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Kapitänin bietet Salvini die Stirn
Lampedusa. Sie bietet dem italienischen Innenminister Matteo Salvini die Stirn, um 42 Menschen in Sicherheit zu bringen. Auch eine Haftandrohung und diverse andere im Raum stehende Strafen können sie nicht verschrecken: Die 31-jährige Kapitänin Carola Rackete aus Kiel, die mit dem Rettungsschiff »Sea-Watch 3« gegen die Anweisungen der Regierung in Rom in italienische Hoheitsgewässer eingefahren ist, sagt: »Wir tun das Richtige«.
Für ihre jungen Jahre hat Rackete schon erstaunlich viele Erfahrungen gesammelt. Nach meereskundlichen und umweltwissenschaftlichen Studien in Deutschland und Großbritannien war sie zu Polar-Expeditionen in der Arktis und der Antarktis unterwegs. Sie findet diese Kältezonen »schön und sehr inspirierend«, zugleich nimmt sie von den Polarreisen die »traurige« Erkenntnis mit, »was Menschen dem Planeten antun«.
Lesen Sie auch: »Uns drohen 20 Jahre Knast.« Wer in Italien »Beihilfe zur illegalen Einwanderung« leistet, wird hart bestraft. Auch Seenotretter sollen kriminalisiert werden. Hendrik Simon ist einer davon.
Doch nach Racketes Überzeugung tun die Menschen nicht nur ihrem Planeten viel an, sie fügen sich auch »gegenseitig Schaden zu«. So schaue die europäische Bevölkerung zu, wie die europäischen Regierungen am Mittelmeer eine Bastion gegen Flüchtlinge errichteten.
Für die Unzufriedenheit in Italien über den Umgang mit der Flüchtlingsproblematik hat Rackete Verständnis. Es gebe in der EU »eine Ungerechtigkeit«, weil es Italien überlassen worden sei, mit den Flüchtlingen zurechtzukommen. Eine »viel größere Ungerechtigkeit« bestehe aber zwischen der Nord- und der Südhalbkugel der Erde.
Auf ihrer gegenwärtigen Mission nahm die »Sea-Watch 3« am 12. Juni vor der Küste Libyens 53 Flüchtlinge an Bord. Elf Kinder, Frauen und Gebrechliche durften zwischenzeitlich nach Italien gebracht werden, die übrigen sind immer noch auf engstem Raum mit den 22 Besatzungsmitgliedern auf dem Mittelmeer unterwegs.
Die Besatzung arbeitet ehrenamtlich, so wie auch Kapitänin Rackete, die im Sommer 2016 ihre erste Mission für die Hilfsorganisation Sea-Watch übernahm. Damals ergänzten sich zivile Seenotretter und eine Flottille von europäischen Militärbooten dabei, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu bergen. Inzwischen wurde die staatliche Seenotrettung zurückgefahren, geblieben sind private Hilfseinsätze.
Auf Seenotrettung besteht nach Racketes Meinung ein unumstößliches Recht. »Es spielt keine Rolle, wie jemand in Not gerät - da können auch Feuerwehren und Krankenhäuser nicht nach fragen«, sagt Rackete mit entschlossenem Blick. Ebenso sei es auf hoher See: »Wenn Rettung benötigt wird, hat jeder einzelne die Verpflichtung zu helfen. Diese Pflicht endet erst, wenn die Betroffenen in Sicherheit gebracht sind.«
Mit dem Regierungsantritt von Salvinis Rechtspopulisten im Juni 2018 habe Italien seine Verpflichtungen über Bord geworfen, befindet Rackete. Widerstand komme nun vor allem aus der Zivilgesellschaft. Sie habe die »Fähigkeiten« und das »Privileg«, den Flüchtlingen in ihrer derzeitigen Lage »wirklich zu helfen«.
Salvinis Regierung droht Kapitänen, Eignern und Betreibern von Flüchtlingsschiffen mit bis zu 50.000 Euro Strafe sowie juristischer Verfolgung wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und mit Beschlagnahme der Schiffe, wenn für die Einfahrt in die italienischen Hoheitsgewässer keine Genehmigung vorliegt. In Rackete sieht er eine »Nervensäge«, die »auf dem Rücken von Einwanderern« einen politischen Kampf führt.
»Wenn mich jemand anklagt, bin ich bereit, ins Gefängnis zu gehen«, sagt Rackete trotzig. Als die Hafenbehörde von Lampedusa ihr am Mittwoch einschärfte, sie habe keine Genehmigung zum Einlaufen, antwortete sie knapp: »In zwei Stunden sind wir da.«
Dann fuhr ein Patrouillenboot der Polizeitruppe Guardia di Finanza heran. Die Beamten kontrollierten die Schiffspapiere und die Pässe der Crew. Am Donnerstag herrschte Ungewissheit, wie das Kräftemessen ausgehen würde - hier die 31-jährige Sea-Watch-Kapitänin dort der Heißsporn Salvini der, Ironie des Schicksals, von seinen Anhängern ebenfalls voller Verehrung »Kapitän« genannt wird. AFP
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