In ihren Magazinbeilagen werden die »Süddeutsche Zeitung« und die »Zeit« gerne mal gefühlig investigativ. Während die »SZ« bevorzugt distanzlose Porträts von rassistischen AfDlern und distanziert befremdliche von Feministinnen schreibt, geht die »Zeit« auch mal urbaner Verkehrspolitik nach: »Wir sollten alle mehr Fahrrad fahren«, verkündet der erste des aktuellen Doppeltitels, während der zweite uns alle auf den Boden vermeintlicher Tatsachen fallen lässt: »Leider ist es lebensgefährlich. Über die Unmöglichkeit, die Städte fahrradfreundlich zu machen«.
Gewichtig geht es zu: »Selbst Großstädte möchten Fahrradstädte werden ... In der Hauptstadt hat der rot-rot-grüne Senat voriges Jahr ein ›Mobilitätsgesetz‹ beschlossen, demzufolge Radfahrer nun auf wichtigen Straßen Vorrang vor den Autos haben. Eine deutsche Revolution.« Das deutsche Verhältnis zu Revolution ist wahrhaft traurig (und gewiss gemeingefährlich), aber so falsch ist diese Behauptung nicht. Belegt doch der Artikel, der sie aufstellt, selbst, wie wenig Deutsche sich eine Welt ohne ihre heiß geliebten Metallgeschosse vorstellen können.
»Aber lassen sich Großstädte überhaupt zu Fahrradstädten umbauen? Hilft Radfahren tatsächlich, Verkehrsprobleme zu lösen? In welche Gefahr begeben sich Radfahrer, die so viel schlechter geschützt sind als Autofahrer? Ist die schöne neue Fahrradwelt eine Fantasie, die bald an der Wirklichkeit zerbrechen wird?« - wie Radfahrerschädel auf der Motorhaube? Die Fragen sind schon so gestellt, als wären sie in der Werbeabteilung eines Autokonzerns erdacht. Die Antworten sind entsprechend: »In Deutschland sinkt die Gesamtzahl der Verkehrstoten seit vielen Jahren, nicht jedoch die der getöteten Radfahrer. Voriges Jahr stieg sie von 382 auf 445, womöglich auch wegen des heißen Sommers, der viele zum Radfahren einlud.« Wer da tötet, das wird erst einige Absätze später (nicht) gesagt: »Von den 382 Fahrrad-Toten des Jahres 2017 starben 65 durch die Schuld eines Lkw-Fahrers, 99 der tödlichen Unfälle waren Stürze, an denen niemand sonst beteiligt war.« Mehr als die Hälfte ging also wohl aufs Konto des Pkw; jenen durchtriebenen Mörder, der erst das Klima für heiße Sommer schuf, um dann fleißig seine Konkurrenz wegzuknallen. Ein Problem ist das schon, wenn auch nicht so sehr für Menschen: »Fahrradunfälle sind für die Versicherungen teuer, weil die Radler oft schwer zu Schaden kommen.« Weswegen da mal nachgerechnet wurde: »Das Risiko, als Radfahrer getötet zu werden, ist dreieinhalb mal so hoch wie für Auto- und Motorradfahrer … Erschreckende Zahlen« - außer für alle, die beim Zusammentreffen von, sagen wir: einem Hammer mit einem Kürbis auch nicht überrascht wären, wenn der Kürbis den größeren Schaden nimmt.
Dem Radfahrer kann letztlich nicht geholfen werden: »Den perfekten sicheren Radweg gibt es nicht … Es bringe auch nichts, wenn Radfahrer von den großen Straßen mit Radwegen auf Nebenstraßen ausweichen, denn auch dort drohe Gefahr, wenn die Fahrer geparkter Autos die Tür öffnen, ohne nach hinten zu schauen.« Denn es ist unmöglich, dem Deutschen das Gerät zu nehmen, mit dem er jährlich über dreitausendmal tötet und über dreihunderttausendmal verletzt. So bleiben nur eindringliche Warnungen von Ärzten, vom Irrweg Fahrrad abzulassen: »Meine Sorge sind jetzt die Radler.« Wie der unbelehrbare, dessen Unfall und schwere Verletzungen der Artikel gefühlig investigativ beschreibt und als Pointe nutzt: »Rad fahren will der Mann unbedingt wieder. Dafür übt er im Park vor der Klinik, auf einem Dreirad allerdings, sonst fällt er um.« Für einen guten deutschen Pkw reicht es aber bestimmt schon wieder.
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