Drei Studenten werden gekidnappt, ihre
Leichen später in Säure aufgelöst. Mutmaßlicher Täter: Ein
bekannter Rapper im Auftrag eines Kartells.
taz v. 26.4.2018
von W.-D. Vogel
OAXACA taz
| Es sollte eine Woche der Erinnerung werden, doch es wurden
weitere Tage des Grauens: Genau 43 Monate, nachdem 43
Studenten in der mexikanischen Stadt Iguala von Polizisten
und Kriminellen verschleppt wurden, sorgt ein weiterer Fall
dafür, dass das Thema des Verschwindenlassens traurige
Aktualität behält: Die Staatsanwaltschaft der Großstadt
Guadalajara meldete, dass drei jüngst entführte
Filmstudenten ermordet wurden.
Mitglieder einer Mafiabande haben die
drei getötet, informierten die Strafverfolger. Einer der
mutmaßlichen Täter, ein erfolgreicher Rapper, gab gegenüber
den Ermittlern zu, die Leichen im Auftrag des Kartells
Jalisco Nueva Generación in Säure aufgelöst zu haben. Dass
die Ermordung genau während der Aktionstage der Angehörigen
der 43 Lehramtsstudenten bekannt wurde, könnte die ohnehin
aufgeheizte Stimmung zur Explosion bringen.
Bereits am Dienstag waren in
Guadalajara und Mexiko-Stadt zahlreiche Studenten auf die
Straße gegangen, um ihre Wut über die Morde zum Ausdruck zu
bringen. „Es geht nicht um drei, es geht um uns alle“,
riefen sie und forderten Gerechtigkeit für ihre Kommilitonen
von der Universität für Audiovisuelle Medien.
Der Oscarpreisträger Guillermo del
Toro reagierte auf Twitter. „Worte reichen nicht aus, um die
Dimension dieses Wahnsinns zu verstehen“, schrieb der
Filmregisseur. „Dieser Alptraum muss ein Ende haben“, gab er
wieder, was Unzählige in diesen Tagen denken.
Offensichtlich Opfer einer Verwechslung
Die Filmstudenten Salomón Aceves
Gastélum, Daniel Díaz und Marco Avalos waren gerade auf dem
Rückweg von einem Dreh, als sie am 19. März nahe Guadalajara
von Bewaffneten verschleppt wurden. Mit Pistolen und
Sturmgewehren seien sie bedroht worden, erinnert sich eine
Kommilitonin, die die Angreifer verschont hatten. Die
Entführer brachten sie daraufhin in ein Haus, in dem die
drei verhört, gefoltert und schließlich ermordet wurden.
Offensichtlich sind die Studenten
Opfer einer Verwechslung geworden und versehentlich ins
Visier der Kriminellen geraten. Die Killer hatten die
Cineasten für Mitglieder einer gegnerischen Bande gehalten.
Auch das ist alltäglich in einem Land, in dem große Gebiete
von der organisierten Kriminalität kontrolliert werden.
In zahlreichen Medien macht indes ein
youtube-Video die Runde, das den Rapper „QBA“ zeigt, wie er
über Drogen, Verbrechen und Hinrichtungen spricht. 121.000
Abonnenten hat der Musiker, seine Videos haben Millionen von
Clicks. Zugleich ist er aber auch Mitglied des Kartells
Jalisco Nueva Generacion. „Es war genau seine Aufgabe,
Menschen in Säure aufzulösen“, erklärte die Staatsanwältin
Marisela Gomez Cobos.
Fast täglich verschwinden in Mexiko
Menschen. Die Generalstaatsanwaltschaft sprach gegenüber der
taz von über 35.000 Verschwundenen, in den vergangenen Tagen
verschleppten erneut Unbekannte sechs junge Männer im
Bundesstaat Oaxaca.
Das Verschwinden der 43 Studenten des
Ayotzinapa-Lehrerseminar am 26. September 2014 im
Bundesstaat Iguala ist deshalb längst zu einem Symbol für
den Terror geworden, der das Land gefangen hält: Jeden Tag
und an unzähligen Orten Mexikos erinnert die Zahl 43 an die
jungen Männer. Sie verweist darauf, dass die Strafverfolger
unwillig oder unfähig sind, das Verschwindenlassen zu
stoppen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Nur die wenigsten Fälle werden aufgeklärt.
Die Angehörigen der Lehramtsanwärter
und die Studenten aus Guadalajara haben für Donnerstag zu
Demonstrationen aufgerufen. „Die Eskalation der Gewalt und
die wuchernde Straflosigkeit ist in allen Ecken des Landes
allgegenwärtig“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der
beiden größten Hochschulen Mexikos, der UNAM in der
Hauptstadt und der Universität von Guadalajara: „So kann es
nicht weitergehen.“
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