei nur als Teil antiimperialistischer Strategie wirksam werden, weil er sonst entweder nur ideologiekritisch oder rein humanitär bleibt oder den staatlichen Anteil an der Verursachung von Flucht und Migration (Krieg, Armut, Abschottung) übersieht. Denn der globale Kapitalismus ist nach wie vor angewiesen auf die Aufrechterhaltung neokolonialer Strukturen. In den Peripherien existieren, offener als in den Metropolen, patriarchale und – oft durch imperialistische Einflussnahme – barbarisierte Verhältnisse, Krieg und Gewalt, denen die Menschen ausgesetzt sind und vor denen sie zu uns fliehen. Die „Flüchtlinge“ als homogene Masse gibt es dabei aber nicht. Es wäre eine Fetischisierung anzunehmen, dass es sich bei den hier Ankommenden prinzipiell um moralisch integere Menschen handelt und die Annahme einer homogenen fremden Masse ist strukturell rassistisch. Diese Problemkonstellation mit allen erwartbaren Widersprüchen als Ausgangslage für die eigene antirassistische und klassenkämpferische Arbeit gilt es entgegen allen Idealisierungen zur Kenntnis zu nehmen. Reaktionäre Tendenzen in den migrantischen Communities sollten für die Linke kein Tabu sein. Die Folgen sind ansonsten pauschalisierte Fehleinschätzungen und „positiver“ Rassismus. Aber ebensowenig wie in puncto sexualisierte Gewalt Täter herkunftsbezogen verurteilt werden dürfen, dürfen deshalb solche Taten relativiert werden. Niemals dürfen Sexismus und Rassismus gegeneinander ausgespielt werden. Die Kämpfe dagegen gehören zusammen und zu den Grundprinzipien linker Politik. Unsere Prinzipien aber sind nicht verhandelbar, ohne dass wir unseren Anspruch als Ganzes preisgeben.
V Zur Kritik des szeneorientierten Feminismus
In Deutschland dominiert eine sehr einseitige Rezeption der Queer Theory. Postmoderne Ansätze, die Wertvolles zur Veränderung kultureller (Verhaltens-)Muster liefern (z.B. die Befreiung von Zwängen denen Körper, Geschlecht und Sexualität unterworfen sind), werden nicht auf das strukturelle Problem von Klassenherrschaft, Patriarchat und Neo-Kolonialismus rückbezogen. Die feministische Bewegung jenseits des Mainstreamfeminismus weist zudem zunehmend subkulturelle und autistische Tendenzen auf. Das wurde und wird auch begünstigt, dies müssen wir selbstkritisch feststellen, durch die Ignoranz vieler Gruppen für feministische Politik. In den Diskursen und Praxen dominieren dann auch die für Subkulturen typischen identitätsstiftenden, ab- bzw. ausgrenzenden und individualisierenden Einstellungen. Ein solcher Ansatz kann bestenfalls kulturrevolutionär sein, das Patriarchat als gesellschaftliches Verhältnis und Strukturmerkmal gerät so aus dem Blick. Die zumeist identitätspolitischen Interventionen richten sich folgerichtig meist an kulturelle oder politische „Szenen“, auf die Selbstvergewisserung aktiver Gruppen und deren vermeintliche oder tatsächliche sexistische Praxis oder gegen vermeintliche oder tatsächliche sexistische Aussagen von Künstlern. Nicht nur laufen diese Interventionen in aller Regel strafpädagogisch, feindselig und unsolidarisch ab, auch finden eine inflationäre Anwendung und uferlose Ausdehnung einst kritischer Begriffe wie etwa des Sexismusvorwurfs oder des Mackervorwurfs statt, die selbst ins Repressive kippen. Die jüngsten Versuche der Überdehnung des Definitionsmachtkonzepts etwa auf nicht gewalttätiges, rassistisches oder überhaupt diskriminierendes Verhalten sind unseres Erachtens kontraproduktiv. Zwar sind die Grenzen zwischen psychischer und physischer Gewalt zuweilen fließend, dennoch gilt es, die qualitativen Unterschiede unmittelbarer sexualisierter Gewalt nicht zu verwischen, um diese nicht zu verharmlosen. Einerseits werden Begriffe untauglich gemacht, wenn sie ihres eigentlichen Inhalts beraubt werden, andererseits handelt es sich damit um das Eingeständnis der eigenen Niederlage. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Uns begegnet immer wieder das Argument, Männern sollte das Ausziehen ihres T-Shirts (z.B. innerhalb einer Konzerträumlichkeit) deshalb verweigert werden, weil dies ein männliches Privileg sei. Frauen könnten dies nicht tun, ohne sexuellen Übergriffen ausgesetzt zu sein, so die Begründung. Das ist soweit nicht falsch. Wohl aber die daraus gezogenen Konsequenzen. Es ist kein Zeichen von Souveränität, dass man sexuelle Übergriffe mit dieser Logik anscheinend nicht verhindern oder zumindest offensiv beantworten, sondern lediglich durch Anpassung des eigenen Verhaltens vermeiden will. Das ist, zumal wenn es sich um autonome Räume handelt, mehr als fraglich. Besser wäre es, auf respektvoller Beachtung der jeweiligen – und durchaus verschiedenen – Grenzen Anderer bei gleichzeitiger Autonomie und Freizügigkeit zu beharren (Nein heisst Nein!). Sowie selbstbewusst und offensiv (Mein Körper gehört mir!) wie die viel radikalere Post-1968-Bewegung für die Befreiung der Sexualität oder die Slut Walks heutiger Tage gemeinsam dafür zu kämpfen, dass Frauen sich nackt bewegen oder so „sexy“ anziehen können wie sie möchten, anstatt dass Männer und Frauen ihre Körper gleichermassen verdecken müssen – eine sehr lust- und körperfeindliche „Lösung“. Wir sollten Privilegien auch für Frauen erstreiten und sie damit in der Verallgemeinerung aufheben, anstatt uns der verlogenen Moral des Systems, das sich Nacktheit nur noch als Ware vorstellen kann, auch in den eigenen Reihen und Räumen zu beugen. Sonst drohen Fehlentwicklungen mit verhängnisvollen Folgen, akzeptieren wir damit doch insgeheim die Universalität patriarchaler Prinzipien und verlagern die Koordinaten unserer Politik immer weiter ins rückwärtig-defensive.
