Dossier
„Deutsche Bauern sind besorgt: Helfen ihnen künftig keine Saisonkräfte mehr auf den Spargelfeldern? Dafür gäbe es gute Gründe, sagt der Experte Thomas Hentschel. (…) Die Bedingungen sind vielerorts tatsächlich schlecht. Nehmen wir die Bezahlung. Auf dem Papier zum Beispiel bekommt natürlich jeder Helfer den deutschen Mindestlohn von 8,84 Euro in der Stunde. In der Praxis sieht das ganz anders aus, und das spricht sich früher oder später natürlich auch in den Herkunftsländern herum. (…) Es gibt genug Betriebe, die ihren Leuten umstandslos das zahlen, was ihnen zusteht. Das widerlegt die Behauptung, es ginge nicht ohne Trickserei und Lohndumping. Übrigens klagen französische Bäuerinnen und Bauern, dass die deutschen Landwirte den Markt dort mit billigem Spargel überfluten, weil der Mindestlohn bei uns niedriger ist als auf der anderen Rheinseite. Die französischen Arbeitgeber verlangen inzwischen von den deutschen Gewerkschaften, dass sie für höhere Löhne in der Landwirtschaft sorgen sollen. Das ist doch absurd!“ (…) Bio und Regionales haben überhaupt nichts mit Sozialstandards zu tun. Leider gibt es kaum etwas, was beim Einkauf Orientierung bieten könnte. Unser Institut hatte vor zehn Jahren einmal die Idee, ein Siegel für faire Saisonarbeit zu verleihen. Leider haben kaum Betriebe mitmachen wollen, sodass wir das Projekt schnell beerdigt haben. Die Schutzrechte für das damals von uns entwickelte Siegel laufen dieses Jahr endgültig aus. Wir werden Sie nicht verlängern.“ Interview von Bernd Kramer vom 25.05.2018 in der Zeit online . Thomas Hentschel leitet das gewerkschaftsnahe Peco-Institut in Berlin, das eine Studie über die Situation der Erntehelfer veröffentlicht hat: “Flexible-Insecure. Wanderarbeit in der Landwirtschaft”. Siehe auch [Ausstehende Löhne und Missstände in Verpflegung und Unterbringung im Spargelbetrieb Ritter] Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim und hier allgemein:
- [Mamming] Tod einer Erntehelferin in Bayern: Bauer ist für Ermittler unschuldig
“Die Staatsanwaltschaft erklärt nun überraschend, sie habe den Fall auf einem Gemüsehof in Mamming untersucht. Wie genau sie ermittelt hat, ist unklar. Die Staatsanwaltschaft Landshut sieht nach einem taz-Bericht über den Tod einer Erntehelferin auf einem bayerischen Gemüsehof keinen Grund, Ermittlungen einzuleiten. Die Behörde teilte am Mittwoch mit, dass sie den Fall, der sich im Juli 2018 ereignet hatte, bereits damals untersucht habe. „Anhaltspunkte für Fremdverschulden, insbesondere eine verspätete ärztliche Behandlung, haben sich nicht ergeben“, schrieb ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der taz. „Mangels Anfangsverdachts wurde daher kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Zwei Insider des Hofs im niederbayerischen Mamming hatten dem Landwirt in der taz vom Dienstag vorgeworfen, der Ukrainerin zu spät geholfen zu haben. Sie habe mehrmals gemeldet, dass sie Schmerzen in der Brust habe. Beide bekräftigten diese Darstellung nun. Die taz hatte vergangene Woche die Staatsanwaltschaft gefragt, ob sie wegen des Falls ermittelt habe. „Wegen dieser Person ist kein Ermittlungsverfahren anhängig gewesen“, sagte Pressesprecher Thomas Steinkraus-Koch damals. Warum er die jetzt veröffentlichten Ermittlungen nicht erwähnte, konnte sein Stellvertreter Sebastian Stitzinger am Mittwoch, 26. August, nicht sagen. Unbeantwortet ließ Stitzinger auch die Frage, auf wessen Angaben sich die Ermittler berufen. (…) Die Berater der Gewerkschaft erstatteten Mitte August Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Diese hat aber noch kein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. „Es wird weiterhin geprüft, ob ein Anfangsverdacht besteht“, teilte Sprecher Stitzinger am heutigen Mittwoch mit.” Artikel von Jost Maurin vom 26.8.2020 in der taz online - [Mamming] Arbeitsbedingungen für Erntehelfer: Tod einer Saisonarbeiterin
“Ein Landwirt beutete in Bayern Arbeiter aus. 2018 starb eine Ukrainerin, nachdem sie über Schmerzen geklagt hatte und nicht behandelt wurde. Nein, es war kein faires Arbeitsverhältnis zwischen Marianna J. und Alois Wagner, dem Chef des bayerischen Gemüsehofs, auf dem sich Ende Juli 250 ErntehelferInnen mit dem Coronavirus angesteckt haben: Die Arbeiterin aus der Ukraine sprach kein Wort Deutsch und schon gar nicht das breite niederbayerische Idiom Wagners, sie kannte ihre Rechte nicht, nach wenigen Monaten wollte sie wieder zurück in ihre Heimat. Das sind beste Bedingungen für Gurkenbauer Wagner, um osteuropäische Beschäftige auf seinem Großbetrieb in Mamming auszubeuten, ihnen weniger zu zahlen, als er müsste, sie einzuschüchtern, sie anzuschreien. J. kostete Wagners Rücksichtslosigkeit aber nicht nur Geld und Respekt: Sein fahrlässiger Umgang mit der Gesundheit von Beschäftigten kostete die Ukrainerin im Jahr 2018 möglicherweise sogar ihr Leben. (…) Auch dem Gemüsebau Wagner mit in der Regel etwa 500 Aushilfen hat die Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer vorgeworfen, er habe weniger als den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, den Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten und die Menschen ohne Coronasicherheitsabstand untergebracht . Was sich aber Anfang Juli 2018 auf Wagners Hof ereignet hat, dürfte alle bisherigen Beschuldigungen übertreffen. „J. meldete Wagner über den Vorarbeiter mehrmals, dass es ihr schlecht ging, sie Schmerzen in der Brust und am Herzen hatte“, sagte der taz ein Insider, der aus Angst vor Repressalien hier nicht genannt werden möchte. „Um sechs Uhr morgens musste sie trotz massiver Beschwerden auf das Feld zum Arbeiten.“ Die KollegInnen hätten Angst gehabt, einen Krankenwagen zu rufen. „Herr und Frau Wagner sagten immer, dass ein Krankenwagen 1.500 Euro kostet und die Saisonarbeiter das aus der eigenen Tasche zahlen müssen.“ Erst nach ein paar Stunden Arbeit habe Alois Wagner die erkrankte Ukrainerin von einem Mitarbeiter in die Unterkunft fahren lassen. „Sie starb auf der Fahrt, die nur wenige Minuten dauerte.“ Auf der Sterbeurkunde, die der taz vorliegt, ist 8.30 Uhr als Zeitpunkt des Todes angegeben. Marianna J. wurde nur 34 Jahre alt. (…) Der Coronausbruch auf dem Hof ist derzeit laut Robert Koch-Institut einer der größten in Deutschland. Das zuständige Landratsamt Dingolfing-Landau geht nach eigenen Angaben davon aus, dass der Betrieb gegen das Hygienekonzept verstoßen hat, das Ansteckungen verhindern sollte. Zwischenzeitlich mussten drei infizierte Erntehelfer des Gemüsehofs stationär im Krankenhaus behandelt werden. Am Montag war es noch eine Person, teilte das Amt der taz mit…“ Artikel von Jost Maurin vom 24.08.2020 in der taz online - [Mamming] Vorwürfe gegen Gemüsehof in Bayern: 250-mal Corona, 6 Euro Stundenlohn
“… Berater des Deutschen Gewerkschaftsbunds für osteuropäische Arbeitnehmer erheben schwere Vorwürfe gegen den bayerischen Gemüsehof, bei dem sich 250 Erntehelfer mit Corona infiziert haben. Der Großbetrieb Gemüsebau Wagner in Mamming mit etwa 500 Saisonarbeitskräften vor allem aus Rumänien habe weniger als den gesetzlichen Mindestlohn gezahlt, den Arbeitern ihre Personalausweise vorenthalten und die Menschen ohne Corona-Sicherheitsabstand untergebracht, teilte das DGB-Projekt „Faire Mobilität“ der taz mit. Es beruft sich auf zwei Besuche vor Ort, Aussagen und selbst geschriebene Stundenzettel von etwa 30 Arbeitern sowie Abrechnungen des Betriebs. Ein Teil liegt der taz vor. Der Hof ist derzeit einer der größten Coronainfektionsherde in Deutschland. „Ich habe gravierende Verstöße gegen das Mindestlohngesetz festgestellt“, sagte Beraterin Sevghin Mayr der taz. „Die Arbeiter haben mitunter nur 6 Euro pro Stunde statt der vorgeschriebenen 9,35 Euro erhalten.“ Einer bekam laut Lohnzettel 772 Euro, habe aber nach eigenen Angaben 133 Stunden gearbeitet. Das entspricht einem Stundenlohn von 5,80 Euro, von dem der Arbeitgeber noch einen Teil für die Unterkunft und „Sonstiges (Zigaretten …)“ sowie die Endreinigung abzog. So reduzierten sich die Einnahmen des Beschäftigten dem Dokument zufolge auf 472 Euro. Zudem mussten Arbeiter laut Mayr 200 bis 300 Euro an einen Vermittler zahlen. „Die Menschen waren auch besonders aufgebracht, weil ihnen der Betrieb bei der Ankunft oft die Personalausweise abgenommen und trotz mehrmaliger Aufforderung nicht zurückgegeben hat, bis sie abgereist sind“, ergänzte die Beraterin. „Da sind sie natürlich gezwungen, alles zu akzeptieren, damit sie den Ausweis wiederbekommen, ohne den sie nicht in ihre Heimat zurückkehren können.“ Der Ausweis sei von einer Vermittlungsperson nur zurückgegeben worden, wenn die Vermittlungsgebühr in bar bezahlt wurde. „Es wurden kein Arbeitsvertrag oder andere Unterlagen ausgehändigt, die das Arbeitsverhältnis dokumentieren sollen“, kritisierte Mayr. „Die Arbeiter mussten jedoch Unterlagen unterschreiben, die sie nicht verstanden und auch nicht behalten oder fotografieren durften. Das ist pure Ausbeutung.“…” Artikel von Jost Maurin vom 13. August 2020 in der taz online - 240 Corona-Neuinfektionen: Weiterer Bauernhof in Mamming von massivem Corona-Ausbruch betroffen
“Nach den knapp 230 Neuinfektionen an einem bayerischen Bauernhof hat sich der massive Ausbruch unter Erntehelfern auf einen Nachbarhof ausgeweitet. Bewohner des Landkreises dürfen jetzt nur noch mit negativem Corona-Test in manche Urlaubsgebiete reisen. 43 Saisonarbeitskräfte haben sich in einem zweiten Betrieb im niederbayerischen Mamming mit dem Coronavirus angesteckt. „Diese und auch deren Kontaktpersonen befinden sich in Quarantäne“, sagte Landrat Werner Bumeder (CSU). Am Samstag hatten die Behörden noch von 27 Fällen gesprochen. Nach vollständiger Auswertung der Tests liege die Zahl nun bei 43, sagte Bumeder. (…) Der jetzt betroffene Betrieb im 3340-Einwohner-Ort Mamming stellt Gemüsekonserven und Sauerkraut her. Die Behörden gehen davon aus, dass sich die Corona-Infizierten bei Mitarbeitern des Gemüsehofs angesteckt haben, in dem es zuerst zu einem Ausbruch gekommen war. Dort wurde bei rund 230 Erntehelfern eine Infektion mit dem Virus Sars-CoV-2 nachgewiesen. Drei der Erkrankten befanden sich zwischenzeitlich nach Angaben des Landrats im Krankenhaus – am Sonntagnachmittag war einer von ihnen bereits wieder entlassen worden…” Agenturmeldung vom 02.08.2020 in der Welt online (siehe Mamming auch weiter unten) - Hotspots: Kein Abstand, nirgends / Zahnlosigkeit der EU und das massive Kontrolldefizit des Staates
- Die osteuropäischen Erntehelfer im Spannungsdreieck von aktueller Corona-Aufmerksamkeit, Zahnlosigkeit der EU und immer wieder das massive Kontrolldefizit des Staates“Die Corona-Krise hat so einige Tatbestände aus dem Schattenreich ans Tageslicht gefördert und einen Blick auf das eröffnet, was ansonsten im Unsichtbaren bleibt. Das gilt – gerade in der Anfangszeit der Pandemie – für die unzähligen Arbeitskräfte aus dem Osten Europas, die in Deutschland arbeiten und Wert schöpfen. (…) Und dann gab es eine kurze Zeit lang einige kritische Bericht über die Arbeits- und Lebensbedingungen der Erntehelfer in Deutschland, weniger wegen den Bedingungen an sich, sondern vor allem (wie später dann bei den Tönnies-Arbeitern auch) wegen der „Infektionsgefahr“, die von ihnen ausgehen könnte bzw. auch tatsächlich ausgeht (weitaus seltener wurde darauf hingewiesen, welcher Gefahr sich die betroffenen Arbeiter durch den Arbeitseinsatz hier bei uns aussetzen). (…) Natürlich könnte der eine oder andere, der an dieser Stelle pausiert und nachdenkt, auf die an sich naheliegende Frage kommen, ob das nicht auch auf ein Aufsichtsversagen hindeuten könnte, also wurde die Einhaltung der Auflagen denn überhaupt kontrolliert? Bekanntlich bedeutet eine theoretische Vorschrift nun keineswegs, dass die auch praktisch eingehalten wird. Oder haben wir auch im vorliegenden Fall den Tatbestand, dass die Betriebe, in denen Erntehelfer eingesetzt werden, so gut wie überhaupt nicht kontrolliert wurden/werden? Und man jetzt Aktivismus simuliert, um davon abzulenken? Zumindest solche Fragen müssen gestellt werden. (…) Zum einen haben wir es mit strukturellen Problemen zu tun beim Einsatz von Saisonarbeitern aus anderen Ländern, zum anderen ist das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Staaten ein Thema. Die EU-Kommission sagt dazu: »Mehr als 17,6 Millionen Europäerinnen und Europäer leben bzw. arbeiten in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Bestimmte Sektoren der europäischen Wirtschaft, insbesondere die Agrar- und Ernährungswirtschaft und der Fremdenverkehr, sind für bestimmte Zeiträume des Jahres auf die Unterstützung von Saisonarbeitskräften aus anderen EU- und aus Nicht-EU-Ländern angewiesen. Die Kommission schätzt, dass der Durchschnitt der aktiven Saisonarbeitskräfte in der EU pro Jahr zwischen mehreren Hunderttausend und einer Million liegt.« Das findet man in dieser Mitteilung der Kommission vom 16. Juli 2020: Coronakrise: Europäische Kommission fordert Maßnahmen zum Schutz von Saisonarbeitskräften . Dort heißt es: »Die Europäische Kommission legt heute Leitlinien vor, um den Schutz von Saisonarbeitkräften in der EU vor dem Hintergrund der Coronavirus-Pandemie zu gewährleisten. Sie bietet den nationalen Behörden, den Arbeitsaufsichtsbehörden und den Sozialpartnern Orientierungshilfen, um die Rechte, die Gesundheit und die Sicherheit von Saisonarbeitskräften zu gewährleisten und sicherzustellen, dass Saisonarbeitskräften ihre Rechte bekannt sind.« Das klingt auf den ersten Blick vielversprechend, wenn da nicht Begriffe wären wie „Orientierungshilfen“. »In den Leitlinien werden die nationalen Behörden und die Sozialpartner aufgefordert, neue Anstrengungen zu unternehmen, um ihrer Aufgabe, die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung der Vorschriften sicherzustellen, gerecht zu werden. Die Leitlinien enthalten konkrete Empfehlungen und Vorschläge für Maßnahmen, die auf nationaler oder EU-Ebene durchgeführt werden sollen.« Im Kern bleibt ein Appell an die einzelnen Mitgliedsstaaten, denn die Handlungsmöglichkeiten der Kommission selbst sind mehr als begrenzt…” Beitrag von Stefan Sell vom 27. Juli 2020 auf seinem Blog “Aktuelle Sozialpolitik”
- Hotspots: Kein Abstand, nirgends. Warum die Saisonarbeiter in Deutschland weiterhin gefährdet sind“… “Es ist seit Jahren bekannt, dass Saisonarbeiter auf den Feldern und an den Erntemaschinen dicht beieinander arbeiten müssen”, sagt Guia. Sie arbeitet für die DGB-Beratungsstelle “Arbeit und Leben” in Düsseldorf, die europäische Arbeitskräfte in deren Muttersprache berät. Auch in Corona-Zeiten, sagt sie, seien die Unterkünfte weiterhin beengt; viele Arbeiter wohnten gedrängt in Containern und müssten sich Duschen und Toiletten teilen. Fünf Obsthöfe hätten sie als Beratungsstelle zusammen mit der Gewerkschaft IG BAU kürzlich besucht. Nur zwei davon hätten mehr Toiletten und Container nachweisen können als vor Corona. “Es gab Fälle, in denen fünf Menschen auf sechs Quadratmetern untergebracht waren.” Zwei Meter Abstand könne da niemand halten. Vom Bundesarbeitsministerium, das für den Arbeitsschutz zuständig ist, hieß es am Montag, es gebe noch keine abschließenden Erkenntnisse zu den Hintergründen der Coronainfektionen in landwirtschaftlichen Großbetrieben oder der Fleischindustrie. Man gehe von “multifaktoriellen Infektionsgefährdungen” aus. Übersetzt heißt das: Es gibt viele Gründe. Als Beispiele nannte ein Sprecher Belüftung, Schutzabstände, Arbeitspausengestaltung, aber auch die Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften oder den Transport zum Betrieb. (…)Es wäre gut, sagt Catalina Guia von der DGB-Beratungsstelle, wenn es mehr Kontrollen gäbe. “Und wenn sie uns und andere Beratungsstellen mit einbeziehen würden, denn die Arbeiter werden teilweise gezwungen zu lügen über ihre Bezahlung und die Einhaltung des Abstandsgebots – und wir kennen manche der Tricks.” Zudem müsse es ordentliche Arbeitsverträge geben, und zwar bevor die Saisonkräfte aus dem Ausland ihre Arbeit beginnen. Manche arbeiteten wochenlang ohne Vertrag. “Ohne Kontrolle und Beobachtung wird es nicht gehen.”” Artikel von Henrike Roßbach vom 27. Juli 2020 in der Süddeutschen Zeitung online
- Corona-Ausbruch bei Erntehelfern im niederbayerischen Mamming: Scharfe Kritik an Großbetrieb
“Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat den landwirtschaftlichen Betrieb im niederbayerischen Mamming, in dem sich 174 Erntehelferinnen und Erntehelfer mit dem Coronavirus infiziert haben , kritisiert. Das Hygienekonzept scheine nicht adäquat umgesetzt worden zu sein, sagte die Ministerin bei einer Pressekonferenz in Dingolfing. Die Staatsregierung will nun in einer “Corona-Testoffensive” auf großen Höfen die Erntehelfer untersuchen lassen. “Wir nehmen die Situation sehr ernst”, sagte Huml. “Bisher scheint es lokal eingrenzbar zu sein.” Schwerpunkte der Tests sind zunächst die Höfe der Umgebung und im Landkreis. Wie der Landrat des Landkreises Dingolfing-Landau, Werner Bumeder (CSU), ausführte, war die vorgeschriebene Trennungen der Erntehelfer-Gruppen von 25 Personen nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sein. Da sich die Infektionsketten innerhalb des Betriebs nicht mehr nachvollziehen ließen, sei es zu einer kompletten Quarantäne des Hofs gekommen. Die Erntehelfer stammen aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine. Mittlerweile sei eine Separierung der infizierten und nicht-infizierten Menschen auf dem Hof in drei Wohnanlagen möglich. Eine Person befinde sich in stationärer Krankenhaus-Versorgung. Bei dem Betrieb handelt es sich um einen großen Gemüsehof, der Erdbeeren, Gurken, Kohl und Rote Bete anbaut…” Meldung vom 26.07.2020 bei BR24 - Kreis Borken: Corona-Ausbruch in NRW-Gemüsehof / Abgezockt? Rumänische Erntehelfer auf deutschen Feldern
- Kreis Borken: Corona-Ausbruch in NRW-Gemüsehof“Kreis Borken Im Kreis Borken steht ein Gemüsehof nach einem Corona-Ausbruch im Fokus der örtlichen Behörden. Dort arbeiten den Angaben zufolge vorwiegend rumänische Beschäftigte, die auch auf dem Betriebsgelände wohnen. Die Mitarbeiter dürften das Betriebsgelände vorerst nicht verlassen, teilte der Kreis mit. Derzeit seien aber erst 88 von 148 Abstrichproben ausgewertet – mit zunächst 8 positiven Ergebnissen. Zu Wochenbeginn würden weitere Befunde erwartet; eine erneute Testung der gesamten Belegschaft sei geplant…” Meldung vom 19. Juli 2020 bei rp-online
- Abgezockt? Rumänische Erntehelfer auf deutschen Feldern“Sie gehen körperlich an ihre Grenzen und verdienen dennoch oft weniger als den Mindestlohn. Dank osteuropäischer Erntehelfer sind Obst und Gemüse in Deutschland billig. Dabei geht es auch anders, wie ein Landwirt aus Nürnberg zeigt…” Beitrag aus der “Europa-Reportage am 19.07.2020 im BR Fernsehen
- Beraterin über Erntehelfer: “Bei Hitze und Regen zwölf Stunden zu arbeiten, macht keiner lange mit“
“Aura Silvia Plesca berät Erntehelfer aus Osteuropa. Dabei hört sie vieles über Wuchermieten, Arbeit ohne Pause und nicht gezahlte Löhne. Ein Interview. [Wie viele osteuropäische Leiharbeiter, Werkvertragler oder ähnlich Beschäftigte gibt es in Hessen tatsächlich oder geschätzt?] Aktuelle Zahlen haben wir nicht. 2016 waren es unseren Informationen zufolge 16.000. In diesem Jahr waren nach unseren Schätzungen etwa 40 Prozent weniger auf den Feldern. [Sie arbeiten im Projekt „Faire Mobilität“ des Deutschen Gewerkschaftsbundes und beraten Menschen aus Mittel- und Osteuropa, was ist Ihre Aufgabe?] Da ich ursprünglich aus Rumänien komme, berate ich rumänischsprachige Arbeitnehmer. Jeder, der Fragen oder Probleme im Beschäftigungsverhältnis hat, kann sich an mich wenden. Ich berate etwa 400 bis 500 Menschen im Jahr…“ Interview von Patricia Andreae vom 08.07.2020 in der FAZ online mit Aura Silvia Plesca („Faire Mobilität“) (im Abo) - Ärger auf den Feldern: Proteste von Saisonarbeitskräften in Ladenburg
