Der Entwurf seiner Regierung zur sogenannten Reform der Rentenversicherung war von der damit beauftragten parlamentarischen Kommission bereits an einigen Punkten entschärft worden – Ergebnis des Drucks der gewerkschaftlichen Mobilisierung. Und auch wenn es nun bereits sehr übereilte gewerkschaftliche Siegesmeldungen einiger Verbände gibt, waren selbst diese relativ kleinen Korrekturen eine politische Niederlage für Bolsonaro – und wurden auch sehr verbreitet so gesehen. Jetzt musste er sein Dekret über die Erleichterung des Zugangs zu Waffen, eines seiner zentralen Themen im Wahlkampf, zurückziehen. Und auch wenn dieses Verfahren längst noch nicht abgeschlossen ist, bedeutet auch dies eine politische Niederlage für den Rechtsradikalen. Zur Situation der brasilianischen Rechtsregierung ein Beitrag über das Waffen-Dekret und ein Hintergrundbeitrag zur bisherigen Bilanz:
- „Bolsonaro zieht Dekret zur Lockerung des Waffenrechts zurück“ vom 25. Juni 2019 ist eine Agenturmeldung (hier in der NZZ online), in der es unter anderem heißt: „… Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat ein umstrittenes Dekret zur Lockerung des Waffenrechts zurückgezogen. Das verkündete die Regierung am Dienstag im Amtsblatt. Das Dekret hatte es Millionen von Brasilianern ermöglicht, Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen. Der brasilianische Senat hatte bereits vor einer Woche dafür gestimmt, die Verordnung ausser Kraft zu setzen. Auch juristisch war das Dekret umstritten. Für Mittwoch war eine Verhandlung des Obersten Gerichts angesetzt, das prüfen wollte, ob die Bestimmungen mit der Verfassung vereinbar sind. Bolsonaro hatte das Dekret im Mai unterzeichnet. Es erlaubt unter anderem Politikern, Landwirten, Lastwagenfahrern, Jägern und Sportschützen das Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit. Der ultrarechte Staatschef hatte schon im Wahlkampf eine Lockerung des Waffenrechts versprochen. Er argumentiert, wenn «gute Bürger» über Waffen verfügten, könne die grassierende Gewalt und Kriminalität in dem südamerikanischen Land bekämpft werden. Kritiker befürchten dagegen durch eine Lockerung der Waffengesetze eine Zunahme der Gewalt…“
- „Brasilien nach der Wahl Jair Bolsonaros“ von Achim Wahl im Juni 2019 bei der Rosa Luxemburg Stiftung bilanziert die bisherigen Monate Bolsonaros unter anderem so, was die Auseinandersetzungen innerhalb des bürgerlichen Lagers betrifft: „… Obwohl die Eliten Brasiliens die Regierung Bolsonaro generell unterstützen, kämpfen verschiedene Teile um Einfluss. Bolsonaro hat mit Vorwürfen wegen Geldwäsche und Korruption zu kämpfen, in die einer seiner Söhne und seine Ehefrau verwickelt sind. Vizepräsident Mourão hat, entgegen des Sprechverbotes Bolsonaros, die Transparentmachung der vorgenommenen Transaktionen eingefordert. Einzelne Medien wie der «O Globo» und die «Folha de Sao Paulo» sprechen nun von «Bolsogate» und fordern Aufklärung. Die Regierungsgeneräle können mit der Unterstützung der traditionellen Eliten rechnen, angeführt von Marinho (Chef der Mediengruppe «Rede Globo»), der im Fernsehkanal Globo sein Urteil zu Bolsonaro gesprochen hat: «Es wäre naiv zu glauben, dass Bolsonaro sich als Präsident aufführen und die Regierungsverantwortung übernehmen kann», womit deutlich wird, dass diese Kräfte die führende Position in der Regierung einnehmen wollen. Problematisch ist aber auch die wirtschaftliche Situation des Landes, die einzelne Fraktionen der Bourgeoisie negativ beeinträchtigt und Ungleichgewichte zwischen der internen und der mit dem Auslandskapital verbundenen Bourgeoisie hervorbringt. Unklar ist, ob der Wirtschaftsminister Guedes in der Lage ist, diese Interessenunterschiede auszugleichen. Die Krise des Vorjahres ist nicht überwunden, während der die Wirtschaft um 7% rückläufig war. Mit einem Wachstum von 0,1% im ersten Quartal 2019 steht die brasilianische Wirtschaft vor einer Rezension. Die Armutsrate stieg von 25,7% (d.h. 52 Mio. Menschen) 2016 auf 26,5% (54,8 Mio. Menschen). Die Ungleichheit der Lohnzahlungen zwischen Mann und Frau, Schwarz und Weiß verstärkte sich, die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen liegt bei 22,6%. Zu verzeichnen ist außerdem eine weitere Zunahme der informellen Arbeit. Wesentlich sind gegenwärtig die Auseinandersetzungen des fundamentalistisch-religiösen Flügels der Bolsonaro-Regierung, den Anhänger*innen des Guru Olafo de Carvalhos, mit den hohen in der Regierung tätigen Militärs. Fast täglich attackieren diese aus den verschiedensten Anlässen die Generäle. Der Guru de Carvalho hat direkte Verbindungen zum Präsidenten Bolsonaro und unterhält nach Angaben brasilianischer Medien enge Kontakte zu ultrarechten Kreisen in den USA (bspw. zu Bannon). Ihr Ziel ist eine enge Anlehnung an die Trump-Administration. Dagegen stehen die Militärs, die ihr politisches Modell verfolgen, das Brasilien mehr Unabhängigkeit garantiert und eine zu starke Unterordnung unter US-Vorherrschaft kritisch sieht. Konkrete Beispiele sind u.a. die Ablehnung der US-Beteiligung an der Basis Alcântara…“
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