VI Die Rolle der politischen Widerstandsbewegung
Es ist ein trauriger Fakt, dass auch 2016 die Kultur der misogynen Gewalt und Benachteiligung alltäglich ist, d.h. dass sie auch vor den Reihen der linken Bewegung nicht Halt macht. Linke Zusammenhänge sind nichts der Gesellschaft äußerliches, sondern von deren Widersprüchen durchzogen. Dass dies so ist, ist zunächst einmal wenig überraschend – schließlich stehen wir alle nicht außerhalb der Gesellschaft und sind mit der Kultur der Ungleichheit sozialisiert worden. Uns erscheint es daher richtig, mit der Bekämpfung dieser Phänomene in den eigenen Zusammenhängen und Räumen zu beginnen. Unser Arbeitsschwerpunkt sollte dabei aber primär auf der Aufdeckung und Bekämpfung der strukturellen Ungleichheitsmomente liegen, was nicht bedeutet, dass wir kulturelle Muster (z.B. Sprache, Verhalten) als Austragungsort ausschließen. Wir glauben aber, dass sich mit der Veränderung der Strukturen auch eine Veränderung der Kommunikation ergibt. Anders ausgedrückt: Wo bereits strukturell ein fruchtbarer Boden für ausschließende Politik existiert, da wird auch der machtvolle Gebrauch von Sprache verstärkt zur Geltung kommen. Auch die Frage, wann und wie Plena und damit Entscheidungsmechanismen organisiert werden, sagt etwas über unsere eigenen Sozial- und Geschlechterverhältnisse aus und kann elitär und ausschließend wirken. Gerade aufgrund der geschilderten rape culture ist auch die Erkämpfung und Verteidigung von Frei- und Schutzräume nach wie vor essenziell. Unter Freiräumen verstehen wir eigene Räume, in denen wir die Aktivitäten nach solidarischen Prinzipien zu organisieren versuchen, die aber tendenziell offen sind, so dass sich Widersprüche dort nicht heraushalten lassen. Schutzräume sind per Definition ausschließend (z.B. Frauenhäuser), weil sie von Gewalt Betroffenen Zuflucht bieten und von deren Bedürfnissen bestimmt werden sollten. Es geht aber darüber hinaus um die Reflexion von Privilegien, um Ermutigung, die Möglichkeiten zum Empowerment und den gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen. Unsere Räume und Strukturen sollten es Menschen ermöglichen, Stärken und Kompetenzen auszubilden, um sich widerständig zu behaupten und gegen die erdrückende Mehrheitskultur zur Wehr zu setzen. Solche und ähnliche Maßnahmen sollen garantieren, dass unsere Zusammenhänge keine bloße Fortsetzung der hiesigen Ungleichheitskultur sind, sondern Orte der positiven Verstärkung sein und Ausgangspunkt für gesellschaftliche Veränderung werden können. Das Private ist und bleibt politisch. Kritik und Selbstkritik als Methode bleiben zentral für eine revolutionäre Praxis – auch, aber nicht nur in der feministischen Arbeit. Die Spaltungslinien der bürgerlichen Gesellschaft werden von uns zunächst vorgefunden, sind aber nicht ein für alle mal erstarrt, sondern werden täglich neu hergestellt. Sie können aber auch theoretisch in Frage gestellt und praktisch unterlaufen werden. Wir alle sollten uns fragen, wie wir aufhören können, das Bestehende täglich immer weiter zu reproduzieren.