“Saisonarbeitskräfte haben am Montag in Ladenburg ihrem Ärger über zu wenig Lohn Luft gemacht. Einige sagen, dass sie am Monatsende gerade Mal 150 Euro in der Tasche haben. Es sind harte Vorwürfe, die von einigen Erntehelfern an der Bergstraße kommen. Der Hegehof – einer der größten Obst und Gemüsehöfe an der Bergstraße, zahle zu wenig. Dieter Hege weist das entschlossen zurück. Er bezahle den Mindestlohn von 9,35 Euro – genau das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. (…) Üblicherweise würden Busfahrer die Erntehelfer bringen. Diese Fahrer würden als Vermittler eingesetzt, um den Arbeitern die Vorgehensweisen sowie die Bezahlungsmodalitäten zu erklären. In diesem Jahr kamen andere Erntehelfer per Flugzeug und auch die Vermittler waren andere. Diese fürchten nun den Zorn der Arbeiter. Eine Vermittlerin ist aus Angst mit ihrer Familie wieder unterwegs zurück nach Polen. Die Arbeiter, die jetzt protestiert haben, sollen den regulären Stundenlohn bekommen haben. Wenn sie aber ihre Steuer-Identifikationsnummer nicht angegeben hatten, wurden sie in Steuerklasse 6 eingestuft, heißt es von Seiten des Hofes. Dann blieben ihnen 600 Euro im Monat. Davon wurden noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen…” Beitrag vom 7.7.2020 beim SWR - Covid-19-Fälle auf Spargelhof: Aichach-Friedberg ist jetzt Deutschlands Corona-Hotspot / 95 Erntehelfer auf Spargelhof in in Inchenhofen/Bayern infiziert / Bedingungen für die Einreise von Erntehelfern werden gelockert
- Coronavirus: 95 Erntehelfer auf Spargelhof infiziert“Inchenhofen. Auf einem Spargelhof in Bayern sind inzwischen 95 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet worden. 525 Mitarbeiter seien untersucht worden, teilte das Landratsamt am Freitag in Aichach mit. »Aktuell werden alle Kontaktpersonen der Erkrankten ermittelt.« Die Getesteten hätten zum Zeitpunkt des Abstrichs jedoch keinerlei Symptome einer Covid-19-Erkrankung gezeigt, teilte die Behörde unter Berufung auf Gesundheitsamtsleiter Friedrich Pürner mit. Früheren Angaben zufolge hatte es unter Erntehelfern auf dem Betrieb in Inchenhofen eine Aufteilung in Kleingruppen gegeben, die vom Gesundheitsamt vorab ausdrücklich gelobt worden war. Nach Einschätzung der Behörde betrifft der Ausbruch nur den Spargelhof, weshalb auch eine Überschreitung der Grenzwerte für Neuinfektionen keine weiterreichenden Folgen hätte. Die Geschäftsführung der Lohner Agrar GmbH teilte am Freitag mit, angesichts der Vorkehrungen wie die Einrichtung eines eigenen Supermarktes, einer eigenen Kantine mit Abstandsvorkehrungen und der Unterbringung in Ein- bis Zwei-Personen-Zimmern keine Erklärung dafür zu haben, wie das Virus auf den Hof gekommen sei.” Agenturmeldung vom 12.06.2020 in der jungen Welt Online Extra
- Covid-19-Fälle auf Spargelhof: Aichach-Friedberg ist jetzt Deutschlands Corona-Hotspot“… Am Montag und Dienstag wurden nun laut Landratsamt mehr als 500 Beschäftigte des mit Abstand größten Spargelbauern in der Region getestet. Das sei „ohne jegliche Komplikationen“ verlaufen, keiner der Getesteten habe Covid-19-Symptome gezeigt, teilte die Behörde am Mittwochabend mit und will sich am kommenden Montag zu den Ergebnissen äußern. Eines nahm sie jedoch vorweg: Sollten am Ende der Auswertung die Grenzwerte 35 oder 50 überschritten werden, würde dies „in erster Konsequenz ausschließlich Maßnahmen für den Spargelhof nach sich ziehen und nicht den ganzen Landkreis betreffen“. Denn außerhalb des Spargelhofs seien „die Infiziertenzahlen im Landkreis weiterhin völlig unauffällig, lagen zuletzt bei Null“. Am Donnerstag bestätigte schließlich das bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen, was das Robert-Koch-Institut in Berlin schon vermeldet hatte: Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen ist im Landkreis Aichach-Friedberg tatsächlich drastisch angestiegen. Am Mittwoch um 15 und am Donnerstag um weitere 41 auf nunmehr 75 Personen in den vergangenen sieben Tagen. …“ Beitrag von Michael Böhm vom 11.06.2020 in Augsburger Allgemeine online
- Die für einen kurzen Moment sichtbar gewordenen unsichtbaren Erntehelfer sind erneut im medialen Schattenreich – und sollen wieder alle kommen dürfen“Es gibt definitiv Meldungen, die kommen einfach wirklich total unpassend. Beispielsweise so eine Schlagzeile am 11. Juni 2020: Corona-Ausbruch auf Spargelhof in Bayern . Mit diesem Inhalt: »Nachdem 21 Erntehelfer auf einem Spargelhof in Aichach-Friedberg positiv auf das Coronavirus getestet wurden, sind nun 500 weitere Mitarbeiter des Betriebs getestet worden. Unter den Getesteten gebe es weitere Corona-Fälle, teilte das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) mit. Bei 200 dieser Mitarbeiter stehe das Ergebnis noch aus, hieß es weiter. Symptome waren bei keinem der Getesteten aufgetreten. Die neuen Infektionszahlen sollen am Montag bekanntgegeben werden.« Für wen das „unpassend“ ist? Für die Landwirte, die auf die Heerscharen an „günstigen“ Arbeitskräften angewiesen sind und eine „schlechte Presse“ nicht gebrauchen können. Derzeit ist das aber vor allem unpassend für die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), denn die hatte, den allgemeinen Regeln der Berichterstattungslogik folgend, auf das Verschwinden des Themas Erntehelfer, das ein paar Tage lang einige auch kritische Berichte mit Stoff versorgte, gehofft, um dann zu versuchen, wieder in den Normalmodus zu wechseln. Den Normalmodus kann man in diesen Tagen vielleicht so zuspitzen: „Freie Fahrt für unfreie Erntehelfer“. Herausgekommen ist dann sowas: Corona-Beschränkungen enden: Freie Einreise für Saisonarbeiter . Darüber wurde erst einen Tag vor den neuen Meldungen über Corona-Fälle unter den Erntehelfer, die schon da sind, berichtet. (…) Das sieht die zuständige Ministerin natürlich ganz anders: »Nach wie vor hat der bestmögliche Gesundheits- und Infektionsschutz aller Beteiligten für uns Priorität. Nur so ist verantwortungsvolles Wirtschaften in Zeiten der Pandemie möglich.« Mit diesen salbungsvollen Worten wird sie von ihrem Ministerium in einer Pressemitteilung vom 10. Juni 2020 zitiert, wobei man die Überschrift dieser Mitteilung aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium genau lesen sollte, denn die bringt es auf den Punkt, um was es vor allem geht: Neuregelung für Saisonarbeitskräfte schafft Planungssicherheit für die Landwirte . Aber das es nicht wirklich um die (gesundheitliche) Sache geht, das könnte man ableiten aus den Zahlen vor dem Hintergrund der realen Bedarfe, die es in der Landwirtschaft an Saisonarbeitern gibt. Mithin also geht es nur darum, so schnell wie möglich alle Hürden zu schleifen, die den Nachschub an Arbeitskräften möglicherweise blockieren: »Die Bundesregierung hatte bisher festgelegt, dass insgesamt höchstens 80.000 Saisonkräfte einreisen dürfen. Diese Regelung läuft Mitte Juni aus. Das Kontingent wurde nur knapp zur Hälfte ausgeschöpft. Bis zum 3. Juni 2020 reisten 38.967 Saisonarbeitskräfte ein. In der Landwirtschaft hatten voriges Jahr nahezu 300.000 Saisonkräfte vor allem aus Rumänien und Polen gearbeitet.« (…) »Überfüllte Zimmer, Akkordlohn, wenig Pausen. Wie schlecht die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind, zeigt die Krise«, so der Anfang des Artikels Und wer rettet die Erntehelfer? von Luisa Jacobs, der am 4. Juni 2020 veröffentlicht wurde. Der fast nochmal viele Aspekte der kritischen Berichterstattung zusammen. Jacobs hat aber am Anfang ihres Artikels auch noch eine Frage in den Raum gestellt – ich zitiere den vollständigen Untertitel: »Überfüllte Zimmer, Akkordlohn, wenig Pausen. Wie schlecht die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeiter sind, zeigt die Krise. Warum ist es so schwer, daran etwas zu ändern?« Warum ist es so schwer, daran etwas zu ändern? Vielleicht, weil man dann die Systemfrage stellen müsste…“ Beitrag von Stefan Sell vom 11.06.2020 bei Aktuelle Sozialpolitik
- Bedingungen für die Einreise von Erntehelfern werden gelockert“Ausländische Saisonarbeitskräfte sollen ab kommender Woche leichter einreisen dürfen. Bestimmte Schutzvorkehrungen gelten aber weiter. Das sieht ein Konzept vor, das Bundesagrarministerin Julia Klöckner heute im Kabinett vorgestellt hat. Das Modell soll die weitere Beschäftigung dringend benötigter Erntehelfer in den nächsten Monaten absichern. Denn am kommenden Montag läuft die Sonderregelung aus, die die Einreise von bis zu 80 000 Saisonkräften per Flugzeug ermöglichte. Die Bundesregierung hatte bereits signalisiert, dass es eine Folgeregelung dafür geben soll. Ab kommendem Dienstag (16. Juni) dürfen Saisonkräfte aus EU-Staaten auf dem Landweg und per Flugzeug „ohne die bisherigen Beschränkungen nach Deutschland einreisen“, heißt es in dem Konzeptpapier. Dies gilt auch für Kräfte aus den assoziierten Schengen-Staaten wie der Schweiz. Die Regelungen sollen bis zum Jahresende gelten…” Beitrag von Norbert Lehmann vom 10.06.2020 bei agrarheute samt Eckpunkten der Saisonarbeiter-Regelung des Konzeptpapier des BMEL zur Saisonkräfte-Regelung
- Lohn-Streit auf Spargelhof im Landkreis Nienburg
“Nach der Kritik an einem Spargelhof in Hoyerhagen im Landkreis Nienburg wegen möglicher Verstöße gegen Corona-Regeln, gibt es dort Streit um Löhne. Das berichtet NDR 1 Niedersachsen. Ein rumänischer Erntehelfer habe nach eigenen Angaben seit Ende April 300 Stunden gearbeitet aber nur 200 bezahlt bekommen, sagte eine Sprecherin der Gewerkschaft IG Bau. Er habe die Erntehelfer ordentlich bezahlt und es habe auch keine Probleme gegeben, entgegnet der Spargelbauer. Das Unternehmen hat inzwischen wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage durch die Corona Pandemie Insolvenz angemeldet. Der Geschäftsbetrieb werde aber unverändert und vollumfänglich fortgeführt, teilte der Insolvenzverwalter mit. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Verden, ob es auf dem Hof Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz gegeben hat. Zudem wird der Bauer verdächtigt, Ausweisdokumente von Erntehelfern einbehalten und auch auf Nachfrage nicht herausgegeben zu haben. Der Hofbetreiber weist diese Vorwürfe zurück.“ Meldung vom 03.06.2020 bei NDR1 - Begrenzte Einreise von Saisonarbeitskräften unter strengen Auflagen bis 15. Juni verlängert
“Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, und der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, haben sich auf die Fortführung der bestehenden Regelung für die Einreise ausländischer Saisonarbeitskräfte bis zum 15. Juni geeinigt. Anfang April hatten die beiden Bundesministerien unter Einbeziehung des Robert-Koch-Instituts einen verantwortungsvollen Korridor zur Einreise von jeweils 40.000 Saisonarbeitern in den Monaten April und Mai geschaffen – unter strengen Infektionsschutzauflagen. Diese umfassen unter anderem einen Gesundheitscheck am Flughafen nach Landung, die Übermittlung der Ergebnisse an das zuständige Gesundheitsamt, eine 14-tägige faktische Quarantäne nach Ankunft, strikte Abstands- und Hygienevorschriften in den Betrieben, eine geringere Belegung der Unterkünfte und das Arbeiten in möglichst kleinen, gleichbleibenden Gruppen. Das Konzept wäre Ende Mai ausgelaufen, weiterhin sind die Landwirte für die Ernte und Pflanzarbeiten aber auf die Unterstützung ausländischer Fachkräfte angewiesen. Daher haben sich die beiden Bundesminister auf die Verlängerung verständigt. Die Auflagen für den Gesundheits-, Arbeits- und Infektionsschutz bleiben bestehen, ebenso wie das Kontingent von insgesamt 80.000 Arbeitskräften. Dieses ist aktuell nicht ausgeschöpft: Eingereist sind bisher rund 33.000 Saisonarbeitskräfte. Zum Stichtag 15. Juni ist in der Bundesregierung verabredet, die Reisebestimmungen im Lichte des aktuellen Infektionsgeschehens grundsätzlich neu zu bewerten. Eine weitere Anschlusslösung für die Zeit nach Mitte Juni wird sich an diesem Grenzregime orientieren…” Pressemitteilung des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 24. Mai 2020 - Rumänen opfern sich für deutschen Spargel
“Das Herz des EU-Binnenmarktes ist eine grundlegend ungleiche Arbeitsteilung, die hunderttausende osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter für einen Hungerlohn vertreibt. (…) Trotz des Lockdowns müssen Millionen Menschen auf der Welt zur Arbeit gehen, nicht nur, um zu überleben, sondern auch weil gerade ihre Arbeit unverzichtbar ist, um die Lockdowns für alle anderen aufrechtzuerhalten. Nahrungsmittel müssen geerntet, verarbeitet und transportiert werden. Die Infrastruktur muss aufrechterhalten werden und die Grundversorgung muss weiterlaufen. All das wäre unmöglich ohne die Menschen, die bereit sind diese notwendige Arbeit zu leisten. Und Unternehmerinnen und Unternehmer werden alles tun, um sie ausfindig zu machen. Genau so war es bei den rumänischen Spargelstecherinnen und -stechern. Mit Verweis auf die verrottende Ernte auf den Feldern kam der deutsche Staat dem Landwirtschaftssektor zu Hilfe und überzeugte Rumänien davon, gecharterte Auslandsflüge für die Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter zu erlauben. Der rumänische Staat folgte ordnungsgemäß – allerdings nicht aus blindem Gehorsam dem europäischen Hegemon gegenüber, sondern weil die Versorgung reicher EU-Staaten mit billigen und flexiblen Arbeitskräften bereits seit drei Jahrzehnten gängige Praxis ist. (…) Die offizielle Antwort des rumänischen Botschafters, Emil Hurezeanu, war zwar wortreich, aber blieb oberflächlich. Er lobte die deutschen Unternehmen und Behörden überschwänglich in ihrem Bemühen, die Arbeit während der Pandemie zu organisieren. Aber er hatte wenig über das Schicksal seiner Landsleute zu sagen, die als Folge nun gegen die Krankheit kämpften. Statt die Rechte rumänischer Bürgerinnen und Bürger im Ausland zu vertreten, schien er eher damit beschäftigt, die Arbeitsmigration von Ost nach West aufrechtzuerhalten, koste es, was es wolle. Allerdings zeigt die Art und Weise, wie rumänische und andere osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter in völliger Missachtung ihrer Sicherheit und mit der Zustimmung ihrer Regierungen abtransportiert wurden, die Besonderheiten der Arbeitsmigration innerhalb der EU auf, wo ein Binnenmarkt und offene Binnengrenzen es Arbeiterinnen und Arbeitern ermöglichen, angeblich gleichwertige Mitgliedsstaaten frei zu durchqueren. Hinter dieser formellen Gleichheit verstecken sich jedoch die stummen Zwänge materieller Notwendigkeit, die Hunderttausende zur Abwanderung vom ärmeren Osten und Süden gen Westen treiben. Das Herzstück Europas ist eine hochprofitable Industrie, die darin spezialisiert ist, billige Arbeitskräfte aus dem Osten in verschiedene Staaten des Zentrums zu importieren. Das ist nichts Neues, aber es wird selten als grundlegende Eigenschaft des europäischen Projektes diskutiert. (…) Rumänische Arbeiterinnen und Arbeiter sind äußerst wichtige Wertanlagen im Westen, weil sie bereit sind, Knochenarbeit für deutlich weniger Geld als heimische Arbeiterinnen und Arbeiter zu leisten und weil sie seit der EU-Osterweiterung im Jahr 2007 legal einreisen können. Dies versetzt sie in die nicht gerade beneidenswerte Lage, flexible Arbeitskräfte zu sein, die nichtsdestotrotz verhältnismäßig »privilegiert« sind gegenüber Nicht-EU-Migrantinnen, Flüchtlingen und undokumentierten Arbeitern. Dank ihres EU-Passes verringern sie die Umzugskosten für Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter und sind damit günstigere Neueinstellungen. Warum sollten Unternehmen undokumentierte Migrantinnen schmuggeln, wenn Osteuropäer bereitwillig kommen und sogar für ihr eigenes Ticket zahlen? Diese Regelungen erlauben es, mittleren und großen landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien stattliche Profite einzufahren, während sie vertriebenen Arbeiterinnen und Arbeitern harte Bedingungen aufzwingen, gegen die sie sich aufgrund von mangelnden Ressourcen nicht wehren können…” Artikel von Florin Poenaru und Costi Rogozanu am 18.05.2020 im Jacobin.de , Übersetzung von Martin Neise – ein insgesamt sehr interessanter Artikel sowohl zur Lage in Rumänien, als auch zur EU-Politik der Arbeitsmigration - Niedriglohn, Schimmelessen und Gesundheitsgefährdung – Erntearbeiter*innen im deutschen Agrarkapitalismus
“… Am vergangenen Freitag war in Bornheim, Nordrhein-Westfalen, Schluss mit Arbeit. Über hundert Saisonarbeiter*innen – Pressemeldungen sprechen von bis zu 250 – legten die Arbeit nieder, worauf die Verwaltung des Betriebs die Polizei rief, um sie einzuschüchtern. Die Arbeiter*innen bemängeln nicht nur verschimmeltes Essen, unbeheizte Massenunterkünfte neben einer Kläranlage und völlig fehlenden Schutz gegen Corona – sondern auch ein Ausbleiben ihrer Bezahlung. Für ein Monat Knochenarbeit hatten sie nur 100 bis 250 Euro ausbezahlt bekommen. Der Betrieb gehört (oder gehörte bis vor einigen Monaten) dem Ehepaar Ritter, ist allerdings seit Anfang März in der Insolvenzverwaltung . Zuständig ist das Rechtsanwaltsbüro Andreas Schulte-Beckhausen, der Medienberichten zufolge bereits einen neuen Investor für den Großbetrieb an der Hand hat. In der Hauptsaison soll der Hof in den Jahren zuvor bis zu 500 Ernte-Arbeiter*innen beschäftigt haben. Dass wir so viel über die Bedingungen bei Spargel Ritter in Bornheim wissen, liegt daran, dass die Arbeiter*innen sich gewehrt haben. Wie die Bedingungen in anderen Betrieben sind, kann man sich ausmalen – auch weil bekannt ist, dass die Misshandlung von Saisonarbeiter*innen in der deutschen Landwirtschaft kein neues Problem ist. Die scharfe Konkurrenz auf dem Lebensmittelmarkt wird nach unten weitergegeben und ganz unten in der Kette stehen eben die Saison- und Wanderarbeiter*innen – ganz ähnlich wie in der Pflege oder der Fleisch-, Transport- oder Bau-Industrie dieses Landes. (…) Gängige Probleme sind miserable Unterbringung, überlange Schichten, Unterbezahlung – teilweise unter dem Mindestlohn -, mangelnde Hygiene- und Gesundheitsversorgung, schlechte Ernährung. Schichten von 14 Stunden, sieben Tage die Woche bei gesundheitsschädlicher Schwerstarbeit sind keine Seltenheit. Das Geschäftskonzept der Agrarunternehmen ist einfach: Die kommen nur für ein paar Monate, sie haben keine Lobby, niemanden interessiert, wie es ihnen geht – also können wir sie ausnehmen, wie wir wollen…“ Beitrag vom 17.05.2020 in Lower Class Magazine – siehe auch unser Dossier: [Ausstehende Löhne und Missstände in Verpflegung und Unterbringung im Spargelbetrieb Ritter] Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim - [Interview] »Bei 14 Stunden Arbeit an sieben Tagen die Woche werden die Arbeiter_innen doch ziemlich häufig wütend« / IG BAU: Bundesregierung muss Schutz für Erntehelfer ausbauen
