Donnerstag, 27. Juni 2019

[“Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts”] Noch mehr Staatstrojaner: Verfassungsschutz soll hacken dürfen


Dossier

Hausdurchsuchung der Redaktion und des Vorstandes von LabourNet Germany in Bochum am 05. Juli 2005… Wer dachte, die enorme Ausweitung der Befugnisse bei Staatstrojanern in der letzten Legislaturperiode sei schon das Ende der Fahnenstange, der wird nun von den neuen Plänen der schwarz-schwarz-roten Koalition zu noch mehr staatlichem Hacken überrascht. Unter der Ägide von Heimatminister Horst Seehofer (CSU) soll nun auch Geheimdiensten die Nutzung von Staatstrojanern erlaubt werden. Diesmal geht es nicht nur um die kastrierte Variante der Schadsoftware, die heimlich auf Geräten eingeschleust wird und dann ausschließlich laufende Gespräche mithören darf, sondern um die sogenannte „Online-Durchsuchung“. Dabei handelt es sich um eine Spionagesoftware, die den gesamten Inhalt von Festplatten von Computern, Smartphones und anderen informationstechnischen Geräten durchsuchen und ausleiten kann. (…) Wir dürfen gespannt sein, ob sich der Koalitionspartner SPD nun dem Wunsch des Heimatministeriums nach geheimdienstlichen Trojanern anschließen wird. Vielleicht können die Sozialdemokraten die Christenunion an das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme erinnern.” Beitrag von Constanze Kurz vom 1. August 2018 bei Netzpolitik externer Link. Siehe dazu auch “Das Innenministerium reagiert auf die demokratische Forderung nach Auflösung des Verfassungsschutzes: Mit einem Ausbauplan – bis ins Kinderzimmer. Und steht dank Brandenburg damit nicht alleine…” und hier:
  • Redaktionsgeheimnis in Gefahr / Innenministerium will Überwachung von Medien erlauben  
    Reporter ohne Grenzen (ROG) warnt vor Plänen des Bundesinnenministeriums, wonach deutsche Geheimdienste Medien im In- und Ausland künftig digital ausspionieren könnten. Einem Referentenentwurf zufolge sollen deutsche Inlands- und Auslandsgeheimdienste Server, Computer und Smartphones von Verlagen, Rundfunksendern sowie freiberuflichen Journalistinnen und Journalisten hacken dürfen. Sie sollen dabei verschlüsselte Kommunikation abfangen oder verdeckt nach digitalen Daten suchen können. Damit würde eine der Säulen der Pressefreiheit in Deutschland, das Redaktionsgeheimnis, fallen: Während es verboten bliebe, mit einer Redaktionsdurchsuchung die Identität journalistischer Quellen zu erlangen, könnte dies mit einer Online-Durchsuchung digital umgangen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass laut Entwurf das Innenministerium das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei deutlich aufweichen will, sodass die Strafverfolgung von Medienschaffenden erleichtert würde. (…) Hintergrund ist ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums für ein „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts“. Reporter ohne Grenzen hat eine ausführliche Stellungnahme zu allen Kritikpunkten externer Link  inklusive Vorschlägen zur Verbesserung erstellt. In einer konsolidierten Version der drei maßgeblichen Geheimdienstgesetze externer Link  mit allen geplanten Änderungen können die BMI-Pläne detailliert analysiert werden. Grundlage ist ein Leak des Referentenentwurfs bei netzpolitik.org externer Link. Jüngsten Medienberichten zufolge sind die Pläne innerhalb der Großen Koalition hoch umstritten externer Link und werden derzeit vom SPD-geführten Bundesjustizministerium blockiert...” ROG-Pressemitteilung vom 29.05.2019 externer Link, siehe dazu:
    • Journalisten im Visier der Geheimdienste: Der Spion in der Redaktion New 
