Dossier
„… Wisslers Partei, die hessische Linke, zeigte sich „erschrocken und erschüttert“ über die Drohmails. Die Landesvorsitzenden Petra Heimer und Jan Schalauske sagten: „Der Angriff auf Janine ist ein Angriff auf uns alle. Wir lassen uns nicht von rechten Gewalttätern einschüchtern. Wir stehen gemeinsam und solidarisch gegen rechte Gewalt.“ Diesen Kampf werde man „noch weiter verstärken“, kündigten die Linken-Politiker an. Die beiden E-Mails an Wissler enthalten Nazigrußformeln wie „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“. Der Absender beschimpft die Politikerin und droht ihr einen „Tag X“ an, an dem die Polizei sie nicht beschützen werde. Zudem verwendet er persönliche Daten von ihr, die nicht öffentlich zugänglich sind. Die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz hat seit August 2018 mehrfach Drohmails erhalten, die ebenfalls mit „NSU 2.0“ unterschrieben waren und persönliche Daten enthielten. Seinerzeit hatten Ermittler herausgefunden, dass Daten von ihr von einem Rechner im 1. Frankfurter Polizeirevier auf der Zeil abgerufen worden waren. Bis heute ist der Verdacht nicht ausgeräumt, dass Polizeibeamte damit zu tun haben könnten…“ – aus dem Beitrag „Drohungen gegen Wissler „widerwärtig““ von Pitt v. Bebenburg am 05. Juli 2020 in der FR online über weiter wachsende Verdachtsgründe gegen die hessische Polizei. Siehe dazu:
- “NSU 2.0”: Affäre um rechtsextreme Drohmails weitet sich aus – Neue Spuren weisen zur Polizei
“Nicht nur in hessischen Dienststellen soll es grundlose Abfragen nach Daten der Opfer gegeben haben, sondern auch in Hamburg und Berlin. Seit zwei Jahren kommen diese Drohungen, seit zwei Jahren erhalten Frauen wie die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, die Künstlerin İdil Baydar oder die hessische Linkenpolitikerin Janine Wissler anonyme Schreiben, in denen ihnen im Namen von “NSU 2.0” extreme Gewalt angedroht wird. Immer wieder weisen Spuren in Richtung der hessischen Polizei. Denn immer wieder enthalten die Schreiben vertrauliche Daten, die kurz zuvor an Polizeicomputern in Hessen abgerufen worden sind – so im 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main und zuletzt im 4. Polizeirevier in Wiesbaden. Offenbar hat es solche verdächtigen Datenabfragen aber noch in mehr Bundesländern gegeben als bislang bekannt. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des WDR laufen interne Ermittlungen der Polizei nun auch in Hamburg und Berlin. So sollen am 5. März 2019 persönliche Daten der Künstlerin İdil Baydar an einem Berliner Polizeicomputer abgefragt worden sein, ohne dass ein dienstlicher Grund erkennbar ist. Kurz darauf erhielt die Künstlerin, die in Frankfurt und Berlin lebt, Drohschreiben mit dem Absender “NSU 2.0”. Am selben Tag hatte es – was bereits bekannt war – eine solche Abfrage auch an einem Polizeicomputer in Wiesbaden gegeben. In Hamburg wiederum haben Ermittler festgestellt, dass die Daten von Hengameh Yaghoobifarah im Polizeisystem abgerufen worden sind. Yaghoobifarah schreibt Kolumnen für die taz. In einer Kolumne im Juni 2020 gab es den Vorschlag, Polizisten auf die “Mülldeponie” zu verbannen. Daraufhin hatten Polizeigewerkschaften und Innenpolitiker scharf protestiert. Im Juli tauchte der Name Hengameh Yaghoobifarah erstmals in einem von “NSU 2.0″ gezeichneten Drohschreiben auf…” Artikel von Florian Flade und Ronen Steinke vom 26. August 2020 in der Süddeutschen Zeitung online - Solidarität mit Gökay Akbulut und allen Betroffenen des NSU 2.0
“„In der Nacht zum 22. Juli haben verschiedene Personen des öffentlichen Lebens Morddrohungen per E-Mail erhalten, die mit der Absenderunterschrift „NSU 2.0“ unterzeichnet wurde. Auch die Mannheimer Bundestagsabgeordnete der LINKEN Gökay Akbulut hat eine solche Morddrohung erhalten. Wir sind entsetzt, aber nicht überrascht. Wir sind nicht überrascht, weil solche Mails seit zwei Jahren verschickt werden, und überwiegend engagierte, mutige Frauen Ziel dieser Angriffe sind. Wir sind sprachlos über die Ignoranz mit der die Sicherheitsbehörden dieser Aggression von rechts begegnen. Wir fordern die lückenlose Aufklärung dieser Reihe von Drohmails. Wir stehen solidarisch an der Seite von Gökay und lassen uns nicht von derartigen Hassmails einschüchtern! Wir halten an unserem politischen Kurs für eine solidarische Gesellschaft, gegen rechte Hetze und gegen Rassismus fest! Gemeinsam sind wir stark!“ Solidaritätserklärung von DIDF- Mannheim, Kreisvereinigungen Mannheim und Heidelberg der VVN-BdA u.v.a.m. - Abfragen von Datenbanken durch Polizeibeamte – Illegale Abfrage von Polizeidatenbanken … über die Tragweite des Problems
“Dieser zweite Teil des Artikels zu Abfragen von Datenbanken durch Polizeibeamte beschreibt die Tragweite des Problems und stellt eine Modellrechnung auf über die (Mindest-)Zahl solcher Abfragen pro Tag. Er befasst sich ferner mit der technischen Ausstattung, die Polizeibeamten am Arbeitsplatz und mobil für Datenabfragen zur Verfügung steht, mit den verschiedenen Varianten der Zugangskontrolle, von denen keine „hundertprozentigen“ Schutz gegen illegale Nutzung polizeilicher Datenbanken gewährleistet und erklärt, was die Pflicht zur Eingabe eines Zwecks für die Abfrage eigentlich bezweckt und wie in der Praxis damit umgegangen wird. (…) Fazit: Das Problem des Datendiebstahls aus polizeilichen Datenbanken ist evident. Sowohl die Datenschutzaufsichtsbehörden als auch – vereinzelt – parlamentarische Initiativen versuchten in den letzten Jahren, für mehr Sicherheit für die Betroffenen im Umgang mit deren persönlichen Daten zu sorgen. Komplett verhindern lässt sich der Diebstahl von personenbezogenen Informationen aus polizeilichen Datenbanken allerdings nicht! Wer es darauf anlegt, wird immer Mittel und Wege finden, solche Informationen illegal auszuforschen und für seine eigenen Zwecke oder zur Weitergabe an interessierte Dritte zu nutzen. Zumal es ein Polizeibeamter gar nicht besonders raffiniert anstellen muss: Wer es darauf anlegt, kann die Zugangskontrolle zu Datenbanken der Polizei überwinden; teilweise erleichtert eine nachlässige technische Absicherung solche Informations-Piraterie. Die Pflichtangabe eines Zwecks der Abfrage steht auf geduldigem Papier: In der Praxis gibt es Belege dafür, dass banale Schlagworte, wie ‚Strafverfolgung‘ oder ‚Vorgangsbearbeitung‘ bereits ausreichen, um der vermeintlichen Formalie Genüge zu tun.”…” Beitrag vom 31. Juli 2020 von Annette Brückner im police-it.net – Blog über Polizei und ihre Informationssysteme. Es ist der 2. Teil, siehe Teil 1 : Abfrage von Datenbanken durch Polizeibeamte -1: Besondere Rechte und Pflichten der Polizeibeamten bei der Abfrage von Polizeidatenbanken und Datenbanken anderer Behörden - „NSU 2.0“: Bedrohte vermissen Ernsthaftigkeit bei Ermittlungen / [Seit 2018 mehr als 400 Fälle] Polizisten nutzen Dienstcomputer oft für private Abfragen von Bürgern
