Dossier
“… Es geht mir nicht darum, einem Alarmismus Vorschub zu leisten. Jedoch sind die Auswirkungen der Corona-Epidemie sichtbar und spürbar. Die Situation in Norditalien allein dürfte hinreichend Anschauungsbeispiele liefern. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt jedem Haushalt eine Mindestbevorratung von Lebensmitteln für Katastrophenfälle. Die Mittel hierfür stehen Beziehern von SGB-II-Regelleistungen nicht im Mindesten zur Verfügung, da der Regelsatz auch im Normalfall überhaupt nicht bedarfsdeckend ist. Angesichts der Corona-Krise fordere ich deshalb die Bundesregierung dazu auf, jetzt jedem Hartz-IV-Bezieher einmalig 100€ als Bevorratungszuschuss zu gewähren! Es gilt zu verhindern, dass im Falle regionaler notstandsbedingter Abriegelungen arme Menschen schlichtweg verhungern müssen. Dies wäre in einer reichen kapitalistischen Gesellschaft nicht hinnehmbar!…” Forderung von und bei Steffen Roski vom 8. März 2020 bei ‘Wissen schafft Gesellschaft’ – siehe auch unser Dossier Rasche Nothilfen auch für Solo-Selbstständige erforderlich und hier weitere Grundinformationen zu Hartz IV:
- Jobcenter-Leistungen: Einige Corona-Sonderregeln enden
“Menschen, die Unterstützung vom Jobcenter bekommen, müssen ab kommender Woche wieder mehr dafür tun. Ende August endet eine Sonderregel, die wegen der Corona-Pandemie eingeführt wurde. Zahlungen werden nicht mehr automatisch verlängert. Ein Beispiel: Der Anspruch auf Arbeitslosengeld II endete im April, als sich wegen des Coronavirus auch alle Verwaltungen auf Homeoffice und Fernberatung umstellen mussten. In diesem Fall hatte das Jobcenter automatisch die Zahlung aller Geldleistungen verlängert. Diese Erleichterung gibt es ab September aber nun nicht mehr. Damit weiter Arbeitslosengeld II – oder umgangssprachlich “Hartz IV” – überwiesen wird, muss der Antrag jetzt schnell beim Amt eingehen. (…) Zwei weitere Vereinfachungen um Grundsicherung zu bekommen, enden am 30. September: Sofern das Jobcenter Miete und Nebenkosten der Wohnung übernehmen soll, wird wieder geprüft, ob diese Kosten verhältnismäßig sind. Außerdem müssen Antragstellerinnen und Antragsteller genaue Angaben über ihr vorhandenes Vermögen machen. Das betrifft vor allem die sogenannten Neukunden – rund 12.000 Hamburgerinnen und Hamburger, die wegen der Corona-Krise zum ersten Mal zum Jobcenter mussten. Darunter sind mehrere Tausend Selbstständige. In Hamburg erhalten derzeit insgesamt etwa 190.000 Menschen Leistungen aus der Grundsicherung.” Bericht von Peter Feder vom 25. August 2020 beim NDR (Bericht ist auch als Audio verfügbar)- Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Grundsicherung durch ALG II sind bei der Bundesagentur für Arbeit unter “Corona-Pandemie: FAQ zur Grundsicherung durch Arbeitslosengeld II” zu finden.
- Hartz bleibt Käse: Aussetzung der Hartz-IV-Sanktionen fand vielerorts nicht statt
“Günstige Produkte ausverkauft, die Tafeln geschlossen: Die Maßnahmen gegen die Coronapandemie trafen die Ärmsten seit Mitte März besonders hart. Deshalb hatten die Partei Die Linke und die Gewerkschaften gefordert, Hartz-IV-Sätze endlich spürbar zu erhöhen. Herausgekommen ist ein Plus von sieben auf 439 Euro für Alleinstehende ab 2021. (…) Der DGB, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke, und Sozialverbände hatten ihre Forderungen auch damit begründet, dass die Coronamaßnahmen für mehr Notlagen gesorgt haben. Der Bundesagentur für Arbeit (BA) war das wohl klar. Mit einer Weisung hatte sie die Sanktionen zwischen April und Juni ausgesetzt – zumindest offiziell. Tatsächlich litten noch im April Zehntausende Hartz-IV-Bezieher unter Kürzungen, wie neue Daten der Behörde zeigen. Auf jW-Nachfrage reagierte BA-Sprecher Christian Ludwig ausweichend: Man habe nicht verfügt, alle Sanktionen zurückzunehmen. In ihrer Weisung begründete die Behörde das »Aussetzen der Minderungen« damit, dass Auflagenverstöße wegen geschlossener Jobcenter nicht genügend ermittelt werden könnten. Es sei »nicht auszuschließen, dass eine unzumutbare Härte vorliegt«. Und: »Bis auf weiteres erfolgen daher keine Leistungsminderungen«, so die BA. Aus den nun vorliegenden Daten für April geht anderes hervor: Von knapp 26.000 »im Berichtsmonat neu festgestellten Sanktionen« ist dort die Rede. Der Bestand »zum Stichtag wirksamer Sanktionen« lag im April sogar bei über 65.000. Insgesamt waren 47.217 Menschen damit belastet…” Artikel von Susan Bonath in der jungen Welt vom 13. August 2020 - Wortbruch: Corona-Kinderbonus doch nicht für jedes Kind
“… „Finanzieller Zuschuss für jedes Kind“. Mit diesen Worten hat Anfang Juni das Bundesfamilienministerium ihr Corona-Konjunkturpaket für Familien verkündet. Das Geld solle insbesondere Familien mit kleinen und mittleren Einkommen dabei helfen, „die Belastungen der Corona-Pandemie etwas abzufedern und ihnen finanziellen Handlungsspielraum zurückgeben“. Wie das Ministerium jetzt in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Grünen einräumt, war mit „jedes Kind“ doch nicht „jedes Kind“ gemeint. „Für den Kinderbonus gelten im Wesentlichen die Vorschriften, die auch für das Kindergeld Anwendung finden“, heißt es in dem Papier, das dem MiGAZIN vorliegt. Die Anknüpfung des Bonus an das Kindergeld sei unter anderem deshalb erfolgt, weil dies „eine vergleichsweise bürokratiearme“ Lösung sei. In der Praxis bedeutet das, dass bestimmte Gruppen vom Kinderbonus ausgeschlossen werden. So etwa Eltern mit Aufenthaltsgestattung, Eltern mit Duldung, nicht erwerbstätige Eltern mit humanitären Aufenthaltserlaubnissen, Eltern mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Studieren oder zur Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikationen sowie nicht erwerbstätige EU- Bürger oder arbeitsuchende Fachkräfte aus dem Ausland. Kinder und ihre Eltern also, die in aller Regel Geld dringend benötigen…” Meldung vom 8. Juli 2020 von und bei MiGAZIN – zum Kinderbonus siehe weiter unten - Bündnis “AufRecht bestehen”: Bundesregierung lässt die Ärmsten im Stich. Corona-Zuschlag und Erhöhung der Regelsätze dringlich erforderlich!
“Das Erwerbslosenbündnis „AufRecht bestehen“ kritisiert die hartnäckige Weigerung von Sozialminister Heil und der Bundesregierung den mit am härtesten von der Corona- Pandemie betroffenen Empfänger*innen von Grundsicherungsleistungen einen Corona- Zuschlag zu bewilligen. Dazu Ulrich Franz von der gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg: „Die Ignoranz von Minister Heil gegenüber den Forderungen von Sozialverbänden und des DGB ist angesichts der immensen Preissteigerungen, der Zusatzkosten für die Masken und des Wegfalls von Essensleistungen für junge Menschen in Kitas und Schulen nur als bewusstes Im- Stichlassen der ärmsten Menschen in Deutschland zu verstehen. Dies ist ein sozialpolitischer Skandal erster Größenordnung.“…” Pressemitteilung des Bündnisses vom 6.7.2020 als Word-Datei bei der KOS - Mehrwertsteuersenkung hilft Hartz-IV-Beziehenden nicht: Paritätischer kritisiert Konjunkturpaket als “armutspolitisch ignorant”
“Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert das heute in einer Sondersitzung des Bundestags mit den Stimmen von Union und SPD beschlossene Konjunkturpaket (das sogenannte zweite Corona-Steuerhilfegesetz) als armutspolitisch nahezu wirkungslos. Positiv sei zu begrüßen, dass der geplante Kinderbonus auch Familien im Hartz-IV-Bezug zu Gute komme. Überhaupt kein Verständnis zeigt der Verband jedoch für den Umstand, dass für arme Menschen ohne Kinder keine finanziellen Hilfen vorgesehen sind. Selbst wenn die geplante Mehrwertsteuerabsenkung von den Unternehmen vollständig im Preis weitergegeben werden sollte, läge der Kaufkraftzugewinn in Hartz IV und Altersgrundsicherung für einen Single nach Berechnungen des Verbandes gerade einmal bei 1,9 Prozent, konkret 8,20 Euro im Monat. (…) Es sei „völlig unakzeptabel“, dass die Bundesregierung – trotz heftigen Drängens von allen Seiten – Hilfen für Millionen in Hartz IV und Altersgrundsicherung so hartnäckig verweigere. „Die coronabedingten Kostensteigerungen und weggebrochene Hilfsangebote wie beispielsweise von Tafeln werden mit keinem Cent berücksichtigt. Es bleibt unbegreiflich, warum bei 130 Milliarden Euro so viele Arme regierungsamtlich ignoriert werden“, so Schneider. „Unsere ohnehin sozial tief gespaltene Gesellschaft kann an dieser Krise zerbrechen. Konjunktur- und Hilfsprogramme müssen sozial, gerecht und wirksam sein. Niemand darf in dieser Krise abgehängt werden”, so Schneider. Der Paritätische fordert als Soforthilfe die sofortige Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV und Altersgrundsicherung um 100 Euro pro Kopf und Monat bis zur ohnehin gesetzlich geforderten Neufestsetzung der Regelsätze zum 1.1.2021 und eine sofortige Einmalzahlung an alle Grundsicherungsbeziehenden von 200 Euro (Kosten zusammen: ca. 6 Mrd. Euro), sowie eine sofortige entsprechende Leistungsanpassung beim BAföG und im Asylbewerberleistungsgesetz.” Pressemeldung des Paritätischen Gesamtverbands vom 29. Juni 2020 - Kabinett beschließt Kinderbonus / Einige Kinder fallen aber raus