- [Interview] »Bei 14 Stunden Arbeit an sieben Tagen die Woche werden die Arbeiter_innen doch ziemlich häufig wütend«“… Vor allem in den Bereichen der Sonderkulturen der Landwirtschaft – also Spargel, Erdbeeren aber auch Obst und Gemüse – wird auf Erntehelfer_innen zurückgegriffen. Seit ich dabei bin, treffen wir vor allem rumänische und polnische Staatsbürger_innen in den landwirtschaftlichen Betrieben. Desweiteren treffen wir auch Personen aus Kroatien, insbesondere in Hessen; Bulgaren treffen wir an – nummerisch dann nicht so viele, weil das Land im Vergleich dann doch sehr klein ist. In den letzten Jahren ist es auch manchmal vorgekommen, dass wir ukrainische Studierende getroffen haben. Diese Vielfalt fordert so eine Initiative wie die Initiative Faire Landarbeit auch heraus. Man muss sich immer neu überlegen: Welche Sprachkenntnisse brauche ich jetzt eigentlich. (…) Man muss dazu sagen, dass die Betriebe immer ein großes Interesse haben, die Arbeitszeit in der Erntezeit soweit wie möglich auszuweiten. Wir treffen häufig Leute, die uns berichten, dass sie mehr als zehn Stunden am Tag arbeiten. Das kollidiert zwar teilweise mit dem Arbeitszeitgesetz, aber da gibt es für die Betriebe auch spezielle, durchaus legale, Möglichkeiten, die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden auszuweiten. Wegen der Herausforderungen durch Corona gibt es aktuell sogar die Möglichkeit, dass Betriebe ihre Arbeiter_innen bis zu zwölf Stunden am Tag bei maximal 60 Wochenarbeitsstunden arbeiten lassen. (…) Auch in den Medien wurde ja zur diesjährigen Spargelsaison unter dem Zeichen von Corona darüber berichtet, dass viele Betriebe Zweifel daran hatten, ob für diese Tätigkeiten kurzfristig Arbeitskräfte aus Deutschland gewonnen werden können, da die Tätigkeit komplex und körperlich sehr anstrengend ist. Dabei darf man nicht vergessen, dass es natürlich nicht so ist, dass Rumän_innen für die Tätigkeit des Spargelstechens körperlich besonders geeignet sind – es ist vielmehr so, dass die Arbeitskräfte aus Rumänien einen viel höheren wirtschaftlichen Druck haben, denn der durchschnittliche deutsche Student, zumindest bis jetzt, noch nicht so verspürt. (…) In Deutschland gelten die Beschäftigungsverhältnisse der Saisonarbeiter_innen als kurzfristige Beschäftigung – das ist eine Form des Minijobs. Mit dem Minijob ist es vor allem vergleichbar, weil es normalerweise sozialversicherungsfrei ist. Damit diese Konstruktion überhaupt möglich ist, müssen bestimmte Anspruchsvoraussetzungen bestehen, und die mussten erst geschaffen werden. Da gab es vom Arbeitsministerium (BMAS) immer unterschiedliche Regelungen mit den jeweiligen Staaten, aus denen die Saisonarbeiter_innen kommen. Das bestimmt dann teilweise auch den Hintergrund der Leute. So dürfen aus Rumänien eigentlich nur Leute als Saisonarbeiter_innen nach Deutschland kommen, die dort als Hausmann oder Hausfrau gemeldet sind. Jemand, der in Rumänien Sozialhilfe empfängt oder in einem regulären Arbeitsverhältnis ist, dürfte nach der geltenden Regelung also in Deutschland keine kurzfristige Beschäftigung annehmen und damit auch nicht als Saisonarbeitskraft in der Landwirtschaft arbeiten. Dieser Hausfrau/Hausmann-Status ist dabei eher willkürlich, der wird in Rumänien einfach in ein Dokument gestempelt. (…) Theoretisch müsste man natürlich sagen, dass die Arbeiter_innen als Verdienst den aktuellen Mindestlohnsatz von 9,39 Euro mal die Arbeitszeit, die sie gearbeitet haben, erwarten dürften. Da kämen sie, bei einem 8-Stunden Tag, für den Monat mit insgesamt circa 1700 Euro raus. Aber mit den Abzügen für Unterkunft und Verpflegung, die ja in einem gewissen Umfang auch erlaubt sind, kommen die meisten – wenn wirklich alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden – auf einen Stundenlohn von um die 7,50 Euro. Aber wir haben auch schon Arbeiter_innen erlebt, die bei vier Euro pro Stunde rausgekommen sind. Es gibt auch Betriebe, die sehr gut zahlen. Dort können erfahrene und bewährte Arbeitskräfte dann auch sehr gutes Geld verdienen. Ich habe auch schon Lohnabrechnungen gesehen, da haben einzelne Arbeiter_innen 2200 Euro netto verdient. Aber das ist natürlich eine absolute Ausnahme. (…) Wir haben zwei Tricks der Landwirte beobachtet, die versuchen, den Mindestlohn zu umgehen. Das eine sind zu hohe Abzüge vom Lohn für Unterkunft und Verpflegung. Und zum anderen der Trick, dass man für die Lohnberechnung den Akkord in Arbeitszeit umrechnet. So gehen dann Arbeitsstunden verloren, die nicht bezahlt werden. Obwohl der Gesetzgeber das eigentlich ganz klar verbietet: Man darf Akkord bezahlen – und man darf dabei natürlich auch mehr als den Mindestlohn zahlen –, aber man darf den Mindestlohn nicht unterschreiten. Mir sind aber schon mehrmals Papiere vorgelegt worden, wo die Arbeitgeber so getrickst haben, dass der effektive Lohn den Mindestlohn unterschreitet. (…) Auch ist der Mindestlohn für die Arbeiter_innen nicht die entscheidende Größe, an der sie ihr Einkommen messen. Die Saisonarbeiter_innen haben vielmehr häufig eine feste Kalkulation, einen Gesamtverdienst, den sie gerne erreichen möchten. Und wenn sie merken, dass sie den nicht erreichen – sei es, weil der Bauer zu viel Geld für Kost und Logis abzieht, oder die Bezahlung nicht der geleisteten Arbeit entspricht – kam es in der Vergangenheit relativ häufig zu Konflikten. Weitere Konfliktauslöser sind zu lange Arbeitszeiten, die dann teilweise bei 14, 15 Stunden liegen, keine Freizeit – also wirklich sieben Tage, 14 Stunden arbeiten. Häufig sagen uns die Bauern zwar »Die Leute wollen ja auch so viel arbeiten, die wollen ja was verdienen« – aber auch da gibt es natürlich ein Limit. (…) Wir haben dieses Jahr aber auch – und das ist neu – eine breite Mediendebatte in Rumänien über die Zustände in deutschen landwirtschaftlichen Betrieben, die auch nicht nur die Einhaltung der Hygiene-Regeln hinterfragen, sondern auch arbeitsrechtliche Probleme dokumentieren, erlebt. Es gibt damit zum ersten Mal auch ein rumänisches Echo zu Debatten über Arbeitsbedingungen in der deutschen Landwirtschaft. Sogar die rumänische Regierung hat sich nach den ersten Berichten eingeschaltet und verteilt jetzt an rumänischen Flughäfen Aufklärungsflyer an die Arbeiter_innen, um auf Hilfsangebote bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz hinzuweisen. Das zeigt ja schon, welchen Eindruck es in Rumänien von den Zuständen gibt, welche die Saisonarbeiter_innen in Deutschland erwarten. (…) Zudem muss man nicht denken, dass die Betriebe ihre Arbeitskräfte während Corona besser behandeln. Viele Betriebe versuchen, die in der Coronakrise entstandenen Mehrkosten auf die Arbeitnehmer umzulegen – wie die Anreisekosten, die aktuell deutlich höher ausfallen. Trotz der Zusage des Bauernverbandes, dass die Betriebe diese Mehrkosten übernehmen, gibt es bereits mehrere Presseberichte, dass es eine Tendenz gibt, diese Kosten auf die Saisonarbeiter_innen abzuwälzen. Gleichzeitig versuchen die Betriebe, trotz eines kleineren Zeitfensters und weniger Erntehelfer_innen, noch so viel Ernte einzuholen, wie es geht. Und dafür setzen sie ihre Arbeitskräfte noch mehr unter Druck, als es eh schon der Fall ist. Das steigert alles das Konfliktpotenzial. (…) Erst hat das Innenministerium gesagt »Nein, unter den Bedingungen können wir die Anreise von Erntehelfer_innen nicht verantworten, es wird ausgesetzt.« Und plötzlich wurde ein halbgarer Vorschlag angenommen, sodass die rumänischen Arbeitskräfte doch nach Deutschland kommen können. Insbesondere die Frage nach der Krankenversicherung ist dabei noch nicht geklärt. Dazu kommen die Fragen nach der Rückkehr nach Hause oder der Möglichkeit eines Wechsels des Betriebes, wenn es Probleme gibt. Oder die Fragen: Gibt es Kapazitäten zur Kontrolle der Einhaltung der Sonderregelungen? Und trotz all dieser ungeklärten Fragen und Ungereimtheiten hat plötzlich alles funktioniert. Daran kann man schon ablesen, dass der Bauernverband auf jeden Fall einen extrem starken politischen Einfluss hat. (…) Wichtig ist auf jeden Fall die Stärkung des Sozialschutzes. Insbesondere eine Klärung der Situation der Krankenversicherung – dass die Leute nicht auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie krank werden. Darüber hinaus ist es wichtig, so einfach es klingt, dass die Beratungsstellen Zugang zu den Leuten haben. Dass die Leute die Möglichkeit haben jederzeit zu sagen »Ich fliege zurück«. Solange die Situation der Rückkehr beziehungsweise des Betriebswechsels ungeklärt ist, haben die Saisonarbeiter_innen im Grunde genommen überhaupt kein Druckmittel. Ganz im Gegenteil. Sie sind diejenigen, die unter Druck stehen…” Ein (lesenswertes!) Interview von und bei diskus mit Michael Baumgarten (ohne Datum, aber aktuell) zu Arbeitsbedingungen rumänischer Saisonarbeiter_innen in der Landwirtschaft – vor und während Corona. Michael Baumgarten arbeitet für das Peco-Institut, das sich auch mit Rechten von Saisonarbeiter_innen beschäftigt. Als Teil der Initiative Faire Landarbeit gibt das Peco-Institut jährlich einen zusammenfassenden Bericht über die Arbeitsbedingungen in den landwirtschaftlichen Betrieben heraus. Grundlage des Berichtes sind sogenannte »Feldaktionen«, wo Mitarbeiter_innen die landwirtschaftlichen Betriebe besuchen, um die Saisonarbeiter_innen aus verschiedenen Ländern in ihrer Muttersprache über ihre Rechte und Beratungsangebote zu informieren.
- IG BAU: Bundesregierung muss Schutz für Erntehelfer ausbauen“Die Agrargewerkschaft IG BAU fordert die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung für ausländische Erntehelfer nachzukommen und bestehende Regelungen nachzubessern. Der Schutz von Menschen muss darin unzweideutig geregelt sein und überprüft werden können. „Mit den Ausnahmen für Erntehelfer von Reisebeschränkungen wurde die Landwirtschaft gestützt. Das Ziel, diese systemrelevante Branche zu sichern war und ist richtig. Jedoch wurden die dafür notwendigen Regelungen unter Zeitdruck getroffen und enthalten schwerwiegende Mängel. Der Schutz der Saisonkräfte vor Covid-19-Infektionen ist nicht sichergestellt. Gleichzeitig führen die Regelungen zu einer bisher nicht gekannten Abhängigkeit der Beschäftigten vom Landwirt. So sind die Erntehelfer wegen der Quarantäne nicht ohne weiteres in der Lage, den Arbeitgeber zu wechseln, wenn dieser gegen seine Pflichten verstößt. Auch eine vorzeitige Heimreise ist den Saisonkräften nicht möglich. Ihnen fehlen in der Regel die Mittel für die notwendigen Flüge. In der Praxis sind sie daher dem Good-will des Arbeitgebers ausgeliefert. Das widerspricht sämtlichen arbeitsrechtlichen Standards in Deutschland und in der EU. Hier muss die Bundesregierung dringend Abhilfe schaffen“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Wir fordern klare Regelungen, die weder beim Infektionsschutz noch bei Sozial- und Arbeitsbedingungen oder der Bezahlung Interpretationsspielräume lassen. Jeder Beschäftigte und jeder Arbeitgeber muss wissen, was seine Rechte und was seine Pflichten sind. Das allein reicht leider noch nicht aus. Viele aktuelle Medienberichte bestätigen unsere Erfahrungen, dass Missstände nicht nur in der Fleischindustrie bestehen. Auch in der Landwirtschaft gibt es gravierende Verstöße gegen Hygienevorschriften wie etwa die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften. Ausreichend häufige und unangekündigte Kontrollen vor Ort sind hier unerlässlich. Diese müssen auch in angeblichen Privatwohnungen möglich werden, in denen Saisonarbeiter allzuoft auf engstem Raum zusammengepfercht werden. Solche besseren Regeln und Kontrollen gewährleisten den Schutz der Menschen ebenso wie den der korrekt arbeitenden Betriebe vor Dumpingkonkurrenz. Außerdem muss der jederzeitige Zugang von Beratungsnetzwerken für Wanderarbeiter zu den Saisonbeschäftigten sichergestellt werden. Nur durch diese Änderungen können die stark gestiegenen Besorgnisse der Herkunftsländer, der Saisonarbeiter und der hiesigen Bevölkerung ausgeräumt werden.“” Pressemitteilung vom 16.05.2020
- [Ausstehende Löhne und Missstände in Verpflegung und Unterbringung im Spargelbetrieb Ritter] Massenprotest von 150 Feldarbeitern in Bornheim
- Erntehelfer – Helden oder “Verbrecher”?
“Die Spargelernte ist gesichert! Mit großer Freude und vielen Versprechungen wurden vor einem Monat Tausende Erntehelfer aus Rumänien in Deutschland als Retter in der Not begrüßt. Die heutige Bilanz ist eher ernüchternd. Daniela Reim ist wegen der aktuellen Entwicklung besorgt. Die Rumänisch sprechende Beraterin für mobile Beschäftigte in Niedersachsen muss sogar mit einer Anzeige rechnen. Kurz vor dem letzten Wochenende wollte sie sich einen Überblick verschaffen über die Arbeits- und Lebensbedingungen einiger rumänischer Saisonarbeiter auf einem Spargelhof. Eigentlich sollten hier keine Quarantänemaßnahmen mehr gelten, die nach Einreise der Erntehelfer Anfang April für 14 Tage verordnet worden waren. Es sollte eine routinemäßig durchgeführte Aktion werden, die leider als Verfolgungsjagd endete, erzählte sie der DW. Der Betreiber des Bauernhofs verweigerte der Beraterin den Zutritt und drohte gar, sie anzuzeigen. Als sie das Areal verließ, so Daniela Reim weiter im DW-Gespräch, verfolgte er ihren Wagen, “um sicherzustellen, dass ich keinen Kontakt zu den rumänischen Erntehelfern aufnehmen kann.” Eine ungewöhnliche Situation gab es auch auf einem Spargelhof mit fast 500 rumänischen Saisonkräften in Bayern. Dort musste sogar die Polizei einrücken, um für Ordnung zu sorgen, nachdem die Lage zu eskalieren drohte. Die Erntehelfer berichteten über inakzeptable Arbeitszustände, schlechte Bezahlung und eine Quarantäne, die praktisch gar keine war. Weil der Arbeitgeber keine adäquaten Schutzmaßnahmen treffen wollte, rebellierten einige Saisonarbeiter. In einem Gespräch mit der DW wehrte sich der betroffenen Arbeitgeber (dessen Name der Redaktion bekannt ist) gegen die Vorwürfe. Da “wir in einem Rechtsstaat leben”, so der Bauer, habe er Anzeige gegen einige Arbeiter erstattet, weil sie seiner Meinung nach als “Verbrecher” einzustufen seien und gar nicht arbeitswillig waren. Eine Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Schwaben Nord bestätigte gegenüber der DW, dass tatsächlich gegen drei rumänische Bürger ermittelt werde. Es ginge dabei allerdings um Verleumdung und Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes, auf keinen Fall um organisierte Kriminalität, wie der Arbeitgeber mitgeteilt hatte. (…) In seinem Brief an die Bundesländer weist Minister Heil darauf hin, dass sich bereits mehrere diplomatische Vertretungen der Herkunftsländer von Arbeitern bei der Bundesregierung beschwert hätten. Sie behielten sich demnach “ausdrücklich weitere Maßnahmen” vor – etwa einen Ausreisestopp für Saisonbeschäftigte. Wenn die dringend benötigten Arbeitskräfte in Deutschland nicht sicher arbeiten könnten, sollten sie also in ihren Heimatstaaten bleiben, so die Botschaften der betroffenen Länder. Am Montag mussten in Bukarest die Ministerin für Arbeit, Violeta Alexandru, sowie Außenminister Bogdan Aurescu vor einem Sonderausschuss im rumänischen Senat Rede und Antwort stehen und über Maßnahmen in Bezug auf die Lage rumänischer Saisonarbeiter in Deutschland und der EU berichten. (…) Auf politischer Ebene scheint sich also endlich etwas zu bewegen. Auf den Feldern und in den Sammelunterkünften kommen aber kaum Informationen an. Daniela Reim, die schon seit Jahren mobile Beschäftigte berät, hat zurzeit große Schwierigkeiten, die Menschen zu erreichen. Im DW-Gespräch erzählt sie über eine oft totale Abhängigkeit der Saisonarbeiter von ihrem Arbeitgeber, über Fälle, in denen den Arbeitern die Ausweise abgenommen werden, über extrem lange Arbeitszeiten (bis 14 Stunden, 7 Tage die Woche), über fehlende Krankenversicherungen, über Bezahlung im Akkord, über viel zu hohe Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Sogar über einseitig zu bezahlende überteuerte Flugtickets weiß sie zu berichten. (…) Bund und Länder haben letzten Freitag zugesichert, den Gesundheits- und Arbeitsschutz von ausländischen Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft künftig besser zu kontrollieren.” Beitrag von Alina Kühnel vom 11.05.2020 bei der Deutschen Welle - Spargelbauern und Corona: Wie viele rumänische Erntehelfer ausgebeutet werden
“Zunächst war das Geschrei der Landwirte groß, als die Erntehelfer aus Osteuropa ausblieben. Inzwischen sind mehr als 10.000 von ihnen gekommen, helfen bei der Spargelernte. Doch nach drei Wochen hagelt es Beschwerden, beklagen sich viele massiv über die Arbeitsbedingungen. Nach Recherchen von REPORT MAINZ ist der Frust bei etlichen Erntehelfern groß. Sie seien, so erzählen sie, mit großen Versprechen nach Deutschland geködert worden. Der deutsche Mindestlohn sollte gezahlt werden. Hier angekommen erfahren viele, dass sie nach der Kilomenge Spargel bezahlt werden sollen, die sie aus dem Acker holen. Damit erreichen sie aber nicht den Mindestlohn. Andere Landwirte stellen anders als vereinbart die Flugkosten von Rumänien nach Deutschland in Rechnung. Wieder andere haben Erntehelfer, die sich weigerten diese Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, einfach auf die Straße gesetzt. Der Redaktion liegen Beispiele aus mehreren Bundesländern vor. REPORT hat den Arbeitsrechtler Prof. Peter Schüren von der Universität Münster zu den Vorgängen befragt. Er fordert Konsequenzen, insbesondere eine strikte Arbeitszeiterfassung…” Text und Video des Beitrags von Alexander Bühler, Ulrich Neumann und Edgar Verheyen in der REPORT MAINZ-Sendung vom 5.5.2020- Siehe auch: Spargel-Erntehelfer aus Rumänien“Frühlingszeit ist Spargelzeit – auch in Zeiten von Corona. Damit das weiße Gold auch dieses Jahr auf unseren Tischen landet, werden tausende Erntehelfer mit Sonderflügen aus Rumänien nach Deutschland gebracht. Doch wie steht es um geltende Hygiene- und Quarantäneregeln in den Unterkünften und auf dem Spargelfeld?” Video des Beitrags von Matthias Fuchs vom 06.05.2020 beim WDR
- Erntehelfer beklagen Arbeitsbedingungen auf Spargelhof in Schwaben / Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht
- Erntehelfer beklagen Arbeitsbedingungen auf Spargelhof in Schwaben“Unter Auflagen dürfen Erntehelfer wieder einreisen. Nach Recherchen des BR ist es auf einem Spargelhof in Schwaben nicht nur zu Verstößen gegen den Gesundheitsschutz gekommen. Der Betrieb hatte außerdem Ausweise einiger Arbeiter einbehalten. “Weder dort, wo die Unterkünfte waren, noch dort, wo die Essensausgabe war, konnten wir den Abstand halten. Wir standen Schlange, klebten praktisch aneinander”, sagt Valentin. Er, seine Freundin Anka und Kollege Dorin* haben bis vor Kurzem in Schwaben auf einem Spargel- und Erdbeerhof gearbeitet. Anka, Valentin und Dorin – das sind nicht ihre richtigen Namen. Sie wollen anonym über die Missstände berichten, die sie auf dem Spargelhof erlebt haben. Sie sind nur drei von fünf ehemaligen Arbeitern, mit denen der BR gesprochen hat. estärkt werden ihre Aussagen durch Fotos und Videos, die dem BR zugespielt wurden: Sie zeigen, wie dicht gedrängt Arbeiter etwa bei der Essensausgabe und vor dem betriebseigenen Kiosk stehen, der einzigen Möglichkeit für viele Arbeiter, Lebensmittel zu kaufen. (…) Ein weiterer Kritikpunkt der Erntehelfer, mit denen der BR gesprochen hat: Die Ausweise wurden mehrere Tage, teilweise sogar Wochen einbehalten. Dorin sagt dazu: “Ich bekam meinen Ausweis erst wieder, als ich gegangen bin.” Der Betrieb weist den Vorwurf in seinem Schreiben grundsätzlich zurück, räumt aber ein, er habe die Ausweise für wenige Tage zum Datenabgleich mit den Sozialversicherungen einbehalten: “Wegen der Corona-Krise (…) kann sich der Prozess bei manchen Erntehelfern eventuell etwas verzögert haben.” Sevghin Mayr vom gewerkschaftsnahen Projekt Faire Mobilität findet dieses Vorgehen bedenklich: “Der Arbeitgeber kann damit mehr Macht ausüben und dadurch die Arbeiter von ihm sehr abhängig machen.” Erschwerend hinzu komme, dass nicht geklärt sei, wie diese Menschen zurückreisen könnten, wenn der Arbeitsvertrag vorzeitig aufgelöst werde, so Mayr…” Beitrag vom 30.04.2020 bei BR24