- „NSU 2.0“: Bedrohte vermissen Ernsthaftigkeit bei Ermittlungen“Die Linken-Politikerin Mohamed Ali und der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Mazyek, haben wie viele andere “NSU 2.0″-Drohmails erhalten. Sie warnen davor, die Drohungen zu unterschätzen und verlangen intensive Ermittlungen. Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, dringt auf Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zu den „NSU 2.0“-Drohmails. Mohamed Ali sagte dem Deutschlandfunk in einem am Sonntag gesendeten Interview, in der Vergangenheit seien an vielen Stellen Drohungen auch Taten gefolgt. Die Linken-Politikern zählt zu den Empfängerinnen und Empfängern der Mails und sprach von einer „bedrohlichen Situation“. Aus Sicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sind die rechtsextremistischen Drohmails unbedingt ernst zu nehmen. „Wenn einer solch einen Mordaufruf gegen Menschen und ihre Familien ausspricht, dann ist er auch potenziell in der Lage, solche Terroranschläge zu vollziehen“, sagte Mazyek, der nach eigenen Angaben bereits drei solche Schreiben erhalten halt, dem Internetportal „t-online“. Angesichts dessen vermisse er auch bei den polizeilichen Ermittlungen immer noch eine entsprechende „Ernsthaftigkeit“. Vor wenigen Tagen hatte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) im Innenausschuss des Landtags von bislang 69 Drohschreiben mit dem Absender „NSU 2.0“ an 27 Personen und Institutionen in acht Bundesländern berichtet. In mehreren Fällen wurden Daten der Bedrohten über hessische Polizeicomputer abgefragt…” Meldung vom 27. Juli 2020 von und bei MiGAZIN
- [Seit 2018 mehr als 400 Fälle] Polizisten nutzen Dienstcomputer oft für private Abfragen von Bürgern“… Das ergab eine Abfrage bei allen Bundesländern. (…) Bundesweit sind seit 2018 mehr als 400 Ordnungswidrigkeits-, Straf- oder Disziplinarverfahren infolge unberechtigter Datenabfragen durch Polizeibeamte eingeleitet worden. Das ergab eine Umfrage von WELT AM SONNTAG bei den Innenministerien und Datenschutzbeauftragten der 16 Bundesländer und des Bundes. Aus Sachsen-Anhalt konnten die entsprechenden Stellen bis zum Ablauf der Frist keine konkreten Zahlen mitteilen. Unter den Angaben ist auch eine zweistellige Zahl eingestellter und in Prüfung befindlicher Verfahren. Je nach Bundesland unterscheiden sich die Kontrollmechanismen sowie die Verfolgungsbefugnisse. Müssen Beamte in Baden-Württemberg jede 50. Abfrage begründen, fordert Hessen das nur bei der 200. Abfrage – und auch erst seit 2019. In Bundesländern wie etwa Sachsen, Hamburg oder Baden-Württemberg ahnden Datenschutzbehörden Ordnungswidrigkeiten, in anderen Ländern fehlen der Behörde entsprechende Befugnisse. Das Problem der missbräuchlichen Nutzung polizeilicher Datenbanken durch Beamte wird bundesweit diskutiert, seitdem mehrere Dutzend Drohschreiben an Politiker und Prominente mit dem Absender „NSU 2.0“ kursieren. Bislang ist unklar, wer sie verfasste. In drei Fällen ist bekannt geworden, dass die Angeschriebenen zuvor in Datenbanken der hessischen Polizei recherchiert worden waren.” Artikel von Alexej Hock und Ricarda Breyton vom 26. Juli 2020 in der Welt am Sonntag online
- 69 Mord-Drohungen und eine Verteidigungslinie: Wie eine schwarz-grüne Landesregierung die polizeilichen Datenlieferanten zu schützen versucht