“Das Kabinett hat den Beschluss zum Kinderbonus getroffen, im Sept./Okt. sollen in zwei Raten je 150 € zusätzlich zum Kindergeld gewährt werden. Dieser Kinderbonus soll im SGB II, Kinderzuschlag und Wohngeld anrechnungsfrei bleiben. Näheres auf der Seite des BMFSFJ . Es stellen sich dabei verschiedene Fragen: was ist mit der Einkommensanrechnung im SGB XII, im AsylbLG und beim SGB III? Es muss klargestellt werden, dass der Kinderbonus in allen sozialen Sicherungssystemen anrechnungsfrei gestellt wird. Ebenso muss klar gestellt werden, dass er pfändungsfrei zu sein hat. Claudius Voigt von der GGUA hat die berechtigte Frage aufgeworfen, was mit den Kindern ist, die keinen Anspruch auf Kindergeld haben, nach der Vereinbarung des Kabinetts sind diese vom „Bonus“ ausgeschlossen. Claudius hat die Fallgruppen in seiner Mail vom 8. Juni näher ausgeführt: https://t1p.de/rsrz . Somit stünden Benachteiligungen aufgrund migrationspolitischer Erwägungen mit den Zielen des Konjunkturpakets offensichtlich in Widerspruch. Hier ist die Forderung zu stellen, dass für diesen Personenkreis der Kinderbonus durch die jeweiligen Leistungsträger im Sept./Okt. zusätzlich auszuzahlen ist. Außerdem möchte ich festhalten, dass nicht nur Kinder unter der Corona-Pandemie zu leiden hat, sondern jede/r. Daher wäre alleine aus Gleichbehandlungsgründen mind. jedem armen Menschen ein solcher Corona-Zuschlag zu gewähren. Mindestens aber allen alten Menschen, ab 60 Jahren da diese sowieso höhere altersbedingte Bedarfe haben und in der Corona-Pandemie besonders. Hier nur einige kluge, richtige und scharfzüngige Anmerkungen von Stefan Sell: auf aktuelle Sozialpolitik: Corona-„Familienbonus“: 300 Euro pro Kind. Warum nicht gleich 600 Euro? Für alle. Wirklich für alle? ” Aus dem Thomé Newsletter 20/2020 vom 14.06.2020 - Warum die Corona-Krise Menschen in der Grundsicherung hart trifft / Mit Wumms aus der Krise? Konjunkturprogramm und Menschen mit niedrigen Einkommen
- Knapper Wohnraum, weniger IT-Ausstattung, häufiger alleinstehend: Warum die Corona-Krise Menschen in der Grundsicherung hart trifft“… Generell gehen sozialpsychologische Theorien davon aus, dass Menschen unterschiedlich gut mit Stress umgehen können. Auch eine Krise wie die Corona-Pandemie wirkt als sogenannter Stressor auf Individuen und Haushalte. Diesen Theorien zufolge können die Betroffenen Krisen bewältigen, indem sie bestimmte Ressourcen aktivieren. Diese Ressourcen haben einen Einfluss darauf, wie stark der Stressor wirkt und inwieweit er tatsächlich Stress auslöst. Ob die Corona-Krise beispielsweise zu sozialer Isolation oder Konflikten im Haushalt führt, hängt maßgeblich davon ab, ob den Betroffenen Ressourcen zur Verfügung stehen, die ihnen bei der Bewältigung der Krise helfen. Für die Bewältigung der alltäglichen Herausforderungen während der Corona-Krise sind neben ökonomischen Ressourcen besonders diejenigen Ressourcen entscheidend, die sich aus sozialen Netzwerken, der Wohnsituation und dem Wohnumfeld ergeben. Damit Freunde, Verwandte und Bekannte trotz sozialer Distanzierung miteinander in Kontakt bleiben können, ist zudem die Ausstattung mit Informationstechnologie wichtig, zumal sich die Betroffenen dadurch auch mit krisenrelevanten Informationen versorgen können. (…) Wer sich in der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder in der Grundsicherung im Alter befindet, ist in all diesen Bereichen im Schnitt deutlich schlechter ausgestattet. Dabei handelt es sich nicht selten um Menschen, die ohnehin in mehrfacher Hinsicht benachteiligt sind, etwa weil sie alleinerziehend oder gesundheitlich beeinträchtigt sind. Wie die Betroffenen mit der Krise umgehen, hängt neben den verfügbaren Ressourcen auch von ihrer Lebenssituation ab. Wenn Schulen, Kitas und Spielplätze geschlossen sind, haben es insbesondere Familien mit Kindern, circa ein Drittel aller Personen im Grundsicherungsbezug, sehr schwer. Auch Ältere sind überproportional betroffen. Zählt man die Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Grundsicherung im Alter zusammen, so sind etwa ein Fünftel der Personen im Grundsicherungsbezug 60 Jahre oder älter. Für sie ist die Gefahr eines schwereren Verlaufs von Covid-19 größer, die Einhaltung des Abstandsgebots mithin umso wichtiger. Daher ist gerade für sie die Gefahr sozialer Isolation besonders groß. (…) Neben den direkten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen werden auch die sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie unsere Gesellschaft längere Zeit beschäftigen. Auch die sozialen Folgen zunehmender Arbeitslosigkeit sind noch nicht absehbar. (…) Die Corona-Krise trifft also die ökonomisch ohnehin schwächeren Gruppen in besonderer Weise…” Beitrag von Sebastian Bähr, Corinna Frodermann, Jens Stegmaier, Nils Teichler und Mark Trappmann vom 10. Juni 2020 beim IAB-Forum
- Mit Wumms aus der Krise? Licht und Schatten des umfangreichen Konjunkturprogramms für Menschen mit niedrigen Einkommen“… Was bringt das umfangreiche Maßnahmenpaket Menschen mit niedrigen Einkommen (nicht)? Bei den vielen Milliarden an Euros, die hier aufgerufen wurden, fällt doch sicherlich auch was ab für die einkommensschwachen Haushalte in unserem Land. Nun könnte der eine oder andere an dieser Stelle durchaus vorbelastet in die weitere Analyse gehen und dabei auf diesen am 12. Mai 2020 veröffentlichten Beitrag verweisen: Am ausgestreckten Arm … Die Bundesregierung und der Nicht-Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung. Die bleiben beim Sozialschutz-Paket II weiter außen vor. (…) Also zumindest an dieser Stelle kann man eine Korrektur dahingehend vornehmen, dass auch die Menschen, die im SGB II-Bezug sind und ein oder mehrer Kinder haben, von den geplanten Maßnahmen profitieren werden. (…) Nun betrifft der „Kinderbonus“ logischerweise nur diejenigen, die auch ein oder mehrere Kinder haben, die zudem noch im „Kindergeld-Alter“, also unter 25 Jahre, sind. Und was ist mit den Alleinstehenden im Hartz IV-Leistungsbezug? Was ist mit den altersarmen Menschen in der Grundsicherung nach SGB XII (von denen viele Kinder großgezogen haben, was aber nicht relevant ist für den „Kinderbonus“, denn die Kinder dieser Menschen sind nicht mehr im Kindergeldbezug)? Für diese Menschen ist weiterhin nichts vorgesehen. Kein befristeter „Corona-Zuschlag“ auf die Regelleistung, von einer dauerhaften Anhebung dieser Leistungen ganz zu schweigen. Dabei besteht hier gerade seit Ausbruch der Krise ein erheblicher Handlungsbedarf, denn die den Menschen im SGB II und XII zugestandenen Regelbedarfe sind derart auf Kante genäht, dass sie schon unter Normalbedingungen bei vielen, vor allem den länger diese Leistungen bleichenden Menschen vorne und hinten nicht ausreichen. Dass die im Zusammenspiel mit vielen anderen Faktoren (beispielsweise die vorübergehende Schließung vieler Tafeln sowie der ausgeprägte Preisanstieg bei Lebensmitteln) finanziell zusätzlich gebeutelt waren und sind, steht außer Frage und war ja auch der wichtigste Grund dafür, dass zahlreiche Organisationen einen entsprechend gegensteuernden „Corona-Zuschlag“ gefordert haben. Erfolglos, wie wir gesehen haben. (…) Das muss alles eingeordnet werden vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die konkrete Höhe der Regelleistungen seit Jahren von vielen Experten als zu niedrig eingestuft wird und auch in der Bevölkerung gibt es offensichtlich ein Gespür dafür, dass hier eine Diskrepanz zwischen Ist und Soll vorhanden ist…” Kommentar von Stefan Sell vom 8. Juni 2020 auf seiner Homepage
- Gericht: Keine kostenlosen Masken für Hartz-IV-Bezieher“Das Landessozialgericht in Essen hat am Mittwoch (06.05.2020) entschieden, dass Hartz-IV-Bezieher keinen Anspruch auf kostenlose Schutzmasken haben. Ein Kläger hatte wegen der Maskenpflicht zuvor einen Zuschuss in Höhe von 349 Euro vom Jobcenter gefordert. Alternativ wollte er, dass Hartz-IV-Bezieher Gesichtsschutzmasken kostenlos bereitgestellt bekommen. Das Gericht wies die Klage allerdings ab – es sieht die Masken als Bestandteil der Bekleidung. (…) Eine Maske müsse nur in bestimmten Situationen getragen werden, hieß es in der Begründung des Richters. Außerdem könne für die Bedeckung von Mund und Nase beispielsweise auch ein Schal benutzt werden. Deshalb sollen die Masken mit dem regulären Hartz-IV-Satz bezahlt werden.” Meldung vom 6. Juni 2020 beim WDR (betrifft Beschluss LSG Nordrhein-Westfalen v. 30.04.2020, Az. L 7 AS 635/20)
- Der große Einbruch kommt erst noch – Unabhängige Sozialberatungen sind in der Coronakrise enorm gefordert
“Es war uns sofort klar, dass wir weitermachen müssen«, erinnert sich Kai Jensen an den Beginn des Corona-Lockdowns im März. »Wir haben bislang keine E-Mail-Beratung angeboten, weil wir Menschen, die unsere Hilfe brauchten, immer ermutigen wollten, im Gespräch so viel von ihrer Geschichte zu erzählen, wie es ihnen nötig erscheint«, erklärt der Sozialberater von der Erwerbsloseninitiative Basta in der Schererstraße in Berlin-Wedding. (…) Zwar trat Ende März die Sonderregelung in Kraft, mit der durch die Pandemie in Not geratene Hartz-IV-Neuantragsteller begünstigt werden sollten. Aber die Einstellung des Publikumsverkehrs in den Häusern der Arbeitsagentur hatte für die bereits über 350 000 Bezieher*innen von Hartz-IV-Leistungen in Berlin weniger erleichternde Folgen: Für sie bedeutet die Coronakrise, dass ihnen die Jobcenter noch mehr Post und E-Mails schicken, von denen sich der Großteil im bürokratischen und oft schwer verständlichem Amtsdeutsch bewegt. Immer mehr Menschen geben ihre Telefonnummer an, um der Forderung nach Erreichbarkeit nachzukommen, sagt Jensens Kollegin Claudia Kratsch. Dadurch steige aber auch der Druck auf allen Kanälen. Viele würden die Aufforderung erhalten, sich auf frei werdende Stellen in systemrelevanten Berufen zu bewerben. Der Umstand, dass gerade in der Gruppe von Hartz-IV-Empfänger*innen auch viele Menschen mit Vorerkrankungen zu finden seien, die mit ein Grund für den Leistungsbezug sein können, stelle da kein Hindernis dar, berichtet die Beraterin. Andersherum seien die Jobcenter für Nachfragen selten erreichbar, vergleichbar mit der auch sonst herrschenden Situation. (…) Etliche Betroffene berichteten, dass ihre Bitten um Weiterbildung abgelehnt würden. Stattdessen werde ihnen nahegelegt, sich auf schlecht bezahlte Jobs zu bewerben. Einer Familie wird die Kostenbeteiligung an der Mitgliedschaft ihres Kindes im Sportverein infrage gestellt, einer anderen die anfallenden Kosten für die Musikstunden ihres Nachwuchses. »Das sind Gelder aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, die rechtswidrig einbehalten werden«, kritisiert Kratsch. Ein schwerer Vorwurf, der allerdings nicht aus der Luft gegriffen ist, wie Dokumente belegen, die »nd« vorliegen. (…) Einen Erfolg im Kampf gegen menschenunwürdige Auslegungen des Sozialgesetzes durch Jobcenter zeigt das erste positive Urteil des Berliner Sozialgerichts vor dem Hintergrund der Corona-Regelung. Das Gericht hatte das Jobcenter Steglitz-Zehlendorf am 20. Mai verpflichtet, die als unangemessen hoch eingestuften Mietkosten einer alleinerziehenden Mutter und ihrer beiden minderjährigen Kinder vorläufig weiter zu übernehmen. Das Jobcenter hatte ihr mitgeteilt, dass die Miete nur noch bis einschließlich März 2020 übernommen würde. Intensive Bemühungen, eine neue Wohnung zu finden, wollte es nicht erkannt haben. Nun wurde es verpflichtet, bis Ende September 2020 zu zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.” Bericht von Claudia Krieg bei neues Deutschland vom 6. Juni 2020 - Mängel des Konjunkturprogramms: Arme gehen leer aus / “Ratschlags Kinderarmut”: Corona und Kinderarmut: Politik muss mehr tun
- Mängel des Konjunkturprogramms: Arme gehen leer aus“Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung berücksichtigt Menschen mit Kindern. Doch Pflegekräfte und kinderlose Leistungsempfänger gehen leer aus. Zuerst ein Punkt, der mich wirklich ärgert: Das Wort „Pflege“ taucht in den Vereinbarungen zum Konjunkturpaket nicht ein einziges Mal auf, obwohl hier noch viel zu tun ist, wie die letzten Krisenmonate offenbar werden ließen. Bleibt zu hoffen, dass dahinter nicht die Ansicht steht, mit dem einmaligen Zuschlag von 1.000 Euro für Pflegekräfte und Standing Ovations im Deutschen Bundestag wäre es getan. Denn das bleibt es garantiert nicht. Lobenswert dagegen: Auf Lieblingsprojekte wie die Abwrackprämie wurde nun doch verzichtet und stattdessen E-Mobilität gefördert. Das ist schon einmal ein Schlag ins Gesicht der Autolobby. Investiert wird stattdessen in die soziale Infrastruktur. Viele Mitglieder unseres Wohlfahrtsverbandes sind erleichtert, auch weil die Bundesregierung vor einigen Wochen noch eher zögerlich war, was soziale Einrichtungen angeht. Nun gibt es immerhin ein Kredit- und ein kommunales Entlastungsprogramm. Der Kahlschlag in der sozialen Infrastruktur ist vorläufig abgewendet. Das freut uns und sicher auch die Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Ebenso freut uns, dass der Kinderbonus von 300 Euro offenbar nicht den Gutverdienenden zu Gute kommt, sondern nur Familien mit kleinen und mittleren Einkommen. Aber damit kommen wir zur größten Kritik am Paket: Profitieren können nur Familien mit Kindern, wenn sie Hartz IV beziehen, denn ihnen wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Das ist zweifellos gut, aber bedeutet auch, dass alle Kinderlosen, die Leistungen beziehen – egal ob Hartz IV oder Grundsicherung –, leer ausgehen. Die Mehrausgaben, die viele Kinderlose nun auch haben, werden mit keinem Cent berücksichtigt. Es bleibt unbegreiflich, warum bei 130 Milliarden Euro so viele der Armen unberücksichtigt bleiben. Es bleiben die Mehrwertsteuersenkungen, die aber gerade für diejenigen ein Tropfen auf den heißen Stein sind, die sich sowieso nichts leisten können…” Gastkommentar von Ulrich Schneider vom 5.6.2020 in der taz online , siehe auch:
- Konjunkturpaket mit Grenzen“… Nach all den vielen Forderungen durch DIE LINKE. und Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag, unzähligen Sozialverbänden und Erwerbsloseninitiativen für Menschen in der Grundsicherung einen Pandamie-Zuschlag in Höhe von 100 Euro monatlich für Menschen in Armut einzuführen konnte sich die Koalition nicht durchringen. Und das ist stark zu kritisieren. Für Millionen von Menschen in den Grundsicherungen, mit Armutsrenten, Student*innen, Personen ohne Kinder wurde nichts getan. Stattdessen entflammt nun vielmehr in den sozialen Netzwerken eine Neiddebatte oder Missgunst gegenüber Familien mit Kindern. Diese Debatte ist nicht schön, aber berechtigt. Für einen friedlichen Zusammenhalt, wie es die SPD hinaustönt, ist es nicht förderlich. Die Kostensteigerungen, gerade bei Lebensmittel durch Corona sind belegt und trotzdem bleibt es skandalös und unbegreiflich, warum bei 130 Milliarden Euro so viele Arme komplett unberücksichtigt bleiben. Schaut man sich das Papier genauer an, kommt auch das Wort „Pflege“ nicht ein einziges Mal vor. Ein Bereich, den man hoffentlich nicht in weiteren Diskussionen und Paketen vergisst, weil man der Meinung ist, dass der einmalige Zuschlag von 1.000 Euro und Standing Ovations ausreichend seien. Auch Frauen und deren Kraftakt die Corona-Pandemie, oftmals mit Doppel- oder Mehrfach-Belastungen zu stemmen sind kein Wort wert. Hier gilt das selbige wie für die Pflege: Von Lobhudeleien, dass sie systemrelavant sind, können sie sich nichts kaufen…” Kommentar vom 4. Jun 2020 von und bei Inge Hannemann
- Siehe auch das Konjunkturpaket im Wortlaut
- Existenznot immer größer. Steigende Preise, unzureichende Hilfe: Sozialverbände warnen vor armutsbedingten »Kollateralschäden«“Nach dem Coronavirus breitet sich krisenbedingt die Armut aus. Der Kapitalismus weiß dem wenig entgegenzusetzen. Auch in Deutschland wird es für viele eng: Die Preise steigen, die Erwerbslosigkeit wächst, Behörden sind schwer erreichbar, und die Grundsicherung reicht oft nicht mehr, um damit von Monat zu Monat zu kommen. Existentielle Notlagen häufen sich. Sozialverbände schlagen deshalb erneut Alarm. »Die Hartz-IV-Sätze sind grundsätzlich zu niedrig«, mahnte am Pfingstsonntag der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Sein Verband habe berechnet, dass Bezieher von Hartz IV und Sozialhilfe »etwa 70 bis 80 Euro mehr bekommen müssten«, so Neher. (…) Auch halten viele Menschen die Grundsicherungssätze für unzureichend. Einer Umfrage des Forschungsinstituts Forsa im Auftrag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes zufolge denken 80 Prozent, dass von den gegenwärtigen Hartz-IV-Sätzen niemand würdig leben kann. Demnach wären etwa 728 Euro ohne Wohnkosten monatlich nötig, um die Grundbedürfnisse alleinstehender Erwachsener zu decken. (…) Indes zeigen Daten des Statistischen Bundesamtes, dass die Preise im April drastisch angezogen haben. Insbesondere Lebensmittel wurden demnach teurer. Allein für ihr Essen hätten Menschen 4,6 Prozent mehr als im Vorjahresmonat ausgeben müssen. Obst und Gemüse habe sich sogar um elf Prozent binnen Jahresfrist und um 5,6 Prozent im Vergleich zum Vormonat März verteuert, meldete das Amt Mitte Mai. Das alles sorgt immer häufiger für existentielle Notlagen, wie das bundesweite Erwerbslosenbündnis »Auf Recht bestehen« vergangene Woche warnte. Dabei sei es für Betroffene immer schwieriger, Hilfe zu erhalten. Neue Anträge auf Grundsicherung würden häufig auf die lange Bank geschoben. Mancherorts sei es unmöglich, Sachbearbeiter zu erreichen oder über die Hotline hilfreiche Auskünfte zu erhalten, sagte Bündnissprecher Rainer Timmermann. Sein Mitstreiter Frank Jäger ergänzte: »Wenn die Leistungsabteilung für Kunden geschlossen ist, vergehen oft Wochen und Monate, bis Notlagen per Telefon, E-Mail oder Post behoben werden.« Ihr Versprechen auf unbürokratische Hilfe habe die Regierung damit nicht eingelöst.” Artikel von Susan Bonath bei der jungen Welt vom 2. Juni 2020 und dazu:
