Montag, 24. Juni 2019

Nach dem Mord an Regierungspräsidenten in Kassel: Rechte geifern und predigen Hass


Dossier

IL: Naziterror beenden. Rechte Netzwerke zerschlagenDie Todesumstände des CDU-Politikers Walter Lübcke sind unklar. Was man bisher weiß, ist, dass der Regierungspräsident von Kassel mit einem Kopfschuss getötet wurde. Ebenfalls weiß man, dass Lübcke im Fadenkreuz von AfD-Fans und artverwandten Idioten stand – und das bereits seit 2015, als er sich für die Aufnahme von Flüchtlingen in der nordhessischen Provinz stark gemacht hatte. Schon damals erhielt er Morddrohungen. Nicht wenige Beobachter vermuten nun das extrem rechte Milieu hinter der Bluttat. Die Trauer um den ehemaligen Abgeordneten des Hessischen Landtages in Wolfhagen, wo Lübcke zu Hause war, ist groß. Das hält jedoch die Rechten nicht davon ab, grinsend das Mobiltelefon zur Hand zu nehmen und ihrer Freude über den Tod des Lokalpolitikers im World Wide Web freien Lauf zu lassen. Kostprobe: »Die Drecksau hat den Gnadenschuss bekommen ! RESPEKT !«, schreibt einer auf Youtube. Ein anderer auf Facebook: »Selbst schuld, kein Mitleid, so wird es Merkel und den anderen auch ergehen.« Solche Kommentare sind kaum zu ertragen. Sie zeigen, wie vergiftet der politische Diskurs in Deutschland inzwischen ist. Anstatt Trauer zu bekunden, bricht sich der Hass auf Andersdenkende immer weiter Bahn. Grenzen scheint es keine zu geben. Mittendrin statt nur dabei ist die AfD. Auch dieses Mal…“ – aus dem Kommentar „AfD ist mittendrin statt nur dabei“ von Christian Klemm am 04. Juni 2019 in neues deutschland online externer Link über die Haßtiraden, die die verschiedenen rechten Strömungen vereinigen. Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge und die aktuelle Entwicklung:
  • Demonstration in Kassel – und die Frage nach der lauten stille in den Reihen der CDU New 
    „… Der Protest war kurzfristig organisiert, da finde ich 2.500 Menschen in Kassel ein gutes Zeichen. Aber im Grunde hätten es noch viel Menschen sein müssen, die auf die Straße gehen, und zwar überall in diesem Land. Ich finde es viel zu still gerade. [Was heißt das?] Auch Kassel wirkte anfangs wie gelähmt. Ich kann das auf der einen Seite verstehen, auf der anderen aber nicht. Gerade die CDU verstehe ich nicht. Viele der Christdemokraten haben geschwiegen, als Herr Lübcke sich in den letzten Jahren für Geflüchtete einsetzte und dafür von Rechten angefeindet wurde. Nun wurde Lübcke – einer von ihnen – erschossen, und sie schweigen wieder. (…) Es braucht jetzt ein hartes Vorgehen der Behörden gegen rechtsextreme Strukturen. Hier wurde ja genau versagt nach dem NSU-Terror. Trotz vieler Versuche der Anwälte von Halits Familie und den anderen Betroffenen wurden die Unterstützer des Trios bis heute nicht aufklärt, obwohl klar ist, dass sich das Trio in einem Netzwerk von rund 40 V-Leuten und Nazis bewegte. Nach dem NSU-Urteil konnten Angeklagte, bekennende Nazis, frei aus dem Gericht spazieren. Und hessische Verfassungsschutzakten wurden für 120 Jahre weggeschlossen. Darüber haben sie in der Nazi-Szene doch gelacht! Auch der Tatverdächtige im Fall Lübcke, Stefan E., ist kein Einzeltäter, da bin ich überzeugt. Deshalb müssen nun die rechten Strukturen wirklich aufgeklärt werden, auch nochmal der Mord an Halit. Und die gesperrten Akten müssen offengelegt werden…“ das sind Antworten von Ayse Gülenc auf die Fragen von Konrad Litschko in dem Gespräch „„Darüber lachen die doch““ am 23. Juni 2019 in der taz online externer Link über die bisherigen Reaktionen auf den Mord in Kassel