Fazit
Heute könnten wir längst selbstbestimmt und solidarisch leben: Die Produktion notwendiger Güter und die Zeit für die (Für-)Sorge und Pflege eigener wie fremder Bedürfnisse könnten gesellschaftlich so organisiert werden, dass genügend Zeit für Selbstverwirklichung, Bildung, Muße und Entspannung sowie für gemeinsame politische Gestaltung bliebe. Das allerdings ist erst jenseits des Kapitalismus machbar. Eine klassenkämpferische Politik hat somit nicht nur auf die zusätzliche Benachteiligung von Frauen im Arbeitsbetrieb Rücksicht zu nehmen, sondern muss auch den Reproduktionsbereich ins Visier nehmen – eben genau jenen Teil der unbezahlten Arbeit, der in der Abgeschiedenheit der Privatsphäre stattfindet! Ein Kapitalismus ohne Patriarchat ist ebenso unvorstellbar wie ein Kapitalismus ohne Nationalstaat. Letztendlich ist das Patriarchat in das kapitalistische System eingeschrieben und wird erst mit dessen revolutionärer Überwindung aufhebbar. Die Emanzipation der Frau bedarf der Emanzipation der Gesellschaft – von den kapitalistisch-patriarchalen Verhältnissen. Eben genau diese Einsicht unterscheidet einen revolutionären von einem reformorientierten Feminismus.
Wie wir gezeigt haben, sind die Verhältnisse, unter denen Menschen, und insbesondere der weibliche Teil, zu leben gezwungen sind, äußerst gewalttätig. Sie werden nicht weniger gewaltsam, wenn die Betroffenen anfangen, sich entschlossen zur Wehr zu setzen. Sie werden auch nicht verschwinden, wenn wir nicht gemeinsam und organisiert für ihre Überwindung kämpfen.
In diesem Sinne:
Den antifaschistischen, antirassistischen und feministischen Selbstschutz organisieren!
Für die revolutionäre Aufhebung von Imperialismus, Patriarchat und Ausbeutung!
http://siempreffm.blogsport.de
Einleitung
Der liberale Feminismus mit seiner Forderung nach formal gleichen Rechten war immer an den Nationalstaat gebunden, der diese Forderungen durchsetzen sollte. Die Frauenbewegung hat in vielerlei Hinsicht die tragischen Niederlagen der Arbeiterbewegung wiederholt. Ihre Kämpfe für Gleichberechtigung führen tiefer in das System hinein statt über dieses hinaus. Der postmoderne Feminismus hat in vielerlei Hinsicht das Erbe des liberalen Feminismus angetreten. Theoretisch werden die Entwicklungen der internationalen Debatte bislang nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und haben auch keinen Eingang in die Praxis gefunden. Das betrifft insbesondere die Idee, dass mehrere Unterdrückungsverhältnisse wie z.B. Rassismus, Sexismus, Klassenunterdrückung (Konzept der Intersektionalität) zusammen gedacht und aufeinander bezogen werden müssen. Daher ist auch die verschärfte Ausbeutung von zumeist nicht-weissen Frauen im Trikont und deren Widerstand oder die Betroffenheit vieler Frauen durch die imperialistische Kriegspolitik des Westens kaum Thema in entsprechenden Demonstrationsaufrufen und Debatten – die Bewegung verharrt stattdessen in reformorientierter Identitätspolitik und damit auf dem Stand der frühen 1990er Jahre. Wir behaupten deshalb, dass insbesondere auch in der autonomen antifaschistischen Bewegung ein solcher Feminismus, der vornehmlich Ansätze der Veränderung der politischen Kultur verfolgt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt dominiert. Die sich daraus für uns ergebenden strategischen Fehleinschätzungen und unsere solidarischen Vorschläge für einen revolutionär verstandenen Feminismus möchten wir im Folgenden vorstellen.
I Die Struktur der Ungleichheit
Das Patriarchat ist eine der ältesten Herrschaftsverhältnisse und hat damit weit vor dem existiert, was wir als kapitalistisches System begreifen. Als Ungleichheitsverhältnis war es daher über die Jahrhunderte unterschiedlichen Einflüssen unterworfen und weist bis heute je nach nationalen, kulturellen, religiösen, geschichtlichen bzw. allgemein gesellschaftlichen Einflüssen unterschiedliche Ausformungen auf. Die Trennung zwischen öffentlich und privat ist wesentliches Strukturmerkmal bürgerlicher Gesellschaften: So ist mit dem aufkommenden Kapitalismus eine bestimmte Ausformung dieses Ungleichheitssystems entstanden, die dem Mann klassischerweise die öffentliche, vergleichsweise privilegierte Position der Lohnarbeit, der Frau die Rolle der privaten, nicht entlohnten Reproduktionsarbeit (Erziehung und Hausarbeit) zuwies. Die Frau übernahm somit auch die materielle und psychische Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft des Mannes. Zwar sind mit den Kämpfen der 1968er Bewegung auch die statischen Rollenmodelle zunehmend in Bewegung geraten, jedoch wurde im Neoliberalismus einmal mehr ein Freiheitsversprechen aufgegriffen, repressiv gewendet und in das System integriert. So findet sich immer noch nahezu die gesamte Bevölkerung in den alten Rollenmustern und der ihr entsprechenden Lebensform der Ehe wieder, welcher zuvor als abweichend geltende Beziehungsmodelle einfach untergeordnet werden. Die von Unternehmerverbänden eingeforderte Flexibilität an den Arbeitsplätzen löst auch traditionelle Sozialbeziehungen und Identitäten tendenziell auf, dies hat aber keine wirkliche Erhöhung von Freiheitsspielräumen zur Folge, sondern die Verschärfung von Leistungsdruck und Konkurrenz. Zwar konnten sich Frauen aus der persönlichen ökonomischen Abhängigkeit von ihren Ehemännern befreien, indem sie ihre Arbeitskraft verkaufen, mit ihrem Eintritt als Konkurrentinnen auf den Arbeitsmarkt wurden sie jedoch bevorzugt in prekäre und nicht existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Schließlich ist es