„… Inzwischen hält der Minister sogar für möglich, was er stets kategorisch ausgeschlossen hatte, dass es nämlich in der hessischen Polizei rechte Netzwerke geben könnte. „Der Verdacht wiegt schwer“, so Beuth. Die Landtagsopposition attestiert dem Minister längst Totalversagen, zumal die Reihe der Drohmails gegen Politikerinnen, Journalistinnen und andere nicht abreißt. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder legt dem Minister daher den Rücktritt nahe. „Was muss denn noch alles passieren, um zu beweisen, dass der Staat auf dem rechten Auge blind ist? Was Sachsen und Thüringen im Osten waren, ist Hessen gegenwärtig im Westen. Und wenn jetzt der Feind sogar in den eigenen Reihen steht, hat das natürlich eine noch tiefgreifendere Dramaturgie“, so der Politikprofessor gegenüber der taz. Doch vom grünen Koalitionspartner, zu dessen politischem Programm der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus gehört, ist bis heute kein kritisches Wort gegen den Minister überliefert. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen erklärte sich zwar „zutiefst besorgt“, sprach vom „Fehlverhalten Einzelner“, versicherte aber gleichzeitig dem zurückgetretenen Polizeipräsidenten ihren Respekt…“ – aus dem Beitrag „Das laute Schweigen der Grünen“ von Christoph Schmidt-Lunau am 20. Juli 2020 in der taz online , worin zwar noch auf ziemlich uralte grüne Programme verwiesen wird, aber dann doch die Verteidigungsrealität der hessischen Landesregierung als Fakt übrig bleibt… Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge der (keineswegs: Un-) Tätigkeit der hessischen Landesregierung bezüglich Nazis in Uniform:- „Keine Ahnung und keine Lust“ von Uwe Kalbe und Hans-Gerd Öfinger am 21. Juli 2020 in nd online zum Verhalten von Landesregierung (und Staatsanwaltschaft): „… Nach der Sitzung ist bestätigt, was bereits weitgehend bekannt war. Innenminister Peter Beuth (CDU) teilte mit: Das Landeskriminalamt (LKA) habe Kenntnis von 69 rechtsextremen Drohschreiben, die mit der Unterschrift »NSU 2.0« an 27 Personen in acht Bundesländern versendet wurden. Auch in der Nacht zum Dienstag waren wieder E-Mails dieser Art verschickt worden – so an Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), die Linke-Vorsitzende Katja Kipping, die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, die Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Linke) und Karamba Diaby (SPD) sowie die Staatssekretärin in der Berliner Senatskanzlei, Sawsan Chebli (SPD). In der Sammelmail, aus der die Deutsche Presse-Agentur zitierte, werden die Adressaten als »Menschendreck« beschimpft. »Wir wissen alle genau, wo ihr wohnt«, zitiert dpa weiter und: »Wir werden euch alle abschlachten.« Unterzeichnet ist die Mail erneut mit »NSU 2.0« und »Der Führer«. (…) Beuth habe sich erneut als der »falsche Mann am falschen Ort« gezeigt. Zuvor hatte auch die hessische SPD-Chefin, Nancy Faeser, erklärt, Beuth müsse jetzt die politische Verantwortung übernehmen. Im Deutschlandfunk sagte sie, dies scheitere wohl nur an der dünnen Mehrheit der schwarz-grünen Koalition – Beuth ist auch Abgeordneter des Landtages. Der Innenminister hatte unlängst einen Sonderermittler eingesetzt, der eng mit dem neuen Landespolizeipräsidenten Roland Ullmann zusammenarbeiten soll. Der war eingesetzt worden, nachdem der bisherige Landespolizeipräsident Udo Münch zurückgetreten war. SPD-Politikerin Faeser zog auch den Nutzen eines solchen Sonderermittlers in Zweifel. Die Ermittlungsarbeit gehöre in die Hände der Staatsanwaltschaft. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft warf am Dienstag aber auch ein schlechtes Licht auf den Ermittlungswillen der Behörden. »Katastrophal« nannte Hermann Schaus den Auftritt des leitenden Oberstaatsanwalts. Die Behörde habe ihre Unfähigkeit bewiesen, aber auch mangelnde politische Sensibilität an den Tag gelegt. Nachdem bereits im Oktober 2019 die illegalen Datenabfragen vom Computer eines Wiesbadener Polizeireviers entdeckt wurden, kam es erst im Juni dieses Jahres zur Befragung der zwölf Polizeibeamten, die damals Dienst hatten. Ein Disziplinarverfahren wurde offenbar unter dem Druck der öffentlichen Berichterstattung erst in der vergangenen Woche eingeleitet...“
