Donnerstag, 26. April 2018

Ausbeuter soll zahlen


Amazon-Beschäftigte aus vier Ländern protestierten in Berlin gegen Konzernchef Jeff Bezos. Dieser lebt in seiner eigenen Welt

Von Stefan Thiel
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Die Amazon-Mitarbeiter fordern höhere Löhne, Tarifverträge und einen respektvollen Umgang mit den Beschäftigten (Berlin, 24. April)
Ehre, wem Ehre gebührt – dachte sich zumindest der Springer-Verlag. Alljährlich vergibt der Medienkonzern eine Auszeichnung an »herausragende Persönlichkeiten, die außergewöhnlich innovativ sind« und »sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen«. Aus diesem Anlass wurde dem Chef des US-Onlineversandhändlers Amazon, Jeffrey »Jeff« Bezos am Dienstag abend in Berlin der Axel-Springer-Award verliehen.
Vor dem weiträumig mit Gittern abgesperrten und mit Polizeihunden bewachten Springer-Hochhaus stehen mehr als 700 Amazon-Beschäftigte aus vier Ländern sowie deren Unterstützer. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte die Arbeiter dazu aufgerufen gegen die Preisverleihung und für bessere Arbeitsbedingungen zu protestieren.
Einer von ihnen ist Ralf Christann. Der »Picker« ist mit rund 100 Kollegen aus Leipzig angereist. »Wir sind der Meinung, nicht Jeff Bezos hat einen Preis verdient, sondern die Beschäftigten«, so Christann gegenüber junge Welt. Bezos sei zwar durchaus ein innovativer Unternehmer, »besonders innovativ war er aber beim Steuern und Löhne sparen«, kritisiert der Verdi-Vertrauensmann. Es könne nicht sein, dass »ein so großes Unternehmen wie Amazon in Deutschland keinen Tarifvertrag hat«.
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In der Tat weigert sich der Konzern in der BRD seit Jahren mit Verdi auch nur über einen Tarifvertrag zu sprechen. Die Mitarbeiter stehen unter starkem Leistungsdruck, Manager behandeln sie oft wie kleine Kinder und Handscanner und Kameras sorgen für lückenlose Überwachung. All dies treibt die »Packer«, »Picker« und »Shipper« regelmäßig auf die Straße. Seit dem Frühjahr 2013 wird hierzulande immer wieder gestreikt. So auch am Montag, Dienstag und Mittwoch: Statt Artikel versandfertig zu machen, legten Hunderte »Amazonier« der Versandzentren in Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne, Graben und Koblenz die Arbeit nieder. Nach Angaben des Verdi-Streikleiters in Leipzig, Thomas Schneider fuhren am Dienstag mehr als 400 von ihnen nach Berlin.
Dort trafen sie auf Amazon-Beschäftigte aus Polen, Italien und Spanien. Aus Poznan und Wroclaw waren größere Delegationen der anarchistischen Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP) und von Solidarność angereist. Fast alle Redner betonten die Gemeinsamkeiten der Beschäftigten über alle Ländergrenzen hinweg. Überall gebe es bei Amazon die gleichen Probleme, deshalb müsse man auch gemeinsam kämpfen. Eine Rednerin kam nicht so gut an: Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles wurde zumindest von einem Teil der Kundgebungsteilnehmer ausgepfiffen.
Jeffrey Bezos schwebte derweil in ganz anderen Höhen: Bei der Preisverleihung inszenierte er sich als großer Weltraumunternehmer. Seine Raumfahrtfirma »Blue Origin« sei »das Wichtigste, was ich mache«, sagte Bezos laut dpa. Die Beschäftigten bei Amazon hätten keinen Grund zu klagen: »Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeitsbedingungen. Ich bin sehr stolz auf die Gehälter, die wir zahlen.« In der BRD liegt der Einstiegslohn bei rund zehn Euro in der Stunde. Gewerkschaften findet Bezos nach wie vor überflüssig: »Wir haben Betriebsräte und wir haben eine sehr gute Kommunikation mit unseren Mitarbeitern und wir glauben nicht, dass wir eine Gewerkschaft als Mittelsmann zwischen uns und unseren Beschäftigten brauchen.« Bezos gilt übrigens als reichster Mensch der Welt. Seine neue Villa soll mit 25 Badezimmern ausgestattet sein. Derweil urinieren die Amazon-Arbeiter in England in Flaschen, weil ihnen die Toilettenpausen verwehrt werden.

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