  • Ob mit oder ohne die geschredderten oder gesperrten Akten des Verfassungsschutzes: Jeder wusste, dass der Verdächtige im Mordfall Lübcke aktiver Nazi war  
    Die Kasseler Kneipe “Stadt Stockholm” war jahrelang Treffpunkt der Neonazi-Szene. Auch Stephen E., der mutmaßliche Mörder von Walter Lübcke, verkehrte hier – zum Ärger der Gastwirte. Das 17 Jahre alte Foto ihrer Gaststätte, das gerade deutschlandweit die Runde macht, würde Claudia Hauck am liebsten löschen lassen. Es zeigt ein Dutzend Rechtsextremer vor der Kneipe „Stadt Stockholm“ am Entenanger in der Kasseler Innenstadt. Gut zu erkennen auf dem Foto ist Stephan E., der am Samstag festgenommen wurde, weil er den Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet haben soll. Das Foto dokumentiert, wie sich Neonazis am 30. August 2002 für eine Auseinandersetzung mit linken Gegendemonstranten wappnen. Anlass war eine Wahlkampfveranstaltung der NPD. Dabei hält Stephan E. einen Stuhl als Wurfgeschoss in der Hand. Die anderen Rechtsextremisten haben sich mit Stöcken und Steinen bewaffnet. Hauck kann sich noch gut an Stephan E. erinnern, denn der Neonazi war nicht nur an diesem Tag mit seinen Kumpels im „Stadt Stockholm“ zu Gast. Die Gaststätte, die ihren Namen dem schwedischen König verdankt, der hier im 18. Jahrhundert übernachtet haben soll, galt jahrelang als Treffpunkt der rechten Szene. (…) Oft mittendrin: Stephan E., der auch in körperliche Auseinandersetzungen verwickelt war. Trotzdem war Hauck erstaunt, als sie am Montag erfuhr, dass der 45-Jährige verdächtigt wird, Walter Lübcke erschossen zu haben. Über die Tat wird auch an ihrer Theke geredet. „Wir haben noch einige Gäste, die den Stephan von früher kennen. Die sagen alle: Der war das nicht, zumindest nicht allein.“ Für Hauck ist Stephan E. nicht der Typ, der etwas organisieren kann: „Aufs Gymnasium hätte der nicht gehen können. Das war immer nur ein Mitläufer.“ Die Ansagen seien damals vor allem von Mike S. gekommen, der als einer der Köpfe der Kasseler Neonazi-Szene gilt…“ – aus dem Bericht „In dieser Kasseler Kneipe trafen sich Stephan E. und die Neonazis“ von Florian Hagemann, Ulrike Pflüger-Scherb und Matthias Lohr am 20. Juni 2019 in HNA online externer Link über Stadtgespräche in Kassel… Siehe weitere Aktualisierungen zum Fall:
    • „Die braunen Schläfer erwachen“ von Sascha Lobo am 19. Juni 2019 bei Spiegel online externer Link unterstreicht: „… In der niederländischen Studie steht, es komme auf “das breitere, radikale Milieu” an. Die im Raum stehende These möchte ich erweitern: Nicht nur das Milieu, sondern auch größere gesellschaftliche Stimmungen können auf rechtsextreme Attentäter ermutigend wirken. Die Manifeste des norwegischen Massenmörders von 2011 und des australischen Massenmörders von Christchurch 2019 deuten darauf hin.  