Sonntag, 30. Dezember 2018

[Chiapas98] Agenturen zu 25 Jahre zapatistischer Aufstand

Der Aufstand der Würde - Die Rebellion der Zapatisten in Mexiko jährt sich zum 25. Mal - (Termin: 1. Januar) - (mit Bild) Von Wolf-Dieter Vogel (epd) 

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Mexiko/Ureinwohner/KORR/
 Der Aufstand der Würde - Die Rebellion der Zapatisten in Mexiko jährt
sich zum 25. Mal - (Termin: 1. Januar) - (mit Bild)
Von Wolf-Dieter Vogel (epd) =

Vor genau 25 Jahren machten die Zapatisten mit einem Aufstand im
mexikanischen Bundesstaat Chiapas von sich hören. Bis heute hat der
Kampf der indigenen Rebellen große Bedeutung.

Oaxaca (epd). Das Schild vor dem bunt bemalten Holzhaus lässt keinen
Zweifel: «Hier regiert das Volk und die Regierung gehorcht.» Der
Slogan, mit dem die südmexikanische Gemeinde Oventic ihre Besucher
empfängt, gehört zu den wichtigsten Regeln des Zusammenlebens in dem
indigenen Dorf. Denn das im Hochland des südmexikanischen
Bundesstaates Chiapas gelegene Oventic befindet sich, wie ein
weiterer Hinweis klarstellt, auf «rebellischem zapatistischem
Gebiet».

   Vor genau 25 Jahren sind die aufrührerischen Angehörigen von
Maya-Völkern erstmals öffentlich in Erscheinung getreten. Damals, am
1. Januar 1994, betraten sie mit einem Paukenschlag die Bühne der
Weltgeschichte. Bewaffnet mit einfachen Gewehren, ihre Gesichter
hinter schwarzen Masken versteckt, besetzten Einheiten des
Zapatistischen Heers der Nationalen Befreiung (EZLN) sieben Städte in
Chiapas. Es war der Tag, an dem der Nordamerikanische
Freihandelsvertrag Nafta inkraft trat - ein Abkommen, das die
Zapatisten als neoliberales Projekt ablehnten.

   «Wir sind das Produkt von 500 Jahren Kämpfen», erklärten die
Rebellen und verwiesen auf den Krieg gegen die spanischen Eroberer,
die mexikanische Revolution und ihren Namensgeber, den Bauernführer
Emiliano Zapata. «Es reicht», erklärten sie und forderten «Arbeit,
Land, Wohnen, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Freiheit, Demokratie,
Gerechtigkeit und Frieden.»

   Die Gefechte mit den Soldaten endeten bereits nach zwölf Tagen.
Damit ihr später mit der Regierung ausgehandeltes Abkommen auch
umgesetzt wird, machten die Zapatisten jahrelang Druck. Auf
«Interkontinentalen Treffen» diskutierten sie mit Linken aus allen
Weltregionen über Alternativen zum Kapitalismus, mit einer Karawane
zogen sie nach Mexiko-Stadt.

   Vor der Abstimmung über ein «Indigenen-Gesetz» 2001 sprach erstmal
eine Angehörige der Ureinwohner vor dem Parlament, Kommandantin
Esther. Die Guerillera forderte ein Ende des Rassismus, der
Erniedrigungen, der Verfolgung. Dennoch verabschiedeten die
Abgeordneten ein Gesetz, das weit hinter dem zurücklag, was die
Zapatisten im Abkommen von San Andrés ausgehandelt hatten.

   Damit hatten die Zapatisten ihre wichtigste Schlacht verloren -
trotz der internationalen Bedeutung, die die Rebellen mittlerweile
etwa für die globalisierungskritische Bewegung hatten. Und trotz
ihres weltberühmt gewordenen Sprechers, Subkommandant Marcos, der es
mit poetischen Worten vermochte, städtische linke Kritik und
traditionelle indigene Ansätze miteinander zu vereinbaren.

   Seither kümmern sich die Zapatisten vor allem um ihre
basisdemokratischen Strukturen. Sie bauen Schulen und
Gesundheitsstationen, gründen Betriebe und kümmern sich um die
direkte Vermarktung ihres Kaffees. 2003 schufen sie fünf «Caracoles»
- Regierungssitze, in denen sie ihre 27 «rebellischen Gemeinden»
basisdemokratisch verwalten. Eines dieser «Schneckenhäuser» ist
Oventic. Dort treffen sich die streng rotierenden Vertreter
dörflicher Gemeinschaften, um das Zusammenleben zu koordinieren. Wer
mit den «Räten der guten Regierung» sprechen will, muss viel Zeit
mitbringen. Denn alles will unter allen diskutiert sein.

   Obwohl die Zapatisten in der Öffentlichkeit heute weniger präsent
sind, spielen sie weiterhin eine wichtige Rolle. In ihrer Skepsis
gegenüber den politischen Parteien treffen sie sich mit vielen
indigenen Gemeinden, die sich staatlicher Bevormundung verweigern.
Und wenn es gilt, Repression zu verurteilen, sind sie ein
verlässlicher Partner. Tausende Zapatisten gingen auf die Straße, um
Aufklärung über das Verschwinden von 43 Lehramtsstudenten 2014
einzuklagen.

