Dossier
„… In der Garage von Marko G. in dem kleinen Örtchen Banzkow, südlich von Schwerin, stehen Wasserkanister; dort steht aber auch Schnaps. Als Tauschmittel, so hat er es einmal einem Fernsehteam des NDR gesagt. Für den Fall, dass das Währungssystem zusammenbricht. Marko G., grauer Dreitagebart, AfD-Mitglied und langjähriger Polizist beim Spezialeinsatzkommando des Landeskriminalamts (LKA) Mecklenburg-Vorpommern, verbringt seine Freizeit damit, sich für düstere Szenarien zu wappnen. Er tut das gemeinsam auch mit anderen Polizisten und Soldaten, vor allem aus Eliteeinheiten. Anfang 2016 setzte Marko G. dafür im Messengerdienst Telegram die geschlossene Chatgruppe “Nordkreuz” auf. Er war derjenige, der dort die meisten Nachrichten verschickte, hat ein Insider dem Bundeskriminalamt verraten. Er war angeblich auch derjenige, der sich um “das Organisatorische” gekümmert habe in der Gruppe, um gemeinsame Ausflüge, auf Schießstände zum Beispiel oder auf Waffenmessen. Und er, Marko G., war auch einer derjenigen, die gegenüber misstrauischen Polizei-Vorgesetzten und Staatsschützern stets betonten: Das sei alles nur ein Spaß. “Preppen”, vom englischen to prepare, also vorbereiten für den Katastrophenfall – das sei ein Hobby, sagte Marko G. Auch Polizisten dürfen Hobbys haben. Nun sind bei Marko G. etwa 10 000 Schuss Munition gefunden worden, heimlich soll er sie gemeinsam mit drei Polizeikollegen jahrelang aus Beständen des LKA abgezweigt haben. Einer der mutmaßlichen Komplizen ist noch im aktiven Dienst beim Spezialeinsatzkommando, zwei weitere sind noch bei der Polizei. Seit April 2012, so vermuten die Ermittler, entwendeten sie die Kugeln…“ aus dem Beitrag „Vorbereitet auf “Tag X”““ von Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke am 13. Juni 2019 bei der SZ online , worin auch über die diversen Ausreden der Entdeckten berichtet wird… Siehe zu den jüngsten wohlausgerüsteten Einzelfällen rechtsradikaler Gewaltplaner in Uniform weitere aktuelle Beträge:
- Die Munition, die vom SEK an die Nazis ging: Kam vom SEK. Und der Bundeswehr? Und anderen Länderpolizei-Einheiten? Und vom LKA? Und…
„… Die Spur führt zur Truppe: Die verdächtigen Polizisten im Skandal um das Spezialeinsatzkommando (SEK) waren zuvor teils Angehörige von Eliteeinheiten der Bundeswehr. Nach Informationen des Nordkurier sind darunter zwei ehemalige Fallschirmjäger und ein Ex-Soldat der besonders exklusiven Fernspähkompanie. Bei dem Fernspäher handelt es sich nach Angaben aus Sicherheitskreisen um Marko G., an den drei andere SEK-Polizisten seit dem Jahr 2012 aus Landesbeständen gestohlene Munition weitergegeben haben sollen. Der Mann wird verdächtigt, Verbindungen zur mutmaßlich rechtsextremen Prepper-Gruppierung „Nordkreuz“ zu haben. (…) Die Munition ist möglicherweise zum Teil bei Schießübungen von SEK-Einheiten aus ganz Deutschland in Güstrow gestohlen worden. Andere Patronen könnten somit aus Beständen der Bundeswehr oder anderer Landespolizeien stammen, ein kleinerer Teil aus denen des Landeskriminalamtes MV. Sollte sich das erhärten, steht der Verdacht eines bundesweit agierenden Netzwerkes rechtsextremer Sicherheitskräfte im Raum, die einen Umsturz vorbereiten…“ – aus dem Beitrag „Ermittlungen führen in die Bundeswehr“ von Uwe Reißenweber am 25. Juni 2019 im Nordkurier online , der völlig zu Recht zur Schlussfolgerung kommt, es müsse untersucht werden, ob es sich um ein bundesweites Netzwerk in allen bewaffneten Einheiten des Staatsapparates handele…
