Montag, 31. August 2020

Der rechtsradikale Einzelfall der Bundeswehr – beim Namen genannt: KSK. Endgültige und ersatzlose Auflösung der Munitionsbeschaffer statt „Bewährung“ und „Reform“ sind gefordert


Dossier

Der rechtsradikale Einzelfall der Bundeswehr – beim Namen genannt: KSK. Endgültige und ersatzlose Auflösung der Munitionsbeschaffer statt „Bewährung“ und „Reform“ sind gefordert (Grafik von @UnsereNeueSPD, wir danken!)„… Der Militärische Abschirmdienst (MAD) sieht eine “neue Dimension” beim Problem des Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Wie der Präsident der Behörde, Christof Gramm, im Bundestag bei einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums sagte, sind die Verdachtsfälle von Rechtsextremisten und sogenannten Reichsbürgern erkennbar auf mehr als 600 angestiegen. Das rührt aus verstärkter Beobachtung her. “Wir schauen genauer hin auf Extremisten und auch auf Personen mit fehlender Verfassungstreue. Dabei werden wir fündig”, sagte Gramm. Schwerpunkt der Arbeit des MAD sei die Extremismusabwehr, wenngleich die überwiegende Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten verfassungstreu sei. Überhöhter Patriotismus ohne Bekenntnis zum Grundgesetz, zum Staat des Grundgesetzes und zur offenen Gesellschaft werde in der Bundeswehr nicht geduldet, sagte Gramm. “Solche falschen Patrioten haben bei uns definitiv nichts verloren.”…“ aus der Meldung „Militärgeheimdienst sieht neue Dimension von Rechtsextremismus“ am 29. Juni 2020 in der Zeit online externer Link worin, wie auch in anderem Meldungen vom Montag, die Frage ausgeblendet bleibt, warum der MAD seinen Kurs geändert hat, der vorher in wirkungsloser „Überprüfung“ (kombiniert mit dem einen oder anderen Tipp an KSK-Nazis) bestand. Siehe dazu weitere aktuelle Beiträge – sowohl zum Thema, wie nun „Schadensbegrenzung“ betrieben werden soll, als auch zu Kommentaren und Positionierungen, für deren Autoren und Autorinnen diese Erkenntnisse nun keineswegs neu sind – und den Hinweis auf unseren bisher letzten (von sehr vielen) Beitrag zum KSK-Nazibiotop:
  • KSK: Neue alte Probleme New
    “Bei der Entlassung des KSK-Soldaten Daniel K. gibt es offensichtlich Probleme. Dieser war bereits 2008 (!) mit einem Drohbrief an einen anderen Soldaten aufgefallen, in dem er u.a. äußerte: „Ich beurteile Sie als Feind im Inneren und werde mein Handeln danach ausrichten, diesen Feind im Schwerpunkt zu zerschlagen. […] Sie werden beobachtet, nein nicht von impotenten instrumentalisierten Diensten, sondern von Offizieren einer neuen Generation, die handeln werden, wenn es die Zeit erforderlich macht. […] Es lebe das heilige Deutschland“. Ernsthafte Konsequenzen hatte dieser Vorfall damals nicht, K. stieg sogar noch weiter innerhalb des KSK auf. Erst elf Jahre später – im Februar 2019 sollte Daniel K. entlassen werden, weil dem MAD aufgefallen war, dass er mutmaßlich rechtsextreme Bezüge aufweise und Kontakte in die Reichsbürgerszene habe. Entlassen wurde er bis zum heutigen Tage immer noch nicht. Die Marbacher Zeitung berichtet: „Im Streit um die Entlassung eines politisch in die Schlagzeilen geratenen früheren Offiziers des Kommandos Spezialkräfte (KSK) stößt das Verteidigungsministerium auf juristische Hürden. Der Oberstleutnant muss nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zunächst in der Bundeswehr weiterbeschäftigt werden, ist aber nicht im Dienst und „KzH“ – Krank zu Hause. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat das Verteidigungsministerium in der vergangenen Woche Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen die Anordnung des Gerichts eingelegt.“ Daniel K. erhält also weiter Bezüge von der Bundeswehr – obwohl er schon (damals bereits zu spät) vor 19 Monaten entlassen werden sollte.” Meldung von IMI-Aktuell 2020/561 vom 25. August 2020 externer Link
