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- »Reichsbürger« in Brandenburg
Nicht außerhalb des Rechts
Laut dem jüngst vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2018 des Landes ist die Anzahl so genannter Reichsbürger und Selbstverwalter in Brandenburg im vergangenen Jahr um 90 auf 650 angestiegen. Dabei sind aber keineswegs alle erfasst, die sich derart geben und einschlägige Verhaltensweisen oder Meinungen offenbaren, sondern nur die »verfassungsschutzrelevanten« Personen, wie im Bericht festgehalten ist. Er trägt den Zusatz: »Der starke Aufwuchs der letzten Jahre flacht zunehmend ab.«
Zum behördlichen Umgang mit diesen Personen machte der Tätigkeitsbericht der Datenschutzbehörde bereits Ende vergangenen Jahres Aussagen. Denn keineswegs in allen Fällen dürfen Behörden die personenbezogenen Angaben über sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter an die Polizei übermitteln. Wenn solche Personen nicht mehr als eine allgemeine Missachtung der bestehenden Rechtsordnung zum Ausdruck bringen, sind sie davor geschützt.
In den vergangenen Jahren haben die »Reichsbürger« immer wieder von sich reden gemacht. Sie bestreiten, dass die Bundesrepublik Deutschland ein rechtmäßiger Staat sei, und widersetzen sich vielfach behördlichen Anordnungen. Dabei gehen die verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen unterschiedlich und mit unterschiedlicher Intensität vor. Bekannt geworden sind Fälle, in denen Anhänger dieser Bewegung die Zahlung von Steuern, Bußgeldern oder Gebühren verweigern, die Tätigkeit von Gerichten und Behörden behindern oder deren Mitarbeiter bedrohen. Andere nutzen selbst gewählte Titel und Berufsbezeichnungen, maßen sich Hoheitsgewalt an, verweigern die Vorlage von Personaldokumenten zur Identifikation, sprechen gar »Grundstücksbetretungsverbote« aus. Mitunter wurden Reichsbürger auch gewalttätig - bis hin zum Einsatz von Schusswaffen.
Der Verfassungsschutz Brandenburgs stuft Teile der Reichsbürgerbewegung als rechtsextremistisch ein und beobachtet sie. Andere Personen, die sich diesem Spektrum zuordnen, distanzieren sich von der Bundesrepublik und seiner Rechtsordnung lediglich verbal oder durch provokatives, nervendes Verhalten.
Laut Datenschutzbericht erscheint es naheliegend, dass Polizei wie auch Verfassungsschutz Erkundigungen bei Behörden einholen. In einigen Kommunen seien Schreiben beider Behörden eingegangen, »in denen in sehr allgemeiner Form gebeten wurde, über alle Sachverhalte zu informieren, bei denen Mitarbeiter verbalen oder körperlichen Angriffen von ›Reichsbürgern‹ ausgesetzt waren«. Einige Kommunen hatten danach den Datenschutz eingeschaltet und gefragt, wie sie sich verhalten sollten.
Die Polizei darf Daten nur erheben, wenn Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr oder Tatverdacht vorliegen, lautete die Antwort. Sie bezog sich auf die Anfrage der Polizei bei einer Behörde, die »unspezifisch formuliert« war und keine Rechtsgrundlage für gewünschte Datenübermittlung erkennen ließ. Mit dem Verweis auf unmittelbar drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Abwehr einer schweren Beeinträchtigung von Rechten anderen Personen könne in Einzelfällen die Übermittlung an die Polizei geboten sein. »Aber nicht jedes den Verwaltungsablauf unzweifelhaft störende oder provokante Verhalten, die Vorlage ungültiger Papiere oder ein vorgebrachtes abstruses politisches Bekenntnis berechtigt zur Übermittlung von personenbezogenen Daten an die Polizei.« Diese Art Widerstand gegen die Rechtsordnung könne mit dem Instrumentarium des Verwaltungsverfahrens sachlich beschieden werden.
Auch Brandenburgs Verfassungsschutz hat laut Tätigkeitsbericht gegenüber öffentlichen Stellen (Kommunalverwaltungen) das Ansinnen geäußert, ihr alle bekannt gewordenen Tatsachen im Zusammenhang mit den Bewegungen der »Reichsbürger« oder der »Identitären Bewegung« einschließlich personenbezogener Daten zu übermitteln. Tatsächlich sind Behörden aufgefordert, den Verfassungsschutz zu informieren, wenn sie Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Grundordnung wahrnehmen. »Derartige Bestrebungen können sowohl von einem Personenzusammenschluss als auch von Einzelpersonen ausgehen.« Voraussetzung aber sei, dass sie die Absicht erkennen lassen, ihre Ziele unter Anwendung von Gewalt zu erreichen. Eine konkrete Gewalttat muss dafür übrigens nicht vorliegen. Wenn die Gruppe insgesamt die Bereitschaft erkennen lässt, ist es nicht wichtig, ob jedes einzelne Mitglied diese Gewaltbereitschaft zeigt. Der Datenschutzbericht dazu: »Die Verfassungsschutzbehörde sieht die Reichsbürgerbewegung offenbar als eine derartige Bestrebung mit Gewaltpotenzial an. Die Beurteilung, ob eine Person einer solchen Gruppe angehört, liegt jedoch weiterhin in Verantwortung der Kommune.«
Etwas anders sei zu beurteilen, wenn sich Einzelpersonen losgelöst von derartigen Zusammenschlüssen individuell als »Reichbürger« oder »Selbstversorger« zu erkennen geben. Eine Meldung an den Verfassungsschutz aus eigener Initiative käme in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn diese Person begründet Anlass zum Verdacht gebe, dass sie selbst auch unter Gewaltanwendung ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchsetzen würde. Dann bestünde die gesetzliche Übermittlungsbefugnis. Die Datenschützer empfehlen, sich im Zweifelsfall mit dem Verfassungsschutz in Verbindung zu setzen. Im Zweifelsfall könne der Verfassungsschutz ein Ersuchen stellen. Wichtig: »Keinesfalls sind die Kommunen gehalten, Datensammlungen über den Personenkreis intern vorzuhalten oder gezielt Recherchen durchzuführen.«
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