#revolución antitransgénico – Interview mit der Maya-Imkerin Leydy Pech über den Einsatz der Gemeinden gegen Gensoja
Von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt/Berlin
(Mexiko-Stadt/Berlin, 01. Dezember 2017, npl).- Auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán setzen die Maya-Gemeinden ihren Kampf gegen den Anbau von Monsanto-Gensoja und die Zerstörung ihrer natürlichen Ressourcen fort. Ende September/Anfang Oktober schilderten die Maya-Imkerin Leydy Aracely Pech Martin aus dem Bundesstaat Campeche und die Agronomin Irma Catalina Gómez Gónzalez die Lage auf einer kleinen Rundreise durch Österreich und Deutschland. Dabei führte Gerold Schmidt auch das nachfolgende Interview mit Ledy Pech.
Wie ist der aktuelle Stand?
Offiziell ist der kommerzielle Anbau von Gensoja in Campeche suspendiert. Es läuft der Befragungsprozess der betroffenen Maya-Gemeinden. Doch Proben, die sowohl wir als auch Behörden durchgeführt haben, belegen den illegalen Anbau. Wenn wir die Stichproben hochrechnen, dann handelt es sich bei mehr als der Hälfte der angebauten Soja in meinem Landkreis Hopelchén inzwischen trotz des geltenden Anbauverbotes um Gensoja. Dies wird nicht verfolgt, die Behörden spielen das herunter.
Wir fragen uns zudem, wie das Saatgut in die Hände der Bauern gelangt. Es gibt keine effektiven staatlichen Kontrollen, die den Weg von der Herstellung des transgenen Saatgutes bis auf das Feld kontrollieren. Monsanto streitet ab, das Saatgut weiter an die Bauern zu liefern. Bei dem Befragungsprozess nehmen die Regierungsstellen offen eine Position pro Gentechnik ein. Sie versuchen ein ums andere Mal, die Maya-Gemeinden zu spalten. Der Richter am Distriktgericht Campeche, der das erste für uns günstige Urteil sprach und uns in Anhörungen Gehör schenkte, wurde von der Justizbehörde versetzt.
Immer wieder hast du die Entwaldung in Campeche und in deinem Landkreis Hopelchén angesprochen. Was hat dies mit dem Anbau von Gensoja zu tun?
Sowohl Gensoja als auch konventionelle Soja werden als großflächige Monokulturen angebaut. Den gepflanzten und den geplanten Flächen steht der Maya-Urwald im Weg. Die Halbinsel Yucatán hat landesweit die höchste Entwaldungsrate, in Campeche sind zehntausende Hektar Wald verschwunden.
Das ist so illegal wie die Gensoja, wird aber ebenso wenig verfolgt. Unsere Klagen vor verschiedenen Regierungsinstitutionen verlaufen im Sande. Das Umlegen der Bäume erfolgt oft nachts. So werden beispielsweise enorme Eisenketten zwischen zwei schwere Landmaschinen gespannt und der Wald wird praktisch niedergemäht. Es tut weh, diese Zerstörung zu sehen.
Wird der Wald denn nicht in den Ejidos, in denen die Maya-Gemeinden über die Landnutzung kollektiv und in Versammlungen entscheiden, geschützt und verteidigt?
Auf dem Ejido-Land ist das in der Regel der Fall. Auch den Wald außerhalb der Ejidos haben wir geschützt und sehen ihn als Teil des Maya-Territoriums an. Doch auf dem Papier ist es Staatsland im Bundesbesitz.
Die letzten Regierungen haben es als brachliegendes, unproduktives Land bezeichnet und es vielfach den Mennoniten verkauft, die sich vor einigen Jahrzehnten in Campeche angesiedelt haben. Diese haben ein ganz anderes Verhältnis zur Natur, es geht ihnen darum, so viel wie möglich aus dem Boden herauszuholen. Die Regierung stellt uns „kleinen Indios“ die Arbeitsethik der Mennoniten als Beispiel hin. Die Mennoniten ihrerseits sagen, als Besitzer des Bodens mit gültigen Papieren können sie damit machen, was sie wollen. Auch wenn das so nicht stimmt. Es gibt derzeit ein sehr angespanntes Verhältnis zwischen Mayas und Mennoniten.
Ist der Umgang mit Wasser ist ein weiterer Konfliktpunkt?
Ja, in mehrfacher Hinsicht. Teile der Wälder waren früher in der Regenzeit überflutet, das ist dem großflächigen Anbau von Gensoja nicht dienlich. Die Sojabauer legten Deiche, Kanalsysteme und sogenannte bis zu 80 Meter tiefe Schluckbrunnen an. Aus diesen wird kein Wasser gefördert, sondern das Wasser wird in diese Brunnen abgeleitet.
So wurden ganze Areale trockengelegt. Kilometerlange Lagunen verschwanden vollständig. Wo früher Wald und Grünflächen waren, finden wir heute Ödland. Auf der gesamten Halbinsel gibt es so gut wie keine oberirdischen Flüsse, sondern Lagunen und natürliche Brunnen, die Cenotes. Das Wasser sickert durch den Karstboden, die Halbinsel ist durch ein unterirdisches Fluss- und Brunnensystem verbunden.
Die intensive Verwendung von Glyphosat bei der glyphosatresistenten Gensoja und generell der Pestizide im konventionellen Anbau hat das Grundwasser auf der gesamten Halbinsel verseucht, wie verschiedene Untersuchungen gezeigt haben. Durch die Schluckbrunnen schreitet dieser Prozess noch viel schneller voran. Von den Feldern gelangen die Gifte direkt ins Grundwasser.