  • „Kramp-Karrenbauer will KSK reformieren und in Teilen auflösen“ am 30. Juni 2020 bei der SZ online externer Link meldet die Operation Schadensbegrenzung unter anderem so: „… Die Missstände beim Kommando Spezialkräfte (KSK) sind noch weit gravierender als bislang bekannt. Internen Ermittlungen der Bundeswehr zufolge sind dort 48 000 Schuss Munition und 62 Kilogramm Sprengstoff verschwunden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte der Süddeutschen Zeitung, diese Erkenntnisse seien “beunruhigend” und “alarmierend”. Nun müsse dringend geklärt werden, ob nur über Jahre hinweg schlampig Buch geführt oder ob in großem Stil Kriegsmaterial entwendet worden sei. Die Ministerin sieht sich nun zu drastischen Schritten gezwungen. Sie will den Eliteverband der Bundeswehr, der zuletzt durch rechtsextreme Vorfälle erschüttert wurde, reformieren und in Teilen auflösen. (…) Ende Oktober soll eine erste Bilanz gezogen werden. Bei einem Besuch beim KSK am Standort in Calw in Baden-Württemberg teilte die Ministerin am Montag mit: Es habe nun jeder die Chance zu entscheiden, ob er “Teil des Problems bleiben oder Teil der Lösung werden” wolle. Der SZ sagte die Ministerin: “Wenn aber die Angehörigen des KSK diesen Schuss jetzt nicht gehört haben, wird sich unausweichlich die Frage nach einer Neuordnung des KSK stellen.” Auslöser für ihr Einschreiten war der Waffenfund auf dem Privatgrundstück eines KSK-Soldaten in Sachsen, der zuvor durch rechte Gesinnung aufgefallen war. Der 45-jährige Oberstabsfeldwebel Philipp Sch. hatte zwei Kilo Sprengstoff, Tausende Patronen, dazu Schusswaffen und Waffenteile – darunter auch ein Schalldämpfer – bei sich gebunkert. Er gehörte zu einem Kreis von KSK-Soldaten, die bei einer Abschiedsfeier eines Offiziers 2017 Rechtsrock gehört und den Hitlergruß gezeigt haben sollen. An der Feier nahmen etwa 70 KSK-Angehörige teil. Bei dem Versuch, die Vorgänge aufzuklären, sei man laut Kramp-Karrenbauer auf eine “Mauer des Schweigens” gestoßen. Nur wenige auffällig gewordene Soldaten wurden bisher vom KSK abgezogen. Kommandeur Markus Kreitmayr, der seit 2018 den Verband führt und die Probleme deutlich angesprochen hat, soll das KSK durch den Reformprozess begleiten...“
  • „Kramp-Karrenbauer krempelt KSK um“ von Markus Decker  und Daniela Vates am 30. Juni 2020 in der FR online externer Link bewertet dieses Vorgehen so: „… Die Ausbildung des KSK wird künftig vom Heer übernommen. Reine KSK-Karrieren schließt das Verteidigungsministerium aus. Erwogen wird schließlich eine schärfere Sicherheitsüberprüfung für KSK-Soldaten. Die Eliteeinheit wird einer Generalinventur unterzogen, um den Verbleib von 37 000 Schuss Munition und 62 Kilo Sprengstoff zu klären. Die Auflösung des KSK lässt das Ministerium weiter offen. Am 31. Oktober werde Kramp-Karrenbauer bewerten, wie die bis dahin vorgenommenen Maßnahmen wirkten, heißt es. Er war Mitglied einer Arbeitsgruppe, die Kramp-Karrenbauer eingesetzt hatte, um Reformvorschläge zu machen. Die Ministerin wird deren Bericht mit den beschriebenen Konsequenzen am Mittwoch im Verteidigungsausschuss und dann der Öffentlichkeit präsentieren. Aus der insgesamt 1600-köpfigen Einheit hatte es seit 2017 immer wieder Schlagzeilen über rechtsextremistische Vorfälle gegeben. Im Januar gab der Militärische Abschirmdienst (MAD) bekannt, dass beim KSK 20 Soldaten unter Rechtsextremismus-Verdacht stehen – und damit relativ zu anderen Einheiten überproportional viele. Erst am Montag hatte der „Spiegel“ überdies berichtet, dass der MAD einen brisanten neuen Fall von Rechtsextremismus in der Truppe aufgedeckt habe…
  • „Gewachsenes Braun“ von Andres Förster am 29. Juni 2020 im Freitag online externer Link (Ausgabe 26/2020) bewertet dies grundsätzlicher und erinnert an einige der zahllosen Tatsachen: „… Im KSK sei eine Art Sonderbewusstsein herangewachsen, konstatiert Klaus Naumann, Militärhistoriker und Mitglied des Beirates für Fragen der Inneren Führung des Bundesverteidigungsministeriums. Auch deshalb, weil die „Schrumpfperiode“ in der Ausstattung der Bundeswehr nahezu spurlos am KSK vorbeigegangen sei. „Im Gegenteil, das Ausstattungs- und Ausbildungsniveau des Kommandos ist beständig gewachsen“, sagte Naumann im Deutschlandfunk. „Man hat eine gute Personalstärke, eine große Führungsdichte, sie genießt in Ausstattung, Ausbildung, Verweildauer, Binnenstruktur einen Sonderstatus innerhalb der Bundeswehr. Das wirft aber andrerseits Probleme auf, etwa die Isolierung von der übrigen Truppe und ein Elitedenken.“ Hinzu kommt das Selbstverständnis, das dem Verband von der Führung vorgegeben wird. Klare Worte dazu hatte der zeitweilige KSK-Chef, Brigadegeneral Reinhard Günzel, gefunden. Günzel hatte das Kommando von 2000 bis 2003 geleitet, bevor ihn der damalige Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) feuerte, weil er auf Bundeswehr-Briefpapier eine von antisemitischen und völkischen Stereotypen durchsetzte Rede des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann gelobt hatte. 2006 berichtete Günzel im Bildband Geheime Krieger offen vom Wehrmachts-Traditionsbewusstsein seines ehemaligen KSK. „Das Selbstverständnis der deutschen Kommandotruppen hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg nicht geändert“, schrieb Günzel in dem von einem rechten Verlag veröffentlichten Buch. So würden sich die Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte vor allem in der Tradition der – an zahlreichen Kriegsverbrechen beteiligten – Sondereinheit „Brandenburger“ sehen: „Die Kommandosoldaten des KSK wissen genau, wo ihre Wurzeln liegen. Die Einsätze der ‚Brandenburger‘ (…) gelten in der Truppe als geradezu legendär.“ Mit der Mitgliedschaft im KSK sei zudem ein „Ordensgedanke“ verbunden, vergleichbar dem Selbstverständnis der SS als Eliteorden, als „eingeschworener Männerbund“…“
  • „Konsequenzen statt Symbolpolitik“ bereits am 01. Juni 2020 in neues deutschland online externer Link war ein Gespräch von Daniel Lücking mit Florian Pfaff (Arbeitskreis „Darmstädter Signal“) zum Zeitpunkt, da die Munitionsbeschaffungsaktionen im KSK bekannt wurden – worin dieser zur Beförderung rechten Verhaltens unter anderem ausführte: „… Für mich liegt einer der Gründe darin, dass von Soldaten immer häufiger auch Dinge verlangt werden, die nicht legal sind. Das kritisieren wir. Viele Aufträge beim Kommando Spezialkräfte KSK sind nicht legal durchführbar. Zugriffsoperationen in Afghanistan, bei denen Gefangene gemacht und an die US-Truppen übergeben werden und der Irakkrieg sind da nur Beispiele. Da ist jedem klar, dass die nach Guantanamo oder in Geheimgefängnisse kommen. Wer solche Aufträge akzeptiert und daran mitwirkt, der muss schon einen gewissen Mangel an Verfassungstreue mitbringen. (…) Insbesondere, dass es laut dem Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes nicht nur um Rechtsradikalismus, sondern auch mangelnde Verfassungstreue gehen soll. Wie soll man Bundeswehrangehörigen vermitteln, dass Rechtsradikalismus und Antisemitismus tabu, aber völkerrechtswidrige Angriffskriege, wie gegen Saddam Hussein, schon in Ordnung seien? Das kann nicht funktionieren. Die Bundeswehr muss insgesamt auf den Boden der Verfassung zurückgebracht werden. Nur dann kann auch der Rechtsradikalismus in der Truppe eingedämmt werden. (…) Leider gibt es diese Tendenz. Das habe ich selbst erleben müssen, als ich mich gegen einen Einsatz im Irak gewehrt habe. Ich habe mich gesetzestreu verhalten und wurde daraufhin nicht mehr befördert. Wenn die Bundeswehr derartig abstraft, dann bleiben natürlich nur noch die übrig, die sich so verhalten, wie wir das jetzt beim KSK sehen. Darüber darf sich die Bundeswehrführung, solange sie selbst auffordert, die Gesetze zu ignorieren, nicht wundern…“
  • „KSK regelrecht durchsetzt von rechten Akteuren“ am 29. Juni 2020 im Deutschlandfunk externer Link ist ein Interview von Jürgen Zurheide mit Tobias Pflüger, worin vom Linken-Abgeordneten unter anderem unterstrichen wird: „… Es ist tatsächlich so, dass wir seit längerem, seit Jahren darauf hinweisen, dass es diese Rechten innerhalb der Bundeswehr gibt, rechtsextreme, Neonazistische Netzwerke. Und über Jahre hinweg wurde uns gesagt: Nein, es sind keine Netzwerke, sondern das sind quasi Einzelfälle, und es ist unangenehm, dass es diese Einzelfälle gibt. Heute hat jetzt Herr Grimm vom Militärischen Abschirmdienst erstmals selbst explizit davon gesprochen, dass es Netzwerke von neonazistischen Rechtsextremisten gibt innerhalb der Bundeswehr, und insofern fühlen wir uns bestätigt. Es ist erschreckend, dass es so ist, aber es ist tatsächlich eine Bestätigung. (…) Man muss gleichzeitig wissen, dass eine ganze Reihe von Informationen aus dem Militärischen Abschirmdienst ans Kommando Spezialkräfte abgeflossen sind, und zwar auch offensichtlich über Jahre wie jetzt gerade. Offensichtlich sind eine ganze Reihe von Kommando Spezialkräfte Soldaten vorgewarnt worden, dass da quasi entsprechende Untersuchungen laufen, und wir hatten die verrückte Situation, dass eine zentrale Hauptperson selbst Quelle des Militärischen Abschirmdienstes beim Kommando Spezialkräfte war. Das heißt, der Militärische Abschirmdienst ist nun tatsächlich nicht die Gruppe, die sich da besonders mit Ruhm bekleckert hat. Nichtsdestotrotz ist es gut, dass da jetzt Stück für Stück tatsächlich die Tatsachen ans Licht kommen...“
  • „»Das KSK ist nicht reformierbar«“ am 23. Juni 2020 bei IMI-Online externer Link dokumentiert ein Gespräch ebenfalls mit Tobias Pflüger in der jungen welt, worin zur „Reformierbarkeit“ und zur „Notwendigkeit“ des KSK ausgeführt wird: „… Das KSK ist nicht reformierbar, die Fehler sind systemischer Natur. Die Truppe muss aufgelöst werden. So wie das jetzt angegangen werden soll, mit internen Arbeitsgruppen – das wird nicht viel bringen. / Braucht die Bundeswehr eine solche Spezialtruppe überhaupt? / Nein. Das ist eine ganz interessante Kontroverse. Im Verteidigungsausschuss sagen alle anderen Fraktionen: Spezialkräfte braucht es unbedingt. Dann muss man aber auch akzeptieren, dass man sich das Problem rechter Netzwerke damit ins Haus holt. Das ist einer der Gründe dafür, dass ich sage: Solcher Spezialeinheiten bedarf es eben nicht. Insgesamt bekomme ich viele Rückmeldungen, dass die Forderung nach Auflösung des KSK sinnvoll ist und unterstützt wird. Selbst in Foren, in denen Bundeswehr-Angehörige und militärnahe Kreise sich austauschen, bekommt die Forderung übrigens auch ziemlich viel Zustimmung...“
  • Siehe dazu auch: „Die rechtsradikale Kadertruppe KSK: Sofort auflösen!“ am 19. Juni 2020 im LabourNet Germany – worin unter anderem der „Insider-Brief“ eine wesentliche Rolle spielt, der nicht unwesentlich zur Steigerung (und Änderung) der MAD-Aktivitäten beigetragen haben dürfte…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174851

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