In beiden Fällen wurde zunächst ein gesellschaftlicher Handlungsdruck imaginiert, der sich in einen persönlichen Handlungsdrang verwandelte, bevor der Entschluss zur Tat gefasst wurde. Bei beiden haben soziale Medien eine entscheidende Rolle gespielt. Der Norweger hat Passagen aus bekannten, rechtsextremen Blogs in sein Manifest eingebaut. Das ist die wahrscheinliche Verbindung zwischen der rechten Hetze in sozialen Medien und der Aktivierung von braunen Schläfern, der Tag der Abrechnung sei gekommen oder müsse mit einer aufrüttelnden Tat herbeigeführt werden: der Tag X. Der Massenmörder von Christchurch wollte ausdrücklich an diesem Tag provozieren. Genau in dieser Weise haben auch die kürzlich aufgedeckten, rechtsextremen Netzwerke in Bundeswehr und Polizei gearbeitet, die zehntausend Schuss Munition sammelten. Weil sie auf den einen Tag warteten, der die Geschichte Deutschlands verändern soll…“
    • „Schredder laufen wieder“ von Claudia Wangerin am 20. Juni 2019 in der jungen welt externer Link zur üblichen Verwaltungsarbeit beim VS unter anderem: „…Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat schon während der Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) eine obskure Rolle gespielt und einen Teil seiner Akten dazu für 120 Jahre sperren lassen – am Mittwoch äußerten Oppositionspolitiker auch im Mordfall Walter Lübcke einen Vertuschungsverdacht gegen das Amt. Angeblich gibt es im LfV keine Personalakte mehr über den mutmaßlichen Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten – dies berichtete am Mittwoch der Hessische Rundfunk. Der Landtagsabgeordnete Hermann Schaus (Die Linke) erinnert sich aber, dass dem NSU-Untersuchungsausschuss im Jahr 2015 Akten vorlagen, in denen sich »ein geheim eingestuftes Dokument mit relevanten Informationen« zu dem heute dringend tatverdächtigen Neonazi Stephan Ernst befand. Der Geheimdienst lasse medial verbreiten, dass Akten beim LfV fünf Jahre nach der letzten aktenkundigen Tätigkeit des Betroffenen aus Datenschutzgründen gelöscht werden müssten, so Schaus – das sei aber im Fall Ernst nicht korrekt. Schaus verwies auf das wegen der NSU-Ermittlungen 2012 erlassene Löschmoratorium für Akten, die die rechte Szene betreffen – und bekanntlich habe sich Ernst 2009 am Überfall auf eine DGB-Kundgebung in Dortmund beteiligt. Der heute 45jährige Ernst, dessen DNA an der Kleidung des Anfang Juni erschossenen Walter Lübcke gefunden wurde, war bereits 1993 wegen eines versuchten Rohrbombenanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft verurteilt worden…
    • „Aufgaben der Zivilgesellschaft“ von Sebastian Bähr am 20. Juni 2019 in neues deutschland online externer Linkkommentiert: „… Daraus ergeben sich Aufgaben: Die Zivilgesellschaft muss den Behörden im Fall Lübcke auf die Finger schauen und die Ermittlungen kritisch begleiten. Dies bedeutet, eine Versteifung der Ermittler auf eine Einzeltäter-These zu verhindern, für die Offenlegung der NSU-Akten einzutreten, Recherchen von Journalisten und Antifaschisten zu berücksichtigen. Es bedeutet auch, Bedrohte zu informieren, zu schützen und ihnen zuzuhören. Abseits der Ermittlungen ist ein gesellschaftliches Umdenken notwendig. Viele Bürger nehmen rechten Terror nicht ernst, weil sie bisher nicht zu seinen Opfern gehörten. Andere denken immer noch, dass es trotz rechter Anschläge legitim ist, auf Rechtsaußen mit Dialog- und Bündnisangeboten zuzugehen. Gerade aus dieser vermeintlichen Akzeptanz ziehen dabei militante Neonazis ihre Zuversicht…“
  • Die Täter von Kassel: Das nächste mörderische Netzwerk wurde übersehen – oder gefördert?  