- Was ist eigentlich aus den rumänischen Erntehelfern geworden, die zur Rettung des deutschen Spargels eingeflogen wurden? Von medialen Blitzlichtern und einer Ministerin, die für Landwirte alle Register zieht“… Die Ermittlungen wegen des Todes eines mit dem Coronavirus infizierten Erntehelfers aus Rumänien sind eingestellt worden, die Staatsanwaltschaft Freiburg kann „keinerlei Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten, auch nicht für den Tatvorwurf der unterlassenen Hilfeleistung“ erkennen, so Jost Maurin in seinem Artikel Keine unterlassene Hilfeleistung. Eine besonders wichtige Rolle unter denjenigen, die überhaupt noch hinschauen und zugleich Hilfestellung anbieten, spielt die Beratungsstelle „Faire Mobilität“ des DGB. Die sind beispielsweise derzeit an den Flughäfen, wenn die Lieferungen mit rumänischen Saisonarbeitern ankommen. Sie verteilen dort dann Informationsmaterial und vor allem Hotline-Nummern, über die sich die Betroffenen Hilfe organisieren können. Auch am Tag der Arbeit 2020 landeten erneut osteuropäische Arbeitskräfte in Deutschland (…) Einerseits »sind viele Fragen offen: Etwa, wenn eine Seite das Arbeitsverhältnis auflösen will, kann der Hof dann verlassen oder der Arbeitgeber gewechselt werden? Wer bezahlt eigentlich die Rückreise?« Zum anderen: »So hat in einem Fall in Niedersachsen das zuständige Gesundheitsamt festgestellt, dass die Quarantänebedingungen nicht eingehalten wurden. Daraufhin forderte es den Bauern auf, diese kurzfristig zu verbessern, sonst würde man die Saisonkräfte woanders hin vermittelt. Hier war das Gesundheitsamt hinterher und wurde dadurch zum Arbeitsvermittler. Man merkt an solchen Punkten deutlich: Es gibt kein zu Ende gedachtes Konzept für die ganze Konstruktion. Der Druck der Landwirtschaftslobby war so groß, dass schnell eine Lösung gesucht werden musste. Jetzt kann man im Sinne der Beschäftigten, die hierherkommen, nur hoffen, dass es nicht ganz so schlimm kommt.« Und Schnellschuss-Konzepte führen in der Regel zu zahlreichen Folgeproblemen. John nennt ein weiteres Beispiel: »Die Landwirte sollen die Leute in den ersten 14 Tagen voll versorgen. Bei uns haben sich Beschäftigte darüber beschwert, dass sie während dieser Zeit in extra für sie eingerichteten Hofläden mit überhöhten Preisen einkaufen müssen. Was dann dazu geführt hat, dass die Leute die Höfe verlassen haben, um selbst einzukaufen. Das ruft wiederum Unruhe bei der Bevölkerung in der Umgebung hervor, hier geht die Angst vor den »infizierten Ausländern« um.«…” Beitrag vom 1. Mai 2020 von und bei Stefan Sell
- Covid-19 in Birkenfeld: Mehr als 200 rumänische Arbeiter in Schlachthof infiziert / Wittenberger Betrieb hält Quarantänevorschriften für Erntemitarbeiter nicht ein
- Covid-19 in Birkenfeld: Mehr als 200 rumänische Arbeiter in Schlachthof infiziert“Hunderte Arbeiter eines Schlachthofes in Birkenfeld sind laut der Regierung in Bukarest positiv auf das Coronavirus getestet worden. Rund 500 der Beschäftigten dort sind Rumänen. Mehr als 200 rumänische Arbeiter eines Schlachthofs im baden-württembergischen Birkenfeld haben sich nach Angaben der Regierung in Bukarest mit dem Coronavirus infiziert. Bei ihnen handle es sich nicht um Saisonarbeiter, sondern um Beschäftigte von Subunternehmen des deutschen Fleischbetriebs, teilte das Außenministerium am Dienstag mit. Insgesamt seien in dem Schlachthof 500 Rumänen beschäftigt. Neben den Rumänen seien noch rund hundert weitere dortige Arbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden, teilte das Ministerium ferner unter Berufung auf Angaben deutscher Behörden mit. Alle Infizierten befänden sich in Quarantäne. Die meisten hätten keine oder nur leichte Symptome…” Agenturmeldung vom 29.04.2020 bei t-online
- Wittenberger Betrieb hält Quarantänevorschriften für Erntemitarbeiter nicht ein“… Wegen des Infektionsschutzes dürfen Saisonarbeiter nach geltenden Corona-Schutzauflagen nur angemeldet und mit dem Flugzeug ein- und ausreisen. Bauern klagen deswegen über enorme Mehrkosten. Doch bei der Wittenberg Gemüse GmbH kommen regelmäßig neue Mitarbeiter per Auto oder Bus aus Polen an. Verkaufsleiter Kevin van Ijperen begründet das so: “Die polnische Grenze nach Deutschland ist noch offen.” Und er erklärt “exakt” auch, dass jede Woche neue Leute hinzukommen würden. Möglich ist das, weil die Wittenberger Gemüse GmbH ihren Mitarbeitern unbefristete Verträge ausstellt. Somit gelten sie nicht als Saisonarbeitskräfte – und ihre Einreise muss nicht angemeldet werden. Allerdings müssten diese Mitarbeiter nach ihrer Ankunft 14 Tage in Quarantäne, um sich und andere vor Infektionen zu schützen. Im Betrieb nehmen sie jedoch sofort nach Ankunft ihre Tätigkeit auf. Das Unternehmen gibt das Versäumnis gegenüber “exakt” auf Nachfrage zu. Die Existenz und Geltung der Quarantäneverordnung sei dem Unternehmen bis jetzt nicht bekannt gewesen. Man ordne für neu einreisende Mitarbeiter ab sofort eine entsprechende Quarantäne an. (…) In der Unterkunft des Gemüsebetriebs wohnen etwa 250 Personen. Damian, ein Erntemitarbeiter aus Polen, erklärt “exakt”, er habe nicht erlebt, dass Arbeiten und Wohnen in kleinen Teams passiert. Alle könnten sich frei auf dem Gelände und in der Stadt bewegen. In den Zimmern würden bis zu vier Personen leben. (…) Oskar Brabanski vom Gewerkschaftsprojekt “Faire Mobilität” sieht die Verantwortung jedoch bei den Betrieben: “Sich in einer Gruppenunterkunft in häusliche Quarantäne zu begeben, ist für die Mitarbeiter unmöglich. Als Arbeitgeber die Augen davor zu verschließen und die Verantwortung auf den Arbeitnehmer zu schieben, ist weltfremd und verantwortungslos.” Das DGB-Projekt “Faire Mobilität” setzt sich ein für die Rechte mobiler Arbeitnehmer in Europa. …“ Beitrag und Video vom 25.04.202 bei mdr aktuell
- Mangelnder Gesundheitsschutz, Isolation und kein Lohn: Rumänische Erntehelfer im Spreewald / Gesundheitsamt kontrolliert Betriebe: Erntehelfer nicht ausreichend geschützt / IG BAU: Bundesministerin Klöckner setzt falsche Prioritäten
- Mangelnder Gesundheitsschutz, Isolation und kein Lohn: Rumänische Erntehelfer im Spreewald“ Aufgrund schlechter Arbeits- und Hygienebedingungen verließen 15 rumänische Erntehelfer*innen am gestrigen Donnerstag einen Spargelhof im Spreewald. Sie wurden vor Ort von Berater*innen der Fachstelle Migration und Gute Arbeit Brandenburg sowie des Berliner Beratungszentrums für Migration und Gute Arbeit BEMA unterstützt. Die Männer und Frauen durften den Hof in den vergangenen 14 Tage außer für die Arbeit auf den Feldern aufgrund der Quarantänevorgaben nicht verlassen. Sie hatten sich wegen hohen Akkordvorgaben und Lohnabzügen beim Arbeitgeber beschwert. Unter anderem beklagen sie, dass ihnen die Flugkosten in Höhe von 300 Euro vom Lohn abgezogen werden sollen. Sie berichteten zudem von unzureichendem Gesundheitsschutz für die Beschäftigten. So habe es auf dem Feld keine Möglichkeiten zum Händewaschen gegeben, auch nicht vor dem täglichen Mittagessen, welches ebenfalls auf dem Feld eingenommen wurde. Desinfektionsmittel standen lediglich in der Unterkunft zur Verfügung. Sie hatten keine Möglichkeit, selbst Lebensmittel zu kaufen, da sie das Betriebsgelände nicht verlassen durften. Ihren Lohn haben sie noch nicht ausbezahlt bekommen. Die Arbeiter*innen kontaktierten schließlich die rumänische Botschaft, welche ihrerseits den Zoll sowie das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit um Überprüfung des Arbeitgebers bat. „Der Fall macht deutlich, dass Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz aktuell auf der Strecke bleiben. Es ist problematisch, dass die Arbeiter*innen derart abhängig sind von ihrem Arbeitgeber sind, nämlich bei Unterkunft, Verpflegung, Gesundheit sowie Ein- und Ausreise. Wenn sie kündigen wollen – z.B. aufgrund von schlechten Arbeits- oder Unterkunftsbedingungen – haben sie kaum eine Möglichkeit vom Betriebsgelände wegzukommen und in ihre Heimatländer zu gelangen“, kritisiert der Leiter des Fachbereichs Migration und Gute Arbeit bei ARBEIT UND LEBEN DGB-VHS Berlin-Brandenburg, Dr. Philipp Schwertmann. (…)Insgesamt bestätigt sich der Eindruck, dass die im Konzept von BMI und BMEL zur Einreise von Saisonarbeitskräften festgelegten Maßnahmen zwar den Infektionsschutz der deutschen Bevölkerung im Blick haben, Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen aber deutlich zu kurz kommen…” Pressemitteilung vom 24.04.2020 vom Fachbereich„Migration und Gute Arbeit“ bei ARBEIT UND LEBEN – DGB/VHS Berlin-Brandenburg , siehe dazu:
- Krach mit Erntehelfern
“Im Spreewald gibts Stunk auf den Spargelfeldern. Ein Landwirt hat sich da mit einigen seiner Erntehelfer verkracht. Es steht Aussage gegen Aussage. Und jetzt wollen die Erntehelfer einfach nur noch weg. Was aber nicht geht…” Beitrag von Konstanze Schirmer 23.04.2020 in Brandenburg aktuell bei rbb – die Berichterstattung des RBB ist leider sehr tendenziös und spiegelt v.a. die Sicht des AG wider. Die angeblichen Streitigkeiten unter den Erntekräften sind dadurch bedingt, dass der Bauer eine verlängerte Quarantäne für alle Erntehelfer mit der Aufsässigkeit der Gruppe begründet hat.
- Krach mit Erntehelfern
- Spargelhof Paul erfüllt Vorschriften nicht – Gesundheitsamt kontrolliert Betriebe: Erntehelfer nicht ausreichend geschützt“Trotz der Corona-Schutzregelungen für Erntehelfer kommt es Presseberichten zufolge bundesweit zu Verstößen gegen allgemein geltende Regeln des Gesundheitsschutzes. So auch in Hoyerhagen auf dem Spargelhof Paul. Der Landkreis Nienburg hat gestern eine Stellungnahme zur Kontrolle dieses Spargelhofs veröffentlicht und nimmt darin Bezug auf die erhobenen Vorwürfe gegen Betreiber Dietrich Paul, der beinahe drei Jahrzehnte Vorsitzender der niedersächsischen Vereinigung der Spargelbauern war. (…) Auf dem Hof Paul gab es laut Aussage des Landkreises am 22. April Unstimmigkeiten zu den Punkten Entlohnung und Verpflegung zwischen dem Landwirt und 20 Erntehelfern aus Rumänien. Auch die Polizei sei im Einsatz gewesen. „In einem diesbezüglichen Telefonat wurde der Landwirt erneut ausführlich über die Quarantäne-Vorschriften und seine Pflichten hinsichtlich der Verpflegung und Unterbringung der Erntehelfer aufgeklärt und darauf hingewiesen, dass diese einzuhalten seien“, klärt die Pressestelle des Landkreises Nienburg auf. Bereits einen Tag später, am 23. April, seien weitere Beschwerden bezüglich der Unterbringung und der mangelnden Verpflegung eingegangen. „Die Kontrolle durch zwei Hygieneaufseher des Landkreises Nienburg im Beisein der Polizei am gleichen Tag ergab, dass die Quarantäne-Vorschriften nicht erfüllt waren“, heißt es in dem Schreiben des Landkreises. Dazu zählten unter anderem die Unterbringung und Verpflegung auf dem Hof, die Beachtung und Umsetzung der im Rahmen der Corona-Krise notwendigen Hygienemaßnahmen und die Zurverfügungstellung der umfassenden Information für die Erntehelfer in den jeweiligen Landessprachen. Der Landkreis habe für diese Informationen die notwendigen fremdsprachigen Informationsblätter zur Verfügung gestellt. Hinsichtlich des Bustransfers sei der Landwirt im Vorfeld über die zu treffenden Maßnahmen – Abstandsregel, Masken et cetera – informiert und instruiert worden. …“ Beitrag bei blickpunkt Landkreis Nienburg vom 24.4.2020
- Lückenhafter Infektionsschutz bei Erntehelfern – IG BAU: Bundesministerin Klöckner setzt falsche Prioritäten“Die Agrargewerkschaft IG BAU fordert für Saisonkräfte jederzeit die Möglichkeit, Verstöße gegen Hygienevorschriften auch in ihrer Muttersprache zu melden und sich über ihre Rechte zu informieren. Hierfür besteht bereits ein Hotline-Angebot der Gewerkschaften. Es ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltung sicherzustellen, dass die Betroffenen bereits bei ihrer Anreise diese Info-Möglichkeit kennen. „Es müssen viel mehr Kontrollen der Hygienevorschriften als bisher stattfinden – im Interesse aller Beschäftigten in der Landwirtschaft wie auch im Interesse der Allgemeinheit. Die aktuelle Praxis, erst einmal Tausende Saisonkräfte einzufliegen und es fast ausschließlich den Betrieben zu überlassen, ob und wie der Infektionsschutz eingehalten wird, ist verantwortungslos“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. Er ergänzte: „Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, Gesundheitsämter und Gewerbeaufsicht müssen in einem durchgehenden Kontrollnetz jeden Verstoß und Missbrauch feststellen und ahnden. Bereits im Vorfeld der Anreise müssen Fragen zur Bezahlung der Heimreisen, der Lohnzahlung bei Erkrankung sowie der Zugang der IG BAU oder anderer Arbeitnehmerorganisationen zu Unterkünften und Feldern geklärt sein. Eine Info-Hotline für Erntehelfer in ihrer Muttersprache des Projekts Faire Mobilität, muss durch staatliche Stellen schon bei der Anreise bekannt gemacht werden. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wie auch der Deutsche Bauernverband setzen falsche Prioritäten, wenn sie zum Schutz der Betriebe den Schutz der Erntehelfer schleifen lassen. Sie nehmen zudem für die Betriebe, die sich an die verschärften Hygienebestimmungen halten, gravierende Wettbewerbsnachteile gegenüber den unsauber arbeitenden Betrieben in Kauf. Es ist auch zu hinterfragen, ob die Aufgabe der Vermittlung beim Bauernverband richtig angesiedelt ist oder nicht besser über die Bundesagentur für Arbeit organisiert werden sollte. Denn die Arbeitsvermittlung ist ihre ureigene Aufgabe. Die Bundesagentur ist erfahren im Umgang mit Regelverstößen und hat schon in früheren Fällen Betriebe auf die Vermittlungssperrliste gesetzt, die gegen Bestimmungen verstoßen haben. Beim Bauernverband sehen wir für solche Sanktionsmaßnahmen keine Anzeichen.“ Auf die bestehenden Gefahren weist die IG BAU das Bundeslandwirtschaftsministerium seit Wochen hin. Bisher ohne eine angemessene Reaktion. Bundesministerin Julia Klöckner zieht vielmehr alle Register, um Bauern zu Lasten der Erntehelfer großzügige Geschenke zu machen. So wirbt sie inzwischen unter falscher Flagge für eine noch größere Ausweitung des Sozialversicherungsprivilegs der Bauern. Die ursprünglich nur für 70 Tage geltende Befreiung von Sozialabgaben für Erntehelfer wurde wegen der Corona-Krise bereits auf 115 Tage verlängert. Laut Klöckner reicht das nicht und soll deshalb bald 180 Tage betragen. Die Ministerin verbreitet dabei irreführend, es gehe um eine maximale Aufenthaltsdauer. Das ist falsch, weil für hier arbeitende EU-Bürger ein unbegrenztes Aufenthaltsrecht gilt. Für betroffene Beschäftigte hat der fehlende Sozialversicherungsschutz aber größte Nachteile wie etwa bei einer Erkrankung oder bei Invalidität.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 24.04.2020
- Mangelnder Gesundheitsschutz, Isolation und kein Lohn: Rumänische Erntehelfer im Spreewald“ Aufgrund schlechter Arbeits- und Hygienebedingungen verließen 15 rumänische Erntehelfer*innen am gestrigen Donnerstag einen Spargelhof im Spreewald. Sie wurden vor Ort von Berater*innen der Fachstelle Migration und Gute Arbeit Brandenburg sowie des Berliner Beratungszentrums für Migration und Gute Arbeit BEMA unterstützt. Die Männer und Frauen durften den Hof in den vergangenen 14 Tage außer für die Arbeit auf den Feldern aufgrund der Quarantänevorgaben nicht verlassen. Sie hatten sich wegen hohen Akkordvorgaben und Lohnabzügen beim Arbeitgeber beschwert. Unter anderem beklagen sie, dass ihnen die Flugkosten in Höhe von 300 Euro vom Lohn abgezogen werden sollen. Sie berichteten zudem von unzureichendem Gesundheitsschutz für die Beschäftigten. So habe es auf dem Feld keine Möglichkeiten zum Händewaschen gegeben, auch nicht vor dem täglichen Mittagessen, welches ebenfalls auf dem Feld eingenommen wurde. Desinfektionsmittel standen lediglich in der Unterkunft zur Verfügung. Sie hatten keine Möglichkeit, selbst Lebensmittel zu kaufen, da sie das Betriebsgelände nicht verlassen durften. Ihren Lohn haben sie noch nicht ausbezahlt bekommen. Die Arbeiter*innen kontaktierten schließlich die rumänische Botschaft, welche ihrerseits den Zoll sowie das Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit um Überprüfung des Arbeitgebers bat. „Der Fall macht deutlich, dass Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz aktuell auf der Strecke bleiben. Es ist problematisch, dass die Arbeiter*innen derart abhängig sind von ihrem Arbeitgeber sind, nämlich bei Unterkunft, Verpflegung, Gesundheit sowie Ein- und Ausreise. Wenn sie kündigen wollen – z.B. aufgrund von schlechten Arbeits- oder Unterkunftsbedingungen – haben sie kaum eine Möglichkeit vom Betriebsgelände wegzukommen und in ihre Heimatländer zu gelangen“, kritisiert der Leiter des Fachbereichs Migration und Gute Arbeit bei ARBEIT UND LEBEN DGB-VHS Berlin-Brandenburg, Dr. Philipp Schwertmann. (…)Insgesamt bestätigt sich der Eindruck, dass die im Konzept von BMI und BMEL zur Einreise von Saisonarbeitskräften festgelegten Maßnahmen zwar den Infektionsschutz der deutschen Bevölkerung im Blick haben, Arbeitsrechte und Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen aber deutlich zu kurz kommen…” Pressemitteilung vom 24.04.2020 vom Fachbereich„Migration und Gute Arbeit“ bei ARBEIT UND LEBEN – DGB/VHS Berlin-Brandenburg , siehe dazu:
- “Renitente” Erntehelfer entlassen und “vom Hof gejagt” – “frische” auf dem Weg aus Rumänien nach Deutschland – Die Ernte ist sicher – nur die Erntehelfer nicht
- Erntehelfer auf dem Weg nach Deutschland“Trotz des Risikos sich auf der Reise, oder in Deutschland mit Corona zu infizieren, machen sich Rumänen derzeit auf den Weg nach Deutschland. Sie wollen hier als Erntehelfer arbeiten, denn sie brauchen dringend das Geld.” Video-Beitrag vom 23.04.2020 beim ZDF – zum Hintergrund Szabolcs Sepsi (DGB-Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“, Beratungsstelle Dortmund), der darin Interviewt wurde: “an dem Fall sind wir seit mehreren Tagen dran. Nachdem einige Menschen aus Protest gegen die Unterkunftsbedingungen, gegen die Akkordlöhne und weil der Bauer ihnen die Flugkosten vom Lohn abziehen wollte, die Arbeit eingestellt haben, hat ihnen der Arbeitgeber das Essen vorenthalten mit dem Argument, dass nur diejenigen essen dürften, die arbeiten. Die haben daraufhin mehrere Protestvideos auf Facebook veröffentlicht, die auch die rumänischen Medien erreicht haben ( https://www.mediafax.ro/economic/romanii-plecati-la-cules-de-sparanghel-in-germania-s-au-revoltat-acuza-ferma-de-teapa-si-cer-ajutor-video-19091565 ) Heute wurde ein Teil der Erntehelfer entlassen und “vom Hof gejagt”, die sind dann zu Fuß, hungrig und ohne Geld losgelaufen. Eigentlich hätten die noch in Quarantäne bleiben müssen, da sie erst seit 5 Tagen in Deutschland sind. Nachdem unsere Oldenburger Beratungsstelle und die IG BAU die Behörden alarmiert haben, kontrollierte das Gesundheitsamt und die Polizei den Betrieb. Nun wurden auch die gekündigten Menschen wieder aufgefunden. Die sollten nun ihre Quarantäne woanders verbringen und danach zurück nach Rumänien geflogen werden.”
