Mittwoch, 5. August 2020

Linkspartei stellt die Strategiefrage

Reformerlager fordert eine Richtungsentscheidung auf dem Erfurter Bundesparteitag im Herbst

  • Von Aert van Riel
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  • 04.08.2020, 15:27 Uhr
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  • Lesedauer: 4 Min.
    • Auf dem kommenden Bundesparteitag der Linken, der vom 30. Oktober bis 1. November in Erfurt geplant ist, dürften wegweisende Entscheidungen getroffen werden. Zum einen ist noch fraglich, ob dann die beiden derzeitigen Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger erneut für weitere zwei Jahre an der Spitze der Linken kandidieren. Die Satzung der Partei sieht vor, dass die Vorsitzenden nach acht Jahren eigentlich nicht mehr kandidieren sollten.
      Auch bei inhaltlichen Fragen dürfte es während des Treffens in der Thüringer Landeshauptstadt hoch hergehen. Einige Politiker, die dem Reformerflügel der Linken zugerechnet werden, haben nun ein Positionspapier verfasst, in dem sie fordern, dass die Frage, ob die Partei zu einem Politikwechsel bereit ist und mitgestalten will, im Leitantrag zur Abstimmung gestellt wird.
    • Unterzeichnet haben unter anderem der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Jan Korte, sowie seine Fraktionskollegen Birke Bull-Bischoff, Matthias Höhn und Stefan Liebich. Es finden sich auch die Namen von Politikern, die in ihren Bundesländern bereits mit Sozialdemokraten und Grünen regieren oder Teil einer Landesregierung waren. Die bekanntesten unter ihnen sind Berlins Kultursenator Klaus Lederer, die Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt und Ralf Christoffers, früher Wirtschaftsminister in Brandenburg.
      Die aktuelle Parteiführung wird in dem Papier sowohl gelobt als auch kritisiert. So monieren die Verfasser, dass in der Coronakrise »unsere Zerrissenheit und damit an manchen Stellen auch mangelnde Handlungsfähigkeit noch viel deutlicher zu Tage« getreten seien. Die Linkspartei habe sich nicht oder nur unzureichend über inhaltliche Fragen verständigt. »Unser Außenbild war und ist ein einziger Flickenteppich von Einzelmeinungen.«
    • Dabei sehen die Protagonisten des Reformerflügels aktuell durchaus Chancen für die Linkspartei. Denn das von allen Flügeln der Partei kritisierte neoliberale System werde – ähnlich wie in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise ab 2008 – erneut infrage gestellt. Die sogenannte Schuldenbremse wurde ausgesetzt und selbst Konservative seien bereit, »über staatliche Beteiligungen und gar die Übernahme von bedeutenden Unternehmen zu sinnieren«.
      Linke Themen spielen in der derzeitigen Debatte also eine zentrale Rolle. Doch die Partei profitiert davon nicht. Aktuelle Umfragen sehen sie bei acht Prozent. Im Reformerflügel ist man sich sicher, dass es besser werden könnte, wenn die Partei an einer Perspektive mit SPD und Grünen arbeitet, die sich nach der Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres eröffnen könnte.
      Deswegen wird in dem Schreiben aus dem Reformerlager auch ausdrücklich das Papier von Katja Kipping, Bernd Riexinger, Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler und Bundesschatzmeister Harald Wolf gelobt, das diese im Mai dieses Jahres veröffentlicht hatten. Darin regte die Parteispitze eine breite gesellschaftliche Zusammenarbeit der Linkspartei mit Institutionen der Zivilgesellschaft sowie mit Grünen und SPD an.
      Allerdings hat dieser Vorstoß nicht allen Genossen gefallen. Als über das Papier der vier Spitzengenossen vor einigen Wochen im Parteivorstand diskutiert wurde, monierten Lucy Redler und Thies Gleiss, die der Strömung Antikapitalistische Linke und dem 44-köpfigen Bundesvorstand angehören, dass eine Bundesregierung mit SPD und Grünen nicht nur einen Ausverkauf der antimilitaristischen Positionen der Linkspartei zur Folge haben, sondern auch harte Sparpakete auferlegen würde.
      Mit der Außenpolitik, die zwischen SPD, Grünen und Linkspartei heftig umstritten ist, beschäftigt sich das Papier des Reformerflügels nicht. Die Bundestagsabgeordneten der Linken hatten im Unterschied zu Grünen und Sozialdemokraten bislang nahezu alle Auslandseinsätze der Bundeswehr geschlossen abgelehnt.
      Hinweise darauf, wie weit man in einem möglichen Regierungsbündnis zu gehen bereit ist, gab es in der Linksfraktion allerdings Ende vergangenen Jahres. Einige Abgeordnete der Linken votierten für einen Antrag der Grünen, der das Ziel ausgab, das »Betätigungsverbot gegen die Hisbollah entschlossen durchzusetzen und ihre Netzwerke in Deutschland zu zerschlagen, Israel beizustehen und die Zivilgesellschaft im Libanon zu unterstützen«.
      Die überwiegende Mehrheit der Fraktion enthielt sich. Eine dritte Gruppe von Parlamentariern der Linken lehnte den Antrag ab, weil sie im Feststellungsteil der Grünen einen Positivbezug auf einen Auslandseinsatz der Bundeswehr und die »Beteiligung Deutschlands an der Unifil-Mission« sahen. Seit dem Jahr 2006 überwacht der maritime Anteil dieser Beobachtermission der Vereinten Nationen die Seegrenzen des Libanons. Daran beteiligt sich auch die Bundeswehr.
      Mitte Juli hatte auch der Landesvorstand der hessischen Linkspartei ein Strategiepapier beschlossen. Die dortigen Genossen sehen ein mögliches Mitte-links-Bündnis mit großer Skepsis. »Statt auf Rot-Rot-Grün und eine Regierungsbeteiligung im neoliberalen System zu hoffen, sollten wir Bündnisse schließen«, heißt es in dem Papier. Die Hessen wollen, dass ihre Partei neben den Initiativen in Parlamenten auch verstärkt außerparlamentarisch mit verschiedenen Organisationen und Bewegungen aktiv ist.
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