Paco Ignacio Taibo II ist Schriftsteller,
hat einen Detektiv erfunden und Biografien geschrieben.
Jetzt will er in die Politik.
taz v. 27.4.2018
von W.-D. Vogel
Die meisten kennen Paco Ignacio Taibo
II, weil er Héctor Belascoarán Shayne ins Leben gerufen hat –
jenen integren Detektiv, der sich vornehmlich in den
proletarischen Abgründen von Mexiko-Stadt herumtreibt. Andere
lesen mit Begeisterung seine Biografien über Che Guevara oder
den mexikanischen Revolutionär Pancho Villa. Aber wenn der
68-Jährige nicht am Schreibtisch sitzt, widmet er sich der ganz
realen Welt von heute: Als Verfechter des Kandidaten Andrés
Manuel López Obrador mischt er im Präsidentschaftswahlkampf mit.
Und wenn alles gut geht, wird er bald
Kulturminister der mexikanischen Hauptstadt. Denn dort wird
parallel zur Bundes- auch die Stadtregierung am 1. Juli neu
gewählt. Der Schriftsteller hat große Chancen, dieses Amt für
Lopez Obradors Partei Morena zu übernehmen. Deren
Bürgermeisterkandidatin, Claudia Sheinbaum, will den Posten mit
ihm besetzen.
Sollte das gelingen und Taibo II Wort
halten, stehen Mexiko-Stadt attraktive Zeiten bevor. 300 soziale
Zentren will er eröffnen, zahlreiche neue Bibliotheken sollen
entstehen und allein im ersten Jahr seiner Amtstätigkeit sollen
tausend Festivals in den verschiedenen Vierteln der
Riesenmetropole stattfinden.
Außerdem verspricht der Autor ein
„enormes“ kostenloses Rockkonzert auf dem zentralen Zócalo-Platz
sowie ein Frauenfestival „in einer Stadt, in der der Machismus
in die Ecke gedrängt wird“. Auf Häuserwänden sollen zudem Bilder
der 43 linken Studenten projiziert werden, die 2014 von
Polizisten und Kriminellen verschleppt wurden und seither
verschwunden sind. Auch eine für alle zugängliche Radiostation
verspricht Taibo II. Sheinbaum hat angekündigt, für diese
Projekte den Kulturhaushalt zu verdoppeln.
Freilich ist diese „kulturelle Revolution“
auch Teil des Wahlkampfs für López Obrador, den alle nach seinen
Insignien schlicht AMLO nennen. Rund fünf Wochen vor der Wahl
wollen Sheinbaum und Taibo II nun auf dem Zócalo eine Million
Bücher verschenken. Eine feine Sache, die aber an eine Praxis
erinnert, mit der Mexikos Parteien sich schon immer Stimmen
sicherten: Sie verteilen in den verarmten Dörfern und
Stadtteilen Baumaterial, Bohnen oder andere dringend benötigte
Waren.
Zweifellos ist Taibo II so integer wie
sein Detektiv Belascoarán Shayne. Aber AMLO, der
Präsidentschaftskandidat? Der Politiker tritt bereits zum
dritten Mal an. Einmal wurde er wohl durch Wahlbetrug von der
Präsidentschaft ferngehalten. Derzeit führt er jedoch in den
Umfragen so eindeutig, dass solche Manöver schwerfallen dürften.
Ob er aber seine Versprechungen – soziale
Umverteilung, Garantie der Menschenrechte, Kampf gegen
Korruption und der Privatisierung – auch nur in Teilen umsetzen
kann, bleibt fraglich. Weil es dieses Mal einfach klappen muss,
hat der 64-Jährige ziemlich zweifelhafte Partner ins Boot
geholt: Unternehmer, korrupte Gewerkschafter und eine
Splitterpartei, die sich gegen Abtreibungen stark macht.
Korrupte Vereinigung
Auch darüber hinaus erinnert vieles an ihm
an die Einbindungspolitik der ehemaligen Staatspartei PRI, der
er selbst lange Jahre angehörte. Einige Männer, die dieser durch
und durch korrupten Vereinigung entstammen, hat er für sein
künftiges Kabinett vorgesehen, und jener Bürgermeister, der mit
für das Verschwinden der 43 Studenten verantwortlich ist, zählte
einst zu seinen wichtigen Wahlkämpfern. Kritiken von links
bezeichnet er als Teil einer organisierten Hetzkampagne.
Viele Menschenrechtler, Feministinnen und
Bewegungslinke setzen dennoch vorsichtig auf López Obrador. Das
ist nicht zuletzt Leuten wie Taibo II geschuldet, die dem von
Morden, Massengräbern und Verschwundenen gezeichneten Land
wenigstens einen Funken Hoffnung vermitteln, dass ein anderes
Mexiko möglich ist.
„Eine Linke, die nicht lacht, ist eine
maskierte Scheiß-Rechte“, sagte Taibo II, als er sein
Kulturprojekt vorstellte. Bleibt zu hoffen, dass den Mexikanern
unter AMLO nicht trotzdem bald das Lachen schon wieder vergeht.
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