Der mexikanische Mais: Multinationaler Privatbesitz?
Von Antonio Turrent Fernández*
(Mexiko-Stadt, 3. November 2017, la jornada).-
In Kürze wird ein Bundeskammergericht über die Beibehaltung der
Präventivmaßnahme entscheiden, die es dem mexikanischen
Landwirtschaftsministerium Sagarpa und dem Umweltministerium
Semarnat untersagt, neue Genehmigungen für den kommerziellen Anbau
von Genmais auf freiem Feld zu erteilen sowie entsprechende
Anträge während des Hauptverfahrens entgegenzunehmen. Das
Verfahren ist Ergebnis einer vor vier Jahren zugelassenen breit
gefassten sogenannten Kollektivklage, mit der beabsichtigt wird,
die biologische Vielfalt des einheimischen mexikanischen Mais zu
schützen.
Die Entscheidung des Kammergerichtes wird wegweisend sein. Eine
Aufhebung der Präventivmaßnahme könnte dem definitiven Sieg der
multinationalen Gentechnikindustrie gleichkommen. Selbst wenn
die Aufhebung nur wenige Stunden dauern würde, bestünde die
Gefahr einer Kettenreaktion bei der Erteilung von Genehmigungen.
Denn die Anträge auf die kommerzielle [d.h. großflächige]
Aussaat von Genmais und Teile der Antragsbearbeitung gingen der
Präventivmaßnahme voraus. Sagarpa und Semarnat sind in den
vergangenen vier Jahren vor Gericht Seite an Seite mit den
Interessen der Multis vorgegangen. Es ist nicht ausgeschlossen,
dass die Pläne schon in der Schublade liegen. Es gibt ein
Katastrophenszenarium, in dem es die Genehmigungen erlauben
würden, den auf einer Fläche von anderthalb Millionen Hektar im
agroindustriellen Bewässerungsanbau produzierten konventionellen
Mais durch Genmais zu ersetzen. Innerhalb weniger Jahre wäre das
irreversibel.
Das kolonialistische Lieblingsargument der multinationalen
Gentechnikindustrie lautet, für Mexiko sei es besser, die bisher
jährlich elf Millionen Tonnen importierten Genmais [als
Futtermittel und für die Lebensmittel verarbeitende Industrie]
vor Ort zu erzeugen. Eine Halbwahrheit, mit der sie bei den
wenig Informierten Gehör finden. Der agroindustrielle
konventionelle Maisanbau operiert bereits nahe seines derzeit
möglichen Anbaupotenzials. Inzwischen ist allgemein anerkannt,
dass die Gentechnologie keine höheren Erträge erzielt. Der
Genmais könnte daher nur den konventionellen Mais ersetzen. Nach
wie vor müssten dieselben Mengen Genmais importiert werden. Auf
dem internationalen Markt gibt es keinen weißen Mais [für den
menschlichen Verzehr], mit dem wir uns versorgen könnten.
Drohende Kontaminierung der Maissorten
Die Katastrophe käme auf eine zweite Weise zum Zuge. Mit dem
massiven Anbau von Genmais würde innerhalb von wenigen Jahren
eine unerschöpfliche und nicht mehr stillzulegende Quelle für
die Kontaminierung des einheimischen mexikanischen Mais und
seiner wildwachsenden Verwandten geschaffen. Einmal
verunreinigt, könnte die multinationale Gentechnikindustrie ganz
legal ihre Eigentumsrechte auf einheimische Maissorten und ihre
wildwachsenden Verwandten geltend machen.