- Gemeinsame Erklärung des “Ratschlags Kinderarmut”: Corona und Kinderarmut: Politik muss mehr tun“Kinder aus armen Familien sind von der Corona-Krise besonders betroffen. Ein Rettungsschirm wurde für sie aber nicht aufgespannt. Ein Bündnis aus mehr als 50 Verbänden, darunter der DGB, fordert mehr Engagement gegen Kinderarmut. (…) “Seit März 2020 führt die Corona-Pandemie zu weitreichenden Einschränkungen und Veränderungen im Leben der Menschen. Diejenigen, die ohnehin am stärksten strukturellen Benachteiligungen ausgesetzt sind, stehen auch in dieser Krise unter keinem ausreichenden ‘Rettungsschirm’: Arme und armutsbedrohte Familien”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des “Ratschlags Kinderarmut”. Diese Familien müssten den Wegfall von Leistungen für Bildung und Teilhabe, die den Kindern und Jugendlichen eigentlich zustehen, kompensieren. Sie blieben zudem weitgehend auf sich alleine gestellt, wenn soziale Einrichtungen geschlossen sind. Damit verstärke die Krise strukturelle Benachteiligungen und trifft vor allem die Schwächsten. “Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern die Politik in Bund, Ländern und Kommunen auf, Armut von Kindern und Jugendlichen nicht länger hinzunehmen. Wir sind uns darin einig, dass alles getan werden muss, damit alle Kinder gesellschaftliche Teilhabe und ein gutes Aufwachsen erfahren können”, so die gemeinsame Erklärung. “Dazu gehören der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, aktuell auch durch krisenbedingte Aufschläge und vereinfachten Zugang zu Leistungen, die Sicherstellung sozialer Infrastruktur und die intensive Begleitung von Kindern und Jugendlichen zurück in ihren Kita- und Schulalltag. Alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf ein gutes Aufwachsen!” DGB-Meldung vom 29. Mai 2020 mit Link zur Gemeinsamen Erklärung des “Ratschlags Kinderarmut”
- Mängel des Konjunkturprogramms: Arme gehen leer aus“Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung berücksichtigt Menschen mit Kindern. Doch Pflegekräfte und kinderlose Leistungsempfänger gehen leer aus. Zuerst ein Punkt, der mich wirklich ärgert: Das Wort „Pflege“ taucht in den Vereinbarungen zum Konjunkturpaket nicht ein einziges Mal auf, obwohl hier noch viel zu tun ist, wie die letzten Krisenmonate offenbar werden ließen. Bleibt zu hoffen, dass dahinter nicht die Ansicht steht, mit dem einmaligen Zuschlag von 1.000 Euro für Pflegekräfte und Standing Ovations im Deutschen Bundestag wäre es getan. Denn das bleibt es garantiert nicht. Lobenswert dagegen: Auf Lieblingsprojekte wie die Abwrackprämie wurde nun doch verzichtet und stattdessen E-Mobilität gefördert. Das ist schon einmal ein Schlag ins Gesicht der Autolobby. Investiert wird stattdessen in die soziale Infrastruktur. Viele Mitglieder unseres Wohlfahrtsverbandes sind erleichtert, auch weil die Bundesregierung vor einigen Wochen noch eher zögerlich war, was soziale Einrichtungen angeht. Nun gibt es immerhin ein Kredit- und ein kommunales Entlastungsprogramm. Der Kahlschlag in der sozialen Infrastruktur ist vorläufig abgewendet. Das freut uns und sicher auch die Menschen, die unsere Hilfe brauchen. Ebenso freut uns, dass der Kinderbonus von 300 Euro offenbar nicht den Gutverdienenden zu Gute kommt, sondern nur Familien mit kleinen und mittleren Einkommen. Aber damit kommen wir zur größten Kritik am Paket: Profitieren können nur Familien mit Kindern, wenn sie Hartz IV beziehen, denn ihnen wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Das ist zweifellos gut, aber bedeutet auch, dass alle Kinderlosen, die Leistungen beziehen – egal ob Hartz IV oder Grundsicherung –, leer ausgehen. Die Mehrausgaben, die viele Kinderlose nun auch haben, werden mit keinem Cent berücksichtigt. Es bleibt unbegreiflich, warum bei 130 Milliarden Euro so viele der Armen unberücksichtigt bleiben. Es bleiben die Mehrwertsteuersenkungen, die aber gerade für diejenigen ein Tropfen auf den heißen Stein sind, die sich sowieso nichts leisten können…” Gastkommentar von Ulrich Schneider vom 5.6.2020 in der taz online , siehe auch:
- Corona: Die ignorierten Armen“Die Coronakrise bedeutet für viele Bundesbürger enorme finanzielle Härten. Um diese zumindest etwas abzufedern, verabschiedete der Deutsche Bundestag Mitte Mai bereits ein zweites Sozialpaket. Allerdings gibt es nach wie vor einen blinden Flecken: Die Ärmsten der Armen tauchen lediglich am Rande auf. (…) Dabei monieren Sozialverbände seit Jahren, dass die Berechnungen des Hartz-IV-Satzes unzulänglich sind und die „Grundsicherung“ höchstens gerade so zum Überleben reicht, aber beileibe nicht zur Teilhabe am sozialen Leben. Die derzeitige Krise offenbart dies durch den Wegfall der ehrenamtlichen Versorgungsstrukturen nur einmal mehr und besonders drastisch. Doch offensichtlich wollen die Regierungsfraktionen gerade angesichts der in diesem Jahr wieder anstehenden Neuberechnung des Regelsatzes nicht eingestehen, dass eine Erhöhung ganz grundsätzlich und unabhängig von Corona nötig wäre. Die anhaltende Abwehr ist bitter für die Armen – und eine fatale Aussicht für all jene, die in der Coronakrise ihren Arbeits- oder Ausbildungsplatz verlieren und dann auch auf Hartz-IV angewiesen sein könnten. Denn damit blicken sie nicht nur in eine ungewisse Zukunft, sondern sehen sich einer Institution gegenüber, die nicht auf Vertrauen, sondern auf Misstrauen setzt: Weil es auch Eltern gibt, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, die gewalttätig werden – übrigens in allen sozialen Schichten – oder die aufgrund psychischer Probleme keinen strukturierten Tagesablauf hinbekommen, wird pauschal allen Hartz-IV-Empfängern unterstellt, im Zweifel das ihnen zur Verfügung stehende Geld für die falschen Dinge auszugeben. Deshalb haben es alle, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, mit enormen bürokratischen Hürden und einem fatalen paternalistischen Disziplinierungsapparat zu tun. Anstatt den Familien endlich das Kindergeld zusätzlich zum Hartz-IV-Satz auszuzahlen und dieses nicht wie bislang anzurechnen, müssen diese Kosten beispielsweise für Musikunterricht oder Sportvereine gesondert beantragen. Doch dabei wird es bis auf weiteres bleiben: Selbst in dieser Krisensituation konnte sich die große Koalition nicht dazu durchringen, auch Kindern im Hartz-IV-Bezug wenigstens den sogenannten Kinderzuschlag in Höhe von 185 Euro zu gewähren, den Familien mit geringem Einkommen nun vereinfacht beantragen können. (…) Die sozialen Ungleichheiten treten somit in der Coronakrise wie unter einem Brennglas zutage – und nehmen noch einmal deutlich zu. Das sollte ein Weckruf für die Sozialpolitik in diesem Land sein: Jene, die schon jetzt in hoch prekären Verhältnissen leben, brauchen mehr Unterstützung – und dürfen in den anstehenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen darüber, wie die Kosten der Krise verteilt werden, auf keinen Fall vollends unter die Räder kommen…” Beitrag von Annett Mängel aus Blätter Ausgabe Juni 2020
- Mehrbedarfe im Hartz IV-System: Daumen hoch für Schülertablets, Daumen runter für Mund-Nase-Bedeckungen. Ein Streifzug durch aktuelle Entscheidungen der Sozialgerichte
“»Der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an dem pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld sei im Regelbedarf nicht berücksichtigt. Es handele sich um einen grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf für Bildung und Teilhabe. Denn die Anschaffung eines internetfähigen Endgeräts sei mit der pandemiebedingten Schließung des Präsenzschulbetriebs erforderlich geworden.« (LSG NRW vom 22.05.2020 – L 7 AS 719/20 B ER, L 7 AS 720/20 B ER ) Das Landessozialgericht NRW spricht hinsichtlich der Kosten für ein Tablet von einem „anzuerkennenden unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf“. (…) Da die Schülerin mittlerweile durch eine private Spende einen internetfähigen Laptop erhalten habe, brauche sie keinen Eilrechtsschutz mehr, aber die Richter des LSG haben den Sachverhalt genutzt, um grundsätzlich zu entscheiden. Dafür gibt es nun auch wirklich Anlass genug. In den Regelbedarfen für Kinder und Jugendliche sind im laufenden Jahr 2020 für 0-6Jährige 76 Cent, für 6-14Jährige noch 55 Cent, für 14-18Jährige 23 Cent und für volljährige im Elternhaus lebende Erwachsene 88 Cent für Bildung enthalten. „Spitzenreiter“ sind die alleinstehenden bzw. alleinerziehenden Erwachsenen, für deren Bildung stolze 1,12 Euro im Regelbedarf vorgesehen sind. Also pro Monat. (…) Die Richter haben nicht nur festgestellt, dass der Bedarf für die Anschaffung eines internetfähigen Computers zur Teilnahme an dem pandemiebedingten Schulunterricht im heimischen Umfeld im Regelbedarf nicht berücksichtigt und dass die Anschaffung eines internetfähigen Endgeräts mit der pandemiebedingten Schließung des Präsenzschulbetriebs erforderlich geworden sei, sondern sie haben sich auch in die Welt der Preisfindung begeben. Dazu kann man der Pressemitteilung des Landessozialgerichts NRW entnehmen: »Die Höhe des geltend gemachten Bedarfs sei mit etwa 150 Euro, orientiert an dem für ein internetfähiges Markentablet (10 Zoll, 16 GB RAM) ermittelten Preis i.H.v. 145 Euro sowie dem Bedarfspaket „digitales Klassenzimmer“ der Bundesregierung (150 Euro je Schüler), zu veranschlagen.« (…) Bevor jetzt möglicherweise eine heimelige Stimmung aufkommt, sollte wieder das Augenmerk auf die 150 Euro gerichtet werden: Lehrervertreter hatten diese Summe zuvor als viel zu niedrig kritisiert. Es sei blanker Hohn anzunehmen, dass Eltern und Jugendliche, die sich bisher die Anschaffung eines digitalen Endgeräts nicht hätten leisten können, dies mit 150 Euro könnten, so Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). (…) Grundsätzlich gilt, dass Hartz IV-Bezieher in der Regel auf die pauschalierten Regelleistungen verwiesen werden, weshalb ja auch eine korrekte Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs von so großer Bedeutung – wäre. Ein weiteres Beispiel dafür ist diese Entscheidung – ebenfalls vom Landessozialgericht NRW: »Die derzeit zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus vorgeschriebenen Gesichtsbedeckungen sind aus dem SGB II-Regelbedarf zu finanzieren, da sie als Bestandteil der Bekleidung angesehen werden können. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) in seinem Beschluss vom 30.04.2020 entschieden (Az. L 7 AS 625/20 B ER)«, so die Mitteilung Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen: Mund-Nase-Bedeckung begründet keinen Mehrbedarf vom 6. Mai 2020…” Kommentar von Stefan Sell vom 26. Mai 2020 auf seiner Homepage - 100-Euro-Hartz IV-Corona-Aufschlag abgelehnt / “Armutspolitische Enttäuschung”: Verbände kritisieren Sozialschutzpaket II massiv / [KOS] Existenzsichernde Sozialleistungen