- Die Ernte ist sicher – nur die Erntehelfer nicht“Trotz der Corona-Schutzregelungen für Erntehelfer (“Saison-Arbeitskräfte”) kommt es zu Verstößen gegen allgemein geltende Regeln des Gesundheitsschutzes. Nach Panorama-Recherchen werden Erntehelfer in großen Betrieben, etwa in Rheinland-Pfalz, weiterhin in Gruppen von 40 bis 70 Personen in einem Anhänger vom Hof zu den Feldern transportiert. Dabei tragen sie offenbar keine Masken. Arbeitsgruppen haben eine Größe von bis zu 45 Personen. Viele Erntehelfer schlafen auch auf zu engem Raum. Eigentlich sollen laut Hygieneschutzbestimmungen Zimmer nur halb belegt werden. Erntehelfer schildern aber, dass sie wie in den Jahren zuvor in voll besetzten Mehrbettzimmern in Wohn- Container schlafen – Bett an Bett. Szabolcs Sepsi ist beim Deutschen Gewerkschaftsbund zuständig für Saisonarbeiter und kritisiert, es sei absehbar gewesen, dass einige Landwirte die Vorgaben nicht umsetzen werden: “Die Bedingungen auf den Feldern, so wie wir sie aus unserer jahrelangen Arbeit vor Ort kennen, eignen sich schlicht nicht dafür, solche Regelung einzuhalten. Hier wird die Gesundheit der Erntehelfer gefährdet.” Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sieht niemanden in Gefahr: “Es kommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die frei entscheiden können, wo sie arbeiten wollen in Europa, weil sie Geld verdienen möchten.” (…) Viele Bauern interpretieren die Regelungen so, dass die Arbeitsgruppenbeschränkung und die halbe Zimmerbelegung nicht für die 20.000 Erntehelfer gelten, die bereits vor dem 2. April nach Deutschland eingereist sind – und auch nicht mehr nach Ablauf der14 tägigen faktischen Quarantäne. So hat sich ein Regel-Chaos gebildet, das sich teilweise von Landkreis zu Landkreis unterscheidet. Das Gesundheitsamt im Rhein-Pfalz-Kreis, wo sehr viele Erntehelfer eingesetzt werden, empfiehlt den dortigen Betrieben die Hygienemaßnahmen auch länger und für alle Erntehelfer umzusetzen. Rechtlich bindend sind die Vorgaben nach 14 Tagen offenbar nicht mehr…” Beitrag von Johannes Edelhoff, Armin Ghassim, Fabienne Hurst vom 23.04.20 beim NDR , siehe auch diess. bei tagesschau.de: Erntehelfer in Deutschland: Lücken beim Corona-Schutz und die Reaktion:
- DGB fordert bessere Arbeitsbedingungen für Erntehelfer“Angesichts aktueller Medienberichte über katastrophale Arbeitsbedingungen bei Erntehelfer*innen in der Landwirtschaft sagte Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag in Berlin: „Arbeitsgruppen mit bis zu 45 Personen, Unterbringung in voll ausgelasteten Mehrbettzimmern, Mund-Nasen-Masken meist Fehlanzeige – einen Toten gibt es schon. Jetzt muss Schluss sein mit dem verantwortungslosen Umgang mit ausländischen Erntehelfer*innen. Arbeits- und Landwirtschaftsministerium stehen in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Erntehelfer*innen unter sicheren Bedingungen nach Deutschland einreisen, hier eingesetzt und untergebracht werden. Diese Verantwortung kann nicht alleine den Landwirten überlassen sein. Es braucht dringend konkrete und verbindliche Vorgaben zum Infektionsschutz, die auch flächendeckend kontrolliert werden. Das Landwirtschaftsministerium hatte versprochen, den Erntehelfer*innen Informationen zu unseren muttersprachlichen Hotlines des Projektes Faire Mobilität zu verteilen. Das muss durch die öffentliche Verwaltung jetzt auch geschehen. Unter den jetzigen Bedingungen sind die Kolleg*innen in Sachen Lohn, Unterkunft, Verpflegung, Ein- und Ausreise sowie Gesundheitsschutz vollkommen abhängig von ihrem Arbeitgeber. Von einer Verhandlungsposition auf Augenhöhe kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Auch mit Blick auf das hohe Erkrankungsrisiko in der Corona-Krise war die Ausweitung der prekären, kurzfristigen Beschäftigung von 70 auf 115 Tage unverantwortlich. Ausländische Saisonarbeiter*innen sind in der Regel nicht in Deutschland krankenversichert. Erkranken sie während des ersten Arbeitsmonats, haben sie nicht einmal ein Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Krankengeld.“ PM vom 23.04.2020
- Verstorbener Erntehelfer mit Corona: Ein Leben für den Spargel. Inzwischen sind laut Landratsamt vier Personen des Bad Krozinger Betriebs positiv getestet worden. Geerntet wird weiter.“Die Bundesregierung hat mit Arbeitskräften aus Osteuropa die Spargelernte gesichert. Nun ist ein rumänischer Erntehelfer nach einer Corona-Infektion gestorben. Ein Besuch beim Betrieb. (…) Dann wurden die Wohncontainer aufgestellt, außerhalb des Ortes, auf dem Betriebsgelände zwischen den Feldern. Das Gelände in Bad Krozingen ist mit Zäunen, Sichtschutzplanen und meterhohen Buchenhecken umgeben, die Eingänge sind bewacht. Hinter einer Lagerhalle und abgetakelten Transportern sind Wohncontainer in Reihen aufgestellt, zwischen Wäscheleinen stapeln sich Mülltüten. Der Betriebsleiter referiert aus den Sicherheitsbestimmungen des Innenministeriums. Er spricht von der obligatorischen Quarantänezeit nach der Ankunft, von der Arbeit in Kleingruppen. Sogar in den altersschwachen Bussen, die die Arbeiter auf die Felder bringen, flattern Trennfolien zwischen den Sitzreihen. Lange Zeit hat man sechs, sieben Leute in den größeren Zimmern untergebracht, sogar acht seien ja laut Arbeitsstättenverordnung erlaubt, so der Verbandssprecher. Inzwischen habe der Betrieb das natürlich entzerrt und mehr Container aufgestellt. Zeigen möchte der Betriebsleiter die Unterkunft der Rumänen nicht. Und die Fotos von klapprigen Stockbetten und speckigen Gaskochern, die in rumänischen Zeitungen und im Internet über seine Unterkunft kursieren? Da habe wohl irgendwer irgendwo was gesehen. Er könne nicht erkennen, “dass die Fotos aus unseren Wohneinrichtungen stammen”…” Reportage von Nils Klawitter und Keno Verseck vom 22.04.2020 beim Spiegel online
- [Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft] Einsatz von Drittstaatsangehörigen und Asylbewerbern als Erntehelfer“… Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hat eine sogenannte Globalzustimmung für den Einsatz von Drittstaatsangehörigen, Asylbewerbern und Geduldeten als Helfer in der Landwirtschaft erteilt. Die Regelung gilt für den Zeitraum vom 1. April bis 31. Oktober 2020. Mit der Globalzustimmung können unbürokratisch weitere Arbeitskräfte für die Saisontätigkeit in der Landwirtschaft gewonnen werden. Konkret geht es um eine befristete deutliche Verfahrenserleichterung bei der Beschäftigungsaufnahme. Die BA muss ihre Zustimmung zur Arbeitsaufnahme nun nicht mehr in jedem Einzelfall erteilen. Die Arbeitskräfte können so schneller ihre Beschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmen. (…) Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat damit auch eine deutliche Verbesserung für Drittstaatsangehörige erreicht, die bisher im Hotel- und Gaststättenbereich tätig waren. Personen aus Drittstaaten, die derzeit wegen der Schließung von Hotels und Restaurants beschäftigungslos sind, können ohne erneute Zustimmung der Arbeitsagentur bis Ende Oktober 2020 eine Beschäftigung in der Landwirtschaft aufnehmen.“ Presseinformation vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vom 22.04.2020
- Erntearbeit: Hohes Gesundheitsrisiko für eine Hand voll Euro“Frühlingszeit ist Spargelzeit. Doch viele Erntehelfer – meist aus Osteuropa – können kaum von ihrer Früchte Arbeit leben. Lohndumping auf dem Feld ist ein beliebtes Spiel unter Arbeitgebern. Nicht lustig für die mobilen Beschäftigten! Zudem sind sie einem erhöhten Corona-Risiko ausgesetzt, denn sie leben und arbeiten unter katastrophalen hygienischen Zuständen – und das nicht erst seit der Krise. Gesundheitsschutz verbessern und raus aus dem Lohndumping, ist die Devise des #schlaglicht 16/2020 aus Niedersachsen. (…) In Zeiten des Corona-Shutdowns zeigt sich einmal mehr, wer wirklich unverzichtbar für die Gesellschaft ist. Im Fall der Feldarbeit sind es nämlich die mobilen Beschäftigten. Das sind jene Arbeitskräfte, die aus dem Ausland – meistens Osteuropa – nur für eine begrenzte Zeit nach Deutschland und auch nach Niedersachsen kommen, um jedes Jahr die Hauptlast bei der Ernte zu tragen. Vielen fehlt es allerdings an den grundlegenden Rechts- und Sprachkenntnissen für den deutschen Arbeitsmarkt. Hierdurch sind sie im besonderen Maße von Ausbeutung bedroht. Und die Arbeitgeber nutzen diese Situation immer wieder leidlich aus, indem sie den Beschäftigten miese Arbeitsbedingungen aufzwingen. Doch damit nicht genug: Die Pandemie setzt gerade die mobilen Erntehelfer einem hohen gesundheitlichen Risiko aus. Denn die hygienischen Umstände, unter denen die Beschäftigten arbeiten und leben müssen, waren schon vor dem Corona-Virus oft unterirdisch. (…) Obendrein werden viele mobile Beschäftigte für ihren Einsatz nicht fair entlohnt und nur mit einer Hand voll Euro abgespeist. Zwar gilt der gesetzliche Mindestlohn, aber häufig finden die Arbeitgeber in der Landwirtschaft kreative Lösungen, um ihn zu umgehen. Bei der an vier Standorten in Niedersachsen tätigen Beratungsstelle für mobile Beschäftigte der Bildungsvereinigung ARBEIT UND LEBEN können sich die Betroffenen Hilfe suchen. Bei jeder fünften Beratung spielt das Thema Lohn eine Rolle (siehe Grafik). Oft geht es hier nämlich nicht mit rechten Dingen zu, weil sich viele Arbeitgeber bestens auf üble Tricksereien verstehen!...” schlaglicht 16/2020 vom 23.04.2020 beim DGB Niedersachsen
- Spargelstechen in der Pandemie. Zofia Nierodzinska hat auf einem Spargelhof gearbeitet – und revidierte ihr Bild von Deutschland“Vor neun Jahren, nachdem ich mein Kunststudium in Polen abgeschlossen hatte, welches mich zwar mit symbolischen Ressourcen ausgestattet hat, die sich jedoch nicht in wirtschaftliche Mittel umsetzen ließen, beschloss ich, nach Berlin zu ziehen. Ich wollte mein Erwachsenenleben in einer Stadt beginnen, die ich mit der Achtung der Minderheitenrechte, einer funktionierenden Zivilgesellschaft, einer vibrierenden Club- und Kunstszene und einer der besten Street-Food-Kulturen verband. Ich glaubte, dass die Europäische Union und offene Grenzen das Beste waren, was die Generation meiner Eltern – die in der Solidaritätsbewegung der 1980er Jahre engagiert war – erreicht hatte. Für mich bedeutete die von ihnen gewonnene Freiheit die Möglichkeit, das nunmehr freie Polen so schnell wie möglich zu verlassen, weil die dort herrschende katholisch-patriarchale Mentalität mit meinen Lebensansichten unvereinbar war. Zumindest sah ich es damals so. Nach zwei Jahren begann ich das Postgraduiertenstudium an der Universität der Künste. Nebenbei verdiente ich meinen Lebensunterhalt als Kellnerin in einem deutschen Catering-Unternehmen, das mir den Mindestlohn von damals 8,50 Euro zahlte. Von Ende März bis Ende Juni arbeitete ich zusammen mit anderen Studenten aus der ganzen Welt im Spargelhof in Beelitz bei Berlin. Dort lernte ich Wanda, Renata und Ewa kennen, die seit Jahren als Saisonarbeiterinnen während der Spargelzeit in dem Dorf beschäftigt waren. Sie verdienten 3,50 Euro pro Stunde nach Abzug der Kosten für die Unterkunft in Mehrpersonen-Containern und für die Verpflegung. Ein Kilogramm Spargel kostete damals etwa 9 Euro. Wanda, Renata und Ewa stammen alle aus demselben Dorf in den Bergen im Süden Polens. Sie sagten, dass sie während der Saison so viel verdienen können, dass sie fast ein halbes Jahr lang in Polen leben konnten und dass die Arbeit hart sei, jedoch sei die Zeit abseits ihrer Familien und Ehemänner auch wertvoll. Die Frauen arbeiteten in den Produktionshallen und in der Küche. Auf dem Spargelhof fühlte ich mich, als wäre ich in die Realitäten des frühen 20. Jahrhunderts zurückversetzt worden…” Artikel von Zofia Nierodzinska vom 21. April 2020 im ak online
- [Bundesagrarministerin leugnet Corona-Tot] Beleg für Angabe zu Erntehelfertod fehlt: Falsche Infos von Klöckner?