Fakt, dass die Mehrheit der Frauen in den meisten Berufen signifikant weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen, ihr Lohn ist oft als Zuverdienst zur männnlichen Ernährerrolle konzipiert. Das in der Zeit des deutschen Faschismus eingeführte Ehegattensplitting, das diese einseitige Bevorzugung der Konstellation „Ernährer“ und Hausfrau bzw. Zuverdienerin darstellt, ist bis heute Bestandteil des deutschen Steuerrechts. Die Wahl lautet oft genug: schlecht bezahlte Lohnarbeit samt unbezahlter Hausarbeit oder berufliche Verwirklichung auf Kosten der familiären. Heute setzen widersprüchliche Erwartungshaltungen Frauen von verschiedenen Seiten unter Druck: Frau muss schön sein, ihre Erfolge besonders hart erkämpfen und gleichzeitig zuhause für Nestwärme sorgen. Hinzu kommt, dass in der unentlohnten Erziehungsarbeit und in sogenannten helfenden Berufen (Erziehung, Soziale Arbeit, Altenpflege, Krankenhilfe etc.), in sexualisierten Berufsbildern (Stewardess, Sekretärin) und in gering qualifizierten Arbeiten der Anteil von Frauen nach wie vor überproportional hoch ist, was sie weiterhin in die Rolle der Haushüterin zurückdrängt. Durch diese Benachteiligungen und durch ihre erzieherische Rolle sind Frauen wiederum stärker gezwungen, prekäre Arbeitsverhältnisse anzunehmen. Daraus folgt, dass Frauen im Kapitalismus doppelt unterdrückt sind: Einmal sind sie, ebenso wie ihre männlichen Kollegen, der Ausbeutung durch Lohnarbeit unterworfen. Zum Anderen sind sie darüber hinaus sozial und ökonomisch benachteiligt und bis heute systemisch bedingter Ungleichheit unterworfen. Solange der Reproduktionsbereich privat und nicht gesellschaftlich geregelt wird, wird dies auch so bleiben. Feminismen, solange sie dies nicht zum Thema machen, können der systematischen Diskriminierung als dem Grundpfeiler des Patriarchats nichts entgegensetzen und sind somit strukturell sexistisch.
II Rape culture: Die Kultur der Gewalt
Geschlechterverhältnisse sind nicht zuletzt Gewaltverhältnisse: Seit Jahrtausenden und durch die Mehrheit menschlicher Gesellschaften hindurch wurden Frauen systematisch unterworfen und, jeweils historisch unterschiedlich, zum Objekt der Verfügungsgewalt der Männer gemacht. Die bürgerliche Kleinfamilie war und ist nach wie vor Keimzelle des Staates und Hort der Herrschaft. In der Erziehung werden genau jene Herrschafts- und Ungleichheitsverhältnisse, die das System als Ganzes prägen, im Kleinen immer wieder hergestellt, was sie „natürlich“ erscheinen lässt. Die Naturalisierung gesellschaftlicher Institutionen verklärt daher bestimmte Tätigkeiten zur „naturgegebenen“ und „wesenhaften“ Bestimmung der Frau. Neben der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung werden mit der Trennung in öffentlich und privat bestimmte menschliche Bedürfnisse, wie z.B. Emotionalität, mit Weiblichkeit gleichgesetzt und aus der Öffentlichkeit verbannt. Dem beschriebenen Rollenmuster entsprach die gesellschaftliche Institution der Ehe, die das oben beschriebene ökonomische Ungleichheitsverhältnis in rechtlichen Formen goss und zementierte. Das bürgerliche Gesetzbuch sicherte trotz vorgeblicher Gleichberechtigung im Grundgesetz Ehemännern die Bevormundung ihrer Frauen zu: Noch bis 1958 konnten Ehemänner die Arbeitsverträge ihrer Frauen fristlos kündigen und bis 1977 mussten sie der Arbeitsaufnahme ihrer Ehefrauen zustimmen. Die besondere Form der bürgerlichen Privatsphäre schützte wiederum häuslich-patriarchale Gewalt. Diese wurde bis zur entsprechenden gesetzlichen Anpassung 1992 als Straftatbestand nur in Ausnahmefällen verfolgt, da sie nicht als „von öffentlichem Interesse“ galt. Und noch bis 1997 galt in der BRD auch Vergewaltigung in der Ehe nicht als Straftatbestand; ein Freibrief für die totale Verfügungsgewalt des Mannes über den weiblichen Körper. Die rechtliche und physische Gewalt des Familienpatriarchen über Frau und Kinder definierte exakt den Ausnahmebereich des staatlichen Gewaltmonopols, der aber gerade dadurch dessen Herrschaft in den privaten Bereichen der Gesellschaft auf brutale Weise sicherstellt. Auch der langwierige Kampf gegen den §218 und für das Recht auf Abtreibung ist nur in diesem Kontext der Zurückweisung der männlichen Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper zu begreifen. Aus den genannten Gründen ist wenig überraschend, dass die rape culture gegen Frauen auch im Jahr 2016 ungebrochen anhält, begründet sie sich doch auf die strukturell bedingte Ungleichheit der Geschlechter und eine jahrtausendealten Kontinuität der Gewaltkultur. Laut einer aktuellen Studie der Europäischer Grundrechtsagentur hat bereits jede dritte Frau körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren und jede zweite war mit einer oder mehreren Formen der sexuellen Belästigung konfrontiert. Nur die wenigstens Fälle werden juristisch geahndet – abgesehen davon, dass im patriarchal geprägten Recht ja definiert ist, was überhaupt als Straftat/Vergewaltigung zu gelten hat. Verletzungserfahrungen sind zunächst immer subjektiv und Patriarchat heißt eben auch männnliche Deutungshoheit über weibliche (Körper-)Erfahrung. Dies umzukehren, ist vor allem der Verdienst des aus der feministischen Bewegung stammende Konzepts der Definitionsmacht. Aufgrund unserer Kampfansage an die herrschende rape culture und weil staatliche „Aufklärung“ von Sexualverbrechen für viele Betroffene eine Re-Traumatisierung bedeutet, ist dieses Konzept nach wie vor unser Bezugspunkt für die Thematisierung sexueller Gewalt in unseren eigenen Reihen.
