„… Am Tag danach tritt der Schrecken erst so richtig hervor, so ist es ja meistens bei Katastrophen. Es war ein Unfall, der schwerste der Bundeswehr seit Jahren, aber es hätte eine Tragödie sein können, bei diesen Fluggeschwindigkeiten fehlten wohl nur Sekunden. “Ich dachte, der geht hier runter”, sagt ein älterer Herr auf einer schattigen Gasthofveranda in Nossentin und hebt sein Bier an: “Und wenn der in den Kindergarten gefallen wäre?” Oder auf Malchow oder Waren? “Man darf sich alles das gar nicht vorstellen”, sagt die Wirtin, nebenan kräht ein Hahn. “Schlimm. Ganz gruselig. Unverantwortlich.” (…) Die Bürgermeisterin von Nossentiner Hütte, 700 Einwohner, lange Hauptstraße, steht in ihrem Laden, “Agrarservice – Haus, Hof und Garten.” Birgit Kurth hat kaum geschlafen und viel geredet. Soeben am Telefon mit Manuela Schwesig (SPD) der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Tags zuvor waren Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Landesinnenminister Lorenz Caffier (beide CDU) an den Unglücksstellen. Die Politiker trauern mit den Angehörigen des Toten und loben die Besonnenheit der Bevölkerung. Die parteilose Birgit Kurth sagt: “Die Leute sind in Schockstarre. Natürlich demonstrieren die nicht gleich drauf los.” Sie will nun mit anderen Bürgermeistern der Umgebung die Regierung und Bundeswehr dazu auffordern, die Manöver mit den Eurofightern über dieser Freizeitregion mit ihren Tausenden Bewohnern und vielen Gästen sein zu lassen: “Das geht nicht, diese Tiefflüge. Das passt einfach nicht in die Region.” Fürs erste wurden die Übungen von Rostock aus eingestellt. Die einen meinen, dass es mindestens während der Saison so bleiben müsse. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Henning Otte, sieht es anders…“ – aus dem Bericht „Ausnahmezustand in der Urlaubsregion“ von Peter Burghardt am 25. Juni 2019 in der SZ online , woraus schon deutlich wird, dass die gemeinsame „Verteidigungsfront“ Bundeswehr/Berlin schon steht… Siehe dazu auch zwei weitere aktuelle Beiträge, sowohl zur Reaktion der Bundeswehr, als auch zu früheren „Unglücken“, nicht nur in der BRD:
- „Knapp vorbei an Kita“ von Tobias Schulze am 25. Juni 2019 in der taz online unter anderem zur Reaktion der Bundeswehr: „… Am Tag nach dem Unglück gibt es deshalb erste Forderungen, in Zukunft keine riskanten Übungen mehr über bewohnten Gebieten durchzuführen. „Ein Mensch ist umgekommen und es hätte leicht noch mehr passieren können. Konsequenz dieses Unglücks muss es deshalb sein, solche Tiefstflüge einzustellen – nicht nur in der Müritz, sondern überall“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger der taz. Ähnliche Forderungen hatten zuvor schon Kommunal- und Landespolitiker aus der Unglücksregion erhoben. Nach Angaben eines Luftwaffensprechers führten die Flugzeuge am Montag ein sogenanntes „taktisches Luftkampftraining“ durch. Dabei simuliert der eine Jet, dass er den anderen zuerst verfolgt und dann abschießt. Warum die Flugzeuge dabei kollidierten, ist noch unklar. Wie tief die Eurofighter während der Übung flogen, sei noch „Gegenstand der Untersuchungen“. Für die Bundeswehr sei es keine Option, solche Übungen nur über dem Meer, über Wüsten oder über sonstigen unbewohnten Gebieten durchzuführen. Der Grund: Die Piloten sollten für den Ernstfall trainieren, also für einen Angriff auf Deutschland. Dafür sei es wichtig, dass sie den Luftraum hierzulande kennen und anhand von Orientierungspunkten am Boden wüssten, wo sie sich gerade befänden…“
- „Kriegsspiele stoppen“ von Susan Bonath am 26. Juni 2019 in der jungen welt : „… Ursache des Unglücks soll ein Zusammenprall der Kampfjets gewesen sein. Genaueres gab die Bundeswehr, die in eigener Sache ermittelt, noch nicht bekannt; Spekulationen über technische Mängel wies das Bundesverteidigungsministerium zurück. Am Montag hatte Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Unglücksort besucht und »Trauer« bekundet. Der CDU-Abgeordnete Henning Otte verteidigte indes die Tiefflüge über der Schweriner Seenplatte. »Die Bundeswehr muss dort üben, wo sie im Bedarfsfall auch verteidigt«, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Dies sei »notwendig, um fit zu sein für den Einsatz, auch um Verteidigung glaubhaft abzubilden«, so Otte. Für die Forderung des Linke-Politikers Ritter – und damit auch seiner Parteikollegin Köhler – habe er kein Verständnis. Der Unfall ist nicht der erste im Zusammenhang mit Eurofightern. 2014 kollidierte im Sauerland eine Militärmaschine mit einem zivilen Jet. Der Bundeswehrpilot konnte sich retten, die zweiköpfige Besatzung des anderen Flugzeuges starb. Im Sommer 2007 konnte ein Militärpilot einen Zusammenstoß mit dem Tower des Fliegerhorsts Neuburg in letzter Sekunde abwenden. In Spanien kam es 2010, 2014 und 2017 zu ähnlichen Unfällen mit Todesopfern, ein weiterer ereignete sich 2017 in Italien. Über Estland feuerte 2018 ein spanischer Kampfjet während einer NATO-Übung versehentlich eine Rakete ab…“
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