Montag, 31. August 2020

[FFM] Zeug*innenvorladungen des BKA -Aktueller Stand zum 129a Verfahren


29.08.20
Wir haben viel zu sagen – aber nicht dem BKA!
Communiqué der Zeug*innen Gruppe aus Frankfurt/Main
Das BKA verschickte für den 30.7.20 “Zeugenvorladungen” (ja sie schreiben nur von Männern) im Auftrag der Generalbundesanwaltschaft (GBA). Ermittelt wird gegen mindestens einen Genossen anhand des Paragraphen 129a – Bildung einer terroristischen Vereinigung. Dieser Paragraph wird hauptsächlich dazu genutzt, um mehr Ermittlungsbefugnisse für die Polizei zu ermöglichen. Dadurch können alle möglichen Verhaltensweisen von der Bundesanwaltschaft zu einer herbei phantasierten terroristischen Vereinigung erklärt werden. Mindestens ein Dutzend Personen wurden kurzfristig auf eine Frankfurter Polizeistation geladen. Teilweise kamen die Briefe erst nach dem Vorladungstermin bei den Menschen an.
Wir werten diese Ermittlungen nicht nur als Angriff auf unseren Genossen, sondern auch als einen Angriff auf linke Strukturen, auf unsere Vorstellungen von einem solidarischen Zusammenleben, sowie ein Angriff auf jegliche emanzipatorische Bestrebungen diese Gesellschaft zu verändern. Es ist aber auch ein individueller Angriff auf jede*n von uns Zeug*innen und unserer persönlichen Integrität.
Diesen Angriff weisen wir entschieden zurück! Unsere Kollektivität ist unsere Stärke!
Uns eint, durch das BKA als Zeug*innen vorgeladen worden zu sein, doch darüber hinaus sind wir alle radikale, subversive, außerparlamentarische Linke.
Für uns ist die Aussageverweigerung eine Frage der grundsätzlichen Haltung. Wir wollen den Bullen keine Informationen jeglicher Art über unsere Freund*innen, Genoss*innen oder Mitbewohner*innen geben. Gerade bei 129a-Ermittlungsverfahren wird alles, was Beteiligte sagen, jede noch so kleine “unbedeutende” Äußerung dazu genutzt, sie selbst und vor allem die beschuldigte Person zu schikanieren, zu isolieren und letztlich zu verhaften. Wir alle wollen auf keinen Fall Teil dieses repressiven Staatsapparates sein!
Dieser Staat versucht mit Paragrafen, wie dem 129a/b, jeglichen Willen der Veränderung, hin zu einer befreiten Gesellschaft, zu unterdrücken. Gerade die Androhung von Zwangsmitteln gegen uns Zeug*innen bestärkt uns in der Ablehnung dieser Institutionen.
Wir kritisieren und wehren uns weiterhin gegen deutsche Behörden und Gesetzte, die nach wie vor in einer unaufgearbeiteten nationalsozialistischen Kontinuität stehen.
Dies gilt vor allem für einen rassistischen Polizeiapparat, der nicht nur historisch, sondern auch in jüngster Vergangenheit unzählbar oft bewiesen hat, dass er im Zweifel immer auf der Seite der Faschist*innen steht. Genauso gilt dies für eine Bundesanwaltschaft, die es aktuell ablehnt gegen einen NSU 2.0 zu ermitteln. Eine Naziorganisation, die Informationen aus deutschen (hessischen) Polizeidatenbanken verwendet und sich auf den mörderischen NSU bezieht.
Auch in der inneren Logik dieser Behörden gefährdet jegliche Kooperation als Zeug*in auch diese selbst. Durch die phantasierte terroristische Organisation des §129a/b besteht letztlich für alles und alle die Gefahr ebendieser zugerechnet zu werden. Wenn der GBA uns Linken also Terrorismus vorwirft, dann sagen wir: Der Terror geht von den bestehenden Verhältnissen aus. Er ist die Angst vor rassistischen und willkürlichen Kontrollen durch die Bullen; die Benachteiligung und Unterdrückung aufgrund von Herkunft, Hautfarbe, Pass oder Geschlecht; die Repression und die Angst scheinbar nichts dagegen tun zu können.
Dem treten wir entschlossen entgegen! Mit diesem Staat und seinen Behörden werden wir nicht reden!
Wenn es in Zukunft auch dich trifft, ist das Wichtigste, dass du weißt: Du bist nicht allein! Ein Angriff auf eine*n ist ein Angriff auf uns alle! Wende dich direkt an die Rote Hilfe Frankfurt. Uns drohen in diesem Verfahren hohe Zwangsgelder und Beugehaft, die wir in Kauf nehmen müssen. Auch im Falle einer Inhaftierung als Zeug*innen müssten wir die laufenden Kosten unseres Lebens, sowie die des Gefängnisses tragen. Selbst ohne diese Zwangsmittel wird dieses Verfahren sich noch Jahre hinziehen und uns, neben ein paar Nerven, eine Menge Geld kosten.
Um uns und andere zu unterstützen, spendet an das unten stehende Konto. Wir freuen uns genauso über Solidaritätsbekundungen, denn gemeinsam sind wir stark!
Spendenkonto
Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Frankfurt
IBAN: DE24 4306 0967 4007 2383 90
BIC: GENODEM1GLS
GLS-Bank
Stichwort: 129a
Gemeint sind wir alle!