- Mit allen Stimmen von CDU und AFD, alle bis auf eine von der SPD. FDP hat sich enthalten bis auf sechs Stimmen. Für den Aufschlag stimmten geschlossen die LINKE und die Grünen. BEACHTEN: Abgestimmt wurde über die ablehnende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales (Buchstabe „g“). D.h.: “Ja” heisst Ablehnung des Antrages der Grünen. Siehe dazu Sitzungsverlauf und Abstimmungsübersicht . Auch im Bundesrat gab es keine Mehrheit , in den Ausschuss verschoben. Siehe dazu: Drucksache: “Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – “Mit einem #Corona-Aufschlag in der Grundsicherung das Existenzminimum sichern” Drucksache 19/19204 vom 13.05.2020
- BMAS und das politische Berlin mauern zum Coronazuschlag. Kommetar im Thomé Newsletter 17/2020 vom 13.05.2020
- “Armutspolitische Enttäuschung”: Verbände kritisieren Sozialschutzpaket II massiv“Um die Armen und Schwachen in der Corona-Krise besser zu unterstützen, fordern mehrere Wohlfahrtsverbände, dass Hartz-IV-Empfänger wegen der Corona-Krise 100 Euro im Monat mehr bekommen sollen. Das vom Kabinett auf den Weg gebrachte Sozialschutzpaket II lässt in ihren Augen die Ärmsten der Gesellschaft im Stich…” Fokus-Überblick vom 11.05.2020
- [KOS] Existenzsichernde Sozialleistungen – Forderungen anlässlich der Corona-Krise“Um die durch das neuartige Corona-Virus verursachte Krise und die damit verbundenen materiellen und sozialen Folgen abzufedern, haben Bund und Länder eine Reihe von Hilfen für verschiedene Bevölkerungsgruppen beschlossen. Weitere Schritte, wie z. B. die von den Gewerkschaften vorgeschlagene Anhebung des Kurzarbeitergeldes auf 80% des vorherigen Lohns, sollen zumindest zu einem großen Teil umgesetzt werden. Für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit Bedrohte gibt es dagegen in der Corona-Krise kaum zusätzliche Unterstützung. Wir nehmen das zum Anlass, um entsprechende Vorschläge aufzugreifen, die im Bereich des DGB und in der Erwerbslosenbewegung diskutiert werden. Diese Vorschläge beziehen sich zunächst auf die jetzige Krise. Sie sollen aber auch aufzeigen, wie das bisher so lückenhafte soziale Netz langfristig verbessert und die Leistungsbewilligung im Amt würdig gestaltet werden kann. Die Vorschläge beziehen sich zunächst auf Hartz-IV bzw. das SGB II. Sie sollten aber nach Möglichkeit auf alle anderen Grundsicherungsleistungen, die der Existenzsicherung dienen sollen – d. h. insbesondere Kinderzuschlag, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII – übertragen werden. Gerade im Asylbewerberleistungsgesetz sind deutliche Verbesserungen nötig, da die Leistungen dort nochmals weit unter den ohnehin schon zu niedrigen Hartz-IV-Regelsätzen liegen…” Forderungen vom 13.5.2020 der KOS (Word-Datei) (Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen) anlässlich der Corona-Krise: Regelsätze erhöhen, Alle Kürzungen aussetzen, Erreichbarkeit der Ämter verbessern, Einfaches Antragsverfahren, Leistungen zügig auszahlen, Leistungsausschlüsse aufheben
- Paritätischer kritisiert soziale Schieflage der staatlichen Hilfsmaßnahmen in Coronakrise / Die Bundesregierung und der Nicht-Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung
- Am ausgestreckten Arm … Die Bundesregierung und der Nicht-Zuschlag für Menschen in der Grundsicherung. Die bleiben beim Sozialschutz-Paket II weiter außen vor“… Vor dem Hintergrund der Vielzahl an Begehrlichkeiten und auch äußerst fragwürdigen bevorstehenden (?) milliardenschweren Subventionspaketen (man denke hier an die aus den Reihen der Automobilindustrie geforderten steuerfinanzierten Kaufprämien als Absatzankurbelungsprogramm für VW & Co., das auf einem eigenen „Auto-Gipfel“ bei der Kanzlerin bereits vorbesprochen und dem eine wohl vor allem politpsychologischen Wartefrist bis Anfang Juni verordnet wurde), spricht für die Politik eine Menge dafür zum einen weitere und ausufernde Subventionswünsche mit großer Vorsicht und notwendiger Distanz zu behandeln bzw. abzublocken und die Mittel zu fokussieren auf die Bereiche, die wirklich in existenzbedrohender Not sind und denen durch die staatlichen Maßnahmen beide Füße weggezogen worden sind (man denke hier an weite Teile der Gastronomie oder die vielen Solo-Selbstständigen, die in den personenbezogenen Dienstleistungen unterwegs sind oder waren). Zugleich sollte man meinen, dass die immer begrenzten Mittel vor allem auf die ausgerichtet werden, die sich ganz unten befinden und bei denen die Not am größten ist. Sollte man meinen. (…) Mit dem „Sozialschutz-Paket II“ soll der Rettungs- und Schutzschirm des Sozialschutz-Paketes für die Betroffenen weiter und vor allem über einen längeren Zeitraum gespannt werden. Dazu liegt ein Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD zu sozialen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Sozialschutz-Paket II) vor (Bundestags-Drucksache 19/18966 vom 05.05.2020) – sowie insgesamt vier Anträge der Grünen und Linken, in denen vor allem zum Kurzarbeitergeld sowie hinsichtlich eines weitergehenden sozialen Schutzes vor allem für einkommensschwache Haushalte eigene Vorschläge unterbreitet werden. In diesem Beitrag soll es um eine besonders auffällige Leerstelle im vorliegenden Gesetzentwurf der Koalitionsparteien gehen: für die Menschen in Armutslagen ist nichts drin im neuen Sozialschutz-Paket bzw. das, was man hier als Ersatzlösung anbietet, wird sich als Luftbuchung erweisen…” Kommentar vpm 12. Mai 2020 von und bei Stefan Sell
- Sozialschutzpaket II: Paritätischer kritisiert soziale Schieflage der staatlichen Hilfsmaßnahmen in Coronakrise
“Der Paritätische Wohlfahrtsverband weist auf eine bedenkliche soziale Schieflage der bisherigen staatlichen Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Coronakrise hin und kritisiert das geplante Sozialschutzpaket II, das heute im Bundestagsausschuss Arbeit und Soziales beraten wird, in einer Stellungnahme als „armutspolitische Enttäuschung“. Ausgerechnet für die Ärmsten werde bisher so gut wie nicht getan, obwohl die Not dort u.a. angesichts steigender Lebensmittelpreise und wegfallender Unterstützungsangebote am größten ist. Der Verband bekräftigt seine Forderung nach finanzieller Soforthilfe für alle Menschen, die existenzsichernde Sozialleistungen wie Hartz IV, Altersgrundsicherung oder nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Konkret fordert der Paritätische einen monatlichen Zuschlag in Höhe von 100 Euro sowie eine Einmalzahlung für krisenbedingte Zusatzausgaben von 200 Euro. Der Paritätische kritisiert, dass auch der aktuelle Gesetzentwurf für ein zweites Sozialschutzpaket der Frage der Existenzsicherung gerade der einkommensärmsten Gruppen in der Gesellschaft zu geringe Aufmerksamkeit widmet und eine wirksame Lösung schuldig bleibt…” Pressemeldung vom 11.05.2020 und Infos zu der Anhörung im Arbeit- und Sozialausschuss samt Stellungnahme
- Aufruf “100 Euro mehr, sofort: Solidarisch für sozialen Zusammenhalt und gegen die Krise”
“100 Euro mehr, sofort: Spitzenvertreter*innen bundesweiter Verbände und Organisationen fordern Soforthilfe für arme Menschen. In einem gemeinsamen Aufruf fordern Spitzenvertreter*innen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, des Paritätischen Gesamtverbands und weiterer bundesweiter Organisationen die Bundesregierung auf, allen Menschen, die auf existenzsichernde Sozialleistungen angewiesen sind, einen pauschalen Mehrbedarf von 100 Euro monatlich unbürokratisch zukommen zu lassen. Es seien auch heute die Ärmsten, die die Auswirkungen der Corona-Krise existentiell und mit besonderer Härte treffe. Die gemeinschaftliche Bewältigung der Corona-Pandemie sei „auch eine Herausforderung für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland. Rücksicht zu nehmen, füreinander einzustehen und finanzielle Lasten solidarisch zu teilen“, sei das „Gebot der Stunde“. Angesichts spürbar steigender Kosten für Grundnahrungsmittel, zusätzlichen Ausgaben für notwendige Schutzkleidung und Hygieneartikel bei gleichzeitig wegfallenden oder nur eingeschränkten Unterstützungsangeboten, aber auch erhöhte Kommunikationskosten seien einkommensarme Menschen massiv belastet und in wachsender Not. Die Betroffenen verfügten in der Regel über keinerlei Rücklagen und viele von ihnen zählen zu den sogenannten Risikogruppen. „Zusätzlich zur sozialen Isolation leiden die Menschen unter materiellen Entbehrungen. Sie alle brauchen und verdienen unsere Solidarität und Unterstützung“, so der eindringliche Appell...” Pressemeldung vom 2. Mai 2020 von und bei Der Paritätische zum Aufruf (dafür, dass Hartz IV schon immer zu niedrig war…) - Die guten Erwerbslosen. Die Regierung hat die Regeln für Hartz IV gelockert. Nun gibt es zwei Klassen von Empfängern: die Schuldigen und die Unschuldigen.