- „Das Nordkreuz-Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern“ am 10. Juni 2019 im Antifa-Infoblatt befasst sich – unter vielem lesenswertem anderen – mit der „Vorsorge-Ausrede“: „… Einer der Beschuldigten ist der Rostocker Anwalt Jan Hendrik Hammer. Der ehemalige NVA-Kampfschwimmer soll Ordner mit Namen, Adressen und Fotos von Linken angelegt haben, die es am „Tag X“ zu töten gelte. Wer ins Fadenkreuz genommen wurde ist noch unklar, doch auch Mitglieder der Rostocker Bürgerschaft sollen betroffen sein. Hammer ist dort stellvertretender Vorsitzender für die Fraktion „Unabhängige für Rostock“ (UFR). Im Parlament der Hansestadt traf er regelmäßig auf Holger Arppe, damaliges AfD-Mitglied sowie Kommunal- und Landtagsabgeordneter, und baute eine Nähe zu ihm auf. Arppe geriet regelrecht ins Schwärmen, als er seinen Parteifreunden über H. berichtete: „Der Typ würde perfekt in unsere Reihen passen. Er hasst die Linken, hat einen gut gefüllten Waffenschrank in der Garage […].“ Während Arppe wegen gewaltverherrlichender und kinderpornografischer Chats auf Beschluss der Bürgerschaft aus allen Ausschüssen ausgeschlossen wurde, entschieden sich die Stadtvertreter_innen gegen eine Abwahl des Terrorverdächtigen. Bereits im Juni 2015 stilisierte er sich zum zentralen Agitator gegen einen geplanten Bauwagenplatz in Rostock Alt-Barteldorf. In einem Rundschreiben an Anwohner_innen signalisiert Hammer, dass er als Mitglied der Bürgerschaft über einen vorteilhaften Wissensvorsprung verfüge und zu Interventionsmöglichkeiten Auskunft geben könne. Der privilegierte Zugang zu Informationen erfährt beim zweiten Tatverdächtigen eine gesteigerte Brisanz. So steht der schwerwiegende Verdacht im Raum, dass der Kriminaloberkommissar Haik J. seinen Dienstrechner in der Polizeiinspektion Ludwigslust nutzte, um die Meldeadressen politischer Aktivist_innen auszuforschen. Diese hätten später verwendet werden sollen, um die Personen unter einem Vorwand von zu Hause abzuholen, bevor sie schließlich an einem unbekannten Ort verschleppt werden, um sie dort zu töten. Inwieweit Haik J. weiterhin Zugang zu diesen Daten haben wird, ist unklar…“
- „Nach SEK-Festnahmen: Caffier informiert Innenausschuss“ von Stefan Ludmann am 13. Juni 2019 beim NDR zu den Reaktionen des Innenministers: „… Laut Staatsanwaltschaft hat sich in den vergangenen Monaten eine siebenköpfige Sonderkommission im LKA mit den Ermittlungen beschäftigt. Die Gruppe sei wegen des “sensiblen Umgangs mit dem Gegenstand des Verfahrens” – der Ermittlung gegen Kollegen – abgeschottet worden. Um die Arbeit nicht zu gefährden und um Behördenlecks auszuschließen, sind auch Polizeidienststellen anderer Bundesländer einbezogen worden. Ein Haftrichter entscheidet, ob die Männer – drei aktive Polizisten und ein Ehemaliger – in Untersuchungshaft kommen. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) hat vier Stunden nach Bekanntgabe der Festnahme Konsequenzen angekündigt. In einem vor seinem Ministerium verlesenen Statement sagte er, er werde überprüfen, ob das SEK umstrukturiert werden müsse, “um jeglichen Anschein und Unterstellungen einer Verstrickung auszuräumen.” Der Innenminister betonte, dass eigene Ermittlungen des LKA zu den Festnahmen geführt hätten. Über die Vorwürfe gegen die insgesamt vier Beamten sei er fassungslos und zutiefst erschüttert. Immerhin würden SEK-Beamte ein besonderes Vertrauen genießen, weil sie oft ihr Leben und ihre Gesundheit “für unsere Sicherheit riskieren müssen”. Der Innenminister sagte, die Beamten seien suspendiert. Ziel sei es, sie aus dem Dienst zu entfernen. Er werde solch ein Verhalten nicht dulden. Nachfragen ließ Caffier auch mit Blick auf die Ermittlungen nicht zu, er will morgen den Innenausschuss des Landtags informieren…“
