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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0504 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) ein Artikel zur situation auf der Sinai-Halbinsel;
2.) die Dezember-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK.
1.) AUSDRUCK – Das IMI-Magazin (Dezember 2017)
Die gesamte Ausgabe findet sich wie immer gratis auf der IMI-Seite:
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-Web.pdf
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unsere Arbeit): http://www.imi-online.de/mitglied-werden/
INHALTSVERZEICHNIS
MALI: FAKT UND FIKTION
-- Skripted Mali. Aktuelle Berichte zur Lage und offenbare Auslassungen
der Bundeswehr-Serie (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-CM.pdf
-- Das Kerneuropa konstituiert sich im Sahel (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-CM2.pdf
-- Die fabelhafte Welt des Malibot (Alexander Kleiß)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-AK.pdf
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Die Ariane-Städte: Nahe an der Atomwaffe (Teil II) (Peter Feininger)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-PF.pdf
-- Trinationaler Workshop Zivil-Militärische Zusammenarbeit: Vertreter
von Militär, Staat, NGOs und Konzernen treffen sich in Hamburg
(Christian Stache)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-CS.pdf
PROPAGANDA UND INFORMATIONSKRIEGE
-- Ein Beispiel für Nato-Kriegspropaganda: Die Studie zum Umgang mit
Desinformationskampagnen gegenüber der Luftwaffe (Christopher Schwitanski)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-CS2.pdf
-- 2026: (Informations-)Krieg NATO vs. Russland (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-JW.pdf
-- Krieg im Informationsraum: Bericht vom IMI-Kongress 2017 (IMI)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-IMI.pdf
RUSSLAND UND ZENTRALASIEN
-- Geopolitik und Handel: Die russisch-lateinamerikanischen Beziehungen
(Mirko Petersen)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-Dezember-2017-MP.pdf
-- Kirgisistan und Tadschikistan: Konflikte in der zentralasiatischen
post-sowjetischen Peripherie (David X. Noack)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-DN.pdf
WEITERE ARTIKEL
-- Profiteure der High-Tech-Vegrenzung (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-CM3.pdf
-- Angst vor klarem Himmel. In Emran Feroz‘ Buch über den
US-Drohnenkrieg kommen die Betroffenen zu Wort (Marius Pletsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-MP.pdf
-- PESCO: Historischer Rüstungsschub? (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-87-2017-JW2.pdf
2.) Artikel zur Situation auf der Sinai-Halbinsel
IMI-Standpunkt 2017/038
Luftschläge im Sinai sind kein stiller Gruß
Merkels fatales Kondolenztelegramm
http://www.imi-online.de/2017/12/08/luftschlaege-im-sinai-sind-kein-stiller-gruss/
Jacqueline Andres (8. Dezember 2017)
In ihrem Kondolenztelegramm an den ägyptischen Präsidenten, Abdel Fattah
Al-Sisi, betonte Bundeskanzlerin Merkel, sie habe „mit großer Bestürzung
[...] die Nachricht vom Angriff auf eine Moschee auf der ägyptischen
Sinai-Halbinsel erhalten, bei dem so viele unschuldige Menschen den Tod
fanden und viele weitere verletzt wurden.“ Merkel verurteilte diesen
niederträchtigen Anschlag auf das Schärfste.
Bei dem besagten Anschlag Ende November 2017 auf die Rawda-Moschee in
dem Ort Al Rawda im Norden Sinais wurden mehr als 305 Menschen getötet.
Zu diesem Anschlag, der zumindest in den deutsch- und englischsprachigen
Leitmedien als der blutigste in der modernen Geschichte des Landes
benannt wird, bekannte sich bislang niemand, doch die ägyptische
Staatsanwaltschaft hält die sich dem Islamischen Staat zuordneten Gruppe
Wilaya Sinai (Provinz Sinai) für verantwortlich. An Sisi direkt richtete
Bundeskanzlerin Merkel folgende politisch schwerwiegenden Worte: „Seien
Sie versichert, dass Deutschland im Kampf gegen den Terror weiter an der
Seite Ihres Landes und der Menschen in Ägypten stehen wird.“
Mit Bomben und brutaler Gewalt gegen Terror?
Sisi antwortete nur einen Tag später mit Luftschlägen auf den Anschlag –
dabei kamen laut der Zeitung EgyptToday mindestens 30 Menschen ums
Leben, von denen behauptet wird, an den Anschlägen beteiligt gewesen zu
sein.[1] Nach Details und rechtlichen Grundlagen wird nicht gefragt.
Auch die bombardierten Angriffsziele klangen im Artikel fast willkürlich
und zufällig ausgewählt: es wurden Pickups bombardiert und weitere
„terrorist hotbeds“ ausgehoben. Auf den von der ägyptischen Luftwaffe
geposteten Bildern der Operation wird die schlechte Auflösung der Bilder
deutlich, die wohl als Grundlage ihrer militärischen Maßnahme dienten,
die auch ganz offiziell nicht die Festnahme Verdächtiger zum Ziel hat,
sondern ihre „Eliminierung“.[2] An die ägyptischen Streitkräfte stellte
Sisi die Forderung, innerhalb von drei Monaten die Situation in den
Griff zu bekommen und befahl ihnen, die dazu „notwendige brachiale
Gewalt“ anzuwenden. Im kommenden Jahr stehen wieder
Präsidentschaftswahlen in Ägypten an und es ist davon auszugehen, dass
Sisi die verbleibende Amtszeit dazu nutzen wird, sich politischer
Gegner_innen im Rahmen seines Kriegs gegen den Terror zu entledigen.
Ahmed Shafiq, der 2012 die Präsidentschaftswahl nur knapp gegen Mohammed
Morsi verlor, stand zunächst nach seiner Absichtserklärung in 2018
erneut zu kandidieren, in den Vereinigten Arabischen Emiraten unter
Hausarrest und wurde kurz danach nach Ägypten abgeschoben und gilt
seither als verschwunden.[3]
Wie Sisi den Terror auf der Sinai-Halbinsel stärkte
Weitet man den Terrorismusbegriff auch auf staatlichen Terror aus, so
ist der blutigste Anschlag von Sisi selbst gegen die Opposition
angeordnet worden. Am 14. August 2013 erschossen ägyptische
Sicherheitskräfte mehr als 1000 Anhänger_innen der Moslembruderschaft,
die auf dem Rabi'a- und dem Al-Nahda-Platz gegen den Militärputsch Sisis
und für den aus dem Amt gejagten ersten demokratisch gewählten
Präsidenten des Landes, Mohammed Morsi, demonstrierten. Hierbei handelt
es sich laut Human Rights Watch um eine der brutalsten
Massenhinrichtungen von Demonstrant_innen in der jüngeren Weltgeschichte
und um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.[4] Nach dem Massaker
erhielten die involvierten Sicherheitskräfte eine Bonuszahlung sowie ein
Ehrendenkmal auf dem Rabi'a-Platz, das die gute Zusammenarbeit von Armee
und Polizei zum Schutz der ägyptischen Bevölkerung symbolisieren
soll.[5] Dieses brutale Vorgehen sollte für Sisis weiteren Umgang mit
Dissens und Opposition zukunftsweisend sein und zu einer Radikalisierung
und islamistischen Einfärbung des Dissenses vielerorts führen – auch auf
der Sinaihalbinsel. Nachdem zunächst Unbekannte wiederholt die
Gaspipeline von Sinai nach Israel sabotierten und sich infolgedessen das
erste Mal als Ansar Beit Maqdis (ABM) vorstellten, nahm ihr Diskurs
zunehmend islamistischere Töne an und die ägyptischen Sicherheitsdienste
sowie die zahlreichen Militärunternehmen stellten ihre neuen
Angriffsziele dar.
Krieg gegen Terror, den niemand sieht
Widersprechen kann den Erfolgsmeldungen des Militärs bezüglich seines
Krieges auf dem Sinai auch kaum niemand – seit der Einführung des
Ausnahmezustands auf dem Sinai im Jahr 2014 herrscht ein „media
blackout“ auf der Halbinsel. Durch das wiederholte Abschalten des
Mobilfunks und Internets können selbst Bewohner_innen die Vorgänge vor
Ort oft nicht nach außen tragen.
Journalist_innen können nur selten in den Sinai einreisen und sollten
sie in ihrer Berichtserstattung über den Krieg gegen den Terror auf der
Halbinsel von der Linie der Regierung abweichen, so verstoßen sie gegen
das 2015 erlassene Anti-Terrorgesetzt und landen immer wieder vor
Militärgerichten, wie u.a Mohannad Sabry. Sabry sieht einen Grund für
diesen Berichtsverbot darin, dass die Regierung befürchtet, den
Erfolgsbehauptungen von Seiten seines Militärapparats könnte
widersprochen werden und die traurige Realität eines mehrdimensionalen
Versagens der Regierung offensichtlich werden. Auch nach dem Anschlag
gestattete das Militär den Journalist_innen keinen Zugang zu der Moschee
und verbat, Bilder der Beerdigungen zu machen.[6] Nach Aussagen von
Khaled Megahed, einem Sprecher des Gesundheitsministeriums, habe dieses
den Medien ohne weitere Erklärung verboten, mit den Verletzten zu
sprechen.[7]
Seit der Amtszeit von Sisi wurden hunderte Menschen grundlos
festgenommen, gefoltert und zum Teil auch außergerichtlich hingerichtet.
Wie sein Amtsvorgänger ließ auch Sisi Tunnel zum angrenzenden
Gazastreifen mit Salzwasser fluten, wodurch das Grundwasser versalzt. Um
die Errichtung neuer Tunnel zu erschweren, ließ Sisi in der Zeit von
Juli 2013 bis August 2015 mehr als 3.255 an den Gazastreifen angrenzende
Häuser in der ägyptischen Stadt Rafah zerstören, um eine Pufferzone zu
errichten. Viele der vertriebenen Bewohner_innen sahen sich durch die
unverhältnismäßige geringe Entschädigung dazu gezwungen, in selbst
errichteten Hütten in der Wüste zu leben, oder auch Zuflucht in Orten
wie Al Rawda zu suchen.