      “Die deutschen Geheimdienste sollen künftig Computer und Handys von Journalisten hacken dürfen. Ein Kernelement der Pressefreiheit ist damit in Gefahr: das Redaktionsgeheimnis.  Chats mitlesen, E-Mails durchsuchen oder Telefongespräche abhören – spezielle Programme, sogenannte Trojaner, ermöglichen es, die Kommunikation einzelner Personen gezielt zu überwachen und auszuwerten. Auch Journalistinnen und Journalisten sollen nun das Ziel von staatlichen Trojanern werden. Die Polizei darf diese in Deutschland bereits einsetzen. Im Rahmen der neuen Polizeiaufgabengesetze der Länder kann sie das zum Teil sogar schon präventiv tun. Mit einem neuen Gesetz will nun das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer (CSU) weiteren Organen das Recht auszuspähen einräumen: Künftig sollen auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Bundesnachrichtendienst (BND) Personen mit technischen Mitteln überwachen dürfen. Der Verfassungsschutz soll gemäß dem Gesetzentwurf »Harmonisierung des Verfassungsschutzrechts« das Recht zur Online-Durchsuchung von Computern erhalten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) befürchtet, dass damit ein Kernelement der Pressefreiheit, nämlich das Redaktionsgeheimnis, wegfallen würde. Während es verboten bliebe, mit einer Redaktionsdurchsuchung die Identität journalistischer Quellen zu erfahren, könnte dies mit einer Online-Durchsuchung digital ­erreicht werden. (…) »Der Verfassungsschutz hat kein Betretungsrecht für Wohnungen oder Redaktionsräume. Das neue Gesetz möchte das umgehen, indem es Durchsuchungen eben virtuell ermöglicht«, sagt auch Martina Renner von der Linkspartei der Jungle World. (…) Gerade wenn es um Transparenz und Kontrolle geht, sieht Renner Probleme: »Das neue Gesetz sieht vor, dass die sogenannte G-10-Kommission prüfen soll, ob durchsucht wird. Im Ergebnis gibt es also keine richterliche Überprüfung der Maßnahme, sondern eine im Nachhinein nicht mehr nachvollziehbare Entscheidung eines geheim ­tagenden Gremiums. Die geheimdienstliche Kontrolle funktioniert nicht, weil in der Kommission Abgeordnete aufgrund einer Tischvorlage die Wünsche der Geheimdienste mehrheitlich abnicken.« Renners Anfrage, ob die deutschen Geheimdienste Geräte wie den digitalen Sprachassistenten »Alexa« als Abhörvorrichtung verwenden können, beantwortete die Bundesregierung unter Verweis auf das »Staatswohl« nicht. Auch als Verschlusssache könnten die Informationen nicht herausgegeben werden, hieß es. Es bestehe die Gefahr, dass die Nachrichtendienste die Fähigkeit zur Nutzung der Abhörmöglichkeit verlieren, wenn diese bekannt würden…” Artikel von Julia Hoffmann vom 20. Juni 2019 aus der Jungle World 2019/25 externer Link
    • Schein-Dementi und Nebelkerzen von Seehofer“Bundesinnenminister Horst Seehofer und sein Ministerium versuchen offensichtlich, mit Schein-Dementis die Debatte über ihren Angriff auf das Redaktionsgeheimnis zu beenden. (…)  Seehofer hatte gegenüber der BILD erklärt, Terrorismus und Extremismus bekämpfen zu wollen, nicht aber Medien oder Journalisten. Diese Versprechungen Seehofers sind rhetorisch geschickt, räumen die zentrale Kritik an der Aufweichung des Redaktionsgeheimnisses jedoch nicht aus. (…) Horst Seehofer selbst sagte, dass Journalisten bei der Geheimdienstrecht-Novelle weiterhin „besonders“ geschützt würden. Er vermied jedoch die Aussage, dass der Schutz „absolut“ sein solle, wie bei anderen Berufsgruppen. Außerdem würden laut Seehofer lediglich Regelungen aus dem BKA-Gesetz übernommen. Hier vergleicht der Innenminister Äpfel mit Birnen, weil die Strafverfolgung in Deutschland durch das Trennungsgebot von den Geheimdiensten getrennt ist. Regelungen lassen sich daher nicht 1:1 übertragen. Noch schwerwiegender jedoch: Im BKA-Gesetz steht eindeutig, dass die Online-Durchsuchung von einem Richter genehmigt werden muss. Ein solcher Richtervorbehalt fehlt in Seehofers Novelle. Stattdessen soll die sogenannte G10-Kommission zustimmen: Ein geheim tagendes Gremium, besetzt mit vier ehrenamtlich arbeiten Personen, die sich alle paar Wochen treffen und zuständig sind für die Kontrolle tausender Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland. Ihre Entscheidungen werden nie öffentlich, der Rechtsweg dagegen ist de facto ausgeschlossen. Medien würden in der Praxis nie mitbekommen, wenn ihre Geräte gehackt worden sind. Die Verunsicherung, dass es passieren kann, ist für Medien und ihre Quellen mindestens genauso schlimm wie das Wissen darum, dass es passiert…” Stellungnahme vom 2. Juni 2019 von und bei Reporter ohne Grenzen externer Link
    • Pläne des Innenministeriums zur Einschränkung der Pressefreiheit müssen komplett verworfen werden
      Mit scharfer Kritik reagiert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf Pläne des Bundesinnenministeriums, Geheimdiensten künftig sehr viel einfacher das digitale Ausspähen von Redaktionen zu ermöglichen. „Das Vorhaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer sägt an einem Grundpfeiler der Pressefreiheit, dem Schutz von Journalistinnen und Journalisten als Berufsgeheimnisträgern. Die Pläne gehören sofort vollständig ad acta gelegt. Wenn Redaktionen ohne überhaupt nennenswerte Hürden digital ausgespäht werden dürften, wird damit der Quellenschutz ausgehöhlt. Aber ohne Quellenschutz ist keine kritische Berichterstattung möglich, die Missstände aufdeckt und damit einen unerlässlichen Beitrag zum Erhalt von Recht und Demokratie leistet“, sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke…” Pressemitteilung der dju vom 31.05.2019 externer Link
    • Pressefreiheit: Innenministerium will Überwachung von Medien erlauben
      “… Einem Bericht der Organisation Reporter ohne Grenzen zufolge bestehen im Bundesinnenministerium unter der Leitung von Horst Seehofer (CSU) Pläne, die die Überwachung von Medienhäusern, Verlagen, Rundfunkanstalten und freien Journalistinnen und Reportern möglich machen könnten. Ein Referentenentwurf des Innenministeriums will die Befugnisse von Geheimdiensten ausweiten: Damit sei es In- und Auslandsgeheimdiensten auch erlaubt, die Server, Computer und Smartphones von Journalisten zu hacken. Mithilfe bestimmter Software könnten die Geheimdienste zum Beispiel verschlüsselte Kommunikation einsehen oder die Server verdeckt nach digitalen Daten durchsuchen; gespeicherte Dokumente, Browserverläufe, Gesprächsmitschnitte wären somit zugänglich. Der Einsatz sogenannter Staatstrojaner ist seit 2017 grundsätzlich erlaubt, die Verwendung gegen Medien ist davon aber explizit ausgenommen – so soll das Redaktionsgeheimnis auch digital gewahrt werden. Mit den Plänen des Bundesinnenministeriums könnte sich das ändern: Wenn die Geheimdienste ihr Interesse an den zu erlangenden Informationen als schwerwiegender einschätzten als den möglichen Schaden für die Pressefreiheit, werde die digitale Durchsuchung gestattet, schreibt Reporter ohne Grenzen. Mit derartigen Onlinedurchsuchungen ließe sich beispielsweise die Identität von journalistischen Quellen feststellen. Auch für die Überwachung verschlüsselter Kommunikation zwischen Medienschaffenden und Quellen würde der Gesetzesentwurf den Weg ebnen: Auf richterliche Anordnung hin wären Messenger-Dienste gezwungen, die Kommunikation ihrer Kunden den Behörden in lesbarer, also unverschlüsselter Form zur Verfügung zu stellen. Zudem solle erlaubt werden, Buchungsdaten von Recherchereisen mit Bahn oder Mietwagen abzufragen…” Meldung vom 29. Mai 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Geheimdienste: Die Polizeiarbeit wandert ins Dunkle ab  
