Neue Nachrichten aus den
Bergen des mexikanischen Südostens. Den Zapatistas
zufolge häufen sich die sozialen und politischen
Spannungen in Chiapas
Timo
Dorsch [1],
Mexiko-Stadt
amerika21
Mexiko-Stadt. Die mexikanische
Rebellenorganisation Zapatistische Armee der Nationalen
Befreiung (EZLN) hat in den vergangenen Tagen vier
Kommuniqués veröffentlicht, die zur Lage im südlichen
Bundesstaat Chiapas und auf Bundesebene Bezug nehmen.
Die ersten beiden Schreiben stellen auf didaktische Art und
Weise die autonomen zapatistischen Gemeinden denen
gegenüber, die den unterschiedlichsten politischen Parteien
nahestehen und von der mexikanischen Regierungspolitik
abhängig sind. Unter dem Titel "Und währenddessen in … den
Gemeinden der Parteianhänger" gibt die EZLN Erfahrungsberichte
[3] besagter
Parteianhänger wieder, die von der Einflussnahme staatlicher
Funktionäre gegenüber den Gemeinden zeugen. Beschrieben
werden verschiedene Fälle, in denen sich der systematische
Missbrauch politischer Unbedarftheit der Dorfbewohner durch
den Staat zeigt. Unter dem Vorwand, Sozialprogramme zu
verteilen unterschreiben die Dorfbewohner etwa
Behördendokumente, um später von staatlichen Stellen
mitgeteilt zu bekommen, dass sie damit auf ihre Landtitel
verzichtet hätten und ihr Zuhause verlassen müssten. In
Folge würden die frei gewordenen ländlichen Flächen, so
heißt es weiter, für touristische oder landwirtschaftliche
Großprojekte umgenutzt. An anderer Stelle erzählt das
Schreiben von erzwungenen sexuellen Handlungen junger
indigener Frauen mit Behördenangestellten in der Hauptstadt
Chiapas', Tuxtla Gutiérrez. Auch mit Blick auf die gängige
Regierungspraxis in manchen südamerikanischen Ländern
konstatieren die Zapatistas kritisch: "Das ist es, wozu der
staatliche Populismus fähig ist: Probleme werden nicht
gelöst, sondern vergrößert und in andere Gegenden
verfrachtet.“ Angesichts der schwerwiegenden Probleme gäben
sich manche Parteianhänger als Zapatistas aus. Denn nur so
würden sie respektiert, wird ein Parteianhänger zitiert.
Ein weiteres Kommuniqué
[4] mit dem Titel "Und
in den zapatistischen Gemeinden?" berichtet von den jüngsten
positiven Entwicklungen auf zapatistischem Terrain, das sich
nicht nur in einem quantitativen Wachstum der Bewegung
ausdrückt. In den von den Zapatistas selbst verwalteten
Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Handel werden nach
eigener Angabe langsame aber stetige Fortschritte erzielt,
die auf einer kollektiven Arbeitsorganisation fußen. Mit
einem für die Bewegung charakteristischen Sinn für Humor
heißt es an anderer Stelle: "Aber nicht alles läuft gut. Wir
sagen Ihnen klar, dass wir einen Fehler sehen: die
zapatistischen Frauen schreiten mehr voran als die Männer.
Anders gesagt, nicht im gleichen Maße werden Fortschritte
gemacht."
Ein weiteres
[5] Kommuniqué aus dem
Dschungel ist lediglich von Subcomandante Galeano
unterschrieben und nicht, wie die vorherigen, gemeinsam mit
Subcomandante Moisés. Es ist an den mexikanischen
Schriftsteller Juan Villoro Ruiz adressiert, Sohn des 2014
verstorbenen Philosophen Luis Villoro Toranzo, welcher in
einem engen Austausch
[6] mit der EZLN stand.
Galeano bezieht sich darin auf die Kunst, die Wissenschaften
und die indigenen Völker als Mittel, um eine Welt fernab
unterdrückerischer Systeme aufzubauen. Die Literatur sei
hierbei davon ausgenommen. Diese habe die Aufgabe, die drei
vorherigen Elemente miteinander zu verbinden.