Im Übrigen sind die Pestizde auch in Trinkwasser nachgewiesen worden, das in Flaschen verfüllt war. Glyphosat wurde sowohl im Blut der Menschen, die auf dem Feld arbeiten, wie auch bei denen, die Hausarbeit verrichten, gefunden. Das heißt, wir sind alle dem Gift ausgesetzt.
Die Imkerei ist für viele Maya-Familien eine wichtige Einkommensquelle, du selbst arbeitest mit Wildbienen. Welche Gefahren seht ihr für Euch?
Den Wildbienen fehlen die Waldblüten. Insgesamt geht durch Abholzung, Besprühungen und die Monokulturen biologische Vielfalt verloren. Das Glyphosat tötet die Bienen im Gegensatz zu anderen Pestiziden nicht, aber es schwächt sie. Wir hatten zuletzt ein großes Bienensterben und wir sehen da einen Zusammenhang.
Zudem produzieren wir hochwertigen Bio-Honig, der fast ausschließlich nach Europa und vor allem nach Deutschland exportiert wird. Jede Kontaminierung mit Genpollen kann unseren Absatz zusammenbrechen lassen. Wir Maya wollen auf unserem Territorium leben, wir können unsere Bienenstöcke nicht einfach woanders hinstellen. Darum ist es für uns so wichtig, dass sich der Anbau der Gensoja nicht durchsetzt. Ich kann meinen Bienen nicht verbieten, auf ein Feld mit Gensoja zu fliegen, wenn sie woanders keine Blüten finden.
Eine Koexistenz von Bio-Imkerei und Gensoja ist nicht möglich. Die Regierung macht den Vorschlag, wir sollten doch in die USA exportieren, wo die Anforderungen an die Honigqualität nicht so hoch sind. Für uns ist die nachhaltige Imkerei aber nicht nur Einkommensquelle, sondern Teil unserer Lebensphilosophie.
Was erwartet ihr von der Regierung?
Kaum noch etwas. Wir dürfen nicht immer nur auf die Regierung schauen, sondern müssen selbst Verantwortung übernehmen. Wir müssen Druck auf die öffentliche Politik ausüben. So hat der Konflikt um die Gensoja dafür gesorgt, dass wir über unsere Rolle als Maya, über unserer Territorium reflektiert haben. Es gibt neue Komitees in vielen Gemeinden, wir stimmen uns ab. Da ist etwas in Gang gekommen, was über das Thema Gensoja hinausgeht. Gleichzeitig suchen wir nach Allianzen, beispielsweise mit dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte. Mit einzelnen Forschern und Universitäten. Oder auch mit den Honigaufkäufern. Ursprünglich waren die sehr herablassend, jetzt kommt auch von ihnen Unterstützung.
Die Regierung will nicht verstehen, dass sie den Leuten die Dinge richtig erklären muss. Sie meinen: ein Treffen – und das reicht dann. Die Regierung hat ihr Entwicklungsmodell, das auf die agroindustrielle Entwicklung ausgerichtet ist. Das ist nicht unsere Version. Wir Maya haben viel Wissen, das ist nicht verloren. Ein Beispiel sind Vorschläge für die Wiederaufforstung mit einheimischen, widerstandsfähigen Baumarten. Da gibt es viel Wissen über den Boden, die Keimlinge. Das müssen wir ausnutzen. Wir wollen unsere zerstörte Natur wieder herstellen. Die Regierung denkt immer nur in Geldbeträgen und Geldforderungen. Sie setzt auch auf unsere Ermüdung. Im kommenden Jahr sind Wahlen. Wir achten darauf, dass keine Kandidaten auf unsere Sache aufspringen. Es geht um Überzeugungen, nicht um einzelne politische Parteien. Wir vermischen das nicht.
Sind denn auch junge Leute an eurem Einsatz interessiert?
Wir arbeiten seit Jahren mit jungen Leuten. Wir sind in die Schulen gegangen. Ich zum Beispiel habe ihnen gesagt: „Dass ihr hier sitzt, ist das Verdienst eurer Eltern und Großeltern. Was werdet ihr für sie tun?“ Gerade in Hopelchén gibt es eine Reihe junger Leute, die sogar eine Universitätsausbildung absolviert haben und in die Gemeinden zurückgehen, helfen.
In Ich-Ek, meiner Gemeinde, haben die jungen Leute ihr eigenes Komitee gegründet, sie haben ihren hashtag „#revolución antitransgénico“ und tun sich mit jungen Leuten aus den anderen Gemeinden zusammen. Sie organisieren sich über soziale Netzwerke, produzieren kleine Nachrichten und Videos über ihre Gemeinden. Sie besuchen die Orte, wo die größten Zerstörungen sind, wo sich die Schluckbrunnen befinden. Sie wollen Kampagnen machen, Plakate entwerfen, T-Shirts drucken lassen, vor der Gemeindeversammlung sprechen. Anfangs sagte ich ihnen: „Ihr seid die Zukunft.“ Doch sie korrigierten mich. „Nein, Leydy, wir sind die Gegenwart“. Nicht immer ist die Zusammenarbeit einfach. Die jungen Leute sind oft viel radikaler, mehr auf Konfrontation aus. Aber wir müssen ihnen eine Stimme geben.
(Erstveröffentlichung des Interviews: ila 410)
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