    „… Auffallend ist, dass selbst dem Untersuchungsausschuss, der jahrelang die gewalttätige Kasseler Neonazi-Szene durchleuchtete, keine Informationen über den Anschlag in Hohenstein-Steckenrodt zur Verfügung gestellt worden waren, der von einem Neonazi begangen wurde, der spätestens seit Anfang der 2000er Jahre in Kassel wohnte. Die vergangenen Jahre soll Ernst in Süddeutschland gelebt haben. Erst vor kurzem sei er, so heißt es, wieder nach Kassel gezogen. Es deutet derzeit einiges darauf hin, dass Ernst zum Netzwerk «Combat 18» mindestens Kontakte unterhielt. Möglicherweise war er dort tiefer eingebunden. Eine zentrale Person des deutschen «Combat 18»-Ablegers ist der ehemalige Kasseler Stanley Röske, mit dem Ernst spätestens seit den frühen 2000er Jahren bekannt ist. Exif hat erst im Jahr 2018 seine Recherchen über dieses terroristisch ambitionierte neonazistische Netzwerk offen gelegt. Es ist offensichtlich, dass dieses Netzwerk von Spitzeln verschiedener Behörden und Geheimdienste durchsetzt ist und deswegen seit Jahren von den Behörden, allen voran vom Verfassungsschutz, klein geredet und „an der langen Leine“ laufen gelassen wird…“ – aus dem (laufend ergänzten) Beitrag „Tatverdächtiger im Fall Lübcke ist bekannter Neonazi“ am 17. Juni 2019 bei Exif-Recherche externer Link zum nächsten Einzeltäter… Siehe dazu eine kleine aktuelle Beitragssammlung:
    • „Mordfall Lübcke: Polizei liegen angeblich Hinweise auf weitere Täter vor“ von Ulrich Weih und Melanie Bäder am 18. Juni 2019 in der FR online externer Link meldete unter anderem: „… Bereits im Haftbefehl gegen Stephan E., den eine Richterin des Amtsgerichts Kassel am Samstag ausgestellt hatte, hieß es, es gebe “Hinweise auf Mittäter oder Mitwisser”. Bei der Durchsuchung der Wohnung von Stephan E. entdeckten die Ermittler demnach einen weiteren Autoschlüssel, der im CD-Fach eines Radios im Gäste-WC versteckt war. Dieser gehört zu einem Fahrzeug der Marke Skoda, das Stephan E. kurz vor der Tatnacht von einem Familienmitglied übernommen haben soll. Er habe das Auto für den Verwandten verkaufen sollen. Nach Angaben der Ehefrau von Stephan E. ist dies zwischen dem 2. und 4. Juni auch geschehen. Bis jetzt konnte dieses Auto nicht gefunden werden…“
    • „Erweiterte Toleranz für Rechtsterrorismus?“ von Tomasz Konicz am 18. Juni 2019 bei telepolis externer Link zu Herren wie Gauck in der aktuellen Entwicklung: „… Ganz viel, so wörtlich, “erweiterte Toleranz” gegenüber der Neuen deutschen Rechten forderte jüngst auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck. Man könne doch nicht eine ganze Partei zum “Feind erklären”, klagte das ehemalige Staatsoberhaupt der Bundesrepublik mit tolerantem Blick auf die AfD. Damit würde man nur die Anhängerschaft der Neuen Rechten “noch weiter in eine Trotzreaktion” treiben, so Gauck. Die aufschäumende rechte Gewalt geht somit einher mit Bemühungen, die Neue Rechte als eine neue Normalität des deutschen politischen Spektrums zu etablieren. Insbesondere am breiten rechten Rand der CDU, der sich seit 2017 in der sogenannten “Werteunion” formiert, scheinen diese Bemühungen forciert zu werden. Ziel scheint letztendlich die Normalisierung einer schwarz-Braunen Koalition zu sein. Dies hat ein unumstrittener Experte für die Normalisierung rechter Gewalt, der ehemalige Verfassungsschutzchef Maaßen, jüngst explizit öffentlich formuliert. In einem Interview wollte das prominente Mitglied der Werteunion eine Koalition der CDU mit der AfD nicht mehr ausschließen. (…) Im Licht dieser Auseinandersetzungen innerhalb der CDU, wo offensichtlich die Bereitschaft zu Schwarz-Braun zunimmt, scheinen die wütenden Angriffe der AfD auf Lübcke nicht nur ideologisch motiviert zu sein, da dieser “christliche Werte” über den völkischen Wahn der Neuen rechten stellte, sondern auch machtpolitisch. CDU-Politiker, die – im Gegensatz zu einem