III Zur repressiven Vereinnahmung einer Bewegung
Die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte erreichten im vorigen Jahr einen neuen Höchststand und setzen sich auch 2016 unvermindert fort. Nach den massenhaften sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht 2016 wurde die vermeintlich positive deutsche Willkommenskultur medial und politisch gekippt. Männerbündisch organisierte rechte Strassenschläger und Sexisten spielen sich als „Frauenrechtler“ auf, weil sie mit den Übergriffen auf die Körper der Frauen den Anspruch auf „ihr“ deutsches Territorium verletzt sehen. ChauvinistInnen nutzen die Übergriffe in Köln als Vorwand, um gegen Geflüchtete und MigrantInnen (mit oder ohne deutschen Pass) zu hetzen und bürgerliche PolitikerInnen wiederum greifen diese Vorfälle auf und nutzen sie zu einer Verschärfung des ohnehin geschleiften Asylrechts. Diese bürgerlichen Chauvinisten auf der Straße und in der Politik sind es, die das ganze Jahr über den patriarchalen Normalzustand verteidigen und die genau dieselben Taten, werden sie nur von „Deutschen“ begangen, verharmlosen oder verschweigen und damit dafür sorgen, dass sich an der Alltäglichkeit von Diskriminierung und Übergriffen gegen Frauen nichts ändert. Diese hausgemachte rape culture wird auf das „Andere“ und „Fremde“ projiziert. In der globalen Krise des Kapitalismus haben sowohl staatliche Spaltungspraxen als auch die Empfänglichkeit für rassistisches Gedankengut Hochkonjunktur – und Stereotype über Geschlechter ebenso wie über Kulturen halten sich hartnäckig im Alltagsbewusstsein. Dass im Rückgriff auf Frauenrechte und Emanzipation in einem breiten neoliberalen Parteikonsens gegen Geflüchtete Stimmung gemacht werden kann, und dass sich inzwischen auch RechtspopulistInnen Frauen- und Homosexuellenrechte auf die Fahnen schreiben, wo es um die Verteidigung „ihres Abendlandes“ geht, zeigt uns: Zwar haben auf juristischer und formeller Ebene die Frauenbewegung der 1960er und 70er Jahre und die daran anschließenden Third Wave/LGBTIQ-Bewegungen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle, Queere) wichtige Reformen erkämpfen können, jedoch sind diese, wie alle Fortschritte im Kapitalismus, eine Sysiphos-Angelegenheit und fortwährend von Zurücknahme oder Vereinnahmung bedroht. So fand in den Jahrzehnten nach 1968 eine schrittweise Integration des reformorientierten Teils der Frauen- und LGBT-Bewegung in die herrschende Politik statt, d.h. genau jenen Teils, der den Kampf um die Befreiung der Frau nie revolutionär und antikapitalistisch, sondern als Kampf um Gleichstellung innerhalb des Systems verstanden hat. Im Zuge dieses Integrationsprozesses wurden legitime Forderungen repressiv gewendet. Einerseits in Form von Menschenrechtsrethorik und der Propagierung von Frauen-und LGBTIQ-Rechten/Quoten zur Legitimierung von Kriegseinsätzen (Afghanistankrieg zur Befreiung der Frau von der Burka) – mit der Begleitmusik des antimuslimischen Rassismus. Andererseits als Stichwortgeber in der Innenpolitik für Kampagnen gegen Zuwanderung, „kriminelle Ausländer“, „den Islam“, „Parallelgesellschaften“ usw. und dazugehörige polizeiliche und ordnungspolitische Maßnahmen. Auch die Popularität von sogenannten „Pick-Up-Artists“, die in ihren Seminaren Vergewaltigungen an Frauen ganz legal als Aufreiss-Qualifikationen verkaufen können oder die in PEGIDA und anderswo aktiven AbtreibungsgegnerInnen und Maskulinisten sind ein konkreter Ausdruck solcher Roll-Back-Bemühungen. Aufgrund des Aufgehens des reformorientierten Feminismus im Mainstream oder, noch schlimmer, seiner Funktion als Stichwortgeber für die reaktionäre Agenda der Neuen Rechten muss eine antifaschistische Linke die dissidente und revolutionäre Tradition des Feminismus und der ArbeiterInnenbewegung aufgreifen und sie konträr positionieren: radikal und materialistisch statt liberal und reformistisch, klassenkämpferisch und revolutionär statt national und reaktionär, antiimperialistisch statt kriegstreiberisch, antikolonial statt eurozentristisch und international-solidarisch an der Seite der Kämpfevon Frauen, LGBTIQs und ArbeiterInnen in aller Welt.
