Istanbul. Der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu hat nach Auszählung fast aller Stimmen die Bürgermeisterwahl in Istanbul gewonnen. Imamoglu erhielt am Sonntag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu 53,75 Prozent der Stimmen, sein Gegner, der ehemalige AKP-Ministerpräsident Binali Yildirim, kam auf 45,43 Prozent.
Der Kandidat der sozialdemokratischen CHP bezeichnete seinen Sieg als »neuen Beginn« für die Türkei. »Nicht eine einzelne Partei, sondern ganz Istanbul und die Türkei haben diese Wahl gewonnen«, sagte Imamoglu am Sonntagabend nach Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse. Imamoglu nannte die Wahl einen »Beitrag zum demokratischen Prozess in der Türkei«. Er erklärte seine Bereitschaft, mit Präsident Recep Tayyip Erdogan »harmonisch zusammenzuarbeiten«, um »Istanbuls dringendste Probleme zu lösen«. Es sei ihm »die wertvollste, die ehrenvollste Pflicht«, Istanbul als Bürgermeister zu dienen, sagte der 49-jährige CHP-Politiker, der bisher als Bezirksbürgermeister den Istanbuler Stadtteil Beylikdüzü regiert hatte.
Yildirim gestand seine Niederlage ein. In einer Rede fast zeitgleich mit den ersten Ergebnisse sagte er: »Ich gratuliere ihm und wünsche ihm Erfolg.« Eine Erklärung der Hohen Wahlkommission stand noch aus.
Imamoglu hatte die erste Bürgermeisterwahl am 31. März knapp gewonnen. Die Wahlkommission (YSK) annullierte das Ergebnis jedoch Anfang Mai wegen angeblicher Regelwidrigkeiten und gab damit einem Antrag der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan statt. Die Entscheidung begründete die Behörde unter anderem damit, dass in einigen Fällen die Vorsitzende der Wahlräte - anders als gesetzlich vorgesehen - keine Beamten gewesen waren. Die Annullierung wurde international kritisiert. Die CHP hat nach eigenen Angaben 200.000 Freiwillige mobilisiert, um den Wahlablauf zu überwachen. Auch der Europarat entsandte eine Beobachterdelegation.
Der Wahltag selbst verlief weitgehend ruhig. Die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp, die zur Beobachtung angereist war, sagte der Deutschen Presse-Agentur. »Uns wird berichtet, dass die Wahllisten und Abläufe korrekt sind«. Auch Renate Zikmund von der 14-köpfigen Beobachtermission des Europarates sagte, »alles in allem« sei die Abstimmung geordnet verlaufen. »Organisatorisch ist alles aufgeboten worden, was man machen kann.«
Imamoglu wurde bei der Wahl von der nationalistischen IYI-Partei unterstützt, während der AKP-Kandidat Yildirim im Bündnis mit der rechtsextremen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) antrat. Die prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) unterstützte Imamoglu, obwohl der inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan die HDP kurz vor der Wahl in einer Botschaft aus dem Gefängnis zur Neutralität aufgerufen hatte.
Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben von Anadolu bei 84,4 Prozent und damit etwa auf dem gleichen Niveau wie bei der ersten Wahl Ende März. Wahlberechtigt waren rund 10,5 Millionen Menschen. Agenturen/nd
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