Am Mittwoch, den 17. Juni 2020 gab es in Frankfurt am Main in den frühen Morgenstunden eine Hausdurchsuchung durch das Bundeskriminalamt (BKA) wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 129a StGB). Die bei dieser Anschuldigung ermittelnde Bundesanwaltschaft wirft Straftaten im Rahmen der Aktionen gegen das Bundesverwaltungsgericht am 1. Januar 2019 in Leipzig vor. Der Durchsuchungsbeschluss des Bundesgerichtshofes wurde bereits am 22. Januar 2020 ausgestellt. Ermittelt wird laut Beschluss gegen einen Beschuldigten und mindestens zwei weitere Unbekannte.
Wir als Solikreis haben uns zusammengeschlossen, um die Betroffenen aktiv und kontinuierlich zu unterstützen. Dabei geht es uns um praktische Solidarität aber auch um die politische Einordnung des Verfahrens und eine öffentliche Auseinandersetzung mit § 129a als Mittel der Repression gegen linke, emanzipatorische Bewegungen.
Der Vorwurf der Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gibt den Repressionsbehörden weitreichende Ermittlungsbefugnisse. Diese reichen vom Abhören der Telekommunikation, über den Einsatz von Trojanern zur Ausspähung von Smartphones und Computern, bis hin zur Beschattung von Beschuldigten und der Überwachung von privaten Räumen mit Wanzen und/oder Videotechnik. Dabei können von den Maßnahmen nicht nur die bereits offen Beschuldigten betroffen sein, sondern alle, bei denen die Ermittlungsbehörden einen Zusammenhang konstruieren oder die sie dem Kreis der Beschuldigten zurechnen. Dabei sind der Willkür kaum Grenzen gesetzt und die Ermittlungen können potentiell alle betreffen. Auch deshalb kann § 129a auch getrost als Schnüffel- oder Bespitzelungsparagraf bezeichnet werden, der von den Behörden all zu gerne zur Überwachung ganzer Zusammenhänge oder gar zur Ausspähung aller Strukturen genutzt wird, die sie der linke Szene zuordnen.
Wichtig ist dabei, die Betroffenen nicht im Stich zu lassen und sie aktiv zu unterstützen. Das heißt für uns konkret:
Seid solidarisch: Supportet die Betroffenen durch Veranstaltungen, Demonstrationen, Aktionen oder Spenden.
Lasst euch nicht spalten: Isoliert Beschuldigte nicht aus Angst vor Repression und geht mit ihnen genauso um, wie ihr es vor Bekanntwerden der Ermittlungen getan habt.
Anna und Arthur halten‘s Maul: Szenetratsch hilft nur den Repressionsorganen. Mit Spekulationen bringt ihr die Betroffenen, euch und mögliche andere in Gefahr.
Mittlerweile sind über ein Dutzend Genoss*innen im Zusammenhang mit dem 129a-Verfahren in Frankfurt von BKA und Bundesanwaltschaft als Zeug*innen vorgeladen worden. Auch diese Vorladungen sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da die Betroffenen den Terminen nicht einfach fernbleiben dürfen und bei Nichterscheinen Zwangsvorführungen drohen können. Außerdem können sich im Ermittlungsverfahren als Zeug*innen geführte Personen nicht problemlos auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen.
Alle bisher als Zeug*innen geladenen verweigern trotzdem die Aussage und arbeiten nicht mit dem Ermittlungsbehörden zusammen.
Chronologie
27.08.2020
Drei Personen verweigern mit Anwaltsbegleitung im Polizeipräsidium in Frankfurt die Aussage und lehnen jede Zusammenarbeit mit den Behörden ab. Begleitet werden sie von mehreren dutzend solidarischen Menschen.
22.08.2020
Das BKA verschickt erneut Zeug*innenvorladungen an die Personen welche zur ersten Ladung nicht erschienen sind.
30.07.2020
Im Rödelheimer Polizeirevier werden 9 Personen mit Anwaltsbegleitung durch das BKA befragt. Alle lehnen jede Aussage und Zusammenarbeit ab. Vor dem Revier begleiten ca. 60 solidarische Menschen die Betroffenen.
24.07.2020
Das BKA verschickt Zeug*innenvorladungen an ein gutes dutzend Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet mit einer Frist von 6 Tagen, inklusive Wochenende. Manche Personen erreichen die Briefe erst nach dem Vorladungstermin.
18.06.2020
In Frankfurt demonstrieren hunderte unter dem Motto „Wir sind alle 129a!“ gegen die Polizeiaktion und solidarisieren sich mit den Betroffenen.
17.06.2020
Hausdurchsuchung in der Wohngemeinschaft des Frankfurter Beschuldigten durch BKA, Bundespolizei und Frankfurter Staatsschutz. Das Verfahren wird Öffentlichkeit bekannt.
Androhung von Zeug*innenladung durch das BKA an zwei während der Durchsuchung anwesende Personen.
Am Abend demonstrieren in Leipzig etwa 400 Menschen gegen die Kriminalisierung Linker und ändern das Motto der Demo solidarisch in „Wir sind alle 129a“.
20.01.2020
Bundesgerichtshof (BGH) stellt Durchsuchungsbeschluss für den Frankfurter Beschuldigten aus.
31.05.2019
Aufnahme des Frankfurter Beschuldigten in das Verfahren.
03.01.2019
Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach §129a „Bildung einer terroristischen Vereinigung“. Übergabe der Ermittlungsführung an das Bundeskriminalamt (BKA).
01.01.2019
Angriff auf die Außenstelle des Bundesgerichtshofs (BGH) in Leipzig.

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