- „GBA will nicht ermitteln“ von Lenny Reimann am 21. Juli 2020 in der jungen welt zum weiteren Fortgang der Schutzmächte: „… Da in mindestens drei Fällen persönliche Daten von Empfängerinnen und Empfängern der Drohschreiben von Polizeicomputern in Frankfurt und Wiesbaden abgefragt worden waren, mehren sich mittlerweile Forderungen, dass der Generalbundesanwalt (GBA) die Ermittlungen an sich ziehen solle. »Man wird nicht darum herumkommen, dass man bundesweit eine ermittlungsführende Behörde hat«, sagte die ebenfalls betroffene Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) der Frankfurter Rundschau vom Montag. Das könne »nur der GBA sein«. Ihr Eindruck sei, »dass die Kommunikation, der Informationsaustausch und die Ermittlungsstrategie zwischen dem LKA Hessen, dem LKA Berlin und dem BKA nicht wirklich abgestimmt sind«, wodurch »Querbezüge zu anderen Komplexen« nicht ausreichend in den Fokus der Ermittler gerieten. Der GBA sei aber auch die richtige Ermittlungsstelle, weil die Täter »den Staat in seinen Institutionen« angriffen. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Konstantin Kuhle hatte sich am Wochenende laut Welt dafür ausgesprochen, die Ermittlungen auf die Bundesebene zu ziehen – »um dem Staatsschutzcharakter der Vorfälle Rechnung zu tragen«. Der GBA betrachtet sich jedoch als »nicht zuständig«, da die Ermittlungen in den Ländern »keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für Sachverhalte ergeben, auf deren Grundlage die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernehmen und die Strafverfolgung in eigener Zuständigkeit durchführen dürfte«, behauptete ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am Montag…“
- Die Mord-Drohungen gehen immer weiter: Einige erhalten sie mehrfach
„… Nach einer Serie von rechtsextremen Drohschreiben sind erneut weitere Fälle bekanntgeworden. Ein anonymer Verfasser habe am Freitag mindestens zwei E-Mails mit identischem Inhalt an insgesamt 15 Adressaten geschickt – unterzeichnet mit “NSU 2.0″, berichtete die Welt am Sonntag. Zu den Empfängern sollen neben Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) auch die Linken-Politikerin Janine Wissler und die Kabarettistin Idil Baydar gehören, die schon früher Drohschreiben erhalten hatten. Auch nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ging eine neue derartige E-Mail an eine Reihe von in der Öffentlichkeit bekannten Empfängern. Auch der neue hessische Polizeipräsident Roland Ullmann wird offenbar darin erwähnt. Die Welt am Sonntag berichtete, in dem ihr vorliegenden Schreiben tauche erstmals auch der Name des Welt-Korrespondenten Deniz Yücel auf…“ – aus der Meldung „Neue Drohschreiben des “NSU 2.0” aufgetaucht“ am 19. Juli 2020 in der Süddeutschen Zeitung online über die aktuelle Fortsetzung der Drohkampagne. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag:- „NSU 2.0“: Über Grenzen ermitteln“ von Pitt v. Bebenburg am 19. Juli 2020 in der FR online zu den Ermittlungen: „… Die rechtsextreme Szene ist seit vielen Jahren bestens vernetzt zwischen Nordhessen, Thüringen und dem Ruhrgebiet. Die Drohserie wiederum weist klare Bezüge nach Berlin auf. Dort steht ein Nazi vor Gericht, der mehr als hundert Drohschreiben mit dem Kürzel „Nationalsozialistische Offensive“ verschickt haben soll. Die Parallelen zum „NSU 2.0“ liegen auf der Hand, zumal das Berliner Gericht zum Prozessauftakt wegen einer Drohung des „NSU 2.0“ geräumt werden musste. Die Ermittler werden das Netz nur erfolgreich zerschlagen, wenn sie über ihre Ländergrenzen hinaus schauen, die Querverbindungen zwischen den Fällen erkennen und mit den Kollegen eng kooperieren...“
- Die hessische Drohkampagne mit Hilfe von Polizei-Daten: Öffentliche Untersuchung statt polizeilicher (Selbst)Ermittler
- So geht Polizeistaat: Wenn der Verdächtige eine Uniform hat, reicht es, dass er seine Unschuld beteuert – die Morddrohungen gegen Linke Politikerin mit seinen Daten gehen weiter
„… Die Fraktionschefin der Linken im hessischen Landtag, Janine Wissler, hat erneut Drohmails mit Todesdrohungen erhalten. Wie mehrere Medien berichten, erhielt Wissler die zwei Schreiben in den vergangenen vier Tagen. Ihre Fraktion bestätigte demnach den Eingang neuer Drohungen. Der Absender der E-Mails ist offenbar derselbe wie bereits im Februar: Die Schreiben sind mit dem Kürzel “NSU 2.0” unterzeichnet. In den Drohschreiben von Februar waren private Daten enthalten, die der “Frankfurter Rundschau” zufolge vermutlich aus Abfragen von einem Dienstcomputer der Polizei stammen. Demnach wurden von einem Polizeicomputer in Wiesbaden Wisslers private Daten abgefragt. Kurz darauf habe sie zwei Schreiben mit Beschimpfungen, Drohungen und persönlichen Daten erhalten, die nicht öffentlich zugänglich seien, schreibt die Zeitung. Die Drohungen wurden vor wenigen Tagen publik…“ – so die Meldung „Hessische Linkenfraktionschefin erhält Drohmails“ am 09. Juli 2020 in Spiegel online über die erneuten Morddrohungen gegen Janine Wissler. Siehe dazu auch zwei Beiträge über die Schutzmechanismen für Verdächtige – sofern sie uniformiert sind:- „Privatadresse, abgefragt vom Polizeicomputer“ von Matthias Bartsch am 09. Juli 2020 beim Spiegel online zum Thema, warum man den Verdächtigen in Ruhe lässt: „… Die beiden bislang letzten Schreiben erhielt Janine Wissler am vergangenen Samstag und in der Nacht von Montag auf Dienstag. Sie wurden offenbar weit gestreut und auch an andere Landespolitiker verschickt, darunter den hessischen Innenminister Peter Beuth und Regierungschef Volker Bouffier (beide CDU). Die beiden ersten Morddrohungen hatte Wissler bereits Mitte Februar bekommen und an das hessische Landeskriminalamt weitergeleitet. Was die Linkenpolitikerin damals nicht erfuhr: Nur wenige Tage zuvor war damals ihre Privatadresse an einem Polizeicomputer in einem Wiesbadener Revier abgefragt worden. Das bestätigten jetzt Sicherheitskreise dem SPIEGEL. (…) Im aktuellen Fall Wissler konnte nach SPIEGEL-Informationen ein Wiesbadener Beamter ermittelt werden, unter dessen persönlicher Kennung im Februar unter anderem Wisslers Privatadresse und Handynummer aus einem amtlichen Verzeichnis abgerufen wurde. Der Polizist sei vernommen worden. Er habe die Abfrage aber bestritten und ausgesagt, möglicherweise habe ein Kollege oder eine Kollegin seine Kennung genutzt. Man habe dem Beamten das Gegenteil nicht nachweisen können, heißt es in Ermittlerkreisen. Deshalb werde der Mann jetzt in den Akten offiziell als “Zeuge” geführt. Eine Verbindung zu der rechtsextremen Chat-Gruppe in Frankfurter Polizeikreisen habe man ebenfalls nicht ermitteln können. Allerdings fand, anders als in Frankfurt, offenbar auch keine Durchsuchung der privaten Datenträger des Wiesbadener Beamten statt...“