“… Bundesagrarministerin Julia Klöckner behauptet ohne Angaben von Quellen, dass der in Baden-Württemberg gestorbene Erntehelfer nicht an Covid-19 gestorben sei. In der ZDF-Talkshow von Markus Lanz sagte die CDU-Politikerin über den verschiedenen Rumänen am Donnerstagabend: „Was wir erfahren haben, ist, dass er nicht an Corona gestorben ist, sondern nach einer Corona-Infektion. Er ist an einem Herzinfarkt verstorben.“ Lanz fragte Klöckner nicht, woher sie das weiß. Ihr Ministerium ließ mehrere Fragen der taz nach der Quelle und einem Beleg für die Behauptung unbeantwortet. Das zuständige Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald dagegen widersprach Klöckner und teilte der taz am Montag mit, „dass Covid-19 vermutlich dazu beigetragen haben könnte, dass der Mann verstorben ist“. Auch die Staatsanwaltschaft Freiburg, die sich mit dem Fall befasst, kennt die Ursache nicht. (…) Es wäre nicht das erste Mal, dass Klöckner durch falsche Behauptungen auffällt. Im Februar dementierte die Ministerin, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der EU verbotenen Pestiziden zu ermöglichen. Ihre angeblichen Belege wurden durch eine taz-Recherche widerlegt.“ Artikel von Jost Maurin vom 20.04.2020 in der taz online - Weiterer Corona-Fall auf Spargelhof in Bad Krozingen / IG Bau fordert besseren Infektionsschutz für Erntehelfer*innen
- IG Bau fordert besseren Infektionsschutz für Erntehelfer*innen“Weil aufgrund der Reiseverbote viele Saisonkräfte fehlten, hatte die Regierung Anfang dieses Monats die Einreise von 80 000 Menschen per Flugzeug genehmigt. „Mit ihrer Entscheidung, Erntehelfer*innen einreisen zu lassen, trifft die Regierung die volle Verantwortung für die Gesundheit der hier ankommenden Menschen. Sie hat zu Recht Mindestauflagen zum Infektionsschutz erlassen. Diese Schutzmaßnahmen muss sie auch durchsetzen. Dazu passt es aber nicht, wenn eine Corona-Infektion erst festgestellt wird, nachdem ein Mensch bereits verstorben ist. Mit gründlichen Untersuchungen hätte das nicht passieren dürfen”, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Wir fordern einen lückenlosen Schutz von der ersten Minute der Reise an. Bereits Anfang dieser Woche haben wir die Bundesregierung schriftlich darauf hingewiesen, dass Abstands- und Hygieneregeln während der Sonderflüge nicht eingehalten wurden. Um Gesundheitsrisiken auszuschließen, fordern wir verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen bereits an den Ausgangsflughäfen. Zudem müssen anreisende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unverzüglich die Telefonnummer der Info-Hotline des DGB-Projekts Faire Mobilität erhalten. Dies stellt sicher, dass Erntehelfer*innen in ihrer jeweiligen Sprache beraten werden können.” IG BAU-Pressemitteilung vom 17.04.2020
- Weiterer Corona-Fall auf Spargelhof – Hygieneregeln werden eingehalten“Nach dem Tod eines Erntehelfers wird in Bad Krozingen ein zweiter positiv getestet; alle Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Klar wurde nun: Der Verstorbene ist schon länger in Deutschland. Nach dem Tod eines mit dem Coronavirus infizierten Erntehelfers auf einem Spargelhof in einem Bad Krozinger Ortsteil wurde ein Saisonarbeiter aus dem direkten Umfeld des Verstorbenen ebenfalls positiv auf das Virus getestet. Er befinde sich genauso in Quarantäne wie alle anderen Kontaktpersonen, heißt es in einer Mitteilung des Landratsamtes. Kontrollen des Ordnungsamtes hätten ergeben, dass sich der Betrieb an die Hygienemaßnahmen halte, sagte eine Sprecherin der Stadt…“ Artikel von Joshua Kocher und Hans-Peter Müller (Mitarbeit: Jens Schmitz) vom 16.04.2020 in der Badischen Zeitung online (im Abo)
- Baden-Württemberg: Rumänischer Erntehelfer nach Corona-Infektion gestorben / Das ist der Spargel nicht wert
- Baden-Württemberg: Rumänischer Erntehelfer nach Corona-Infektion gestorben“Im baden-württembergischen Bad Krozingen südwestlich von Freiburg ist nach SPIEGEL-Informationen ein rumänischer Erntehelfer nach einer Corona-Infektion gestorben. Der 57-Jährige wurde am 11. April tot in seiner Unterkunft aufgefunden. Zunächst war die Todesursache unklar. Ein Test auf Covid-19 fiel dann positiv aus. Das Stuttgarter Innenministerium bestätigte den Fall. Der Verstorbene hat nach SPIEGEL-Informationen in einem Krozinger Betrieb bei der Spargelernte geholfen. Er hat sich wohl in Deutschland mit dem Virus infiziert. Vor seinem Tod soll er über Husten und Schnupfen geklagt haben. Nach seinem Ableben hat das Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald laut SPIEGEL-Informationen Maßnahmen ergriffen, um einen weiteren Ausbruch der Seuche unter den Erntehelfern zu verhindern. Das Umfeld des Mannes wird durchleuchtet, Kontaktpersonen werden auf mögliche weitere Ansteckungsfälle hin untersucht. Der Verstorbene war einer von Hunderten Erntehelfern, die sich derzeit in Baden-Württemberg aufhalten. (…) Zwischen dem 9. und 14. April sind nach Auskunft der Baden-Airpark GmbH am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden rund 3000 Erntehelfer aus Rumänien eingetroffen. Der in Bad Krozingen verstorbene Erntehelfer befand sich nach SPIEGEL-Informationen indes schon länger in Deutschland. Er soll bereits am 20. März in die Bundesrepublik eingereist sein.” Artikel von Felix Bohr und Andreas Ulrich vom 15.04.2020 beim Spiegel online , siehe dazu:
- Das ist der Spargel nicht wert“80.000 Rumänen kommen zur Ernte nach Deutschland. Trotz Corona. Einer von ihnen ist gestorben, er war an Covid-19 erkrankt. Das hätte nicht passieren dürfen. (…) Das haben sie natürlich nicht gewollt. Aber in Kauf genommen. Sie haben in Kauf genommen, dass eine große Menge an Menschen zusammenkommt, zu einem Zeitpunkt, wo das aus gutem Grund überall verboten ist. Sie haben in Kauf genommen, dass sich das Virus verbreitet unter Menschen, von denen zwar nicht alle, aber doch viele zur Risikogruppe gehören. Der verstorbene Erntehelfer aus Rumänien war 57 Jahre alt. (…) Strenge Auflagen sind eine gute Idee. Weniger gut ist, wenn niemand vorher überprüft, ob diese strengen Auflagen auch eingehalten werden können. Ob es zum Beispiel realistisch ist, dass die Spargelhöfe sicherstellen, dass ihre Saisonkräfte Abstand voneinander halten, sich regelmäßig die Hände waschen, ihre Gruppe nicht verlassen. (…) Klar ist, und war es auch schon vor der Corona-Krise, dass viele Betriebe ihre Helferinnen in unmöglichen Zuständen unterbringen. Die Helfer schlafen oft in Massenunterbringungen auf viel zu engem Raum, müssen sich in heruntergekommenen sanitären Einrichtungen waschen. Auf den Feldern gibt es oft weder Toiletten noch Waschbecken. Das war schon vor Corona eine Zumutung. Höchste Zeit, das zu ändern…” Kommentar von Luisa Jacobs vom 16. April 2020 bei der Zeit online
- Gewerkschaft fordert Schutz für Erntehelfer. Die IG BAU betont: Neben fairer Bezahlung sollte es auch mobile Toiletten mit Wasseranschluss an den Feldern geben
“Nach ersten Lockerungen beim Coronavirus-bedingten Einreisestopp für ausländische Saisonarbeitskräfte müssen auch insbesondere für diese Gruppe Arbeits- und Sicherheitsstandards unbedingt eingehalten werden, mahnt die Gewerkschaft IG Bau-Agrar und Umwelt (BAU). Sie fordert neben fairer Bezahlung, die höher als der Mindestlohn liegen sollte, etwa auch mobile Toiletten mit Wasseranschluss an den Feldern. (…) Laut Gewerkschaft sind es trotz der osteuropäischen Saisonkräfte jedoch zu wenige Erntehelfer, um eine reibungslose Ernte zu garantieren. „Wer aus dem Kreis Mettmann zupacken kann, sollte das jetzt tun. Es ist die Chance, Geld nebenbei zu verdienen und die Zeit sinnvoll zu investieren. Spargel, Spinat, Porree – das April-Gemüse wartet nicht“, sagt Uwe Orlob von der IG BAU Düsseldorf. Zusätzlich fordert die IG BAU für alle Saisonarbeiter genauso wie für die Stammbelegschaften in Agrarbetrieben eine Erschwerniszulage. „Immerhin setzen sich die Beschäftigten in der Phase der Coronavirus-Pandemie bei ihrer Arbeit auch einem gewissen gesundheitlichen Risiko aus“, erklärt Orlob. Landwirte in der Region sollten eingearbeitete Saisonkräfte daher „mit einem Lohn nicht unter 11 Euro pro Stunde vom Feld gehen lassen“. Neben der Bezahlung sei aber auch die Hygiene bei der Feldarbeit das A und O: Es komme darauf an, auch draußen das regelmäßige Händewaschen und Desinfizieren sicherzustellen. „Das bedeutet, dass die Toilette am Feldrand einen Wasseranschluss braucht. Das sonst übliche Mobil-WC reicht hier nicht. Denn ohne Wasser kein Händewaschen“, erklärt Orlob. Wenn Pflanz- und Erntehelfer in Unterkünften untergebracht werden, dann seien dabei Einzelzimmer notwendig. „Die Pandemie bedeutet das Aus der sonst üblichen Sammelunterkünfte. Denn dort gilt das gleiche wie auf den Feldern: Der Abstand von mindestens 1,5 Metern ist Pflicht. Besser ist eine ganze Zollstocklänge: also zwei Meter Abstand vom Nebenmann“, erklärt der stellvertretende IG BAU-Bezirksvorsitzende. Zudem müssten Sozial- und Sanitärräume alle zwei Tage fachmännisch gereinigt werden. Erntehelfer sollten möglichst alleine und mit dem eigenen Pkw, Motorroller oder Fahrrad zur Feldarbeit fahren. Dafür müsse ihnen der Landwirt eine Entschädigung bezahlen. Es ist laut Uwe Orlob die Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitsplätze und Unterkünfte so einzurichten, dass die Hygiene- und Sicherheitsstandards problemlos eingehalten werden können.“ Artikel von David Bieber vom 15.04.2020 bei RP online
- Baden-Württemberg: Rumänischer Erntehelfer nach Corona-Infektion gestorben“Im baden-württembergischen Bad Krozingen südwestlich von Freiburg ist nach SPIEGEL-Informationen ein rumänischer Erntehelfer nach einer Corona-Infektion gestorben. Der 57-Jährige wurde am 11. April tot in seiner Unterkunft aufgefunden. Zunächst war die Todesursache unklar. Ein Test auf Covid-19 fiel dann positiv aus. Das Stuttgarter Innenministerium bestätigte den Fall. Der Verstorbene hat nach SPIEGEL-Informationen in einem Krozinger Betrieb bei der Spargelernte geholfen. Er hat sich wohl in Deutschland mit dem Virus infiziert. Vor seinem Tod soll er über Husten und Schnupfen geklagt haben. Nach seinem Ableben hat das Gesundheitsamt des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald laut SPIEGEL-Informationen Maßnahmen ergriffen, um einen weiteren Ausbruch der Seuche unter den Erntehelfern zu verhindern. Das Umfeld des Mannes wird durchleuchtet, Kontaktpersonen werden auf mögliche weitere Ansteckungsfälle hin untersucht. Der Verstorbene war einer von Hunderten Erntehelfern, die sich derzeit in Baden-Württemberg aufhalten. (…) Zwischen dem 9. und 14. April sind nach Auskunft der Baden-Airpark GmbH am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden rund 3000 Erntehelfer aus Rumänien eingetroffen. Der in Bad Krozingen verstorbene Erntehelfer befand sich nach SPIEGEL-Informationen indes schon länger in Deutschland. Er soll bereits am 20. März in die Bundesrepublik eingereist sein.” Artikel von Felix Bohr und Andreas Ulrich vom 15.04.2020 beim Spiegel online , siehe dazu:
- Erste Erntehelfer aus Rumänien werden eingeflogen – in Quarantäne nur gegenüber der Bevölkerung in Deutschland
- Erntehelfer-Flüge aus Rumänien: Für eine Handvoll Spargel“Um Luxusgemüse verkaufen zu können, werden tausende Erntehelfer gefährdet. Das ist menschenverachtend…” Kommentar von Jost Maurin vom 14.4.2020 in der taz online
- Erste Flüge für Erntehelfer aus Rumänien: Regeln gegen Corona verletzt“Gedränge beim Einchecken in Rumänien, enge Flugzeuge und Busse. Grüne fordern, dass Agrarministerin Klöckner die „Spargelstecher-Luftbrücke“ stoppt…” Artikel von Jost Maurin vom 13.4.2020 in der taz online
- Empörung über Reisebedingungen: Erntehelfer warten dicht an dicht“Tausende Erntehelfer werden in diesen Tagen nach Deutschland geflogen. Bei der Organisation ihrer Reise scheint Seuchenschutz allerdings keine Rolle zu spielen. Hunderte Männer und Frauen warteten dicht gedrängt am Flughafen. Trotz scharfer Kritik an den mangelhaften Corona-Schutzmaßnahmen während der Reise sollen weiterhin tausende rumänische Erntehelfer nach Deutschland eingeflogen werden. Am Freitag warteten tausende Menschen an rumänischen Flughäfen auf ihren Abflug. “Drei Charterflüge mit fast 600 Passagieren warten auf grünes Licht vom Verkehrsministerium, bevor sie nach Deutschland abheben können”, sagte der Sprecher des internationalen Flughafens Bukarest. Weitere sechs Flugzeuge sollten demnach von den Städten Cluj sowie zwei von Iasi im Osten des Landes in Richtung Deutschland starten. Am Donnerstag hatten Bilder von rund 1800 Saisonarbeitern, die Schulter an Schulter auf einem überfüllten Parkplatz am Flughafen in Cluj warteten, in sozialen Netzwerken Empörung ausgelöst. Auch der rumänische Regierungschef Ludovic Orban kritisierte die Situation scharf. Es sei “unzulässig”, dass die Menschen in großen Menschenmengen ohne die erforderlichen Abstandsregeln auf ihre Flüge gewartet hätten…” Beitrag vom 11. April 2020 bei n-tv
- Erntehelfer-Flüge vorübergehend gestoppt“Dicht gedrängt warteten die Menschen am rumänischen Flughafen Cluj. Die Regierung Orban stoppte daraufhin zunächst die Erntehelfer-Flüge nach Deutschland. Aber nun darf wieder geflogen werden…” Beitrag von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Südosteuropa, vom 10.04.2020 bei tagesschau.de
- Deutschland lässt Erntehelfer einfliegen: Rumänische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Gedränge am Flughafen“Mitten in der Coronakrise lässt Deutschland Erntehelfer einfliegen. An einem rumänischen Flughafen drängelten sich deshalb Hunderte Menschen. Der Ministerpräsident fordert Konsequenzen…” Meldung vom 10.04.2020 beim Spiegel online
- Erntehelfer aus Rumänien: “Deutschland kann auf mich zählen!”“Gute Nachrichten für deutsche Bauern: An diesem Donnerstag landeten die ersten Saisonarbeiter unter anderem aus Rumänien in Deutschland. Aber sind das auch gute Nachrichten für die Erntehelfer? (…) Ioan T. hatte vor einem Jahr zum ersten Mal in Deutschland, in der Nähe von Münster, auf einer Spargelfarm gearbeitet. Nach fast drei Monaten intensiver Arbeit, 10 Stunden am Tag, meistens 7 Tage die Woche, kehrte er mit weniger als 1.850 Euro nach Rumänien zurück. Von seinem Lohn waren ihm über 1.000 Euro für Miete, Verpflegung und andere Nebenkosten abgezogen worden. “Es war keine schöne Erfahrung”, erzählt Ioan der DW. Und er war nicht alleine: auf dem Bauernhof hatten fast 120 Arbeitskräfte, die überwiegende Mehrheit Rumänen und ein paar Bulgaren, Spargel geerntet. Es war Hochsaison auf den Feldern, die meisten konnten kaum Deutsch und alle hatten einem Mittelsmann vertraut. Genau dem Mittelsmann, der jetzt anrief und mit besseren Konditionen warb: “Die brauchen uns dringend, werden sogar Flüge nur für uns organisieren”. (…) Jetzt soll es an die Umsetzung gehen: “Unsere Betriebe werden die Leitlinien und Vorgaben des Robert Koch-Instituts strikt einhalten, um das Infektionsrisiko so gering wie möglich zu halten. Diese Regelung hilft uns, arbeitsfähig zu bleiben”, so Rukwied. Nun hat auch die Fluggesellschaft Eurowings angekündigt, gemeinsam mit deutschen Bauernverbänden Zehntausende Erntehelfer nach Deutschland zu holen. Die Lufthansa-Tochter hat dazu bereits eine “Erntehelfer-Website” eingerichtet, um die Saisonarbeitskräfte an ihre Einsatzorte zu bringen. Die ersten Sonderflüge, zum Beispiel von Düsseldorf ins rumänische Cluj (Klausenburg) und zurück oder auch von Cluj nach Berlin haben bereits an diesem Donnerstag stattgefunden…” Artikel von Alina Kühnel vom 08.04.2020 bei der Deutschen Welle – siehe dazu den
- Kommentar von Szabolcs Sepsi am 10.04.2020 (DGB-Projekt „Faire Mobilität – Arbeitnehmerfreizügigkeit sozial, gerecht und aktiv“, Beratungsstelle Dortmund)(per e-mail, wir danken!):
“Die Bundesregierung bezeichnet ihre Auflagen (die Erntehelfer werde in ihren Baracken eingesperrt und dürfen kein Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen) eine “faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit”. Na ja. Eine Quarantäne gibt es nur gegenüber der Bevölkerung in Deutschland. Dass tausende Menschen während der Reise und hunderte Menschen während der Arbeit eng beieinander sitzen, arbeiten, essen, schlafen, sich waschen werden, scheint keine Rolle zu spielen bei dieser sog. “Quarantäne”. Hauptsache, die werden von der Bevölkerung in Deutschland fern gehalten.Dabei zeigt sich schon jetzt, dass die ganze Aktion kopflos organisiert wurde und die Sicherheitsmaßnahmen nicht garantiert werden können. Gestern starteten die ersten Flüge Richtung Deutschland, am Flughafen Klausenburg (Cluj-Nappoca) tummelten sich 2.000 Erntehelfer im Wartebereich auf engstem Raum. (Bilder hier: https://www.realitatea.net/stiri/actual/imbulzeala-pe-aeroport-la-clujnapoca-in-plina-epidemie-de-coronavirus-aproape-2000-de-romani-pleaca-la-munca-in-germania_5e8f100bc1d1ac64b0172fd2 )Die Bilder machten gestern in der rumänischen Presse die Runde und lösten Empörung aus. Die rumänische Wirtschaft wurde wegen den Quarantänemaßnahmen de facto lahmgelegt, nun sollten 80.000 Menschen nach Deutschland fahren, um den dortigen Spargel zu retten. Dabei gibt es bereits mehrere Berichte von Rückkehrern, die das Virus höchstwahrscheinlich aus dem Ausland nach Rumänien gebracht haben. (Beispiele: https://www.dw.com/de/rum%C3%A4nien-das-importierte-virus-im-roma-viertel-strachina/a-53063818 ; https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/sie-sind-zuhause-nicht-willkommen ; https://www.moment.at/story/24-Stunden-Betreuung-viel-Aerger-bei-Fluegen-aus-Rumaenien ; https://www.arbeit-wirtschaft.at/ischgl/ )
- Erntehelfer*innen: Bloß keine Lohnerhöhung!“Letzte Woche machte Deutschland noch Witze: Wer soll den Spargel stechen, wenn vor allem osteuropäische Erntehelfer*innen nicht mehr einreisen dürfen? Schnell wurde klar: das Problem ist ernst. Rund 300.000 landwirtschaftliche Hilfskräfte arbeiteten vor der Corona-Krise regelmäßig in Deutschland. Kartoffeln müssen gesetzt, Erdbeeren gepflückt und Drähte für den Hopfen gezogen werden. Schnell organisierte das Landwirtschaftsministerium die Webseite Das Land hilft. Irritierend: Obwohl es einen großen Bedarf der Konsumenten an Obst und Gemüse gibt und die Nachfrage der Bauern nach Arbeitskräften händeringend groß ist, scheint der Lohn nicht zu steigen – was der klassischen Wirtschaftstheorie (bzw. neoliberalen Irrlehre) widerspricht. Ein Stundenlohn über dem gesetzlich garantierten Mindestohn ist für Ernethelfer*innen weiterhin nicht in Sicht. Die Vergütung sei individuell auszuhandeln, heißt es. Ein Twitter-User, der seinen Account wegen zahlreicher Anfeindungen mittlerweile nicht mehr öffentlich einsehen lässt, berichtete, was er bei Bewerbungen in der Landwirtschaft erlebte: „Ich hab mich interessehalber mal bei 3 Betrieben erkundigt, die Erntehelfer suchen und bin entsetzt! Betrieb1 (relativ kleiner Hof): Erntehelfer werden auf 450-Euro Basis beschäftigt. Was darüber hinaus geht würde Bar bezahlt. Einen Stundenlohn könne man noch nicht nennen es wird aber in einer 6 Tage Woche gearbeitet. Betrieb2: Hier wird man nach vollen Kisten bezahlt, zwischen 50cent und 1,50 pro Kiste. Ein Landwirt meinte dazu, daraus ergäbe sich ein Stundenlohn unter 5 Euro. Betrieb3: Stundenlohn 5,50Euro, 6 Tage die Woche 10 Stunden pro Tag. Verpflichtend ist eine Unterbringung auf dem Hof. 4 Leute pro Zimmer, dafür soll man 250Euro im Monat bezahlen, versorgen muss man sich über den Hofladen selber.“ Seit 3. April 2020 ist klar, dass der Bauernverband sich durchgesetzt hat und noch einmal zu verhindern wusste, ortsansässige Mitarbeiter*innen gewinnen zu müssen, denen man für die schwere Arbeit womöglich angemessene Löhne hätte zahlen müssen. Die Lösung: Osteuropäische Erntehelfer in Quarantäne-Gulags eingeflogen…” Beitrag vom 4.4.2020 in den Corona-News KW14 bei Arbeitsunrecht
- [Spargel vor Flüchtlingen] Einreiseverbot für ausländische Erntehelfer wird gelockert
“Bis zu 80.000 ausländische Erntehelfer sollen in der Corona-Krise nun doch einreisen dürfen. Für die Arbeiter ist allerdings eine faktische Quarantäne vorgesehen. Weitere 10.000 Helfer – darunter Asylbewerber – sollen aus dem Inland gewonnen werden. Grüne fordern faire Arbeitsbedingungen. Nach dem zunächst von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhängten Einreiseverbot für Erntehelfer in der Corona-Krise soll es nun doch Ausnahmen geben. Seehofer und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verständigten sich am Donnerstag darauf, dass im April und Mai jeweils bis zu 40.000 Saisonarbeiter einreisen dürfen, wie beide Ministerien im Anschluss in Berlin mitteilten. Ihre Vereinbarung sieht dafür eine Reihe von Vorsichts- und Hygienemaßnahmen vor…” Meldung vom 03.04.2020 beim Migazin (im Abo), siehe dazu:- Siehe beim BMEL die Pressemitteilung vom vom 02.04.20 : “Klöckner/Seehofer: Vorgaben des Gesundheitsschutzes und Erntesicherung bringen wir zusammen” sowie ebd. das Konzeptpapier Saisonarbeiter im Hinblick auf den Gesundheitsschutz
- Siehe die Online-Plattform vom Bundesverband der Maschinenringe zusammen mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft: daslandhilft.de und andererseits die online Plattformen (www.saisonarbeit-in-deutschland.de und http://www.agrar-boerse.de/ ), auf denen man sich selber den Arbeitgeber aussuchen kann…
- [Systemrelevant trotz Grenzschließung] EU fordert Zugang für Saisonarbeiter / Flüchtlingsrat Niedersachsen gegen Ausnutzung von Asylsuchenden
- [Systemrelevant trotz Grenzschließung] EU fordert Zugang für Saisonarbeiter“Im Kampf gegen Corona haben viele EU-Länder ihre Grenzen geschlossen. Für die Ernte dringend benötigte Helfer müssen auch in Deutschland draußen bleiben. Die EU-Kommission fordert, ihnen die Einreise zu erlauben. Trotz des sich weiterhin ausbreitenden Coronavirus hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen offene Grenzen für Erntehelfer, Saisonarbeitskräfte und andere Grenzpendler in der Europäischen Union gefordert. Sie geht damit auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung. Diese hatte vergangenen Mittwoch ein vorübergehendes Einreiseverbot für Erntehelfer erlassen. Auch in vielen weiteren EU-Ländern gelten seit Beginn der Ausbreitung des Coronavirus in Europa Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen. In der Landwirtschaft führt das zu Personalmangel. “Wir brauchen Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen und ernten”, sagte von der Leyen in einer Videobotschaft. Deswegen müssten sich Saisonarbeiter im Agrarsektor “frei über Grenzen bewegen können”. Die EU-Kommission empfiehlt daher eine bevorzugte Abfertigung an den innereuropäischen Grenzen ähnlich wie für Ärzte oder Polizisten, wenn die Arbeiter eine “entscheidende” Funktion beim Pflanzen, Ernten oder Tierehüten ausübten…” Meldung vom 30.03.2020 bei tagesschau.de
- Geflüchtete als Erntehelfer_innen: Absurde Beschäftigungsverbote müssen nun beseitigt werden!“Der Flüchtlingsrat Niedersachsen mahnt, dass Asylsuchende nicht als frei verfügbare Arbeitsreserve betrachtet werden dürfen. Wer als Arbeitskraft gebraucht wird, muss auch ein Bleiberecht erhalten. Der Flüchtlingsrat begrüßt, dass in der Debatte um den Einsatz von Geflüchteten als Erntehelfer_innen bestehende Beschäftigungsverbote zunehmend in Frage gestellt werden. Etliche Geflüchtete würden die Gelegenheit gerne wahrnehmen und die Chance auf eine Beschäftigung in der Landwirtschaft nutzen. „Es darf aber nicht sein, dass Asylsuchende als frei verfügbare Arbeitsreserve betrachtet werden, denen man nach Bedarf, wenn es die Arbeitsmarktlage gerade verlangt, Rechte zugesteht und sie ihnen dann wieder nimmt, wenn man ihre Arbeitskraft nicht mehr benötigt“, mahnt Sigmar Walbrecht vom Flüchtlingsrat. Der Flüchtlingsrat fordert daher: Erteilte Beschäftigungserlaubnisse dürfen nicht wieder zurückgenommen werden, wenn der Bedarf nach Arbeitskräften in der Landwirtschaft wieder sinkt. Den Geflüchteten, die nun in der Ernte helfen, muss eine Bleibeperspektive eröffnet werden. Sie dürfen nicht lediglich als verwertbare Masse angesehen werden. (…) Schließlich weist der Flüchtlingsrat aufkommende Debatten über die Senkung des Mindestlohns entschieden zurück. Geflüchtete, die als Erntehelfer_innen arbeiten, haben wie alle anderen auch Anspruch auf eine anständige Entlohnung. Gerade in der jetzigen Krise wird deutlich, dass gute und gerechte Löhne vor der Verarmung bewahren und gleichzeitig sicherstellen, dass systemrelevante Arbeit weiter getan wird.” Pressemitteilung vom 28. März 2020 beim Flüchtlingsrat Niedersachsen – ebenso
- Geflüchtete als Erntehilfe – bis Ende Oktober, und dann?“Flüchtlinge, Gestattete und Geduldete können jetzt auch bei formal nicht bestehendem Arbeitsmarktzugang in der Landwirtschaft arbeiten. Die Globalzustimmung der Bundesagentur für Arbeit, die mit dem BMAS abgesprochen ist, veröffentlichen wir hier: Globalzustimmung-BA . Die Zustimmung erfolgt unter der Bedingung, dass Mindestlohn gezahlt wird, bis zum 31.10.2020. Danach soll alles wieder sein wie vor Corona. Wir appellieren an den Gesetzgeber, allen Menschen das Recht auf Arbeit zuzugestehen.” Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern e.V. am 7. April 2020
- siehe dazu auch eine NDR-Meldung dazu sowie die Infos: Geflüchtete als Erntehelfer_innen beim Projekt AZF3
- Siehe auch grundsätzlicher zur Landwirtschaft unser Dossier: Systemrelevanz ja, Arbeitsrechte nein? Das Corona-Krisenmanagement in der Landwirtschaft findet auf dem Rücken der Beschäftigten statt
- Bayerns Innenminister macht Weg frei: Asylbewerber auf die Felder [und nach der Spargelernte abschieben?] / [Pro Asyl] Zum Spargel stechen gut genug, aber dann keine Perspektive? So nicht!