“Die Bundesregierung hat unter Federführung von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für diese Menschen ein «Sozialschutzpaket» geschnürt. Eines der Hauptziele dieses Pakets: Es soll in Krisenzeiten einen schnellen Zugang zur Grundsicherung gewährleisten. Denn längst nicht alle werden Arbeitslosengeld I beziehen können, andere werden ihr dürftiges Kurzarbeitergeld aufstocken müssen. Heil fand große Worte für das Paket. Es zeige: «Auf den Sozialstaat kann man sich verlassen.» Konkret heißt das: Wer neu Hartz IV beantragt, bekommt es mit dem neuen Beschluss direkt und muss nicht zuerst das eigene Vermögen aufbrauchen. «Auf Grund der aktuellen Situation findet eine Vermögensprüfung (…) nur statt, wenn erhebliches Vermögen vorliegt», heißt es in einem Erklärvideo der Bundesagentur für Arbeit. Dass kein «erhebliches» Vermögen von 60 000 Euro vorliegt, muss lediglich erklärt werden. In Nicht-Coronazeiten gilt dagegen beispielsweise schon ein Auto mit einem Restwert von mehr als 7500 Euro für eine 40-jährige Person ohne Kinder als Vermögen, das aufzubrauchen ist. Auch bei Miet- und Wohnkosten gelten derzeit andere Regeln: Hier wird bei neu gestellten Anträgen für Hartz IV auf die Prüfung verzichtet, ob die Wohnfläche «angemessen» sei. Stattdessen werden Miete und Heizkosten in voller Summe erstattet. Dazu können Anträge erstmals telefonisch oder online gestellt werden, beides ohne zusätzliche persönliche Vorsprache. Und mit einfacheren Anträgen über fünf Seiten, die auf der Webseite der Bundesagentur heruntergeladen werden können. Sonst sind es mit Anlagen teils mehr als 40 Seiten. Das Prinzip der Bedarfsgemeinschaft für Menschen, die einen Haushalt «wirtschaftlich gemeinsam betreiben», gilt weiterhin. Zwar sind auch Weiterbewilligungen unbürokratischer möglich. Die neuen Regeln gelten jedoch fast ausschließlich für jene, die in Zeiten von Corona neue Anträge auf Hartz IV stellen – nicht für Menschen, die zuvor schon im Bezug waren. «Wir haben eine Zweiklassengesellschaft der Erwerbslosen», kritisiert Harald Thomé, Jurist bei der Erwerbsloseninitiative Tacheles. «Auf der einen Seite haben wir nun die ›guten Erwerbslosen‹. Die, die nichts für ihre Situation können, weil Corona daran schuld ist. Auf der anderen Seite gibt es die restlichen Beziehenden, die schlechter gestellt sind. Dabei sind sie in den allermeisten Fällen genauso unverschuldet in die Erwerbslosigkeit oder ins Aufstocken gerutscht wie jetzt die Corona-Arbeitslosen.» Er fordert daher, dass die Übernahme der vollen Mietkosten auch für die bestehenden Beziehenden, inklusive denen in der Altersgrundsicherung und Asylbewerber*innen, gelten muss. (…) Auch die ehemalige Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann nimmt großen Frust bei den aktuellen Hartz-IV-Empfänger*innen wahr: «Ich bekomme ohnehin immer viele E-Mails. Aber der Ton jetzt hat sich noch einmal entschieden verändert, er ist viel bitterer geworden.» Viele Hartz-IV-Beziehende oder Menschen, die Altersgrundsicherung erhalten, fühlten sich veräppelt…” Artikel von Alina Leimbach vom 11.04.2020 in ND online - Corona & Hartz IV – ein kleiner Ratgeber“BASTA! heißt solidarisch zum und gegen das Jobcenter. Deshalb wollen wir versuchen euch auf dem Laufenden zu halten, was es gerade über Hartz IV im Bezug auf die Corona-Krise zu erfahren gibt. Momentan ist unsere Beratung nur online erreichbar. (…) In den nächsten Monaten werden immer mehr Menschen auch zum ersten Mal Hartz IV beantragen müssen. Grundsätzlich ist es wichtig zu wissen, dass die meisten Neuerungen, die jetzt auf den Weg gebracht worden sind, fast ausschließlich für Personen gelten, die jetzt Erstanträge stellen müssen. Wenn ihr schon Geld vom Jobcenter erhaltet und keine Arbeit habt oder aufstockt, ändert sich nicht viel. Die folgenden Antworten sollen euch eine Orientierung geben, sie ersetzen natürlich keine Rechtsberatung, sondern spiegeln vielmehr unsere persönlichen Erfahrungen wider. Lasst euch im besten Falle zusätzlich immer auch von uns oder Anderen beraten. Solltet ihr Fragen, haben, die im Folgenden nicht beantwortet werden, schreibt uns gerne, auch wenn ihr Fehler findet oder Informationen zu Neuerungen habt: wie immer an bastaberlin@systemli.org. Wir wollen euch dazu animieren, euch auch jetzt nicht vereinzeln zu lassen. Füllt gemeinsam die Antragsformulare aus, setzt euch gegen (unerwünschte) Kündigungen gemeinsam mit anderen zur Wehr, organisiert gegenseitige Hilfe in eurer Nachbarschaft. Eins noch vorweg: Wir empfehlen allen, die momentan knapp bei Kasse sind, eine Antragstellung in Erwägung zu ziehen, auch wenn sie formal keinen Antrag auf Leistungen hätten. Momentan können wahrscheinlich in vielen Fällen krisenbedingte Härten nachgewiesen werden, welche dann doch wieder eine Berechtigung darstellen. Das muss in den einzelnen Fällen geprüft werden. Auch Darlehen und Leistungen die später (in Raten) zurück gezahlt werden, finden wir nicht gut, können aber in einigen kritischen Situationen „über den Berg“ helfen. Solidarität statt Isolation…” Ein Ratgeber mit 24 Punkten vom 10. April 2020 von und bei BASTA! – Erwerbsloseninitiative Berlin
- FAQ: Sozialer Schutz gegen Folgen von Corona
Antworten auf häufige Fragen in der quer, Zeitschrift für Erwerbslose und alle Anderen, Ausgabe 25 vom April 2020 - Petition gestartet: Hartz IV Corona-Zuschlag jetzt!
“Parteien, Bürger und Experten schlagen Alarm. Kein Schulessen, keine Tafeln und obendrein Hamsterkäufe. Für Bezieher von Hartz IV oder Grundsicherung ist die derzeitige Situation kaum tragbar. Dennoch lehnte gestern ein Sozialgericht einen Eilantrag ab, der einen befristeten Corona-Zuschlag für Bezieher von ALG II Leistungen forderte. Eine eingereichte Petition soll nun Druck auf die Politik machen…” Meldung vom 4. April 2020 von gegen-hartz.de zur Petition:- Höchste Zeit: Bevorratungszuschuss für Hartz-IV-Bezieher in der Corona-Krise!“Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt jedem Haushalt eine Mindestbevorratung von Lebensmitteln für Katastrophenfälle. Die Mittel hierfür stehen Beziehern von SGB-II-Regelleistungen nicht im Mindesten zur Verfügung, da der Regelsatz auch im Normalfall überhaupt nicht bedarfsdeckend ist. Angesichts der Corona-Krise fordere ich deshalb die Bundesregierung dazu auf, jetzt jedem Hartz-IV-Bezieher 100€ monatlich bis zum Ende der krisenbedingten Maßnahmen als Bevorratungszuschuss zu gewähren! Es gilt zu verhindern, dass im Falle regionaler notstandsbedingter Abriegelungen arme Menschen schlichtweg verhungern müssen. Dies wäre in einer reichen kapitalistischen Gesellschaft nicht hinnehmbar!…” Petition an die Bundesregierung von Steffen Roski bei change.org
- Neuregelungen in der Grundsicherung / Sozialschutzpaket wegen der Corona-Krise im Eilverfahren umgesetzt
- Neuregelungen in der Grundsicherung“Der Gesetzgeber hat aufgrund der aktuellen Lage ein Sozialschutzpaket beschlossen. Es erleichtert den Zugang zu Leistungen der sozialen Grundsicherung…” Presseinfo der Arbeitsagentur vom 30.03.2020 und ihre Sonderseite Corona-Grundsicherung
- Sozialschutzpaket wegen der Corona-Krise im Eilverfahren umgesetztDas Sozialschutzpaket und diverse weitere Regelungen sind im Eilgesetzesverfahren umgesetzt worden – siehe
- Gesetzesentwurf neben Begründung bei Harald Thomé
- und ebd. die Sozialschutz-Paket – Rechtsänderungen im Gesetzesblatt
- sowie Ergänzende Weisungen der BA zur Corona-Krise vom 17. März 2020 bei Inge Hannemann und ein Papier der ALSO-Oldenburg dazu bei Harald Thomé
- Die BA hat eine zusammenfassende Weisung zum Sozialschutz-Paket herausgegeben, siehe auch eine Kurzzusammenfassung von Inge Hannemann
- Ergänzend dazu hat die BA einen vereinfachten Antrag zur Verfügung gestellt und reagiert damit auf die bundesweite Kritik an den bisher bestehenden hohen bürokratischen Hürden, um das Arbeitslosengeld II zu erhalten.