- „Hessens Minister Beuth wurde offenbar nicht informiert“ von Putt von Bebenburg am 09. Juli 2020 in der FR online zum Schutzwirken der Bruderschaft: „… Der hessische Polizeiskandal dürfte Konsequenzen haben. Innenminister Peter Beuth (CDU) berichtete am Donnerstag, dass er über die erneute Spur von rechtsextremen Drohmails zu einem Polizeicomputer nicht informiert worden sei. Das Hessische Landeskriminalamt habe „nicht die Sensibilität an den Tag gelegt, die ich bei solchen Bedrohungen erwarte“, sagte Beuth in Wiesbaden. Er setze ab sofort einen erfahrenen Beamten einen Sonderermittler ein, der direkt an Landespolizeipräsident Udo Münch berichte. (…) Die hessische SPD zeigte sich „fassungslos“. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, Günter Rudolph, bezweifelte, dass Innenminister Beuth der Richtige sei, um zur Aufklärung beizutragen. „Wir wollen wissen, seit wann der Innenminister von der Datenabfrage per Polizeicomputer wusste. Hierzu verlangen wir auch Akteneinsicht“, kündigte Rudolph am Donnerstag an. „Dass er die Fraktionen des Hessischen Landtags darüber erst gestern Abend informiert hat, als die Frankfurter Rundschau schon fast gedruckt war, macht deutlich: Dieser Mann ist nicht mehr Teil der Lösung, er ist Teil des Problems.“...“
- „»Gefährder« in Uniform“ von Markus Bernhardt am 06. Juli 2020 in der jungen welt zur neuerlichen hessischen Drohkampagne samt polizeilicher Verwicklung und staatsanwaltschaftlicher Deckung: „… Vieles deutet darauf hin, dass rechte Polizeikreise hinter den Drohungen gegen die hessische Linke-Fraktionsvorsitzende Janine Wissler stecken. Wie am Freitag bekannt wurde, hatte die Politikerin bereits im Februar zwei Drohmails erhalten, die mit »NSU 2.0« unterzeichnet worden waren. Bemerkenswert ist das, da derzeit Ermittlungen gegen einen Kreis von Polizeibeamten aus Frankfurt am Main laufen, bei denen es um mit diesem Kürzel unterzeichnete Drohschreiben gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz geht. Basay-Yildiz hatte als Nebenklägerin Angehörige im »NSU«-Prozess vertreten. Die Ermittlungen im Fall der prominenten Rechtsanwältin hatten ergeben, dass ihre persönlichen Daten von einem Computer des 1. Polizeireviers in Frankfurt am Main abgerufen worden waren. Auch in den an Wissler verschickten Drohschreiben finden sich Bezüge zur Polizei. Neben faschistischen Grußformeln und unflätigen Beschimpfungen enthalten die Schreiben Anspielungen auf einen »Tag X«. Der gilt Faschisten auch aus Szene der »Reichsbürger« und sogenannter »Prepper« als Tag der »Abrechnung« bzw. Machtübernahme, an dem sie gegen politische Gegner vorgehen und sie »eliminieren« wollen. Bei diesem Spektrum handelt es sich keineswegs um »ungefährliche Spinner«, das legen die Diebstähle von Munition und Sprengstoff nahe, zu denen es in der Vergangenheit bei Bundeswehr und Polizei gekommen ist. Unterdessen verweigerte die Staatsanwaltschaft der Mainmetropole gegenüber der Frankfurter Rundschau »aus ermittlungstaktischen Gründen« eine Stellungnahme zu den gegen die Linke-Politikerin gerichteten Drohschreiben, in denen auch Daten Wisslers verwendet wurden, die nicht öffentlich zugänglich sind. »Es war eine klare Bedrohung gegen mein Leben«, sagte die stellvertretende Bundesparteivorsitzende der Linken am Freitag abend gegenüber dpa…“
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