Herrn Gauck – ihre christlichen Werte ernst nehmen, stellen schlicht ein politisches Hindernis bei der von der AfD-Führung anvisierten Koalition mit der CDU dar. Dieses politische Kalkül, die Schwächung des gemäßigten Flügels des deutschen Konservatismus, motiviert die verbalen Attacken von AfD und Pegida auf die “Volksverräter” in der CDU – die nun von militanten Nazis buchstäblich exekutiert worden sind. Letztendlich handelte es sich bei dem Mord an Lübcke um einen rechten Terrorakt, der all jene Kräfte im deutschen Konservatismus einschüchtern soll, die Schwarz-Braun im Weg stehen. Lübcke war ein Hindernis auf dem Weg zu Schwarz-Braun, die Angst, die dieser Terrorakt in sein politisches Milieu hineinträgt, soll dazu beitragen, es zu paralysieren…“
    • „„Wir schießen den Weg frei“ – bereitet die AfD-Sprache den Boden für rechten Terror mit?“ von Katja Thoorwarth am 19. Juni 2019 in der FR online externer Link zu Zusammenwirken: „… Die Liste lässt sich beliebig lang fortsetzen, Youtube hat es bislang nicht für nötig befunden, hier moderierend einzugreifen. Auch die hessische AfD-nahe Politikerin Erika Steinbach hatte den Hass auf Lübcke neu angeheizt. „Zunächst sollten die Asylkritiker die CDU verlassen, bevor sie ihre Heimat aufgeben!“, tweetete sie im Februar dieses Jahres. Zahlreiche Reaktionen bezogen sich auf Walter Lübcke – „ Landesverrat. An die Wand mit dem. Hat ja direkt die Antwort bekommen…“ war neben einem Galgen eine der Reaktionen, die sich laut „t-online.de“ im Juni noch unkommentiert auf Facebook und Twitter fanden.  Weiteres prominentes Beispiel ist Akif Pirincci. Der türkische Autor, bekannt für seine rechten Hetztiraden, hatte 2015, kurz nach Lübckes Rede, von Politikern im Kontext der Flüchtlingspolitik als den „Gauleitern des eigenen Volkes“ gesprochen. Beispielhaft war für ihn Walter Lübcke: „Offenkundig scheint man bei der Macht die Angst und den Respekt vor dem Volk so restlos abgelegt zu haben, dass man ihm schulterzuckend die Ausreise empfehlen kann“, wird er aus einer „Pegida“-Rede zitiert.  Systematisch wurde in den letzten Jahren gegen einen Mann gehetzt, der aufgrund seiner humanitären Haltung nun wohl Opfer eines Neonazis wurde. Umso erstaunlicher, dass ein Kommentator der „Dresdner Neusten Nachrichten“ sich an „kaltblütige Anschläge der RAF“ erinnert fühlte.  Mittlerweile wurde die Überschrift um die NSU ergänzt, jedoch sei an dieser Stelle auf eine Statistik des Terrorismusexperten Daniel Köhler verwiesen, den der „Deutschlandfunk“ im März 2018 veröffentlichte: Seit 1971 geschahen in Deutschland 229 rechtsterroristische Morde, 123 Sprengstoffanschläge, 2173 Brandanschläge, 12 Entführungen und 174 bewaffnete Überfälle durch 92 rechtsterroristische Gruppen und Einzelpersonen…“
    • „Trauern um Walter Lübcke“ von Jagoda Marinic am 17. Juni 2019 in der taz online externer Link kommentiert: „… Man kann bei einem politischen Mord (und allem Anschein nach war es ein politischer Mord) nicht zwei Wochen für die öffentliche Trauer auf Stand by schalten, nur um keine falschen Debatten auszulösen. Vor allem wenn die Ursache für die falschen Debatten schon an sich untragbar ist: Drohungen, die Menschen über sich ergehen lassen müssen, wenn sie sich in diesem Land für Nächstenliebe und die Umsetzung des geltenden Asylrechts starkmachen. Die „Schonfrist“ für die öffentliche Aufarbeitung gilt meist insbesondere dann, wenn rechtsextreme Milieus nicht vorschnell beschuldigt werden sollen. Angeblich um die Spaltung der Gesellschaft nicht voranzutreiben. Demokratie kann sich Geduld dieser Art nicht leisten. Jeder politische Mord erfordert umgehend Parteinahme und Schutz, ganz gleich welche Motive noch zu ergründen sind. Als am 16. Juni 2016 die britische Politikerin Jo Cox ermordet wurde, gestattete sich Großbritannien zu trauern, auch wenn die Hintergründe noch offen waren. Ihr Mörder galt zunächst lediglich als psychisch gestört. Im Nachhinein wurden Verbindungen in die Neonaziszene bekannt…“