- Hartz IV Antrag ab sofort vereinfacht [nicht wirklich schwierig und leider nicht dauerhaft]
“Die Bundesagentur für Arbeit rechnet im Zuge der Corona-Krise mit rund 1,2 Millionen neuen Hartz 4 Anträgen. Damit eine schnelle Bearbeitung gewährleistet ist, sollen die Anträge stark vereinfacht werden. Die Regeln zur Beantragungen sollen allerdings nur vorübergehend gelockert werden. Voraussichtlich sollen die neuen Vorgaben für ein vereinfachtes Antragswesen in den nächsten Wochen in Kraft treten.In den nächsten sechs Monaten sollen die Jobcenter darauf verzichten, eine Vermögensprüfung vorzunehmen. Bislang mussten Kontoauszüge und Vermögen offen gelegt werden. Der Anspruch auf Hartz IV muss dennoch gegeben sein. Es ist damit zu rechnen, dass die Prüfung nach der Zeit der Krise erfolgt. Wegfallen sollen zunächst auch Angemessenheitsprüfungen der Kosten der Unterkunft (Miete). Hartz IV Beziehende sind nämlich dazu verpflichtet, in einen “angemessenen Wohnraum” zu leben. Antragsteller sollen den Schutz der bisherigen Wohnung zunächst erhalten. Zwangsumzüge sind in Zeiten der “Kontaktsperre” sowieso nicht umsetzbar. Für die Antragstellung soll es demnächst auch eine zentrale Telefonnummer der Bundesagentur für Arbeit geben. Antragsberechtigt sind alle, die keinen Anspruch auf das Arbeitslosengeld 1 haben und deren Existenzgrundlage weggebrochen ist. Ausnahme: Wessen Anspruch aus dem Arbeitslosemgeld 1 zu niedrig ist, um die Existenz zu sichern, kann zusätzlich Hartz IV beantragen…” Meldung vom 26. März 2020 von und bei gegen-hartz.de – Ihr müsst trotzdem damit rechnen, dass das Jobcenter später eventuell doch die Bedürftigkeit prüft. Ob sie damit erfolgreich sind, ist auch eine Frage des politischen Drucks… Siehe dazu:- Aktuelle Änderungen im Sozialrecht (23.3.2020)
- Wenn ihr bereits Hartz V bezieht, Beantragt Corona-Zuschüsse! (200 Euro) – Bei Ablehnung dann Widerspruch und ggf. Klage. Ob’s Erfolg hat wird sich dann zeigen. Muster-Antrag bei der FAU Magdeburg
- Entwurf eines Gesetzes für den erleichterten Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienstleister aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2
Infos und Bewertungen zu den Änderungen im SGB II in SOZIALRECHT-JUSTAMENT aktuell vom 24.3.2020 (Stand 23.3.2020) - BA: “Die sichere Auszahlung von Geldleistungen hat für uns oberste Priorität”
“Die Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Iris Löhner, hat Telepolis schriftlich die dringendsten Fragen zum ALG II, zu Hartz IV und zur Grundsicherung beantwortet…” Interview von Marcel Malachowski am 26. März 2020 in telepolis - Thread der Erwerbslosenini @BastaBerlin am 25. März 2020 : “Lasst euch nicht blenden! Das #HartzIV-#Corona-Paket der Bundesregierung ist eine einzige Nebelkerze. Der Staat scheißt in guter deutscher Tradition weiter auf die Armen. Coronakrise markiert den #Klassenkampf. Hier ein kleiner Auszug…”
- Sozialer Schutz gegen Folgen von Corona – Antworten auf häufige Fragen
FAQ von und bei KOS – Förderverein gewerkschaftliche Arbeitslosenarbeit e.V. (Stand: 25.3.2020)
- (Sofort)Forderungen der Erwerbsloseninitiative Basta!“… Maßnahmen könnten für den konkreten Prozess der Antragsstellung oder -aktualisierung wie folgt aussehen: Um einen Antrag überhaupt stellen zu können, sollten öffentliche und kostenfreie Faxgeräte, Drucker und ähnliches bereitgestellt werden. Dann haben die Leute auch gleich eine Eingangsbestätigung der Antragsabgabe. Ein Erstantrag sollte formlos möglich sein. Innerhalb von 14 Tagen sollte dann eine Bewilligung und Auszahlung erfolgen. Wichtig wäre auch die Anerkennung von Ansprüchen, auch wenn die Voraussetzungen nicht hundertprozentig geklärt sind, etwa nach Aufhebung von Arbeitsverträgen oder bei Vermutung von angeblichen Vermögen bei Lebensversicherern. Die Jobcenter müssen davon ausgehen, dass Menschen, deren Bewilligungszeitraum abläuft, derzeit insbesondere weiterhin auf Hartz IV angewiesen sein werden und deshalb auch ohne Weiterbewilligungsantrag weiterzahlen. Sinnvoll erscheint uns zudem, dass Rückzahlungen durch Bezieher*innen wegen vermeintlich fehlgehender Mitwirkung oder Sanktionen eingestellt werden. Es braucht hier einen generellen Schuldenschnitt der Hartz IV-Berechtigten. Statt der wie bisher gedeckelten Mietzahlung soll die vollständige Miete ausgezahlt werden. All das gilt nicht nur für Hartz IV, sondern auch in der Sozialhilfe, bei ausländerrechtlichen Angelegenheiten wie dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Unterbringung von Wohnungslosen, beim BAföG, Kindergeld, Kinderzuschlag und so weiter. [Das waren ja nun die direkten Pflaster. Was muss sich langfristig ändern?] Die Behördenmitarbeiter*innen müssten erst einmal Sadismus und Jawohl-Dienst ver- und Toleranz und Zugewandtheit erlernen. Da dies unter kapitalistischen Produktionsweisen nicht passieren wird, gehört das Hartz IV-System abgeschafft. Hartz IV bedeutet eine Einschränkung der Grundrechte und hat großes persönliches Leid zur Folge. Nicht zuletzt sind die Behörden ein Hort von strukturellem Rassismus. Die Agenda 2010 hat den Prozess der Entsolidarisierung mit armen Leuten vorangetrieben, aber auch die Konkurrenz nach dem Motto „Jede gegen Jede“ gefestigt. Im Jobcenter ist seit 15 Jahren ein Vakuum an rechtlichen Bestimmungen entstanden, das die Behörde mit administrativen Willkürakten füllt. Das läuft bisher einfach weiter…” Aus dem Interview von Mona Lorenz mit der Erwerbsloseninitiative Basta! vom 26. März 2020 im re:volt magazine
- Bei Hartz IV Antrag derzeit keine Vermögensprüfung / [war klar] Jobcenter warnen vor den Folgen dauerhaft gelockerter Hartz-IV-Regeln
- Bei Hartz IV Antrag derzeit keine Vermögensprüfung“… Derzeit müssen viele Einzelselbstständige und gekündigte Arbeitnehmer aufgrund der Corona-Krise einen Hartz IV Antrag stellen. Das Bundesarbeitsministerium will deshalb den Zugang zum Leistungsbezug stark vereinfachen. Bei einem Antrag auf Hartz IV soll temporär die Prüfung auf das eigene Vermögen ausgesetzt werden. Außerdem sollen Aufforderungen zur Senkung der Unterkunftskosten derzeit nicht versendet werden. So sagte der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil gegenüber “Bild am Sonntag”: “Wir sorgen jetzt dafür, dass die aufwendige Vermögensprüfung für sechs Monate ab dem 1. April entfällt. Außerdem kann jeder weiter in seiner Wohnung bleiben. Die Leistungen der Grundsicherung werden schnell und unbürokratisch gewährt. Das hilft erst einmal, um nicht ins bodenlose zu stürzen. Wir lassen die Menschen nicht allein, der Staat kümmert sich!” (…) Der Bundesarbeitsminister rechnet damit, dass rund 1,2 Millionen Menschen aufgrund der Krise einen Hartz IV-Antrag stellen werden. (…) Zusätzlich soll der Zugang zum Kinderzuschlag deutlich vereinfacht werden. Derzeit wird auch hier nicht das Einkommen der Eltern geprüft. Es würde ein Einkommensbescheid des letzten Monats ausreichen, hieß es. Eltern können somit einen Antrag auf maximal 185 Euro zusätzlich stellen. Achtung: Eine Bedürftigkeit muss vorliegen. Es ist damit zu rechnen, dass diese nach der Corona-Krise nachfolgend geprüft wird!” Meldung bei gegen-hartz.de vom 22. März 2020 und die absehbare Reaktion:
- Jobcenter warnen vor den Folgen dauerhaft gelockerter Hartz-IV-Regeln“Um Solo-Selbstständigen schnelle, unbürokratische Hilfe bieten zu können, plant die Bundesregierung einen vereinfachten Zugang zur Grundsicherung. Deutsche Jobcenter warnen: Diese Lockerungen müssten befristet werden. (…) „Auf Vermögensprüfungen zu verzichten und auch zu nicht klären, ob die Wohnungsgröße des betreffenden Haushalts angemessen ist – das kann nicht auf Dauer bestehen bleiben. Diese Ausnahmeregeln müssen eng befristet werden“, sagt Matthias Schulze-Böing, ein Sprecher des Bundesnetzwerks der Jobcenter, der WirtschaftsWoche . Schulze-Böing leitet auch MainArbeit, das Jobcenter der Stadt Offenbach. Hintergrund sind die geplanten Lockerungen der Bundesregierung, die zum 1. April in Kraft treten sollen. Damit soll insbesondere Solo-Selbstständigen eine schnelle, unbürokratische Hilfe geboten werden, die derzeit keine Umsätze mehr erzielen können. Der Bund rechnet mit bis 1,2 Millionen zusätzlicher Bedarfsgemeinschaften. „Es wäre ungerecht allen anderen gegenüber, bei denen der Sozialstaat bisher ja mit gutem Recht auf Anspruch und Verhältnismäßigkeit pocht“, sagte Schulze-Böing zur Begründung. „Hier und da habe ich in sozialen Netzwerken schon gelesen, es gäbe jetzt ‘easy Hartz IV’. Genau darum geht es nicht...” Artikel von Max Haerder vom 23. März 2020 bei .wiwo.de
- KOS: Corona und die Folgen: Schnelle und unbürokratische Antragsbearbeitung notwendig!
“Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS) fordert die Arbeitsagenturen, die Jobcenter, die Sozialämter und die Familienkassen auf, Anträge auf existenzsichernde Leistungen wie Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II (Alg II), Sozialhilfe und Kinderzuschlag schnell und unbürokratisch zu bewilligen und auszuzahlen. Die vielen Einschränkungen des öffentlichen Lebens erfordern es, dass Behörden, die mit der Bewilligung und Auszahlung von existenzwichtigen Sozialleistungen betraut sind, der schnellen Unterstützung Betroffener klaren Vorrang einräumen. Das muss auch gelten, wenn nicht alle Unterlagen vollständig sind oder Einzelheiten des Antrags noch Anlass zu Rückfragen geben. Länger als 14 Tage sollte die Bearbeitung des Antrags außerdem nicht dauern. Arbeitslose, Niedrigverdienende und ihre Angehörigen haben außerdem in der aktuellen Situation aufgrund der höheren Ausgaben für die Gesundheit und der Schwierigkeiten bei der Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern höhere Kosten als sonst. Sie müssen deshalb sofort einen Mehrbedarfszuschlag von 20% der Regelleistung zu ihren ohnehin schon viel zu knappen Leistungen bekommen. Angesichts der aktuellen, durch das Corona-Virus geschaffenen Lage zeichnet sich ab, dass es vor allem die Beschäftigten sind, die für die Krise aufkommen sollen. Es ist aber nicht einzusehen, dass nur betroffene Unternehmen weitgehend schadensfrei gestellt werden sollen, während die Arbeitslosigkeit in einigen Branchen stark ansteigt, weil die Unternehmen durch Entlassungen Kosten sparen wollen. Ebenso ist auch nicht einzusehen, dass Menschen mit niedrigem Einkommen durch das knapp bemessene Kurzarbeitergeld von heute auf morgen unter das Niveau ihrer bisher schon bescheidenen Lebensführung gedrückt werden. Wir fordern deshalb auch das Kurzarbeitergeld mindestens für Niedrigverdienende auf 100% des Lohnes anzuheben…” Forderungen der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen vom 19.3.2020 - Siehe auch: Tacheles: Vorschläge zum Umgang mit der Corona-Krise für einkommensschwache Haushalte
- [ALSO] Die Corona-Epidemie und die Existenzsicherung der Bürger*innen / [Coronavirus und soziale Folgen] Butterwegge: Hartz-IV-Satz temporär erhöhen
- [ALSO] Die Corona-Epidemie und die Existenzsicherung der Bürger*innen“Täglich scheint sich die Lebenssituation der Menschen in Deutschland zu verändern. Schon vor Tagen hat die Bundesregierung versprochen, alles Mögliche zu tun, um die Unternehmen vor einer Insolvenz zu retten. Vieles wird dafür getan bzw. angekündigt und das ist auch gut so. Aber was ist mit den normalen Bürger*innen? Nicht nur bei Hartz IV, sondern auch in der Sozialhilfe, bei ausländerrechtlichen Angelegenheiten (Asylbewerberleistungsgesetz und anderes), beim BAföG, Kindergeld, Kinderzuschlag usw. wird über existenzsichernde Leistungen entschieden. Hier muss unbedingt und unverzüglich ein Verwaltungshandeln angelegt werden, das die Existenzsicherung aller Menschen in Deutschland gewährleist. Forderungen, um die Existenzsicherung aller zu garantieren…” OFFENER BRIEF der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg vom 17.3.2020
- [Coronavirus und soziale Folgen] Butterwegge: Hartz-IV-Satz temporär erhöhen“… Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge befürchtet, dass die Corona-Epidemie und ihre Folgen Menschen mit niedrigem Einkommen härter trifft als Besserverdienende. »Wirtschaftliche Krisen treffen zuerst die Einkommensschwachen. Das gilt für prekär Beschäftigte, Leiharbeiter ebenso wie für Soloselbstständige, die über zu geringe finanzielle Rücklagen verfügen, um eine ökonomische Durststrecke überstehen zu können«, sagte der Armutsforscher dem Evangelischen Pressedienst. Auch bei der Betreuung von Kindern, die wegen Kita-und Schulschließungen zu Hause bleiben müssen, sieht der Kölner Wissenschaftler Menschen mit besser bezahlten Jobs im Vorteil. »Je höher die berufliche Position ist, umso leichter lässt sich das Betreuungsproblem durch Homeoffice lösen, weil es dann eher um eine Schreibtischtätigkeit geht«, sagte er. Alleinerziehende, die zur Betreuung ihrer Kinder gerne auf die Großeltern zurückgreifen, könnten wegen der höheren gesundheitlichen Gefährdung älterer Menschen in der Corona-Krise auf diese Unterstützung derzeit nicht zählen. (…) Der Sozialforscher schlägt eine zeitlich begrenzte Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes und der Sozialhilfe vor: »Da es jetzt noch wichtiger ist, Obst und Gemüse zu essen, wäre die befristete Gewährung eines Ernährungszuschlags von circa 100 Euro monatlich auf den Regelbedarf sinnvoll.« Die Corona-Pandemie bietet nach Butterwegge Auffassung aber auch Chancen. »Beispielsweise könnte sich die Erkenntnis verbreiten, dass Solidarität der Bevölkerung mehr nützt als Wettbewerbswahn und Ellenbogenmentalität. Dann hätte der Virus am Ende auch etwas Gutes bewirkt«, sagte Butterwegge…” Artikel von Markus Jantzer vom 16. März 2020 in Neues Deutschland online
- Hartz IV: Hamsterkäufe wegen Coronavirus führen zu unhaltbaren Zuständen – Leere Regale in den Supermärkten treffen vor allem Hartz IV Bezieher
“Gestern forderte der Sozialverband als eine Art Konjunkturprogramm Corona-Zuschläge für Hartz IV Beziehende. Insbesondere deshalb, damit Leistungsberechtigte sich ebenfalls einen Notvorrat anlegen können, wie das Bundesamt für Katastrophenschutz empfielt. Doch das Problem sind vor allem die Hamsterkäufe selbst. (…) Mit weiterer Ausbreitung des Coronavirus verstärkt sich die Angst in der Bevölkerung. Schon seit zwei Wochen sind regelrechte Hamsterkäufe in den Supermärkten zu beobachten. Konsumenten stehen vor leergefegten Regalen. Vor allem günstige und haltbare Waren wie Nudeln, Reis, Konserven und auch Toilettenpapier sind regelrecht ausverkauft. Sobald die Märkte die Regale auffüllen, sind diese auch schon wieder leergekauft. Das hat zur Folge, dass Hartz IV Beziehende nicht mehr in der Lage sind, günstige Produkte zu erwerben. Nimmt man das Beispiel Toilettenpapier, so sind häufig nur noch die teuren Produkte mit vier Lagen zu horrenden Preisen verfügbar. Unmachbar für Sozialleistungsbezieher. (…) Der Hartz IV Regelsatz ist aber derart gering berechnet, so dass Hartz IV, Grundsicherung oder Sozialhilfe Beziehende gerade auf die günstigen und einfacheren Grundnahrungsmittel angewiesen sind. (…) “Wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt zu handeln und unbürokratisch Sonderzahlungen vorzunehmen”, mahnt Sebastian Bertram von “Gegen-Hartz.de”. Denn am Ende zahlen die Schächsten unserer Gesellschaft die Zeche. “Und das mit ihrem Leben.”…” Beitrag vom 16. März 2020 von und bei gegen-hartz.de
- Sozialverband fordert: Mehr Hartz IV in der Corona-Krise
“… Zwischen Massenpanik und Hamsterkäufen wird eine Bevölkerungsgruppe, wie so oft, völlig außer Acht gelassen: Hartz IV Empfänger. Doch der Sozialverband Deutschland (SoVD) will das nun ändern und fordert eine Erhöhung des Regelsatzes in der Corona-Krise (…) Eine Erhöhung des Hartz IV Regelsatzes könnte außerdem der Unterversorgung von Hartz IV Empfängern während des Corona-Ausbruches (HartzIV.org berichtete) entgegengehen. Während sich viele Deutsche mit Hamsterkäufen im Wert von mehreren Hundert Euro einen Notvorrat zulegen, haben Leistungsbezieher häufig Schwierigkeiten, den Wocheneinkauf zu bezahlen. Einen Anspruch auf Mehrbedarf für den Notvorrat besteht für HArtz IV Empfänger aktuell nicht…” Artikel von Jana Hacker vom 12. März 2020 bei HartzIV.org – bei SoVD bisher nicht zu finden
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