   Längst ist in den zapatistischen Dörfern im Lakandonischen Urwald
und im Hochland von Chiapas eine zweite Generation herangewachsen,
die den Kampf ihrer Eltern fortführt. Im Sommer organisierten
Zapatistinnen einen Frauenkongress, an dem 6.000 Mitstreiterinnen aus
aller Welt teilnahmen. Wenige Monate später fand in Oventic ein
Filmfestival statt, an dem der weltberühmte mexikanische Schauspieler
Gael Garcia Bernal ebenso teilnahm wie eine Vielzahl von Bauern aus
den Gemeinden.

   Zum 1. Januar laden die Zapatisten in ein «Schneckenhaus» ein, um
den 25. Jahrestag des Aufstands zu feiern. Mexikos neuer Präsident
Andrés Manuel López Obrador hat unterdessen angekündigt, das Abkommen
von San Andrés umzusetzen. Und das, obwohl die Zapatisten dem als
links geltenden Staatschef sehr kritisch gegenüberstehen. Einmal mehr
sollte sich damit bestätigen, was die Rebellen mit Blick auf alle
Urvölker an jenem Neujahrstag 1994 erklärt hatten: «Nie mehr ein
Mexiko ohne uns!»

epd vog jup

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(Interview) Adveniat-Experte zum Zapatisten-Aufstand in Mexiko vor 25 Jahren «An den Ursachen hat sich wenig geändert» Von Alexander Pitz (KNA) (Mit Bild)close
  
27. Dezember 2018 10:38 
Bereich: Politik  »Priorität: 4 »Agentur: KNA »Thema: Mexiko/Konflikte/Hilfsorganisationen... 

(Interview) Adveniat-Experte zum Zapatisten-Aufstand in Mexiko vor 25 Jahren «An den Ursachen hat sich wenig geändert» Von Alexander Pitz (KNA) (Mit Bild) 

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Mexiko/Konflikte/Hilfsorganisationen/Kirche/Geschichte/

 (Interview)
Adveniat-Experte zum Zapatisten-Aufstand in Mexiko vor 25 Jahren
«An den Ursachen hat sich wenig geändert»
Von Alexander Pitz (KNA)
(Mit Bild) =

Essen (KNA) In der Silvesternacht 1993/94, als das Nordamerikanische
Freihandelsabkommen NAFTA in Kraft trat, rebellierten vermummte
indigene Guerilleros aus dem Urwald im mexikanischen Bundesstaat
Chiapas gegen die Obrigkeit. 25 Jahre später kämpft die
«Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung» (EZLN) immer noch
gegen Neoliberalismus und für bessere Lebensbedingungen. Im Interview
der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärt Reiner Wilhelm,
Mexiko-Experte des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat,
warum der Konflikt - inzwischen weitgehend unbemerkt von der
Weltöffentlichkeit - weiter andauert.

KNA: Herr Wilhelm, was waren vor einem Vierteljahrhundert die
Ursachen für den Aufstand der Dschungel-Guerilleros in Chiapas?

Reiner Wilhelm: Eigentlich hat sich an den Ursachen von damals wenig
geändert: Es handelt sich nach wie vor um eine der ärmsten Regionen
in ganz Mexiko. Schon in den 70er-Jahren kam es zu vehementen
Verteilungskonflikten, weil die Regierung dort Menschen aus anderen
Teilen des Landes ansiedelte. Die heimische Bevölkerung - in der
Regel Indigene - steht am Rande der Gesellschaft. Sie haben kaum
Einkünfte und werden in vielerlei Hinsicht benachteiligt und
diskriminiert. Anfang der 90er-Jahre wurde obendrein eine Landreform
zulasten vieler Ureinwohner beschlossen. Das sind alles Faktoren, die
letztlich zu der Revolte führten.

KNA: Wie erklären Sie sich, dass diese regional begrenzte Bewegung
lange Zeit eine solch große internationale Aufmerksamkeit erfuhr? Bis
heute hat die EZLN erheblichen Einfluss in linken Netzwerken.

Wilhelm: Ein Grund für die Popularität ist die Globalisierungskritik,
die im Protest der Zapatisten zum Ausdruck kommt. Wie stark dürfen
Freihandelsabkommen wie NAFTA in Gesellschaft und Politik eingreifen.
Das ist eine aktuelle Frage von grundsätzlicher Bedeutung. In Chiapas
wurde der Weltöffentlichkeit deutlich vor Augen geführt, welch
negative Folgen der Neoliberalismus haben kann.

KNA: Wie kann es sein, dass der Chiapas-Konflikt 25 Jahre nach Beginn
des militärischen Aufstands immer noch nicht beigelegt ist?