Was würde dies für die Gesundheit der Mexikaner*innen bedeuten, die wir 53 Prozent unserer über die Nahrung aufgenommene Energie und 39 Prozent der Proteine aus dem direkten Konsum des Mais beziehen? Silvia Ribeiro beschreibt unter Bezug auf jüngste Untersuchungen der Autonomen Nationaluniversität Mexikos (UNAM) und der Autonomen Hauptstadtuniversität (UAM), dass 90 Prozent der Stichproben der industriell hergestellten Tortillas in unseren städtischen Zentren transgene DNA-Anteile aufweisen; in einem bedeutenden Teil sind Rückstände des Herbizids Glyphosat und/oder seinem Subprodukt AMPA (Aminomethylphosponsäure) auffindbar. Dies sollte nicht sein. Wir haben der Rechtfertigung unserer Regierung geglaubt, der importierte Genmais diene nur der industriellen Nutzung und als Futtermittel, nicht aber dem menschlichen Konsum. Die einheimische nicht gentechnisch veränderte Maisproduktion, die geeignet für den menschlichen Konsum ist, beträgt jährlich mehr als 23 Millionen Tonnen. Dieses Volumen übersteigt den möglichen jährlichen als Nahrung verarbeitbaren Maiskonsum der 120 Millionen Mexikaner*innen um 50 Prozent. Es gibt keinen Mangel an weißem Mais für die industrielle Herstellung des gesamten Maismehls, das wir Mexikaner*innen als Nahrungsmittel direkt verzehren könnten.
Was würde dies für die Gesundheit der Mexikaner*innen bedeuten, die wir 53 Prozent unserer über die Nahrung aufgenommene Energie und 39 Prozent der Proteine aus dem direkten Konsum des Mais beziehen? Silvia Ribeiro beschreibt unter Bezug auf jüngste Untersuchungen der Autonomen Nationaluniversität Mexikos (UNAM) und der Autonomen Hauptstadtuniversität (UAM), dass 90 Prozent der Stichproben der industriell hergestellten Tortillas in unseren städtischen Zentren transgene DNA-Anteile aufweisen; in einem bedeutenden Teil sind Rückstände des Herbizids Glyphosat und/oder seinem Subprodukt AMPA (Aminomethylphosponsäure) auffindbar. Dies sollte nicht sein. Wir haben der Rechtfertigung unserer Regierung geglaubt, der importierte Genmais diene nur der industriellen Nutzung und als Futtermittel, nicht aber dem menschlichen Konsum. Die einheimische nicht gentechnisch veränderte Maisproduktion, die geeignet für den menschlichen Konsum ist, beträgt jährlich mehr als 23 Millionen Tonnen. Dieses Volumen übersteigt den möglichen jährlichen als Nahrung verarbeitbaren Maiskonsum der 120 Millionen Mexikaner*innen um 50 Prozent. Es gibt keinen Mangel an weißem Mais für die industrielle Herstellung des gesamten Maismehls, das wir Mexikaner*innen als Nahrungsmittel direkt verzehren könnten.
Sollte die Entscheidung, den einheimischen nicht gentechnisch
veränderten Mais mit [US-subventioniertem] Genmais zu
vermischen, um industriellen hergestelltes Maismehl zu
produzieren, etwa der Marktgier unserer Industrie geschuldet
sein? Ist dies etwa keine schlechte und langfristig grausame
Entscheidung, bei der wir uns selbst ins Bein schießen? Es gibt
starke Hinweise, dass der Konsum von Genmais und Glyphosat
chronische, klinisch schwer feststellbare Schäden verursacht,
die sich wie beim Tabak erst nach langer Inkubationszeit zeigen.
Jahr für Jahr kämpfen unsere einheimischen kommerziell
ausgerichteten Maisproduzenten darum, ihr Erzeugnis im Land
verkaufen zu können, müssen es sogar exportieren. Nur die für
den Eigenbedarf anbauende Landbevölkerung ernährt sich
[ausschließlich] von gentechnikfreiem Mais.
In weniger als drei Jahren könnte es mit dem Konsum von
konventionellem, für den menschlichen Konsum geeignetem Mais
vorbei sein. Von diesem Ausmaß ist die Verantwortung, die wir
alle tragen: das Bundeskammergericht, Sagarpa, Semarnat, das
Gesundheitsministerium, die nationale Maismehlindustrie, die
mexikanische Wissenschaftsgemeinschaft und wir mexikanischen
Verbraucher*innen!
*Mitglied der Vereinigung gesellschaftlich engagierter
Wissenschaftler*innen (UCCS), emeritiertes Mitglied des
Landesweiten Forscher*innen-Systems (SNI).
Der mexikanische Mais: Multinationaler
Privatbesitz? von Nachrichtenpool Lateinamerika ist
lizenziert unter Creative
Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen
4.0 international.
_______________________________________________Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen