Das ist
ja mal ein schöner Text, finde ich ... und schicke ihn deshalb
rum. Stammt aus der aktuellen Contraste, S. 4:
Da
muss ich erst im
Plenum fragen .......
lautet oft die erste Antwort von Einzelnen
aus einer
Projektgruppe, eines Hauses oder eines Kollektivbetriebes, wenn
eine neue Idee,
die Bitte um solidarische Unterstützung oder ähnliche Anliegen
an sie herangetragen
werden. Was auch sonst, denn wir handeln, diskutieren und
beschließen alles und
alle gemeinsam! Das ist Naturgesetz in Gemeinschaften und macht
gerade den
Unterschied zu den gesellschaftlichen Hierarchieketten in
>normalen< Organisationen,
Betrieben oder bei Hauseigentum ringsherum aus. Zusammen und
nicht alleine,
denn dadurch sind wir stark!
Das Plenum, die Vollversammlung, das
Gruppentreffen, der
Hausrat oder welche Überschriften den Zusammenkünften auch immer
gegeben
werden: es sind die Orte der ultimativen Legitimation und der
kollektiven
Weisheit letzter Schluss. Zumindest sollen oder wollen sie es
ein.
Wir als externe Berater*innen kommen oft zu
abweichenden Einsichten,
gerade wenn wir manifeste Problemlagen in Projekten ergründen.
Die
Vielseitigkeit, Unterschiedlichkeit und Eigenwilligkeit von uns
Individuen wird
sehr häufig zu einem konsensualen, quasi homogenen
Kollektiv-Eintopf verrührt.
Doch leider oftmals zu Lasten einer gut gewürzten und spannenden
Geschmacksmischung. Viele Themen und Vorschläge, die individuell
eingebracht
oder übermittelt werden, teilen wiederholt ein kurzes Schicksal,
das jedoch dauerhaft
Spuren hinterlässt. Sie schaffen es manchmal gar nicht erst auf
die
Tagesordnung, weil der morgige Tag, der Arbeitseinsatz nächste
Woche oder eine
drängende Antragsfrist unbedingt sofort geklärt werden müssen.
Andererseits murrt
ein Teil der Gruppe: >das hatten wir doch schon, nicht schon
wieder<.
Notfalls wiederholt sich auch nur der Vortrag längst bekannter,
unvereinbar
gegensätzlicher Positionen und Argumente, bis die Debatte abrupt
endet: >so-kommen-wir-doch-nicht-weiter!<
... auch weil dann die Plenumszeit meistens abgelaufen ist.
Die für uns erkennbaren Spuren
beziehungsweise individuellen
Folgen, sind eine Mischung aus Resignation, Vorsichtigkeit,
innere Immigration
der Gedanken, Wiederholung eingeübter Gruppenrituale, gezähmter
Sprachkodex und
andere Normierungen. Und das alles fördert nicht die
Zivilcourage, die
Hartnäckigkeit, die Wehrhaftigkeit, nicht die Emanzipation und
nicht die
Eigenständigkeit jeder/s einzelnen Kollektivist*in. Obwohl wir
uns genau diese
Ziele mit großer Schrift ins Stammbuch geschrieben haben.
Natürlich nicht mit
Absicht und völlig ungewollt, doch oft läuft dieser wirksame,
parallele
Lehrplan unerkannt hinter unserem Rücken ab. Themen werden nicht
(mehr) eingebracht,
weil es erfahrungsgemäß zwecklos ist: >Damit brauche ich
meinem Kollektiv
gar nicht erst zu kommen!<. Viele Meinungen werden nur
eingebracht, wenn vorher
eine größere Konsenschance diagnostiziert wird. Oder nur dann,
wenn ich mich
robust genug fühle, den zu erwartenden Gegenwind auszuhalten.
Oder nur, wenn es
den Grundkonsens der Gruppe nicht gefährdet, wenn also keine
ausufernde nach
Generaldebatte kollektive Bugwellen drohen. Diese Reduzierung
verhindert oft für
die Projektentwicklung wichtige Debatten. Und, viel wichtiger,
es übt
vorauseilend konsensuales Denken und Handeln als Grundprinzip
ein. Das steht
nicht selten im Gegensatz zur individuellen Stärkung und zur
Förderung eines wachsenden
und erstrebenswerten Selbstbewusstseins.
Was machen wir mit diesem Dilemma? Ein
Dilemma zwischen der
Gruppe und dem Ich, was immer wieder in vielen Varianten
untersucht und
dargestellt wurde und wird.
Konsensfähigkeit ist nicht der Nabel der Welt
und nicht das höchste
aller erreichbaren kollektiven Kulturgüter. Offener Widerspruch
und deutliche
Unvereinbarkeit erschüttern oder zerstören nicht gleich
zwangsweise jeglichen gemeinsamen
Handlungsrahmen. Solidarität im Alltag wird nur durch und mit
unseren
individuellen Widerspenstigkeiten wahrhaft und wirksam gestärkt,
auch wenn dazu
gelegentlich Stürme ausgehalten, der Weg und die Reisegruppe
verändert oder
gewechselt werden muss. Starke Individualität und ein
entwickeltes
Selbstbewusstsein sind der Motor für gemeinschaftliche Prozesse
und
Fortschritt. Ringen wir uns den Mut ab und ermuntern uns immer
wieder aufs neue
die Frage zu stellen, die mal so treffend in einer Gruppe
formuliert wurde: Kollektive
Individualität oder individuelle Kollektivität - was macht uns
auf Dauer
wirklich stark?
Willi Schwarz
-- (Bitte bei Antworten lange Mailzitate wegschneiden ... spart Daten, Zeit und Unübersichtlichkeit :-) Projektwerkstatt Saasen, 06401-903283, Fax 03212-1434654 Ludwigstr. 11, 35447 Reiskirchen-Saasen (20 km östlich Giessen) www.projektwerkstatt.de/saasenPGP unter www.projektwerkstatt.de/feedback.html - Seminarhaus und politische Aktionswerkstätten - Archive, Bibliotheken und Gruppenräume (mit Bahnanschluss) Spannende Bücher und DVDs unter www.projektwerkstatt.de/materialien! Angebote für Aktionstrainings, Workshops und Vorträge: www.projektwerkstatt.de/referent.html und ../termine. Die Projektwerkstatt lebt davon, dass woanders Sachen übrig sind: Eine Liste, was gebraucht wird, ist unter www.projektwerkstatt.de/gesucht zu finden, z.B. kleines Audio-Aufnahmegerät, Obstpresse, Ansteckmikrofone (mit Kabel oder per Funk), CanonEF- oder M-Objektive und viele Verbrauchsmaterialien.
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