IV Die Alternativen: Internationalismus…
Spätestens hier wird klar: Das Thema rape culture ist kein alleiniges Problem der „Fremden“ oder der Gesellschaften der „Dritten Welt“, sondern vielmehr ein nur allzu gerne totgeschwiegenes oder verharmlostes in den imperialistischen Metropolen. Das Patriarchat nimmt international unterschiedliche Formen an – jeweils bedingt durch die sehr unterschiedlichen soziokulturellen Koordinaten der jeweiligen Regionen und Länder. Global gesehen verrichten Frauen nahezu die gesamte Subsistenzwirtschaft (Landwirtschaft zum unmittelbarten Eigenbedarf). In weiten Teilen der Welt dominieren Billigarbeit/Hungerlöhne und Sextourismus, werden Frauen als Ehefrauen oder Dienstmädchen gehandelt. Entsprechend sind die Kämpfe der vom Patriarchat Betroffenen unterschiedlich. Es ist dann auch wenig verwunderlich, dass beispielsweise die Frauenbewegung in Rojava (Westkurdistan) aufgrund der ungemein schärferen Repression vor Ort einen viel militanteren Ausdruck findet als beispielsweise in Europa. Dies spiegelt sich auch in den Kämpfen wider: So werden von der kurdischen Bewegung Frauenzentren geschaffen, in denen sich Frauen überhaupt erstmal im öffentlichen Raum bewegen und dort gemeinsam über Probleme oder Übergriffe austauschen können. Auch kämpfen kurdische Frauen bewaffnet in eigenen Einheiten. Dass Frauen in Indien und Bangladesh häufig an Klassenkämpfen beteiligt sind und mit den Gewerkschaften an vorderster Front streiken, ist Ausdruck der noch verschärften neokolonialen Klassenunterdrückung vor Ort. Da europäische Frauen insbesondere der Betroffenheit von Krieg, rassistischer Diskriminierung und der verschärften Klassenunterdrückung im Trikont entzogen sind, sind sie global betrachtet vergleichsweise privilegiert. Die europäische Frauenbewegung war, wie insbesondere der „black feminism“ herausgearbeitet hat, jedoch häufig blind sowohl gegenüber der verschärften Klassenunterdrückung, als auch gegenüber neokolonialer und rassistischer Politik. Genau jener provinzielle weiße Mittelstandsfeminismus ist es eben auch heute, der in der herrschenden Kriegs- und Verarmungspolitik aufgeht. Eine revolutionäre Frauenbewegung in den westlichen Ländern hat entgegen solcher bereitwilligen Eingliederung in das Programm der Herrschenden die Aufgabe, die internationale Solidarität mit anderen Kämpfen zu suchen, von ihnen zu lernen und eigene Privilegien zu hinterfragen, anstatt die mittlerweile genderneutrale westliche Geld- und Militärmacht als vermeintlich alternativlosen Fortschrittsbringer zu preisen.
…und Antirassismus als Antiimperialismus!
Die Verhältnisse im Kapitalismus sind real geprägt durch Lohnarbeit, Sexismus und Rassismus – Race, class und gender. Antirassismus kann dabei nur als Teil antiimperialistischer Strategie wirksam werden, weil er sonst entweder nur ideologiekritisch oder rein humanitär bleibt oder den staatlichen Anteil an der Verursachung von Flucht und Migration (Krieg, Armut, Abschottung) übersieht. Denn der globale Kapitalismus ist nach wie vor angewiesen auf die Aufrechterhaltung neokolonialer Strukturen. In den Peripherien existieren, offener als in den Metropolen, patriarchale und – oft durch imperialistische Einflussnahme – barbarisierte Verhältnisse, Krieg und Gewalt, denen die Menschen ausgesetzt sind und vor denen sie zu uns fliehen. Die „Flüchtlinge“ als homogene Masse gibt es dabei aber nicht. Es wäre eine Fetischisierung anzunehmen, dass es sich bei den hier Ankommenden prinzipiell um moralisch integere Menschen handelt und die Annahme einer homogenen fremden Masse ist strukturell rassistisch. Diese Problemkonstellation mit allen erwartbaren Widersprüchen als Ausgangslage für die eigene antirassistische und klassenkämpferische Arbeit gilt es entgegen allen Idealisierungen zur Kenntnis zu nehmen. Reaktionäre Tendenzen in den migrantischen Communities sollten für die Linke kein Tabu sein. Die Folgen sind ansonsten pauschalisierte Fehleinschätzungen und „positiver“ Rassismus. Aber ebensowenig wie in puncto sexualisierte Gewalt Täter herkunftsbezogen verurteilt werden dürfen, dürfen deshalb solche Taten relativiert werden. Niemals dürfen Sexismus und Rassismus gegeneinander ausgespielt werden. Die Kämpfe dagegen gehören zusammen und zu den Grundprinzipien linker Politik. Unsere Prinzipien aber sind nicht verhandelbar, ohne dass wir unseren Anspruch als Ganzes preisgeben.
V Zur Kritik des szeneorientierten Feminismus
In Deutschland dominiert eine sehr einseitige Rezeption der Queer Theory. Postmoderne Ansätze, die Wertvolles zur Veränderung kultureller (Verhaltens-)Muster liefern (z.B. die Befreiung von Zwängen denen Körper, Geschlecht und Sexualität unterworfen sind), werden nicht auf das strukturelle Problem von Klassenherrschaft, Patriarchat und Neo-Kolonialismus rückbezogen. Die feministische Bewegung jenseits des Mainstreamfeminismus weist zudem zunehmend subkulturelle und autistische Tendenzen auf. Das wurde und wird auch begünstigt, dies müssen wir selbstkritisch feststellen, durch die Ignoranz vieler Gruppen für feministische Politik. In den Diskursen und Praxen dominieren dann auch die für Subkulturen typischen identitätsstiftenden, ab- bzw. ausgrenzenden und individualisierenden Einstellungen. Ein solcher Ansatz kann bestenfalls kulturrevolutionär sein, das Patriarchat als gesellschaftliches Verhältnis und Strukturmerkmal gerät so aus dem Blick. Die zumeist identitätspolitischen Interventionen richten sich folgerichtig meist an kulturelle oder politische „Szenen“, auf die Selbstvergewisserung aktiver Gruppen und deren vermeintliche oder tatsächliche sexistische Praxis oder gegen vermeintliche oder tatsächliche sexistische Aussagen von Künstlern. Nicht nur laufen diese Interventionen in aller Regel strafpädagogisch, feindselig und unsolidarisch ab, auch finden eine inflationäre Anwendung und uferlose Ausdehnung einst kritischer Begriffe wie etwa des Sexismusvorwurfs oder des Mackervorwurfs statt, die selbst ins Repressive kippen. Die jüngsten Versuche der Überdehnung des Definitionsmachtkonzepts etwa auf nicht gewalttätiges, rassistisches oder überhaupt diskriminierendes Verhalten sind unseres Erachtens kontraproduktiv. Zwar sind die Grenzen zwischen psychischer und physischer Gewalt zuweilen fließend, dennoch gilt es, die qualitativen Unterschiede unmittelbarer sexualisierter Gewalt nicht zu verwischen, um diese nicht zu verharmlosen. Einerseits werden Begriffe untauglich gemacht, wenn sie ihres eigentlichen Inhalts beraubt werden, andererseits handelt es sich damit um das Eingeständnis der eigenen Niederlage. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Uns begegnet immer wieder das Argument, Männern sollte das Ausziehen ihres T-Shirts (z.B. innerhalb einer Konzerträumlichkeit) deshalb verweigert werden, weil dies ein männliches Privileg sei. Frauen könnten dies nicht tun, ohne sexuellen Übergriffen ausgesetzt zu sein, so die Begründung. Das ist soweit nicht falsch. Wohl aber die daraus gezogenen Konsequenzen. Es ist kein Zeichen von Souveränität, dass man sexuelle Übergriffe mit dieser Logik anscheinend nicht verhindern oder zumindest offensiv beantworten, sondern lediglich durch Anpassung des eigenen Verhaltens vermeiden will. Das ist, zumal wenn es sich um autonome Räume handelt, mehr als fraglich. Besser wäre es, auf respektvoller Beachtung der jeweiligen – und durchaus verschiedenen – Grenzen Anderer bei gleichzeitiger Autonomie und Freizügigkeit zu beharren (Nein heisst Nein!). Sowie selbstbewusst und offensiv (Mein Körper gehört mir!) wie die viel radikalere Post-1968-Bewegung für die Befreiung der Sexualität oder die Slut Walks heutiger Tage gemeinsam dafür zu kämpfen, dass Frauen sich nackt bewegen oder so „sexy“ anziehen können wie sie möchten, anstatt dass Männer und Frauen ihre Körper gleichermassen verdecken müssen – eine sehr lust- und körperfeindliche „Lösung“. Wir sollten Privilegien auch für Frauen erstreiten und sie damit in der Verallgemeinerung aufheben, anstatt uns der verlogenen Moral des Systems, das sich Nacktheit nur noch als Ware vorstellen kann, auch in den eigenen Reihen und Räumen zu beugen. Sonst drohen Fehlentwicklungen mit verhängnisvollen Folgen, akzeptieren wir damit doch insgeheim die Universalität patriarchaler Prinzipien und verlagern die Koordinaten unserer Politik immer weiter ins rückwärtig-defensive.
