»Schutzschirm für die Menschen – Kämpfe um den Sozialstaat in der Pandemie«
Liebe Leser*innen,
Die Coronakrise hat die enormen sozialen Ungleichheiten unserer Gesellschaft nicht nur offengelegt, sondern vertieft. Binnen weniger Wochen standen prekär Selbstständige, Leiharbeiter*innen und Kulturschaffende vor dem finanziellen Aus. Illegalisierte verloren oft über Nacht ihre Jobs und konnten auf keinerlei soziales Sicherungsnetz zählen. Die Schließung von Schulen und Kitas führte zu einer enormen Belastung von Eltern, insbesondere von Frauen und Alleinerziehenden. Menschen, die auf öffentliche Infrastrukturen angewiesen sind, gerieten noch mehr ins Abseits. Während in vielen Branchen Entlassungen und dauerhafte Kurzarbeit drohen, stehen andere unter Dauerstress. Die Pandemie hat die Spaltung der Beschäftigten vertieft.
Unterdessen wurden soziale Dienstleistungen plötzlich „systemrelevant“, Pflegekräfte und Verkäufer*innen als Held*innen gefeiert. Zu einer materiellen Aufwertung dieser Berufsfelder führt das jedoch nicht. Die milliardenschweren Rettungspakete zielen vor allem darauf, die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie zu sichern. Statt notwendiger Investitionen in einen sozial-ökologischen Umbau drohen neue Austeritätspolitiken und Angriffe der Arbeitgeber.
Der Kampf um die Verteilung der Krisenkosten hat also schon begonnen. Den Sozialstaat gilt es in dieser Situation jedoch nicht nur zu verteidigen, er muss weiter aus- und vor allem auch umgebaut werden. Wie können soziale Infrastrukturen der Zukunft aussehen, die krisenfest und inklusiv sind? Wie lassen sie sich solidarisch finanzieren, und demokratisch gestalten? Die Frage der Demokratie ist auch für den Umgang mit der Pandemie zentral. Wie lässt sich öffentliche Gesundheitsförderung, »Public Health«, als kollektive Aufgabe entwickeln, anstatt auf die Resilienz der Einzelnen zu setzen? Der Kampf für mehr Teilhabe und eine solidarische Versorgung wird seit Jahren exemplarisch im Gesundheitsbereich geführt, von Beschäftigten, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Bündnissen. Corona hat ein Gelegenheitsfenster geöffnet, die Profitlogik aus diesem Feld zu verbannen – allerdings nur, wenn sich verschiedene Akteur*innen über gemeinsame Strategien verständigen und ihre Forderungen bündeln. Wie gehen die Gewerkschaften mit den neuen Herausforderungen um: Wie können sie trotz Rezession und drohenden Entlassungen für Gesundheitsschutz eintreten? Oder gar in die Offensive gehen und ihre Basis verbreitern?
Auch wenn die Infektionszahlen gerade wieder steigen, endet mit diesem Schwerpunkt unsere Online-Phase. Selbstverständlich werden wir in den kommenden Monaten auf unserer Website die Krise und deren Bearbeitung auch weiterhin begleiten. Wer sich nicht auf Facebook oder Twitter bewegt, kann unseren RSS-Feed abonnieren, um über aktuelle Texte informiert zu werden.
Im Dezember erscheint dann endlich wieder ein gedrucktes Heft. Aus gegebenem Anlass werden wir uns mit dem Problem zunehmender Gewalt von rechts und in den Staatsapparaten beschäftigen. Und der Frage nachgehen, was es heißt, hier von links gegenzuhalten.
Wir wünschen viel Gewinn beim Lesen und weiterhin einen schönen Sommer!
Barbara Fried
Für die Redaktion der LuXemburg DEN SOZIALSTAAT ERNEUERN
Reichtum des Öffentlichen
Infrastruktursozialismus oder: Warum kollektiver Konsum glücklich macht Von Mario Candeias, Barbara Fried, Hannah Schurian, Eva Völpel und Moritz Warnke
Die Schere öffnet sich weiter – Verlierer und Gewinner in der Corona-Krise
Von Christoph Butterwegge
Sozialstaat der Zukunft (erscheint in Kürze)
Von Katja Kipping
Wie geht Sozialstaat feministisch?
Von Sabine Skubsch
Sozialstaatliche Erneuerung – Warum sie notwendig ist und wo sie ansetzen kann
Suchprozesse aus Perspektive der IG Metall Von Christoph Ehlscheid
WER ZAHLT FÜR DIE KRISE?
Austerität und Corona – Wer zahlt für die Krise?
Von Moritz Warnke
Zukunftsprogramm für wen?
Wie die Regierung das deutsche Exportmodell retten will – und auf wessen Kosten Von Susanne Steinborn
Arbeit und Staat im Zeichen der Pandemie: Denkverbote fallen, Konfliktlinien vertiefen sich
Von Nicole Mayer-Ahuja
Mit solidarischer Finanz- und Wirtschaftspolitik die Corona-Krise überwinden
Von Heinz Bierbaum, Ralf Krämer, Fabio de Masi, Axel Troost und Harald Wolf
UMKÄMPFTE GESUNDHEIT
»Meine Beiträge sind keine Dividenden«
Gespräch über den Kampf für ein solidarisches Gesundheitssystem Mit Dana Lützkendorf, Kalle Kunkel und Harald Weinberg
Gegen Präventionsmüdigkeit hilft nur Beteiligung
Gespräch über Public Health und Prävention in der Pandemie Mit Raimund Geene
Corona: Schlägt die Stunde der Resilienz?
Von Stefanie Graefe
Umkämpfter Gesundheitsschutz – Gewerkschaftliche Herausforderungen in der Pandemie
Von Klaus Pickshaus
»Schulöffnungen ja, aber nur mit Gesundheitskonzept!«
Wie einer britischen Lehrergewerkschaft in der Krise erfolgreiches Organizing gelang Gespräch mit John Hegerty und Jacinta Phillips
»Nach der Aktion hat Mcdonald’s alle Drive-Ins in der Schweiz geschlossen«
Gespräch mit Roman Künzler
Zum Weiterlesen:
Online-Schwerpunkt: Was heißt Solidarität in Zeiten der Pandemie? |
LuXemburg. Gesellschaftsanalyse und linke Praxis
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Foto: © Tobias Schwarz/AFP
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Montag, 31. August 2020
»Schutzschirm für die Menschen – Kämpfe um den Sozialstaat in der Pandemie«
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