Wilhelm: 1996 wurde auf Vermittlung des damaligen Bischofs von San
Cristobal de las Casas, Samuel Ruiz, das vielversprechende Abkommen
von San Andres unterzeichnet. Es sieht unter anderem eine Aufnahme
von Autonomierechten für die indigene Bevölkerung in die Verfassung
vor. Die Vereinbarung wurde allerdings nie umgesetzt. Auch sonst gab
es bislang keine substanziellen Verbesserungen, die zu einer Lösung
hätten führen können. Hinzu kommt die unklare Regierungslinie:
Einerseits wollte man die Zapatisten vereinnahmen, andererseits hat
man immer versucht, sie zu kriminalisieren und zu verfolgen. Es
fehlte stets die Grundlage für eine politische Annäherung.

KNA: Eine militärische Lösung gab es ebenfalls nicht. Wieso?

Wilhelm: Es kam zwar zu bewaffneten Auseinandersetzungen, auch in der
jüngsten Geschichte. Aber die Konfliktregion mit den sogenannten
befreiten Dörfern hat eine Sonderstellung und ist immens stark
militarisiert. Ich war selbst dort: Sie fahren da durch die Straßen,
und überall stehen Kontrollposten. Viele Menschen im EZLN-Gebiet
sehen aufgrund ihrer prekären Lage einfach keine andere Möglichkeit
als den Widerstand.

KNA: Sicher spielt auch die Entlegenheit des Gebiets eine Rolle.

Wilhelm: Richtig. Das ist tiefster Urwald mit nahezu idealen
Rückzugsmöglichkeiten. Schwierigkeiten bereiten außerdem die
unübersichtlichen Loyalitätsverhältnisse. Es ist keineswegs
eindeutig, wer nun zu den Zapatisten gehört und wer nicht. So geschah
das berüchtigte Massaker von Acteal, bei dem paramilitärische
Einheiten kurz vor Weihnachten 1997 ein ganzes Dorf mit angeblichen
EZLN-Sympathisanten überfielen. 45 Menschen, darunter Frauen und
Kinder, wurden völlig wahllos ermordet. Bis heute beeinflusst dieses
traumatische Ereignis die Gefühlslage in der Region.

KNA: Nun amtiert seit Anfang Dezember der neue linksgerichtete
mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador. Könnte sich mit
dieser veränderten Ausgangslage endlich etwas bewegen? Immerhin
sollte der prominente Menschenrechtler und Priester Alejandro
Solalinde der EZLN einen Brief mit einem Dialogangebot des neu
gewählten Präsidenten übergeben.

Wilhelm: Dazu muss man wissen, dass zwischen AMLO und den Zapatisten
nicht erst seit gestern eine tiefe gegenseitige Abneigung herrscht.
Die Sache mit dem Brief war größtenteils fingiert. Entsprechend brüsk
fiel die Stellungnahme der Zapatisten aus: Sie haben klargestellt,
dass sie sich auch künftig nicht politisch vereinnahmen lassen
wollen. Das hatte AMLO bereits im Wahlkampf immer mal wieder
versucht. Aber die EZLN wollte sich seiner Kampagne nicht
anschließen.

KNA: Das heißt, der Dialog liegt jetzt weiter auf Eis?

Wilhelm: Absolut. Fortschritte sind nur dann vorstellbar, wenn die
neue Regierung einen Politikwechsel einleitet und die Vorgaben des
Abkommens von San Andres erfüllt. Die - durchaus nachvollziehbaren -
Forderungen der Zapatisten liegen jedenfalls auf dem Tisch. Und AMLO
hätte die Macht, darauf einzugehen.

KNA: Welche Rolle spielt die katholische Kirche in dieser
Gemengelage. Zählt sie zu den Unterstützern der EZLN?

Wilhelm: So einfach kann man das nicht sagen. Die Kirche hat eine
besondere Rolle. Die Zapatisten bezeichnen sich selbst als
antiklerikal, sie haben die Kirche aber immer als Vermittler
gebraucht. In diesem Zusammenhang sind die Jesuiten zu nennen, die
sich seit Jahren in der Indigenenpastoral engagieren. Adveniat hat
schon etliche derartige Initiativen begleitet. Was das anbelangt, ist
die Kirche unheimlich stark.

KNA: Was meinen Sie, müssen wir 2024 über 30 Jahre Chiapas-Konflikt
sprechen?

Wilhelm: Das halte ich für sehr wahrscheinlich. In der mexikanischen
Öffentlichkeit spielt die Angelegenheit derzeit keine allzu große
Rolle. Ebenso wenig ist der Fokus der Weltöffentlichkeit auf Chiapas
gerichtet. Entsprechend gering ist der Druck auf Mexikos Regierung,
eine Einigung mit den Aufständischen zu erzielen. Irgendwie läuft es
ja auch so.


Hinweis:
Fotos finden Sie in der KNA-Bild-Datenbank auf www.kna-bild.de oder
direkt mit folgendem Link:
http://kna-bild.de/paket/181221-89-00032

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## Redaktionelle Hinweise
- Stichtag: 01.01. (25. Jahrestag des Zapatisten-Aufstandes)

## Internet
- [Fotos von Reiner Wilhelm in der Adveniat-Bilddatenbank]
(https://www.medien.adveniat.de/marsAdveniat/instance/ko/Alle-anzeige
n.xhtml?oid=51&conversationId=62635)
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