Forensiker sagen, dass die bisherige
Darstellung über den Tod von 43 Studenten 2014 nicht stimmen
kann. Human Rights Watch fordert Aufklärung.
10.2.2015
von W.D. Vogel
BERLIN taz | Die offizielle
Darstellung vom Verbleib von 43 Studenten, die am 26. September
2014 in der mexikanischen Stadt Iguala verschleppt wurden, wird
immer unglaubwürdiger. Ein argentinisches Forensikerteam
erklärte am Dienstag in Mexiko-Stadt, man habe keine Hinweise
dafür gefunden, dass die jungen Männer auf einer nahegelegenen
Mülldeponie verbrannt worden seien.
Fotos und Analysen von Baumstümpfen sowie
anderer Pflanzen bezeugten, dass es dort in der Nacht kein Feuer
in der Größe gegeben habe, um 43 Menschen zu verbrennen. Zudem
seien Knochenreste, die an dem Ort gefunden wurden, nicht den
Studenten zuzuordnen, stellten die Experten klar.
Der Fall der Verschwundenen sorgt bis heute
in Mexiko und international für Aufsehen. Die Studenten der
ländlichen Lehrerschule Ayotzinapa waren in Iguala im
Bundesstaat Guerrero von Polizisten festgenommen worden. Die
Beamten übergaben sie nach Angaben der Strafverfolger an die
Verbrecherbande Guerreros Unidos. Seither fehlt von ihnen jede
Spur.
Viele Aussagen über den Tatverlauf
stammten von Verhafteten, die Anzeichen von Folter aufwiesen.
Dennoch erklärte der damalige Generalstaatsanwalt Jesús Murillo
Karam die These vom Verbrennen der Männer bereits vier Monate
später zur „historischen Wahrheit“ und wollte die Ermittlungen
einstellen.
„Die historische Wahrheit ist Fiktion“
Die Angehörigen der Verschwunden vertrauten
nicht auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und zogen
die Forensiker sowie ein von der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission gestelltes Experten-Team (GIEI) zu
Rate. Bereits im letzten September kam die GIEI zu dem Schluss,
dass die offizielle Version nicht der Wahrheit entsprechen
könne.
„Nach einer wissenschaftlichen Studie über
das Feuer kommt die Gruppe zu dem Schluss, dass die Tat in
dieser Form, unter diesen Bedingungen und in der behaupteten
Zeit nicht hatte stattfinden können“, erklärte GIEI-Mitglied
Carlos Beristaín.
Das bestätigen nun auch die Forensiker. Ein
Feuer, in dem 43 Menschen verbrannt sind, hätte andere Spuren
hinterlassen. Jüngst verhaftete Mitglieder der Guerreros Unidos
hatten früheren Angaben widersprochen und behauptet, dass nur 19
der Studenten auf der Müllhalde getötet worden seien.
Aber auch diese Aussage konnten die
argentinischen Experten nicht bestätigen. Zwar habe man Reste
eines Schädels, eines Kiefers sowie von Zähnen und Händen
gefunden, diese seien aber 21- bis 35-jährigen Personen
zuzuordnen. Die Lehramtsanwärter waren jünger.
Das Gutachtens verdeutliche, dass „die
sogenannte historische Wahrheit nichts als eine Fiktion ist“,
reagierte José Miguel Vivanco von der Menschenrechtsorganisation
Human Rights Watch und forderte, dass die Behörden den
tatsächlichen Verbleib der Männer aufklären. Zudem müssten die
Behörden das Vorgehen von Strafverfolgern wie etwa
Exstaatsanwalt Murillo Karam prüfen.
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