US-Pläne zur Stationierung einer arabischen De-facto-Besatzungstruppe
in Syrien begleiten die deutschen Bemühungen um eine Beteiligung an der
„Neuordnung“ des Landes. Washington will seine illegal in Syrien
installierten Truppen abziehen, zugleich aber verhindern, dass Iran in
dem Land weiter an Einfluss gewinnt. Trumps Nationaler
Sicherheitsberater John Bolton verhandelt deswegen nun mit mehreren
arabischen Staaten, darunter Saudi-Arabien, über die Bildung von
Einheiten, die unter dem Vorwand, den Krieg gegen den IS fortsetzen zu
wollen, im Nordosten und Osten des Landes stationiert werden sollen –
unter offenem Bruch des Völkerrechts. US-Experten warnen, Riad werde das
vor allem als Chance begreifen, den Stellvertreterkrieg gegen Iran zu
intensivieren. Die Bundeswehr wäre involviert, weil Luftwaffen-Tornados
ihre Aufklärungsdaten der Anti-IS-Koalition liefern, der auch
Saudi-Arabien angehört. Unterdessen stellen deutsche Medien einen
Einsatz der Bundeswehr in Nordsyrien zur Diskussion – um den Vormarsch
türkischer Truppen dort zu verhindern.
Suche nach Ersatz
Hintergrund der US-Pläne, eine arabische
De-facto-Besatzungstruppe in Syrien zu installieren, ist die Absicht der
Trump-Administration, die eigenen Streitkräfte aus dem Land abzuziehen.
Dies entspricht der Politik der Vorgängerregierung unter Barack Obama,
die ebenfalls um eine Reduzierung der US-Einheiten im Nahen und
Mittleren Osten bemüht war; Ziel ist es, sich stärker auf den Machtkampf
gegen China zu konzentrieren und dafür ein größeres militärisches
Potenzial zur Verfügung zu haben. Zur Zeit sind – offiziell im Rahmen
des Krieges gegen den IS, der immer noch in Teilen Nordostsyriens
präsent ist – rund 2.000 US-Soldaten im Nordosten und Osten des Landes
stationiert, gegen den Willen der syrischen Regierung und ohne jede
völkerrechtliche Grundlage. In Washington heißt es, man wolle damit vor
allem auch dem Einfluss Irans in Syrien entgegenwirken. Ursprünglich
hatte Washington vor, nach dem Abzug der US-Streitkräfte die kurdisch
dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) als Stellvertreter gegen Iran
zu nutzen.[1] Daraus wird aber nichts, da ein erheblicher Teil der
kurdischen Kräfte sich aktuell auf den Krieg gegen die türkischen
Invasionstruppen in Nordsyrien konzentriert. Die US-Administration ist
deshalb auf der Suche nach Ersatz.
Major non-NATO Ally
Dazu verhandelt der neue Nationale Sicherheitsberater
des US-Präsidenten, John Bolton, zur Zeit mit einer Reihe arabischer
Staaten, insbesondere mit Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten
Arabischen Emiraten. Ziel ist es, eine arabische Streitkräftekoalition
auf die Beine zu stellen, die die US-Truppen in Syrien weitgehend
ersetzen und ihrerseits Position gegen iranische Milizen beziehen soll.
Die Teilnahme Ägyptens gilt als wenig wahrscheinlich, da dessen Militär
stark mit dem Krieg gegen den IS auf dem Sinai beschäftigt ist. Kairo
könne allerdings auch anderweitig aushelfen, heißt es in Washington –
etwa mit Logistik oder mit der Ausbildung syrischer Kämpfer.[2] Damit
sind Angehörige oppositioneller Milizen gemeint. Saudi-Arabien hat
bereits erkennen lassen, dass es bereit ist, sich an der Stationierung
von Truppen auf syrischem Territorium zu beteiligen; Außenminister Adel
al Jubeir steht schon in konkreten Verhandlungen mit Washington. Es wird
spekuliert, Trump könne der Monarchie im Gegenzug den Status eines
Major non-NATO Ally verleihen.[3] Mit der Bitte um Unterstützung beim
Aufbau der Einheiten haben arabische Unterhändler inzwischen den Gründer
der berüchtigten US-Söldnerfirma Blackwater (heute: Academi), Eric
Prince, kontaktiert. Prince hat bereits Privatmilizen in den Vereinigten
Arabischen Emiraten sowie in Somalia organisiert.[4]
„Iran entgegentreten“
US-Experten warnen – aus verschiedenen Gründen. Keine
Rolle spielt in ihren Überlegungen, dass eine dauerhafte Stationierung
fremder Truppen auf syrischem Territorium ohne Genehmigung der Regierung
in Damaskus einer völkerrechtswidrigen Okkupation gleichkäme;
internationales Recht hat für den Westen keine Bedeutung mehr. Zum einen
wird jedoch darauf verwiesen, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten
Arabischen Emirate bereits im Jemen einen Krieg führen, den sie nicht
gewinnen können; ein weiterer Einsatz könne ihre Streitkräfte
überlasten, heißt es. Gleichzeitig sei damit zu rechnen, dass Riad und
Abu Dhabi ihren Stellvertreterkrieg gegen Iran im Falle einer
Stationierung in Syrien auch dort ausweiten würden, urteilt der
CNN-Militärexperte John Kirby: Es sei durchaus wahrscheinlich, dass sie
dazu auch „Rebellen“ mit neuen Waffen versorgen würden.[5] Dann dürften
salafistisch-jihadistische Milizen, die Saudi-Arabien in Syrien seit
Jahren unterstützt, einen neuen Aufschwung nehmen. Kirby weist zudem
darauf hin, dass die saudischen Streitkräfte zwar über teures,
hochmodernes Kriegsgerät verfügten, ihre Einsatzfähigkeiten aber
beschränkt seien. Es stelle sich die Frage, ob die Vereinigten Staaten
nicht letzten Endes stärker präsent bleiben müssten, etwa, um saudischen
Bodentruppen bei ihren Operationen Luftunterstützung zu gewähren;
schließlich müssten die in Syrien stationierten arabischen Einheiten
„stark genug“ sein, um „Assad oder Iran“ entgegenzutreten, wenn diese
Territorium zurückforderten, „vielleicht mit Russlands Hilfe“.[6] Damit
werde das US-Ziel, die eigenen Streitkräfte abziehen zu können, erneut
verfehlt.