    Polizei und Verfassungsschutz gehören strikt getrennt. Doch längst ist aus der Mauer zwischen den Diensten ein niedlicher Gartenzaun geworden. (…) Die strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdiensten, die den Deutschen da von außen verschrieben wurde, hat ihren guten Grund. Geheimdienst und geheimdienstliche Methoden – das bedeutet immer: Der Betroffene erfährt nicht, ob und wie der Staat gegen ihn vorgeht, er kann sich nicht wehren. Aber kaum ein Versprechen ist dann so gründlich missachtet worden wie dieses. Von dem einstigen Trennungsgebot ist heute, kurz vor seinem siebzigsten Geburtstag am 14. April, nicht viel übrig. Es ist schon seit Jahren aufgeweicht, verschiedene Regierungen haben es kleingeredet. Aus einer verfassungsrechtlichen Firewall ist ein putziger Gartenzaun geworden, über den die Sicherheitsbehörden jederzeit locker hinübersteigen oder Dinge hinüberreichen können. So wie im Gemeinsamen Terrorismus-Abwehrzentrum von Polizisten und Geheimen, wo sie seit 2004 zusammensitzen, an denselben Fällen derselben gefährlichen Extremisten arbeiten und sich eng abstimmen. Wenn nun der Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) seinen Plan für eine “Harmonisierung” der deutschen Sicherheitsarchitektur bewirbt, mit neuen Befugnissen vor allem für den Inlandsgeheimdienst, den Verfassungsschutz, dann treibt er dies weiter voran. Der Verfassungsschutz soll, so Seehofers Plan, selber konkrete Straftaten aufspüren und verhindern. Das ist bislang die Kernaufgabe der Polizei. Sogar die Auslandsspione vom Bundesnachrichtendienst sollen stärker ins Spiel kommen. Sie sollen der Polizei beim Hacken der Handys von deutschen Straftatverdächtigen assistieren...” Kommentar von Ronen Steinke vom 5. April 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • [Netzpolitik] Wir veröffentlichen den Gesetzentwurf: Seehofer will Staatstrojaner für den Verfassungsschutz  
    Der Verfassungsschutz soll neue Befugnisse bekommen und unter anderem Staatstrojaner einsetzen dürfen. Das steht in einem Gesetzentwurf des Innenministeriums, den wir veröffentlichen. Justizministerin Barley lehnt den Entwurf komplett ab und verlangt einen neuen Vorschlag von Innenminister Seehofer. IT-Geräte hacken und mit Trojanern infizieren: Das ist die intensivste Überwachungsmethode im Arsenal der Sicherheitsbehörden. Eingeführt wurde das staatliche Hacken, um internationalem Terrorismus zu verhindern. Seit zwei Jahren externer Link darf die Polizei damit Alltagskriminalität verfolgen. Noch während Verfassungsbeschwerden gegen diese Ausweitung laufen externer Link, legt Innenminister Seehofer nach und will Staatstrojaner auch für die Geheimdienste Verfassungsschutz und BND erlauben. Wir veröffentlichen den vollständigen Gesetzentwurf des Innenministeriums externer Link. Demnach soll dem Inlands- und Auslandsgeheimdienst der „Eingriff in informationstechnische Systeme“ erlaubt werden. Dadurch dürften die Geheimdienste Geräte wie Computer und Smartphones hacken, aber auch in andere Geräte im „Internet der Dinge“ eindringen – sogar Autos…” Beitrag von Andre Meister und Anna Biselli vom 28.03.2019 bei Netzpolitik externer Link
  • Gegen Terrorverdächtige: Verfassungsschutz soll Erlaubnis für Online-Durchsuchung erhalten  
    Hinweise auf islamistische Terrorverdächtige erhält der Verfassungsschutz oft zuerst von ausländischen Nachrichtendiensten. Das soll sich ändern. Ein Entwurf aus dem Innenministerium sorgt aber schon vor der Verabschiedung im Kabinett für Aufregung. Der Verfassungsschutz soll mutmaßliche Extremisten nach dem Willen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) künftig noch besser ausspähen können. Einen Entwurf für ein Gesetz zur „Modernisierung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV)“ leitete sein Ministerium in der vergangenen Woche an die anderen Ressorts der Bundesregierung mit der Bitte um Stellungnahme weiter. Nach den Vorstellungen des Innenministeriums sollen die Mitarbeiter des Bundesamtes eine Lizenz zum Hacken bekommen. Konkret geht es um die Erlaubnis für „Online-Durchsuchungen“…” dpa-Meldung vom 15.3.2019 bei der FAZ online externer Link

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