- „Brauner Behördensumpf im Norden“ von Sebastian Bähr am 13. Juni 2019 in neues deutschland online zu weiteren Aktivitäten des Ministers: „… Für Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) ist das noch nicht alles: Am Mittwoch hatten Beamte auch einen Schießplatz durchsucht, auf dem das LKA jährlich ein Training für Spezialeinheiten der Polizei und der Bundeswehr organisierte. Caffier war hier regelmäßig Gast. Nach Recherchen des »Spiegel« war der Betreiber des Platzes auch zeitweise in der Gruppe »Nordkreuz« aktiv. In den Ermittlungen werde er zwar nur als Zeuge geführt, dennoch habe das LKA nun die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Am Donnerstag musste Caffier den Innenausschuss des Landtags über die jüngsten Festnahmen und Ermittlungen informieren. Der innenpolitische Sprecher der LINKEN, Peter Ritter, reagierte fassungslos und enttäuscht auf die Erläuterungen. »Vor allem darüber, dass man nicht erkennt oder erkennen will, dass es Mängel und Versagen bei Führung und Kontrolle gab«, so der Abgeordnete. Der justizpolitische Sprecher des Koalitionspartners SPD, Dirk Friedriszik, forderte eine unabhängige Kommission, um die Hintergründe der Fälle zu klären und rechte Netzwerke innerhalb der Landespolizei aufzudecken. »Dass eine interne Überprüfung der Strukturen zum Erfolg führt, kann ich mir nicht vorstellen – zu sehr erinnert das an den Fuchs, der den Hühnerstall reparieren soll.«…“
- „Bereit zum Exekutieren“ von Susan Bonath am 14. Juni 2019 in der jungen welt unter anderem zur genauen Vorgeschichte der jetzt ausgeweiteten Ermittlungen: „… Denn Marko G. und ein weiterer jetzt Beschuldigter waren bereits vor zwei Jahren ins Visier der Bundesanwaltschaft geraten. Die hatte seit dem Auffliegen von Franco A., der getarnt als Syrer mit weiteren Personen Terroranschläge geplant hatte, innerhalb der Prepperszene ermittelt. 2017 und 2018 gab es deshalb auch in Mecklenburg-Vorpommern Durchsuchungen. Dabei seien bei G. bereits »Waffen und Munition in einem erheblichen Umfang gefunden« worden, zu deren Besitz er teilweise nicht berechtigt gewesen sei, informierte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Laut NDR-Recherchen war damals auch eine Todesliste aufgetaucht. Zwei der damals Beschuldigten – ein Anwalt und ein weiterer Polizist, der auch in einem AfD-Gremium saß – hätten darauf Hunderte Namen von Politikern und Aktivisten mit flüchtlingsfreundlichen Einstellungen erfasst, um sie am »Tag X« zu liquidieren. G. war Initiator der ultrarechten Chatgruppe »Nordkreuz«. Ihn und den zweiten nunmehr Beschuldigten führten die Ermittler bislang aber nur als Zeugen. »Seit nahezu zwei Jahren versuchen wir im politischen Raum, Aufklärung in Sachen Prepperszene und dem rechten ›Nordkreuz‹-Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern zu erlangen«, blickte Peter Ritter zurück. Passiert sei so gut wie nichts. »Noch vor einer Woche habe ich gegenüber dem Innenministerium um die Vorlage des Berichts der sogenannten Prepperkommission gebeten«, so Ritter. Das Ergebnis seien »Absagen, Ausreden und Verweise auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen«. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass die Beamten mindestens seit 2012 derart kriminell unterwegs waren, mahnte er. Und dass es überhaupt zu Ermittlungen in diesen Fällen kam, sei »nicht auf polizeiliche Aufklärung zurückzuführen, sondern einer aufmerksamen Angestellten am Wiener Flughafen zu verdanken«. Ritter spielte damit auf den Fall Franco A. an – der Oberleutnant hatte auf einer Toilette des Airports eine illegal beschaffte Pistole versteckt…“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen