Dossier
„… Doch dieses Recht wird seit über zwei Jahren von kroatischen Grenzbeamten mit Füßen getreten. Amnesty International hat dokumentiert, wie Flüchtlingen Gliedmaßen gebrochen und Zähne ausgeschlagen wurden beim Versuch, nach Kroatien zu gelangen. Am Samstag hat ein kroatischer Grenzbeamter am Berg Tuhobić, nahe der Grenze zu Slowenien, auf einen Geflüchteten geschossen und ihn lebensgefährlich verletzt. Der Mann, der irregulär aus Bosnien-Herzegowina eingereist sein soll, wurde in Rijeka operiert. Kroatische Grenzbeamte nehmen den Menschen, die es über Bosnien-Herzegowina nach Kroatien schaffen, das Geld und häufig auch die Schuhe ab und zerstören deren Handys, damit sie nicht so schnell wiederkommen. Das Netzwerk Border Violence Monitoring hat über 400 Berichte gesammelt, die von einem systematischen Vorgehen der kroatischen Polizei zeugen. Beamte berichteten kroatischen Medien, ihnen werde mit Sanktionen gedroht, wenn sie sich weigerten, gewaltsam gegen Flüchtlinge vorzugehen. Die Schläge, Tritte, Demütigungen und der tägliche Bruch des EU-Rechts und der Genfer Flüchtlingskonvention sind keine Exzesse von Einzelpersonen, sondern von den Behörden angeordnet…“ aus dem Kommentar „»Musterschüler der EU«“ von Krsto Lazarević bereits am 21. November 2019 in der jungle world , worin auch noch die Situation nach ihrer Verjagung Richtung Bosnien-Herzegowina Thema ist. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag – der deutlich macht, wie dieses faschistoide Grenzregime auch Menschen trifft, die nicht im Traum an Flucht gedacht hatten…
- Türsteher Kroatien: Brutale Menschenrechtsverletzungen im Namen Europas
“Mit exzessiver Gewalt und völkerrechtswidrigen Zurückschiebungen (Pushbacks) setzt Kroatien die EU-Abschottungsagenda um – Schutzsuchenden wird der Zugang verwehrt. Statt Sanktionen gibt es dafür Anerkennung von der EU. (…) Die neue EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, setzt die Linie ihres Amtsvorgängers Juncker fort und bekräftigt den Vorbildcharakter, den Kroatien – speziell Ministerpräsident Plenković – einnehme. Ähnliches Lob hatten zu anderer Gelegenheit bereits Regierungsmitglieder aus EU-Mitgliedsstaaten übrig. Etwa lobte Horst Seehofer die umstrittene kroatische Polizei für ihre Arbeit. »Wir stehen Kroatien als Partner zur Seite. Die aktuellen Migrationsbewegungen stellen uns alle vor gewaltige Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können.« Ansonsten herrscht beredtes Schweigen: Auf dem informellen Treffen der EU-Innenminister*innen zum Thema Migration am 24. Januar 2020 war die Menschenrechtssituation an der kroatischen Außengrenze kein Thema. (…) Das Schweigen ist so groß, wie das Fülle an Beweisen, die ihm dank Aktivist*innen, Menschenrechtsorganisationen, Journalist*innen und betroffenen Personen entgegensteht: Videoaufnahmen zeigen den Ablauf von Pushbacks. Fotos und Berichte belegen die Gewalt der kroatischen Polizei. Handyortungen lassen das Geschehene geographisch verorten. Es besteht kein Zweifel, dass kroatische Grenzpolizist*innen Schutzsuchende systematisch an der Flucht in die EU hindern und sie gewaltvoll nach Bosnien und Herzegowina zurückbringen, ihnen somit das Recht auf Asyl verweigern. Regelmäßig kommt es dabei zu Misshandlungen. Auch vor dem Einsatz von Schusswaffen schrecken die Grenzpolizisten nicht zurück. (…) Bei der Gewalt handelt es sich nicht um die Willkür einzelner Beamt*innen. In einem Schreiben vom März 2019 an die kroatische Ombudsfrau legten Polizist*innen anonym die Befehle ihrer Vorgesetzten offen. »Anweisungen des Polizeichefs, der Leitung und der Verwaltung sind, jeden ohne Papiere zurückzuführen, keine Spuren zu hinterlassen, ihr Geld zu nehmen, ihre Handys zu zerstören oder selbst einzustecken und die Flüchtlinge gewaltsam nach Bosnien zu bringen«…” Pressemitteilung von Pro Asyl vom 15. Februar 2020 - „Nigerianische Studenten und ihr Albtraum in Kroatien“ von Zoran Abutina am 05. Dezember 2019 bei der Deutschen Welle zu den Erfahrungen zweier Studenten aus Nigeria, die eigentlich an einem Tischtennis-Turnier teilnehmen wollten: „… Kurz bevor die nigerianischen Studenten Eboh Kenneth Chinedu und Abia Uchenna Alexandro über die grüne Grenze aus Kroatien nach Bosnien/Herzegowina abgeschoben wurden, mussten sie irgendwelche Dokumente unterschreiben – in kroatischer Sprache. “Der Wagen hielt an. Man führte uns nach draußen und ein Polizist sagte mir: Unterschreib! Ich sagte, das will ich nicht, man kann nicht von mir erwarten, dass ich etwas unterschreibe, was ich gar nicht verstehe. Dann zog einer der Polizisten die Pistole und sagte, er wird mich erschießen, wenn ich nicht unterschreibe. Ich hatte Angst, und habe unterschrieben.” So beschreibt Eboh Kenneth einer Journalistin des bosnischen Portals “Žurnal” wie er und sein Kommilitone unter Gewaltandrohung nach Bosnien abgeschoben wurden. Nachdem beide die Dokumente unterschrieben hatten, nahmen ihnen die Polizisten ihr Geld und zwangen sie auf einem Waldweg die Grenze zu überqueren. In der Gruppe waren auch mehrere Migranten. Wie die beiden Nigerianer wurden auch sie gezwungen, Kroatien zu verlassen. Sie landeten im Flüchtlingscamp “Miral” in Velika Kladuša. Dabei hätte der Kroatienbesuch für beide Studenten der “Federal University of Technology Owerri” so schön sein können. Zusammen mit zwei anderen Studenten und einer Professorin kamen sie als Teil der nigerianischen Tischtennismannschaft, um in der kroatischen Küstenstadt Pula vom 13. bis 17. November an der fünften Weltmeisterschaft internationaler Universitäten (IUSC) teilzunehmen…“
Siehe auch:
- Die Flüchtlingsjagd in Kroatien hat System. Kennzeichen: Brutalität
- unser Dossier: Die Migrations-Karawane auf dem Balkan: Niemand droht mit der Armee. Die Polizei ist schon da…
- Grenzüberwachung mit Flugzeug: Frontex mitverantwortlich für Push-Backs aus Kroatien
- Die Flüchtlingskrise schwelt weiter – nicht nur in Kroatien
- Kroatiens Regierung und ihr neuer Krieg: Gegen Flüchtlinge
- Demonstrationen in Kroatien und Slowenien gegen den Anti-Flüchtlingspakt EU-Türkei
- Kroatien für Flüchtlinge: Nicht so übel wie magyarische Möchtegern-Herrenmenschen – aber extrem übel
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