Diese militärische Terrorismusbekänpfung verschlimmert die Situation auf
dem Sinai, schafft einen fruchtbaren Boden für die Rekrutierung
islamistischer Gruppierungen und verschärft die Misere der zwischen die
Fronten des staatlichen und des islamistischen Terrors geratenen
Anwohner_innen.
Ziel des Anschlags?
Einige Anwohner_innen sehen den Grund des Anschlages neben des Angriffs
auf eine Moschee des Jaririya-Sufi-Ordens vor allem auch in der
Zusammenarbeit der Dorfbewohner_innen mit den staatlichen
Sicherheitskräften innerhalb der vergangenen Monate, die vor allem aus
der Weitergabe von Informationen über die Bewegungen der Wilayat Sinai
oder am Straßenrand platzierte unkonventionelle Sprengvorrichtungen
bestand.[8] Der Krieg auf dem Sinai bringt die Bewohner_innen in die
Situation, sich auf die Seite einer der Kriegsparteien zu stellen und
zieht sie somit immer weiter in die Spirale der Gewalt. Die nach dem
Anschlag gestellte Forderung der Union der Stämme Sinais nach einer
Bewaffnung ihrer Mitglieder durch das Militär für den Krieg gegen
Wilayat Sinai ist besorgniserregend und könnte den Weg in einen
Bürgerkrieg pflastern.[9]
Bei dem Anschlag auf die Rawda-Moschee schienen die hinterlassenen
Munitionsreste Aufschluss über die Täterschaft zu geben: auf ihnen waren
die Initialen der ägyptischen Armee zu erkennen. Bisher, laut
Al-Monitor, sei es nur der Gruppe Wilayat Sinai gelungen, bei Angriffen
auf das Militär dessen Waffen und Munition zu erbeuten. Mehr Waffen
versprechen mehr Gewalt. Zudem könnten nach einer Bewaffnung der Union
der Stämme Sinais auch interne Streitigkeiten unter dem Vorwand der
Terrorismusbekämpfung bewaffnet ausgetragen werden.
Die Legitimierung der Luftschläge sind kein stiller Gruß
Das mit „stillem Gruß“ gezeichnete Kondolenztelegramm gießt somit mehr
Öl ins Feuer, das seit Jahren Tausenden Menschen auf der Halbinsel Sinai
das Leben gekostet hat und alle Bewohner_innen unter eine
Kollektivstrafe stellt. Die Luftschläge, hinter denen Bundeskanzlerin
Merkel steht, werden den durch Staatsterror und Marginalisierung
entstandenen islamistisch eingeordneten Terrorismus auf der Halbinsel
eher stärken als schwächen. Sabrys Ansicht nach müsse die Regierung, um
die Situation vor Ort zu bessern, zunächst eingestehen, dass ihre
Militäroperationen und Sicherheitspolitik der letzten Jahre ein
Fehlschlag waren. Außerdem müssten die staatlichen Behörden unverzüglich
die gravierenden und zahlreichen Menschenrechtsverletzungen beenden, die
- gepaart mit der aus wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung
entstandenen Perspektivlosigkeit - die lokale Jugend in die Arme
bewaffneter Gruppen treibt. Die Wurzeln des Konfliktes liegen in der
historischen Benachteiligung der Bedouinen auf dem Sinai, deren Unmut
gegen den Staat mit der Kriminalisierung und Kollektivbestrafung von
Seiten der Mubarak und der Sisi Regierungen stieg. Gespräche, Bildung,
soziale Einbindung und wirtschaftliche Teilhabe könnten den
hausgemachten Konflikt viel eher beheben. Doch davon ist in Merkels
Kondolenztelegramm und der weitergehenden polizeilichen, militärischen
und geheimdienstlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ägypten
nichts zu erkennen.
Anmerkungen
[1] Air Force kills terrorists of mosque attack in fleeing pickups,
egypttoday.com, 25.11.2017
[2]القوات الجوية تقتل عدد من العناصر الإرهابية المنفذة للهجوم الإرهابى ,
mod.gov.eg, 25.11.2017
[3]Ahmed Shafiq whereabouts unknown after he is 'deported to Cairo',
middleeasteye.net, 03.12.2017
[4] Ägypten: Tötungen in Rabaa und andere Tötungen wohl Verbrechen gegen
die Menschlichkeit, hrw.org, 24.08.2014
[5]Five Egyptians arrested for vandalising army-built memorial in Rabaa,
english.ahram.org.eg, 15.05.2014
[6]Mourad Hegazi: Province of Sinai ordered Rawda Sufis to halt rituals
1 week before Friday attack, madamasr.com, 24.11.2017
[7]Karoline Kamel, I was in Rawda, madamasr.com, 26.11.2017
[8]Sinai massacre forebodes more violence, al-monitor.com, 28.11.2017
[9]Should Egypt arm Sinai tribes to confront extremists?,
al-monitor.com, 07.12.2017
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