- Bayerns Innenminister macht Weg frei: Asylbewerber auf die Felder [und nach der Spargelernte abschieben?]“… Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) macht den Weg frei dafür, dass Asylbewerber den Bauern im Freistaat als Erntehelfer zur Verfügung stehen können. Das ist einer Pressemitteilung des Innenministeriums zu entnehmen. Ausländerbehörden seien angehalten, Asylbewerbern eine Erntehelfertätigkeit nach Möglichkeit ab sofort zu erlauben. Da die Gewinnung von Erntehelfern im öffentlichen Interesse stehe, sollten die Ausländerbehörden ihre gesetzlichen Spielräume nutzen und notwendige Beschäftigungserlaubnisse offensiv erteilen, heißt es in einem aktuellen Schreiben des Ministeriums an die Behörden. (…) Die Hinweise des Innenministeriums gelten für Asylbewerber im laufenden Verfahren ebenso wie für bereits abgelehnte Asylbewerber. Entsprechende Beschäftigungserlaubnisse werden allerdings – auch darauf wies Herrmann ausdrücklich hin – nur zeitlich beschränkt für die Zeit der Erntehilfe erteilt werden. Sein Ministerium habe die Ausländerbehörden außerdem gebeten, Aufenthaltstitel und Beschäftigungserlaubnisse für Ausländer, die im Bereich der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs tätig sind, zur Sicherstellung der Grundversorgung prioritär zu behandeln und zu verlängern. (…) Kritik kommt vom Bayerischen Flüchtlingsrat, er spricht von einer “ungeheuerlichen opportunistischen Ausbeutung” der Asylbewerber. Viele geduldete Geflüchtete würden seit Jahren vergebens darum kämpfen, arbeiten zu dürfen oder eine Ausbildung anzufangen. “Jetzt, wo aufgrund der Coronakrise Erntehelfer nicht ins Land dürfen oder aus Selbstschutz fernbleiben, sollen Geflüchtete einspringen”, so Sprecherin Johanna Böhm. Sie kritisiert, dass aus dem Einsatz nicht einmal eine Bleibeperspektive entstehe. Man begrüße grundsätzlich, dass Geflüchteten der Zugang zur Arbeit erleichtert wird. “Jedoch nur unter fairer Bezahlung, umfassenden Schutzmaßnahmen und langfristig”, heißt es in einer Mitteilung.” Beitrag von Gisela Rauch vom 29. März 2020 bei der Mainpost online
- [Pro Asyl] Zum Spargel stechen gut genug, aber dann keine Perspektive? So nicht!“Wenn es um den deutschen Spargel geht, ist in der Politik einiges möglich. Aktuell wird diskutiert, Personen, die bisher einem Arbeitsverbot unterliegen, das Arbeiten zur Krisenzeit zu erlauben. PRO ASYL unterstützt eine Aufhebung von Arbeitsverboten, diese müssen auch nach Corona fortbestehen. Das kann auch für den Gesundheitsbereich wichtig sein. Während der Corona-Pandemie zeigt sich gerade, an wie vielen Stellen mehr Personal nötig wäre. Jede Person, der die Ausbildungsduldung zur Pflegekraft verweigert wurde, fehlt. Jede Person, die trotz eines Jobangebotes im Supermarkt keine Arbeitserlaubnis bekommen hat, fehlt. Angesichts des Fachkräftemangels ist es schon lange absurd, dass es in Deutschland vielen Menschen verboten ist, zu arbeiten. Dies gilt während der Unterbringung in einer Erstaufnahmeeinrichtung für in der Regel neun Monate, für Personen aus vermeintlich »sicheren Herkunftsstaaten« wie den Balkan-Staaten komplett vor und, im Falle einer Ablehnung, nach dem Asylverfahren und auch für viele geduldete Menschen. Durch Gesetzesänderungen, die solche Arbeitsverbote aufheben, und durch Weisungen auf Landesebene, bestehenden Spielraum positiv zu nutzen, könnten die »systemrelevanten« Branchen in Deutschland durch hier sich bereits aufhaltende Personen, denen die Möglichkeit zur Arbeit bislang verweigert wurde, unterstützt werden. Solche Regelungen sollten aber nicht zeitlich begrenzt werden, sondern müssen dauerhaft gelten. Alles andere wäre purer Eigennutz…” Stellungnahme von Pro Asyl vom 27. März 2020
- Mehr Geld für Erntehelfer! Um den Spargel zu retten, müssten Agrarbetriebe Aushilfen mehr zahlen. Dann finden sie auch hierzulande welche“Das wegen der Corona-Pandemie verhängte Einreiseverbot für osteuropäische Erntehelfer rückt einen gravierenden Missstand in den Fokus: Die Arbeitsbedingungen für die Aushilfen auf deutschen Feldern sind meist miserabel. Die große Mehrheit dieser knapp 300.000 Beschäftigten bekommt nur den gesetzlichen Mindestlohn: 9,35 Euro brutto pro Stunde. Davon zieht der Arbeitgeber Geld etwa für die Unterkunft ab. Immer wieder wird durch betrügerische Berechnungen von Akkordlöhnen sogar das vorgeschriebene Minimum unterschritten. Viele Unterkünfte sind schlecht: enge Mehrbettzimmer in Containern, heruntergekommene Toiletten. Dafür müssen die Menschen harte Arbeit leisten: bei Wind und Wetter Spargel stechen oder Erdbeeren pflücken. Die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft sind einfach nicht konkurrenzfähig. Aldi Nord zum Beispiel sucht auch gerade Aushilfen. Der Discounter verspricht mindestens 12,50 Euro brutto pro Stunde für einen Job im Verkauf oder in der Logistik. Das ist körperlich meist weniger anspruchsvoll und sauberer, als ständig gebückt und in praller Sonne auf einem Feld zu arbeiten. Das sind Gründe, weshalb nur wenige Menschen aus dem Inland in der Agrarbranche aushelfen…” Kommentar von Jost Maurin vom 27. März 2020 in der taz online
- Einreiseverbot für Erntehelfer – Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen / [DGB] “Wer in der Not einspringt, hat einen anständigen Lohn verdient”
- Einreiseverbot für Erntehelfer – Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen“Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer dürfen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr nach Deutschland einreisen. Nun sollen Alternativen geprüft werden. Landwirtschaftsministerin Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen…” Meldung vom 26.03.2020 beim Migazin (im Abo), siehe daher auch:
- Regierung ordnet Verbot an: Erntehelfer dürfen nicht mehr einreisen“Die Spargelernte beginnt, anderes Gemüse muss jetzt ausgesät werden. Normalerweise machen das Saisonarbeitskräfte, die oft aus Rumänien oder Bulgarien kommen. Doch ab heute dürfen sie nicht mehr einreisen. Um die Ausbreitung der Corona-Pandemie in Deutschland zu bremsen, hat das Bundesinnenministerium ein Einreiseverbot für Saisonarbeiter angeordnet. Erntehelfern und anderen Saisonarbeitskräften werde von heute 17 Uhr an im Rahmen der bestehenden Grenzkontrollen die Einreise verweigert, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Diese Regelung gelte für die Einreise aus Drittstaaten, aus Großbritannien, für EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengen-Regeln vollumfänglich anwenden, sowie für Staaten, “zu denen Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt worden sind”. Diese Beschränkungen seien “zwingend erforderlich, um Infektionsketten zu unterbrechen”, fügte der Sprecher hinzu. (…) Schon vor dem Einreiseverbot war klar, dass viele von ihnen in diesem Jahr nicht kommen würden. Verbände und das Bundeslandwirtschaftsministerium haben deshalb Internet-Plattformen aufgesetzt, um Betriebe und Freiwillige, die auf den Feldern arbeiten könnten, in Kontakt zu bringen. Schon jetzt gibt es Kritik an den Plänen. Markus Drexler, der Sprecher des Bayerischen Bauernverbands, ist skeptisch: Die Erfahrungen aus der Vergangenheit würden zeigen, dass auf dem Markt für Saisonarbeitskräfte das Interesse im Inland eher gering sei, meint er. 95 Prozent der Arbeitskräfte kämen aus dem Ausland. Es handele sich eben um schwere körperliche Arbeit, die außerdem nicht besonders gut bezahlt sei…“ Meldung vom 25.03.2020 bei Tagesschau.de
- [DGB] “Wer in der Not einspringt, hat einen anständigen Lohn verdient” – Auch für Saisonkräfte sind 9,35 Euro das Mindeste“… Kurz vor Beginn der Spargelsaison befürchten viele Landwirtschaftsbetriebe Engpässe bei der Ernte. Wegen der aktuellen Corona-Situation fehlen vor allem Erntehelfer aus Osteuropa; Saisonkräfte aus Polen oder Rumänien etwa wissen nicht, ob und wie sie in ihr Land zurückkehren können. Hinzu kommen Reisebeschränkungen in der EU. Deshalb versucht man nun, Beschäftigte aus anderen Branchen oder auch Studentinnen und Studenten als Erntehelfer zu gewinnen. Eine neue Online-Plattform , die vom Bundesministerium für Landwirtschaft unterstützt wird, soll bei der Vermittlung helfen – und fordert Interessierte auf, ihren Verdienst individuell zu verhandeln, einen pauschalen Stundenlohn gebe es nicht. Der DGB warnt davor, die Krisensituation auszunutzen, um Arbeitnehmerrechte wie den Mindestlohn zu schleifen: „Wer jetzt in der Not einspringt, hat dafür auch einen ordentlichen Lohn verdient”, sagt Vorstandsmitglied Stefan Körzell. “Der gesetzliche Mindestlohn ist dabei das Mindeste. In der Regel sollte mehr drin sein. Der Mindestlohn ist die unterste Haltelinie, die auch in der Krise ausnahmslos für alle Beschäftigten gilt, auch für Saisonarbeiterinnen und -arbeiter in der Landwirtschaft. Mindestens 9,35 Euro pro Stunde, weniger darf kein Arbeitgeber in Deutschland zahlen. Keinesfalls ist der Mindestlohn Verhandlungssache.“ Um Betrug zu vermeiden, sollen Beschäftigte ihre Arbeitszeiten dokumentieren und Verstöße bei der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) melden, so Stefan Körzell. Diese wiederum müsse auch in diesen Zeiten ihre Aufgabe wahrnehmen und unangekündigte Stichpunktkontrollen durchführen, gerade in dieser Branche: “Die Landwirtschaft ist in der Vergangenheit leider immer wieder durch kreative Versuche aufgefallen, geltende Arbeitsstandards wie Mindestlöhne oder Aufzeichnungspflichten bei der Arbeitszeit zu unterlaufen. Allein im Jahr 2018 wurde von der zuständigen Finanzkontrolle Schwarzarbeit bei 617 geprüften Arbeitgebern 106 Ermittlungsverfahren eingeleitet.“ Beitrag vom 25.03.2020 bei DGB
- Einreiseverbot für Erntehelfer – Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen“Saisonarbeitskräfte und Erntehelfer dürfen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr nach Deutschland einreisen. Nun sollen Alternativen geprüft werden. Landwirtschaftsministerin Klöckner will Asylbewerber auf die Felder holen…” Meldung vom 26.03.2020 beim Migazin (im Abo), siehe daher auch:
- Wegen Corona-Krise – Asylbewerber als Erntehelfer? / Hauptsache Spargel: Erwerbslose und Geflüchtete sollen auf den Acker
- Hauptsache Spargel: Erwerbslose und Geflüchtete sollen auf den Acker“In kaum einem Wirtschaftssektor sind Arbeitszeiten und Arbeitsschutz so »flexibel« geregelt wie in der Landwirtschaft, wenn die Ernte eingefahren wird. Dennoch nutzen die Lobbyisten vom Deutschen Bauernverband (DBV) die Coronapandemie und die damit einhergehende Angst vor Lebensmittelengpässen als Argument, den Grad der Ausbeutung auf den Äckern weiter zu erhöhen. Entsprechenden Forderungen erteilte die Industriegewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) am Donnerstag eine Absage. Zuvor hatte sich der DBV gemeinsam mit anderen Agrarkapitalverbänden in einem Schreiben an Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gewandt und eine Reihe von Maßnahmen angeregt, die notwendig seien, um »dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können«. Gefordert wird in dem Brief, was immer gefordert wird, wenn Profite auf Kosten der Arbeiter stabilisiert werden sollen: laxere Regeln für geringfügige Beschäftigung und Leiharbeit, längere Arbeitszeiten, weniger Pausen. Zudem bestehen die Verbände darauf, den Zufluss an Billigarbeitskräften politisch abzusichern. Man habe Innen- und Außenministerium gebeten, »die Anreise der ausländischen Saisonarbeitskräfte sicherzustellen«, heißt es in einer Mitteilung des DBV vom vergangenen Mittwoch. Doch damit nicht genug: Auch Erwerbslose und Asylsuchende wollen die Vertreter des Agrarbusiness künftig zur Erntezeit als Billiglöhner auf die Felder schicken. (…) Die IG BAU teilte mit, selbstverständlich müsse die Lebensmittelversorgung auch in der Coronakrise sichergestellt werden. Dies dürfe aber »nicht auf Kosten der ohnehin schon sehr benachteiligten Saisonkräfte gehen«. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft, Harald Schaum, sagte, die Forderungen der Verbände hätten »nichts mit den Realitäten unserer Zeit zu tun«. Angesichts der schon bestehenden enormen Flexibilität in Landwirtschaft und Gartenbau zur Erntezeit erschienen sie als »absurd, zumindest unverständlich«…“ Artikel von Steffen Stierle in der jungen Welt vom 23.03.2020
- Wegen Corona-Krise – Asylbewerber als Erntehelfer?“… Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner schlägt den Einsatz von Asylbewerbern in der Landwirtschaft vor, um Engpässe bei Saisonkräften zu vermeiden. Dies könne eine weitere Option sein, schrieb sie in einem Brief an Arbeitsminister Hubertus Heil, über den das “Redaktionsnetzwerk Deutschland” berichtet. Menschen, die Asyl beantragt haben, aber nicht über eine Arbeitserlaubnis verfügen, könnten kurzfristig eine Arbeitserlaubnis in der Landwirtschaft bekommen, wenn sie dies wollten. Das Arbeitsverbot könnte auch nur zeitlich befristet aufgehoben werden, regt Klöckner in dem Schreiben an, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Manche Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern wie Albanien, Bosnien, dem Kosovo oder auch dem Senegal könnte daran Interesse haben…“ Beitrag vom 20.03.2020 bei Tagesschau.de
- Corona-Krise: Gibt es dieses Jahr keinen deutschen Spargel?“Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen haben Schwierigkeiten bei der Einreise. Ministerin Klöckner erwägt jetzt sogar Sonderflüge. Einige Landwirte werden selbst kreativ. (…) Sie und alle anderen rund 23.000 Obst- und Gemüsebaubetriebe in Deutschland bangen um ihre diesjährige Ernte. Denn auch vor der Landwirtschaft hat das Coronavirus nicht Halt gemacht: Die rund 300.000 Saisonarbeitskräfte, die normalerweise ab April vor allem aus Rumänien und vereinzelt aus Polen nach Deutschland kommen, um Spargel und Erdbeeren zu ernten und neue Gemüsesetzlinge zu pflanzen, könnten in diesem Jahr ausbleiben. (…) Am Mittwoch teilte das Bundeslandwirtschaftsministerium mit, Erntehelfer aus direkten Nachbarländern dürften mit einem entsprechenden Nachweis der Arbeitstätigkeit weiterhin einreisen. Für Saisonkräfte, die durch deutsche Nachbarländer hindurch reisen müssen – was für die größte Gruppe der Rumänen zutrifft –, will Ministerin Klöckner ebenfalls eine Lösung finden. Das Landwirtschaftsministerium sei in Gesprächen mit der Lufthansa, ob die Arbeitskräfte wegen der Beschränkungen an den Grenzen per Flugzeug nach Deutschland gebracht werden könnten, sofern sie weiter hier arbeiten wollen. Klöckner nannte die Landwirtschaft „systemrelevant“ für Deutschland. Verpasste Ernten könnten nicht nachgeholt werden und das, was nicht in die Erde komme, könne auch nicht geerntet werden. „Wir wissen hier um die Sorgen“, sagte die CDU-Politikerin. Zuletzt hatte Klöckner angeregt, derzeit nicht gebrauchte Mitarbeiter aus der Gastronomie und Hotellerie könnten über regionale Jobbörsen vermittelt werden und auf den Feldern aushelfen. Verbandssprecher Schumacher steht diesem Vorschlag kritisch gegenüber. „Die Servicekräfte haben zuletzt viel Kontakt gehabt mit potentiell infizierten Personen. Sie kommen dann in die Betriebe und werden zusammengesteckt mit einer Personengruppe, die bislang noch relativ unbetroffen ist. Das halte ich für kontraproduktiv.“ Auch die Arbeitsbelastung auf den Feldern sei eine andere. Andererseits müsse man in der aktuellen Lage für jede Idee offen sein. Inzwischen werden die Betriebe deshalb schon selbst aktiv. Das Bündnis „Bodensee-Bauern“ etwa schaltete am Wochenende einen Hilferuf auf Facebook und anderen Plattformen, um „ambitionierte Mitschaffer“ für die Ernte zu gewinnen. Eigenen Angaben zufolge hätten sich schon 500 Interessenten gemeldet, darunter Kurzarbeiter, Hausfrauen, Studierende und Schüler.“ Artikel von Jessica von Blazekovic vom 19.03.2020 in der FAZ online
- Unverantwortliche Forderungen. IG BAU: Agrar-Arbeitgeber instrumentalisieren Coronakrise
“Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) weist die jüngsten Forderungen der Agrar-Lobby nach Aushebelung der Arbeitsrechte in der Landwirtschaft als überzogen und unverantwortlich zurück. „Die Forderungen der Agrar-Verbände reihen sich nahtlos ein, in ihre schon weit vor der Coronakrise verbreiteten Arbeitsmarktvorstellungen und haben nichts mit den Realitäten unserer Zeit zu tun“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Grenzwertig sind Anlass und Zeitpunkt ihrer Forderungen. Die Verbandsvertreter nehmen den Eindruck in Kauf, die Notlage der Menschen während der Pandemie für ihre Interessen zu instrumentalisieren.“ In einer Erklärung von gestern (für die Red.: 18. März 2020) hatten Agrar-Verbände etwa die Ausweitung der Höchstarbeitszeiten und Absenkung von Mindestruhezeiten, die Aufweichung der Minijobgrenzen und der Arbeitnehmerüberlassung oder die Grenzöffnung für Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten propagiert. Nach eigenen Angaben forderten sie in einem Schreiben an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ‚für eine Reihe von Regelungen kurzfristig Ausnahmen und Modifikationen zu schaffen, um dringende und für die Lebensmittelversorgung erforderliche Arbeiten erledigen zu können‘. Selbstverständlich steht auch die IG BAU dafür ein, die Lebensmittelversorgung trotz Coronakrise sicherzustellen, aber das darf nicht auf Kosten der ohnehin schon sehr benachteiligten Saisonkräfte gehen. Schaum sagte weiter: „Bereits jetzt sind die Regelungen zur Arbeitszeit in Landwirtschaft und Gartenbau gerade in den Erntezeiten so flexibel, wie in keiner anderen Branche. Die Forderungen der Agrarverbände erscheinen insoweit absurd, zumindest unverständlich.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 19.03.2020 , siehe auch:- Drohender Ernteausfall – IG BAU: Erntehelfer vor Infektion mit Covid-19 schützen“Die Agrargewerkschaft fordert die Arbeitgeber in der Landwirtschaft auf, ihrer Verantwortung für ihre Beschäftigten in der Coronakrise vollständig gerecht zu werden. Auch für Erntehelferinnen und Erntehelfer muss der Schutz vor Infektionen mit Covid-19 an erster Stelle stehen. „In der Landwirtschaft starten jetzt die wirtschaftlich wichtigen Pflanz- und Erntezeiten. Das sind Naturvorgaben, die sich nicht verschieben lassen. Diese Arbeiten sichern unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Es ist selbstverständlich, diese Arbeiten weiter aufrechtzuerhalten, wenn die Versorgung sichergestellt werden soll“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Mit dem Ausbleiben vieler Erntehelfer aus Osteuropa gerät dieses Ziel in Gefahr. Das Wegbleiben der Saisonkräfte hat zwei Ursachen. Zum einen kommen viele Arbeitskräfte wegen der Grenzschließungen der Transitländer nicht mehr nach Deutschland. Hier ist die Politik aufgefordert, auf oberster Ebene eine schnelle Lösung herbeizuführen. Zum anderen sorgen sich die Menschen aber auch vor Ansteckung. Das ist nicht verwunderlich. Schon vor der Coronakrise blieben in vielen Betrieben Helferinnen und Helfer fern, weil die Zustände dort unhaltbar waren. Massenunterbringung auf viel zu engem Raum und heruntergekommene sanitäre Einrichtungen machten Saisonkräften auch schon ohne Infektionsrisiko zu schaffen. Unter solchen Bedingungen ist die Gefahr einer Ansteckung mit Covid-19 sehr hoch. Da bleiben viele lieber zu Hause. Die Vorstellung, dass Menschen aus Deutschland, deren Betrieb derzeit geschlossen hat, diese Lücke füllen könnten und sich dem hohen Infektionsrisiko aussetzen ist nicht nur unverantwortlich, sondern geradezu weltfremd.“ Die Unterkünfte für Saisonarbeitskräfte sind häufig Mehrbettzimmer oder mit mehreren Personen geteilte Wohncontainer, die Verpflegung geschieht in der Regel in Gemeinschaftsküchen oder Kantinen. Auf den Feldern stehen Toiletten – wenn es überhaupt welche gibt – für eine hohe Zahl von Beschäftigte zur gemeinsamen Verfügung. Ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen ist Erntearbeit nicht mehr zumutbar, weder für übergangsweise freigestellte Beschäftigte aus dem Inland noch für osteuropäische Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter. Die IG BAU fordert, dass die hygienischen Bedingungen in der Unterbringung und auf den Feldern energisch verbessert werden und dies von Behörden umfassend kontrolliert wird. Niemand darf wegen reinen Gewinnstrebens einer Infektionsgefahr ausgesetzt werden. Beschäftigte, die die Erntearbeit in dieser Zeit auf sich nehmen, müssen zudem eine spürbare Erschwerniszulage erhalten.“ IG BAU-Pressemitteilung vom 18.03.2020
- [Wenn aus Polen und Osteuropa niemand kommen kann…] Corona Auswirkungen auf die Landwirtschaft: Gastronomiebeschäftigte für die Landwirtschaft?
“Die Corona-Krise trifft mit den Reisebeschränkungen und Grenzkontrollen in Europa in der Landwirtschaft Betriebe, die auf Saisonarbeiter angewiesen sind. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner überlegt laut einem Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) , ob Angestellte aus dem Gastronomie Bereich, die auf Grund von Corona ohne Beschäftigung sind, auf den Feldern aushelfen können. Vor allem die geschlossene Grenze nach Polen sorgt in der Landwirtschaft für Unruhe, da gerade aus Polen und Osteuropa viele Arbeitskräfte auf den Höfen in Deutschland im Einsatz sind. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sagte der Branche bereits Unterstützung zu. Dabei schließt sich auch nicht aus „unkonventionelle Wege“ zu gehen. „Ob diejenigen Mitarbeiter, die in der Gastronomie leider immer weniger zu tun haben, in der Landwirtschaft einspringen können und möchten – auch so etwas müssen wir überlegen“, sagte sie der NOZ. Es müsse geprüft werden, welche bürokratischen Anforderungen während der Krise gegebenenfalls heruntergefahren werden können, heißt es weiter. Klöckner wies darauf hin, dass die Landwirte, vor allem aus dem Bereich Gemüse-, Obst- und Kräuteranbau, die anstehende Arbeit nicht einfach aufschieben könnten. Demensprechend dringend seien Lösungen. Noch am heutigen Montag will Klöckner dazu mit den Spitzen der Agrarverbände sprechen. Wie es weiter auf den Höfen geht, wenn ein Landwirt oder ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt, treibt das Bundeslandwirtschaftsministerium ebenfalls um…“ Beitrag von Stefanie Awater-Esper vom 16.03.2020 bei topagrar online und ein viel besserer Vorschlag:- “Vorschlag zur Güte: Alle Politiker*innen, die in den letzten 10 Jahren Regierungsverantwortung hatten od. haben, verlassen ihre Posten & helfen bei d. Spargelernte. Im Gegenzug ziehen die jetzt arbeitslosen Barkeeper*innen & d. Club Personal, die wohl am allerbesten wissen was die Leute denken, fühlen & brauchen, in die Ministerien & übernehmen die Regierungsgeschäfte” Tom K aus N in B am 17. März 2020 bei Twitter
- Saisonarbeit: Harter Job, geringer Lohn
“Auf neue Kartoffeln, Spargel oder Erdbeeren frisch vom Feld freuen sich die Verbraucher*innen jedes Jahr wieder. Obst, Gemüse, Salat und frische Kräuter werden meist von Saisonkräften geerntet, die für einige Monate aus dem europäischen Ausland kommen. Kolleg*innen von der IG BAU Region Hessen und Mitarbeiter*innen der Beratungsstelle Faire Mobilität Frankfurt bzw. des Europäischen Vereins für Wanderarbeiterfragen e.V. (EVW) haben Saisonarbeitkräfte auf den hessischen Feldern besucht. Die Saisonkräfte in Hessen kommen aus Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Polen, Serbien, Ungarn oder sogar aus der Ukraine; die meisten sind Frauen. Sie kommen hierher, um bei der Ernte etwas Geld zu verdienen, denn in ihrer Heimat gibt es oft keine oder nur sehr gering bezahlte Arbeit für sie. Sie lassen sich zum Teil von Anwerber*innen an die landwirtschaftlichen Betriebe vermitteln. Diese Vermittlung ist nicht umsonst. Es werden Beträge von 100 bis 300 Euro pro Person verlangt, wie die Kolleg*innen der IG BAU, der Beratungsstelle Faire Mobilität Frankfurt und des Europäischen Vereins für Wanderarbeiterfragen e.V. bei ihren Besuchen auf den Feldern in Süd- und Nordhessen erfuhren. Die Aktionen finden in dieser Zusammensetzung bereits das dritte Jahr in Folge statt. Die Gewerkschaftssekretär*innen der IG BAU und die muttersprachlichen Berater*innen des EVW sprachen direkt mit rund 350 Saisonarbeitskräften; erreicht wurden über Mund-zu-Mund-Propaganda viele mehr. Die Kollge*innen verteilten zudem Informationsmaterialien über die Mindestarbeitsbedingen in der Landwirtschaft. An zwei Abenden bauten sie Informationsstände in unmittelbarer Nähe von Unterkünften von Saisonbeschäftigten auf, an denen sich diese ohne die Aufsicht des*der Vorarbeiter*in und ohne Zeitdruck ausführlicher informieren konnten…” Reportage der IG BAU vom 9. September 2019
- Sechzehn polnische Erntehelferinnen und Erntehelfer: Betrogen bei der Ernte
“Sechzehn polnische Erntehelferinnen und Erntehelfer staunten nicht schlecht, als sie kurz vor Ablauf ihres Arbeitsvertrages ihre Stundenabrechnungen ausgehändigt bekamen. Zwei Monate lang hatten sie in der Erdbeerernte bei einem großen Beerenproduzenten in Niedersachsen gearbeitet – zwischen 250 und 300 Stunden. Bezahlen wollte der Arbeitgeber aber nur die Hälfte, teilweise weniger. Wer die Abrechnung beanstande, wurde ihnen signalisiert, brauche sich im nächsten Jahr nicht mehr um den Job zu bewerben. (…) Bei der Überprüfung der Arbeitsunterlagen durch »Faire Mobilität« zeigten sich schnell gravierende Unregelmäßigkeiten. Die Abrechnungen stimmten ganz und gar nicht mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden überein: Lediglich 40 bis 50 Prozent der Leistung wollte die Firma vergüten. So wurden etwa bei einer Person, die über zwei Monate 301,5 Stunden gearbeitet hatte, vom Arbeitgeber lediglich 170 Stunden abgerechnet – eine Differenz von 131,5 Stunden sollte nicht bezahlt werden. In Geld ausgedrückt: Der Arbeitgeber wollte den Beschäftigten um Lohn in Höhe von 1162,46 Euro prellen. Auch bei anderen Kolleginnen und Kollegen ging es um Summen von deutlich über 1000 Euro. (…) Der Trick der Firma: Sie legte einen Stücklohn (Akkord) fest, der so hoch angesetzt war, dass ihn niemand erreichen konnte. Nachträglich wurde die erreichte Stückleistung wieder in Stunden zurückgerechnet. Der gesetzliche Mindestlohn sollte damit – so behauptete der Arbeitgeber – formal eingehalten sein. Dass diese Rechtsauffassung mehr als abenteuerlich war, muss ihm allerdings selbst schon klar gewesen sein. Nachdem ein Berater von »Faire Mobilität«, die Betroffenen über ihre Rechte aufgeklärt hatte und den Chef mit den überprüften Lohnabrechnungen konfrontierte, erklärte sich die Firma schnell bereit, die ausstehenden Löhne in voller Höhe auszuzahlen – einen Tag, bevor die Saisonkräfte wie geplant wieder in ihre Heimat zurückfuhren…” Bericht des Projekts Faire Mobilität vom August 2019
- [Trost zum Saisonende] Praktikanten-Trick: Ukrainische Studenten als billige Spargel-Erntehelfer
“Der ukrainische Student Maxim wollte als Erntehelfer auf einem Brandenburger Spargelhof gutes Geld zu verdienen. Doch er bekam offenbar einen Stundenlohn von weniger als sechs Euro. Der Spargelhof verweist auf ein fragwürdiges Praktikumszeugnis. (…) Der 20-jährige Student aus Charkow in der Ukraine wurde offiziell als Praktikant beschäftigt. Vermittelt wurde das Praktikum über die ukrainische Agentur “Profiteam”. Maxim absolviert ein Studium in einer technischen Fachrichtung. “Mit meinem Studium hat das Praktikum eigentlich nichts zu tun”, erzählt er. Er wollte einfach nur gutes Geld verdienen, denn in der Ukraine liege der durchschnittliche Monatsverdienst nur zwischen 200 und 300 Euro. Das Praktikum für die ukrainischen Studenten war ganz offiziell von der Bundesagentur für Arbeit genehmigt worden. In der Genehmigung heißt es: “Nach den mir vorgelegten Informationen handelt es sich um ein studienfachbezogenes Praktikum mit einem Entgelt in Höhe von 9,19 Euro pro Stunde bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden.” (…) Doch Maxim ist Student. Für ihn gilt das Mindestlohngesetz nicht, wenn er ein studienbegleitendes Praktikum absolviert, das nicht länger als drei Monate dauert. Und hier wird es kompliziert, wie auch die Bundesagentur für Arbeit einräumt. Denn auch wenn der Mindestlohn nicht unmittelbar gilt, so dürfen die Praktikanten nach Auffassung der Agentur auch nicht schlechter gestellt werden als die anderen Erntehelfer, sofern sie gleich eingesetzt werden. Maxim hat für das “Domstiftsgut Mötzow” gearbeitet, das zur Thiermann-Gruppe gehört, einem der größten Spargelbetriebe Deutschlands. (…)Er habe in sechs Wochen Arbeit rund 2.000 Euro verdient und dafür durchschnittlich 60 Stunden gearbeitet. “Wir haben ausgerechnet, dass er einen Stundenlohn von 5,74 Euro bekommen hat.” berichtet Magdalena Stawiana von der Brandenburger Fachstelle “Migration und Gute Arbeit”, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund und den Volkshochschulen getragen wird. “Und selbst wenn er nicht geerntet hat, sondern zum Beispiel die Folien auf dem Spargelfeld befestigt hat, hat er nur 6,40 Euro pro Stunde bekommen.” Das wäre also deutlich weniger als die zugesagten 9,19 Euro pro Stunde…” Beitrag von Ute Barthel und Jana Göbel vom 24.06.19 bei rbb
- [Auch dieses Jahr – aus Gründen] Tschüss, Spargelfeld: Erntehelfer bleiben aus
“Die Spargelernte läuft und die Deutschen kaufen ihr liebstes Frühlingsgemüse fleißig ein. Eigentlich gut für Spargelbauern, doch die klagen über einen zunehmenden Mangel: Die Erntehelfer brechen ihnen weg. (…) Deutsche Kräfte anzuwerben war für die Bauern schon immer schwierig bis unmöglich. Deshalb beschäftigen sie vor allem Spargelstecher aus Polen und Rumänien. Doch auch dort nimmt das Interesse an dem Knochenjob auf dem Spargelfeld spürbar ab. (…) Was für die Bauern ein wachsendes Problem darstellt, ist aus Sicht der Erntehelfer eine gute Nachricht. Denn sie kehren dem Spargelstechen vor allem deshalb den Rücken, weil sich die Lebensbedingungen in ihren Heimatländern verbessert haben. Insbesondere die Zahl der polnischen Erntehelfer ist zurückgegangen. (…) Eine große Zahl der derzeitigen Erntehelfer kommt aus Rumänien. Doch für die Rumänen scheint die Arbeit ebenfalls zusehends weniger attraktiv zu sein. (…) Und nicht nur zu Hause finden die früheren Erntehelfer mittlerweile offenbar besser bezahlte Stellen. Viele zieht es in andere EU-Länder wie die Niederlande. Und in Deutschland öffnen sich ihnen andere Branchen: Saisonarbeiter, die inzwischen gut Deutsch gelernt haben, bekommen Jobs bei Paketdiensten, auf Baustellen oder in Logistikzentren. Spargelbauern müssen ihren Arbeitern mehr bieten als früher, um sie zu halten – neben dem Mindestlohn zum Beispiel kühle Getränke auf dem Feld und besser ausgestattete Unterkünfte. Die Bauern hoffen derweil auf eine andere Lösung: Die Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer fordert, den Arbeitsmarkt auch für Saisonkräfte aus Nicht-EU-Staaten wie der Ukraine und Weißrussland zu öffnen.” Meldung von und bei NDR 1 Niedersachsen vom 29. April 2019 , siehe auch: Start in die Spargelsaison 2019 – IG BAU: Wer arbeitet hat auch Rechte
- Erntehelfer in Deutschland: Sie wollen hier nicht mehr arbeiten [aus guten Gründen]
“… Gajewski jedes Jahr im Frühsommer nach Deutschland kommt, seit 18 Jahren zum selben Hof im Spreewald. Dieses Jahr wird für ihn das letzte Mal gewesen sein. Nach zwei Wochen auf dem Hof, erzählt Gajewski, sei ihm aufgefallen, dass etwas nicht stimmte. “Ich weiß doch genau, wie viel Spargel in eine Kiste geht”, sagt er, zwischen 16 und 20 Kilo, an guten Tagen sei er auf bis zu 40 Kilo gekommen. Nun standen auf seiner Abrechnung viel niedrigere Kilowerte, teils nur die Hälfte von dem, was er auf dem Feld gestochen hatte. Im Vertrag mit den Arbeitern hatte der Betrieb notiert, die 50 Cent pro Kilo würden nur für “vermarktungsfähigen Spargel” bezahlt. “Das ist doch Betrug am helllichten Tage”, schimpft Gajewski auf Polnisch. Der Landwirt vom Spargelhof verteidigt sein Vorgehen: Er könne nur bezahlen, was er auch verkaufen könne – und im vergangenen Jahr hätten Erntehelfer versucht, Steine in die Kisten zu legen, um auf einen höheren Lohn zu kommen. Daher entscheide er in diesem Jahr erst an der Sortiermaschine, wie viele Kilo abgerechnet werden. Die Berater der Fachstelle Migration und Gute Arbeit in Brandenburg, die Verträge der Arbeiter eingesehen haben, halten die Praxis für rechtswidrig. Das unternehmerische Risiko wird den Erntehelfern aufgebürdet. Vier Monate später auf einem Feld in Nordrhein-Westfalen: Alexandru Mihai*, 18 Jahre alt, wohnt in einem Dorf in Siebenbürgen. Anfang Juni sind er, sein älterer Bruder und andere Bewohner als Saisonkräfte nach Bad Salzuflen in Nordrhein-Westfalen gekommen, wo sie auf einem Hof Erdbeeren ernten wollten. Als Mihai bei seinem Chef für die Vertragsausfertigung im Büro saß, behielt der direkt den Pass ein. Er habe nach dem Grund gefragt, berichtet Mihai. Eine Erklärung habe ihm der Hofbesitzer nicht gegeben. Die Ausweise einzubehalten ist gravierend. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sieht darin ein Indiz für Zwangsarbeit . Denn ohne ihre Dokumente können die Arbeiter nicht weg. Sie sind gewissermaßen gefangen. (…) Mit den Erntehelfern aus den Nicht-EU-Staaten kommen noch weitere Akteure dazu, die am Erntegeschäft mitverdienen wollen. In der Ukraine gibt es längst Firmen, die ihr Geschäft wittern und Studierende den Weg in die deutsche Landwirtschaft lotsen (…) In Belgien und den Niederlanden liegt der Mindestlohn etwas höher als in Deutschland. So lautet zumindest das Versprechen.“ Artikel von Bernd Kramer vom 14.08.2018 in der Zeit online
- IG BAU: Niedrige Löhne verleiden Saisonkräften die Arbeit
„Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) lehnt Abkommen zur Anwerbung von Erntehelfern mit Nicht-EUStaaten entschieden ab. Derzeit häufen sich Rufe von Bauernvertretern nach mehr billigen Arbeitern aus der Ukraine, weil Landwirte angeblich zu wenig Erntehelfer finden. Die IG BAU warnt davor, EU-Wanderarbeiter gegen solche aus Drittstaaten auszuspielen. „In der Landwirtschaft gibt es ausreichend gute Saisonkräfte aus der EU. Es ist irreführend zu behaupten, Erntehelfer aus östlichen EU-Staaten blieben in ihrer Heimat, weil es dort jetzt wirtschaftlich bergauf gehe. Dahinter steht der leicht zu durchschauende Versuch, das Lohnniveau hierzulande dauerhaft niedrig zu halten“, sagte der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum. „Dabei ist es ganz einfach, Erntehelfer dauerhaft an sich zu binden. Man muss sie nur vernünftig bezahlen. Betriebe, die ordentlich mit den Saisonarbeitern umgehen, klagen bezeichnenderweise nicht über zu wenig Erntehelfer. Ihre Beschäftigten kommen jedes Jahr gern wieder. Leider gibt es auch Betriebe, die die Kolleginnen und Kollegen schlecht bezahlen und sich wundern, wenn sich das in deren Heimatländern herumspricht. Ihr Ruf ist dort ruiniert. Deshalb wollen sie nun in anderen Ländern Erntehelfer anwerben.“ Die IG BAU ist in diesem Frühjahr gemeinsam mit anderen Organisationen auf die Felder gefahren und hat mit fast tausend Saisonkräften Kontakt gehabt. Bei der Entlohnung gibt es laut deren Aussage deutliche Unterschiede. Der gezahlte Lohn variiere zwischen fünf und 9,20 Euro die Stunde. Der Tariflohn für Erntehelfer beträgt zzt. 9,10 Euro bzw. 9,25 Euro für Beschäftigte, die länger als vier Monate im Betrieb arbeiten. Viele erhalten aber nur den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde. Dieser sei im Vergleich zu anderen EU-Staaten sehr niedrig und mache Deutschland als Arbeitsort immer unattraktiver, berichteten einige Saisonkräfte, insbesondere weil zudem die Praxis ungerechtfertigter Abzüge für Kost und Logis oder Arbeitsgeräte und Schutzkleidung immer noch verbreitet sei.“ Pressemitteilung der IG BAU vom 13.06.2018
- Erntehelfer: Wer rettet die Erdbeeren?
… “Normale Pflücker gibt es viele, aber die Vorarbeiter fehlen uns”, sagt Simon Schumacher vom Verband VSSE, “die guten Leute, die auch mal einen Trupp anleiten können und die bisher viele Jahre in Folge kamen.” Wo sie geblieben sind? “Viele haben Arbeit bei Paketzustelldiensten gefunden oder auf dem Bau”, so weiß Schumacher von den Mitgliedsbetrieben. “Die guten Arbeiter sind nicht nur mobil in den Beinen, sondern auch im Kopf.” Zum einen zahlen die Paketdienste besser, nämlich zwei bis drei Euro mehr pro Stunde im Vergleich zu den 8,84 Euro Mindestlohn auf dem Feld. Zum anderen bedeuten die Jobs in Logistik oder Baubranche eine dauerhafte Beschäftigung – und nicht bloß drei Monate Einkommen im Jahr, wenn gerade Erdbeerzeit ist. Etliche Saisonhelfer aus Polen, Rumänien oder Bulgarien seien diese Saison gar nicht erst zum Dienst angetreten, obwohl sie früher jahrelang auf bestimmten Höfen mitgeholfen hätten und oft schon im Winter Verträge unterzeichneten. Sie hätten stattdessen in ihrer Heimat Arbeit gefunden, wo neuerdings auch die Wirtschaft floriert, sagt Schumacher: “Dort verdienen sie etwas weniger, aber dafür können sie bei ihren Familien bleiben.” Viele Arbeiter sähen so “nicht mehr die Notwendigkeit”, für mehrere Wochen ihr Land zu verlassen, so glaubt der Geschäftsführer Hans Lehar von der Obst- und Gemüseabsatzgenossenschaft Baden. “Dass es in Osteuropa wirtschaftlich bergauf geht, ist sicherlich auch eine Folge der Saisonarbeit “, sagt Schumacher vom Anbauverband VSSE, “nun können sich die Leute daheim selber etwas aufbauen.” … Artikel von Nadine Oberhuber vom 03.06.2018 in der Zeit online
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen