Dienstag, 2. Januar 2018

DIE SMARTE STADT NEU DENKEN

Publikationsankündigung

Wie urbane Technologien demokratisiert werden können
Studie von Evgeny Morozov und Francesca Bria
 

Wollte man heute Raymond Williams‘ Klassiker «Keywords» neuauflegen – ein Buch, in dem der Autor die Schlüsselbegriffe beschreibt, die den kulturellen Rahmen unserer Gegenwart prägen –, dann müsste dort das Wort «smart» mit an vorderster Stelle stehen. «Smart» ist zu einem wesentlichen Attribut unseres digitalen Zeitalters geworden – ein Wort, mit dem etliche, aber bislang vor allem uneingelöste Versprechen verbunden sind. Es gibt kaum etwas, von Zahnbürsten über Gebäude bis hin zum Wachstum, das heute noch ohne den Zusatz «smart» daherkommt. Damit soll eine ambitionierte, rasch um sich greifende, allerdings immer noch schwer zu fassende Konstellation von Bedeutungen bezeichnet werden. «Smart» wird häufig als ein sexy und innovationsfreundlich klingendes Synonym für «flexibel», «vernünftig», «selbstregulierend», «intelligent», «autonom», «findig», «schlank» oder gar «umweltfreundlich» verwandt – alles positiv besetzte und schillernde Begriffe, mit denen wir Emanzipation und Nachhaltigkeit assoziieren und die uns versichern, dass keinerlei Müll zurückbleiben wird. Und wer könnte dagegen schon ernsthaft etwas einzuwenden haben?
Die «Smart City» ist ganz offensichtlich unter allen Smartness-Konzepten dasjenige, das im vergangenen Jahrzehnt am stärksten die öffentliche Meinung und Fantasie okkupiert und beflügelt hat. Es ist zudem eines der politisch wichtigsten und folgenreichsten, da es weltweit das Denken und Handeln von Stadtplaner*innen, Architekt*innen, Betreibern von Infrastrukturen, Immobilienentwicklern, für das Verkehrswesen Zuständigen, Bürgermeister*innen, aber auch von ganzen Industrien durchdringt und beeinflusst.
Evgeny Morozov ist einer der profiliertesten Kritiker des digitalen Kapitalismus und beschäftigt sich mit der Frage, wie große Technologiefirmen unsere Gesellschaft und Demokratie umbauen. Er schreibt für diverse Zeitungen, u.a. The New York Times, The Economist, The Guardian und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und ist Autor mehrerer Bücher.
Francesca Bria ist Chief Technology and Digital Innovation Officer in der Stadtregierung von Barcelona. Zuvor war sie Koordinatorin des Projekts D-Cent zu direkter Demokratie und sozialen digitalen Währungen; sie war Beraterin der Europäischen Kommission zur Zukunft des Internets und zu Smart-City-Politiken. Sie ist seit vielen Jahren in sozialen Bewegungen aktiv und publiziert in unterschiedlichen Medien.

Die Publikation kann kostenlos auf unserer Webseite heruntergeladen werden und auch die Bestellung der gedruckten Ausgabe ist kostenfrei.
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Die Publikation wurde am 4.12. in Berlin im Rahmen einer Veranstaltung mit den beiden Autor*innen und dem Berliner Stadtforscher Andrej Holm präsentiert. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und eine Videoaufzeichnung steht zum nachträglichen Anschauen im Netz.


Publikationsankündigung DER AUTOMATISIERTE
ÖFFENTLICHE RAUM
Verantwortung und Regulierung profitorientierter Informationsvermittler
Analyse von Prof. Dr. Frank Pasquale (University of Maryland)

Heute wissen wir, dass praktisch jedes positive Versprechen, das in den frühen 2000er Jahren mit dem Internet verbunden war, eine Kehrseite hat. Zwar hat die Anonymität manchen ermöglicht, sich Gehör zu verschaffen, für die das sonst zu gefährlich gewesen wäre, aber sie hat auch Trolle, Doxer und andere Online-Akteure geschützt, die andere einschüchtern und zum Schweigen bringen. Zudem bedeutet Anonymität online immer auch Anonymität in Bezug auf die Finanzierung; dadurch können Tausende Strohfirmen verschleiern, wer die Botschaften bezahlt, die Einfluss auf die Öffentlichkeit, die Gesetzgeber und die Behörden ausüben könnten. Jede/r ist eingeladen, mitzumachen, aber genauso gut kann jede/r andere Online-Interessengemeinschaften durch Hashtag-Spamming oder Trollen stören – von zivilgesellschaftliche Gruppen und staatlichen Akteuren bis hin zu denen, die das «nur zum Spaß» machen. Wikileaks wurde anfangs als Möglichkeit gefeiert, Staaten für ihre illegalen Handlungen zur Rechenschaft zu ziehen; inzwischen hat sich die Organisation als bewusster Handlanger für die Einflussnahme autoritärer Staaten auf fremde Wahlen entpuppt, mit einer beunruhigenden Tendenz, antisemitische Botschaften zu verbreiten. Während die großen Inhalteanbieter immer weniger öffentliche Beachtung finden, führte die Fragmentierung der Öffentlichkeit zu einer nie dagewesenen Macht der großen Plattformen über jene Schnittstellen, welche die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Diese letzte Wendung ist Thema dieses Essays. 
Dieser Essay beschreibt zunächst die nachgewiesenen negativen Auswirkungen der Interventionen von Online-Propagandisten (und der Nachlässigkeit der Plattformen) auf Wahlkämpfe und -ergebnisse sowie auf den öffentlichen Raum im Allgemeinen (Teil I). Danach werden mehrere rechtliche und aufklärerische Vorgehensweisen vorgestellt, die die Vermittler entmachten oder sie zumindest dazu bewegen könnten, verantwortungsvoll mit ihrer Macht umzugehen (Teil II). Der vorletzte Abschnitt (Teil III) enthält ein Zugeständnis an diejenigen, die einer staatlichen Intervention im öffentlichen Raum misstrauisch gegenüberstehen. Manche Regierungen sind heute schon zu autoritär und unzuverlässig, um ihnen eine weitreichende Regulierungsgewalt über die Medien (egal ob alt oder neu) oder die Vermittler anzuvertrauen. Obwohl es nicht ratsam wäre, in ungeordneten Gesellschaften eine weitreichende Medienregulierung einzuführen, plädiere ich im abschließenden Teil umso dringlicher dafür, diese in geregelten Gesellschaften einzuführen. Nur so lässt sich verhindern, dass die absehbaren Missstände im automatisierten öffentlichen Raum die Schwächung der Demokratie beschleunigen.
Frank Pasquale ist Professor für Rechtswissenschaft an der Francis King Carey School of Law der Universität Maryland. Er forscht zu den informationsrechtlichen Herausforderungen, die sich aus dem rapiden technologischen Wandel ergeben, insbesondere in den Bereichen der Gesundheitsversorgung, des Internets und der Finanzindustrie.

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