    • „»Direkte Linie« zum Mord“ von Claudia Wangerin am 19. Juni 2019 in der jungen Welt externer Link über einige Beweggründe der extrem seltsamen Haltung der CDU zum Mord an ihrem Mitglied: „… In der CDU sorgten die Erkenntnisse zum Mord an ihrem Parteimitglied Lübcke Anfang der Woche für fundamental unterschiedliche Reaktionen. Michael Brand, Mitglied im Innenausschuss des Bundestags, sagte am Dienstag im Deutschlandfunk, er sehe »eine direkte Linie von der grenzenlosen Hetze« von AfD-Politikern wie Björn Höcke »zu Gewalt und jetzt auch zu Mord«. Max Otte, Mitglied des rechtskonservativen CDU-Flügels »Werteunion« und Vorsitzender des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, hatte zunächst getwittert, der »Mainstream« habe jetzt »eine neue NSU-Affäre und kann hetzen. Es sieht so aus, dass der Mörder ein minderbemittelter Einzeltäter war, aber die Medien hetzen schon jetzt gegen die ›rechte Szene‹, was immer das ist«. Später löschte er den Eintrag und bezeichnete ihn als Fehler…
    • „Wie Lübcke zum Ziel rechter Hetze wurde“ von Zita Zengerling am 17. Juni 2019 in der SZ online externer Link zur Vorgeschichte des Mordes: „… Der getötete Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke war seit Jahren Opfer von Hetze und Drohungen. Der Hass gegen ihn ging vor allem von einer Aussage aus, die eigentlich ein Appell an christliche Werte sein sollte. Auf einer Bürgerversammlung im hessischen Lohfelden hatte Lübcke im Oktober 2015 über eine Erstaufnahme-Einrichtung für Geflüchtete gesprochen. Immer wieder war er dabei durch Zwischenrufe unterbrochen worden. Schließlich entgegnete Lübcke den Störern, dass er stolz auf das ehrenamtliche Engagement und das Vertreten christlicher Werte in der Flüchtlingshilfe sei: “Wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen”, sagte der Behördenleiter. Es folgte ein Raunen im Zuschauerraum, Pfiffe und Buhrufe, jemand rief, Lübcke solle verschwinden. Auch wenn es im Bericht der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) zu der Veranstaltung hieß, dass die Stimmung nicht kippte und die dem Flüchtlingsthema aufgeschlossenen Besucher in der Überzahl gewesen seien, wurde ein Video mit Lübckes Satz noch am selben Tag auf Youtube hochgeladen. Darunter sammelten sich Kommentare mit Beleidigungen, Rücktrittsforderungen und Todeswünschen: “So eine Drecksau!!”, schrieb ein User, ein anderer kommentierte “Aufhängen!”, und ein User, der sich “kein Nazi” nennt, schrieb: “Gott sei Dank war ich da nicht mit dabei, denn sonst würde ich jetzt wegen einer Straftat im Knast sitzen!“…“
    • „Der Mord an Walter Lübcke“ am 17. Juni 2019 bei der Antifa Pinneberg externer Link fasst zusammen: „… Seit Jahren wird von Rassit*innen und organisierten Faschis*innen aller Couleur gedroht und gehetzt, von Sarrazin (SPD), Palmer (Grüne), Maaßen (CDU), Erika Steinbach, „Identitätre Bewegung“, „Alternative für Deutschland“, „Pegida“, „NPD“ und“ Dritter Weg“. Ein Teil dieser Szene sieht sich spätestens seit 2015 im Krieg gegen die Regierung und gegen alle anderen Menschen die nicht in ihr Weltbild passen.  Die Antifa Bonn/Rhein-Sieg berichtet treffend nach dem Attentat auf Henriette Reker Oberbürgermeisterin von Köln durch Frank Steffen einem Nazi der in den 90er in der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) organisiert war.  „Die menschenverachtenden Täter der 90er Jahre wurden juristisch kaum verfolgt und ihre Taten wurden durch die Justiz als Taten von „verrückten Einzeltätern“ verklärt und entpolitisiert. Dass die Nazis der 1990er Jahre zu einem Teil immer noch das gleiche Gedankengut haben bemerken wir zum Beispiel bei dem Waffenhändler Ralf Tegethoff, der Mitorganisator des jährlich stattfindenden Naziaufmarsches in Remagen ist und Ausbilder der inzwischen verboten Kameradschaft Aktionsbüro Mittelrhein war. Der ehemalige Chefnazischläger Norbert Weidner ist heute in der rechtsextremen Burschenschaft der Raczeks zu Bonn aktiv…
  • Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten: Verdächtiger mit Nazi-Aktivitäten…  
    „… Im Fall des Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke verdichten sich die Hinweise, dass es sich um einen Anschlag mit politischem Hintergrund handeln könnte. Nach Angaben der Polizei wurde am Samstag ein 45 Jahre alter Mann unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Gegen ihn wurde mittlerweile Untersuchungshaft verhängt. Nach F.A.Z.-Informationen handelt es sich um eine Person, die früher in der rechtsextremistischen Szene aktiv war Geprüft wird derzeit, inwieweit der Mann dort jüngst noch aktiv war. Der Verdächtige soll über eine DNA-Spur identifiziert worden sein, die am Tatort gefunden wurde. Offenbar war der Mann einschlägig bekannt. Wie die Staatsanwaltschaft Kassel und das hessische Landeskriminalamt am Sonntag mitteilten, wurde der Verdächtige am frühen Samstagmorgen gegen zwei Uhr festgenommen. Nähere Informationen zu der Person machten sie zunächst nicht. Sie wollen sich an diesem Montag zu den möglichen Hintergründen der Tat äußern…“ – aus dem Artikel „Dringender Tatverdacht gegen Rechtsextremisten im Mordfall Lübcke“ von Katharina Iskandar am 16. Juni 2019 im FAZ.net externer Link, worin auch noch die Möglichkeit einer „längeren Liste“ potenzieller Mordopfer Thema ist.
  • „Walter Lübcke: AfD Kreisverband verhöhnt getöteten Regierungspräsidenten“ von Katja Thorwarth am 04. Juni 2019 in der FR online externer Link hebt dazu hervor: „… Die AfD Kreis Dithmarschen nahm den Tod des Politikers zum Anlass, um zu demonstrieren, wes Geistes Kind sie ist: „Mord???? Er wollte nicht mit dem Fallschirm springen…“ hieß es auf Facebook – mit einem einigermaßen unzweideutigen Verweis auf den Suizid von Jürgen Möllemann 2003. Verantwortlich für die Seite zeichnet laut Impressum Mario Reschke.  Der ruderte Stunden später zurück, ein jeder solle „… Halbsätze selbst zu Ende denken…“ entsprechend sei jeder „auch für seine Gedanken selbst verantwortlich“. Häme oder Spott wies er weit von sich.  Reschke, der seit 1. April 2017 den Vorsitz des AfD-Kreisverbandes stellt, ist in der rechten Szene kein Unbekannter. Er soll der Reichsbürgerbewegung nahe stehen, dass er ein Waffennarr zu sein scheint, legt ein einschlägiges Bild von ihm auf der mittlerweile stillgelegten Facebookseite Ma Reschke nahe. Dort posierte er öffentlich sichtbar mit geschwellter Brust und einer Maschinenpistole. Ebenso archiviert sind antisemitische Posts und Verschwörungstheorien…“
  • „Fall Lübcke: Sanitäter soll Tatort verändert haben“ bis zum 05. Juni 2019 in der FR online externer Link ist eine Chronologie zu dem Mord, in der es unter anderem heißt: „… Im Rahmen der Ermittlungen prüft die Staatsanwaltschaft Kassel auch die Hasskommentare im Netz, in denen Rechtsextreme den getöteten Regierungspräsidenten, der sich mit seiner Haltung gegenüber Flüchtlingen im rechten Lager viele Feinde gemacht hat, verhöhnen. Die Ermittler prüfen jeden einzelnen Kommentar auf „strafrechtliche Relevanz“, so Thöne. Beleidigung, Störung des öffentlichen Friedens und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten kämen als Delikte in Betracht. (…) Auch nach Lübckes Tod kommt es noch zu geschmacklosen Kommentaren und Verhöhnungen im Netz von einschlägiger Seite. Rechtsextreme zeigen offene Freude über die Tat. In den sozialen Medien finden sich zahlreiche Grenzüberschreitungen: “Die Drecksau hat den Gnadenschuss bekommen! RESPEKT!”, schreibt etwa ein “Franz Brandwein” auf YouTube. Auf Facebook kommentiert ein Nutzer “Selbst schuld, kein Mitleid, so wird es Merkel und den anderen auch ergehen“…“

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