Wenige Stunden bevor das zweite Kommuniqué veröffentlicht
wurde, machte ein anderes Schreiben
[7] zuerst die große
Runde. Der erste Richter des Bundesstaats von Chiapas, Juan
Marcos Dávila Rangel, ließ verlauten, dass aufgrund von
Verjährung gegen dreizehn Mitglieder der EZLN die
strafrechtliche Verfolgung ausgesetzt wurde. Obwohl bereits
drei Wochen nach dem Aufstand am 1. Januar 1994 vom
damaligen Präsidenten Carlos Salinas de Gortari ein
allgemeines Amnestiegesetz zugunsten der Aufständischen
verabschiedet worden war, soll die juristische Verfolgung
erst jetzt eingestellt worden sein. Laut dem richterlichen
Text, in dem statt eines Klarnamens des ehemaligen Sprechers
der EZLN lediglich "El Subcomandante Marcos" zu lesen ist,
bezogen sich die Delikte auf den Zeitraum von 1995. Die
Antwort, in einem dritten
[8] Kommuniqué ließ
nicht lange auf sich warten. In spöttischem Ton wird
angemerkt, dass Subcomandante Marcos bereits vor zwei Jahren
für tot erklärt wurde. Ende Mai 2014 ließ die Bewegung ihren
ehemaligen Sprecher, der nach eigenen Angaben lediglich eine
mediale Figur war, in einer symbolischen
Akt [9] im
Dschungel "sterben". Seitdem ist Subcomandante Moisés der
neue Sprecher der EZLN und Anführer ihrer Streitkräfte.
Dass mit dem richterlichen Beschluss die Maßnahmen gegen
die zapatistische Bewegung aufhören werden, darf jedoch
bezweifelt werden. Die aktuelle chiapanekische Regierung
unter dem Gouverneur Manuel Velasco Coello buhlt zwar um
Anerkennung. Die gewaltsamen Vertreibungen zapatistischer
Gemeinden und nicht zuletzt die Morde der vergangenen Jahre
zeugen jedoch von politischer Kontinuität. Wohl auch
deswegen schreiben Subcomandante Galeano und Subcomandante
Moisés am Ende des zweiten Kommuniqués, dass die Regierung
weiterhin beabsichtigt, die autonomen Regierungszentren, die
sogenannten Caracoles, anzugreifen, um sich des Zapatismus
zu entledigen.
Links:
[1] https://amerika21.de/autor/timo-dorsch
[2] http://subversiones.org/archivos/119856
[3] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/24/und-wahrenddessen-in-den-comunidades-der-parteianhanger/
[4] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/26/und-in-den-zapatistischen-gemeinden/
[5] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/28/las-artes-las-ciencias-los-pueblos-originarios-y-los-sotanos-del-mundo/
[6] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/17/luis-der-zapatist/
[7] http://de.scribd.com/doc/300226156/Prescriben-delitos-del-Subcomandante-Marcos
[8] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/26/daher-ware-es-besser-wenn-sie-sich-das-selber-verschreiben-wurden/
[9] http://jungle-world.com/artikel/2014/25/50094.html
[10] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2Fblog%2F2016%2F02%2F146087%2Fezln-kommuniques&title=EZLN%3A%20Perspektiven%20aus%20dem%20Dschungel&description=Mexiko-Stadt.%20Die%20mexikanische%20Rebellenorganisation%20Zapatistische%20Armee%20der%20Nationalen%20Befreiung%20%28EZLN%29%20hat%20in%20den%20verg angenen%20Tagen%20vier%20Kommuniqu%C3%A9s%20ver%C3%B6ffentlicht%2C%20die%20zur%20Lage%20im%20s%C3%BCdlichen%20Bundesstaat%20Chiapas%20und%20auf%20Bundesebene%20Bezug%20nehmen.%C2%A0&language=de_DE&category=text
[1] https://amerika21.de/autor/timo-dorsch
[2] http://subversiones.org/archivos/119856
[3] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/24/und-wahrenddessen-in-den-comunidades-der-parteianhanger/
[4] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/26/und-in-den-zapatistischen-gemeinden/
[5] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/28/las-artes-las-ciencias-los-pueblos-originarios-y-los-sotanos-del-mundo/
[6] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2015/05/17/luis-der-zapatist/
[7] http://de.scribd.com/doc/300226156/Prescriben-delitos-del-Subcomandante-Marcos
[8] http://enlacezapatista.ezln.org.mx/2016/02/26/daher-ware-es-besser-wenn-sie-sich-das-selber-verschreiben-wurden/
[9] http://jungle-world.com/artikel/2014/25/50094.html
[10] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2Fblog%2F2016%2F02%2F146087%2Fezln-kommuniques&title=EZLN%3A%20Perspektiven%20aus%20dem%20Dschungel&description=Mexiko-Stadt.%20Die%20mexikanische%20Rebellenorganisation%20Zapatistische%20Armee%20der%20Nationalen%20Befreiung%20%28EZLN%29%20hat%20in%20den%20verg angenen%20Tagen%20vier%20Kommuniqu%C3%A9s%20ver%C3%B6ffentlicht%2C%20die%20zur%20Lage%20im%20s%C3%BCdlichen%20Bundesstaat%20Chiapas%20und%20auf%20Bundesebene%20Bezug%20nehmen.%C2%A0&language=de_DE&category=text
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