Deutsche Aufklärungsdaten
Zahlreiche Fragen stellen sich für Berlin. So ist
unklar, wie sich die US-Bestrebungen auf die deutschen Bemühungen
auswirken, sich an der „Neuordnung“ Syriens zu beteiligen (german-foreign-policy.com
berichtete [7]). Zudem wäre davon auszugehen, dass die saudischen
Einheiten für ihre vorgeblich gegen den IS gerichteten Operationen auch
Aufklärungsdaten erhalten, die von den in Jordanien stationierten
Luftwaffen-Tornados gewonnen werden. Die Bundeswehr lieferte dann den
Streitkräften des Königreichs womöglich Angaben für den
Stellvertreterkrieg gegen Iran. Sollte die Einbindung saudischer Truppen
sich auch auf die Luftwaffe erstrecken, die in der Bundesrepublik
koproduzierte Tornados und Eurofighter nutzt, dann spricht alles dafür,
dass von deutschen Militärs gelieferte Aufklärungsdaten die Vorlagen für
exzessive Massaker an der Zivilbevölkerung liefern. Die saudische
Luftwaffe ist für ihre wenig zielgenauen Angriffe im Jemen-Krieg
berüchtigt [8], die wegen der außergewöhnlich hohen Zahl an
Fehlbombardements zu einer hohen Zahl ziviler Opfer führten und deswegen
die Obama-Administration veranlassten, eine Zeitlang die Lieferung von
Aufklärungsdaten an Saudi-Arabien auszusetzen.
Rüstungsexporte
Gleichzeitig käme mit Saudi-Arabien ein treuer Kunde
deutscher Rüstungskonzerne in Syrien zum Zug. Entgegen allen
Beteuerungen, keine Waffen mehr an Riad liefern zu wollen, hat die
Bundesregierung im ersten Quartal 2018 den Export von Kriegsgerät im
Wert von 161,8 Millionen Euro in die salafistische Monarchie genehmigt –
mehr als in jedes andere Land.[9] Darüber hinaus hat Großbritannien im
März eine Absichtserklärung unterzeichnet, der zufolge London Riad 48
Eurofighter verkauft; an deren Produktion sind deutsche Unternehmen
beteiligt.[10]
Bundeswehr nach Nordsyrien
Unterdessen stellen deutsche Medien alternative
Besatzungspläne zur Diskussion. Sollten die US-Truppen aus Syrien
abziehen, dann sei damit zu rechnen, dass die türkischen Streitkräfte
einen Eroberungsfeldzug im kurdisch besiedelten Norden des Landes
starteten, heißt es; dies müsse um jeden Preis verhindert werden.
Frankreich sei diesbezüglich bereits aktiv geworden: Es habe sich nicht
nur an der Ausbildung kurdischer Einheiten beteiligt; es habe zudem
Spezialkräfte in der Region stationiert. Erst Ende März habe Präsident
Emmanuel Macron den SDF Unterstützung zugesagt.[11] Dem solle sich die
Bundesregierung anschließen: Eine „demonstrative französische und
deutsche Truppenpräsenz in Nordsyrien“ könne „einen Krieg verhindern“,
denn die Türkei werde nicht „der Kurden wegen einen Konflikt mit Europa
wagen“. Für Berlin sei die Entsendung von Truppen nach Nordsyrien zwar
„ein politischer Kraftakt und gesellschaftlicher Tabubruch“, doch seien
die „Risiken … verhältnismäßig gering und der Nutzen enorm“.[12]
Fußnoten:
[1] Hamdi Alkhshali, Ryan Browne: Syrian army vows to eject US troops. edition.cnn.com 16.01.2018.
[2] Michael R. Gordon: U.S. Seeks Arab Force and Funding for Syria. wsj.com 16.04.2018.
[3] Zachary Cohen: Bolton dealing to build an Arab military force in Syria. edition.cnn.com 18.04.2018.
[4] Michael R. Gordon: U.S. Seeks Arab Force and Funding for Syria. wsj.com 16.04.2018.
[5] Zachary Cohen: Bolton dealing to build an Arab military force in Syria. edition.cnn.com 18.04.2018.
[6] Michael R. Gordon: U.S. Seeks Arab Force and Funding for Syria. wsj.com 16.04.2018.
[7] S. dazu Im Windschatten der Bomben.
[8] S. dazu Ignorierte Kriege (I).
[9] Julia Krittian: Saudi-Arabien bekommt neue deutsche Waffen. tagesschau.de 12.04.2018.
[10] Ewen MacAskill: UK moves closer to signing Typhoon jet deal with Saudis. theguardian.com 09.03.2018.
[11] Macron will zwischen Kurden und Türkei vermitteln. zeit.de 30.03.2018.
[12] Wolfgang Bauer: Deutschland muss sich einmischen. zeit.de 17.04.2018.
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