VI Die Rolle der politischen Widerstandsbewegung
Es ist ein trauriger Fakt, dass auch 2016 die Kultur der misogynen Gewalt und Benachteiligung alltäglich ist, d.h. dass sie auch vor den Reihen der linken Bewegung nicht Halt macht. Linke Zusammenhänge sind nichts der Gesellschaft äußerliches, sondern von deren Widersprüchen durchzogen. Dass dies so ist, ist zunächst einmal wenig überraschend – schließlich stehen wir alle nicht außerhalb der Gesellschaft und sind mit der Kultur der Ungleichheit sozialisiert worden. Uns erscheint es daher richtig, mit der Bekämpfung dieser Phänomene in den eigenen Zusammenhängen und Räumen zu beginnen. Unser Arbeitsschwerpunkt sollte dabei aber primär auf der Aufdeckung und Bekämpfung der strukturellen Ungleichheitsmomente liegen, was nicht bedeutet, dass wir kulturelle Muster (z.B. Sprache, Verhalten) als Austragungsort ausschließen. Wir glauben aber, dass sich mit der Veränderung der Strukturen auch eine Veränderung der Kommunikation ergibt. Anders ausgedrückt: Wo bereits strukturell ein fruchtbarer Boden für ausschließende Politik existiert, da wird auch der machtvolle Gebrauch von Sprache verstärkt zur Geltung kommen. Auch die Frage, wann und wie Plena und damit Entscheidungsmechanismen organisiert werden, sagt etwas über unsere eigenen Sozial- und Geschlechterverhältnisse aus und kann elitär und ausschließend wirken. Gerade aufgrund der geschilderten rape culture ist auch die Erkämpfung und Verteidigung von Frei- und Schutzräume nach wie vor essenziell. Unter Freiräumen verstehen wir eigene Räume, in denen wir die Aktivitäten nach solidarischen Prinzipien zu organisieren versuchen, die aber tendenziell offen sind, so dass sich Widersprüche dort nicht heraushalten lassen. Schutzräume sind per Definition ausschließend (z.B. Frauenhäuser), weil sie von Gewalt Betroffenen Zuflucht bieten und von deren Bedürfnissen bestimmt werden sollten. Es geht aber darüber hinaus um die Reflexion von Privilegien, um Ermutigung, die Möglichkeiten zum Empowerment und den gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen. Unsere Räume und Strukturen sollten es Menschen ermöglichen, Stärken und Kompetenzen auszubilden, um sich widerständig zu behaupten und gegen die erdrückende Mehrheitskultur zur Wehr zu setzen. Solche und ähnliche Maßnahmen sollen garantieren, dass unsere Zusammenhänge keine bloße Fortsetzung der hiesigen Ungleichheitskultur sind, sondern Orte der positiven Verstärkung sein und Ausgangspunkt für gesellschaftliche Veränderung werden können. Das Private ist und bleibt politisch. Kritik und Selbstkritik als Methode bleiben zentral für eine revolutionäre Praxis – auch, aber nicht nur in der feministischen Arbeit. Die Spaltungslinien der bürgerlichen Gesellschaft werden von uns zunächst vorgefunden, sind aber nicht ein für alle mal erstarrt, sondern werden täglich neu hergestellt. Sie können aber auch theoretisch in Frage gestellt und praktisch unterlaufen werden. Wir alle sollten uns fragen, wie wir aufhören können, das Bestehende täglich immer weiter zu reproduzieren.
Fazit
Heute könnten wir längst selbstbestimmt und solidarisch leben: Die Produktion notwendiger Güter und die Zeit für die (Für-)Sorge und Pflege eigener wie fremder Bedürfnisse könnten gesellschaftlich so organisiert werden, dass genügend Zeit für Selbstverwirklichung, Bildung, Muße und Entspannung sowie für gemeinsame politische Gestaltung bliebe. Das allerdings ist erst jenseits des Kapitalismus machbar. Eine klassenkämpferische Politik hat somit nicht nur auf die zusätzliche Benachteiligung von Frauen im Arbeitsbetrieb Rücksicht zu nehmen, sondern muss auch den Reproduktionsbereich ins Visier nehmen – eben genau jenen Teil der unbezahlten Arbeit, der in der Abgeschiedenheit der Privatsphäre stattfindet! Ein Kapitalismus ohne Patriarchat ist ebenso unvorstellbar wie ein Kapitalismus ohne Nationalstaat. Letztendlich ist das Patriarchat in das kapitalistische System eingeschrieben und wird erst mit dessen revolutionärer Überwindung aufhebbar. Die Emanzipation der Frau bedarf der Emanzipation der Gesellschaft – von den kapitalistisch-patriarchalen Verhältnissen. Eben genau diese Einsicht unterscheidet einen revolutionären von einem reformorientierten Feminismus.
Wie wir gezeigt haben, sind die Verhältnisse, unter denen Menschen, und insbesondere der weibliche Teil, zu leben gezwungen sind, äußerst gewalttätig. Sie werden nicht weniger gewaltsam, wenn die Betroffenen anfangen, sich entschlossen zur Wehr zu setzen. Sie werden auch nicht verschwinden, wenn wir nicht gemeinsam und organisiert für ihre Überwindung kämpfen.
In diesem Sinne:
Den antifaschistischen, antirassistischen und feministischen Selbstschutz organisieren!
Für die revolutionäre Aufhebung von Imperialismus, Patriarchat und Ausbeutung!
http://siempreffm.blogsport.de
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