Sonntag, 30. Dezember 2018

Abenteuerliches aus dem Hause Schmidt. Alice Schmidts Tagebücher kreisen um den berühmten Gatten

Alice & Arno


Von Frank Willmann
Alice Schmidt: Tagebücher der Jahre 1948/49. Herausgegeben von Susanne Fischer, Suhrkamp-Verlag, Berlin 2018, 215 Seiten, 32 Euro
Die Leser Arno Schmidts bewegten sich schon immer im Promillebereich. Zu schwer verständlich, unnahbar, zu wenig Kritik an den politischen Verhältnissen, zu weltabgewandt, unverständliche Sprache, Frauenfeind – das sind nur einige der Unterstellungen, mit denen man sich als Arno-Schmidt-Fan herumschlagen muss. Ohne nun eines dieser Vorurteile zu beackern, möchte ich mich hiermit in aller Öffentlichkeit als verblendeter Arno-Fan outen.
Der herzensgute Suhrkamp-Verlag wirft in schöner Regelmäßigkeit späte Perlen aus dem Hause Schmidt auf den kümmerlichen Markt. Ein paar verpeilte Professoren, vielleicht noch vier bis neun Nonnen, Dietmar Dath und ein paar Verwirrte wie ich freuen sich dann über die neusten Elaborate.
Dieses Jahr bekamen wir es mit den Tagebüchern von Schmidts Frau Alice zu tun. Brav kümmerte sie sich Zeit ihres Lebens um Arno und dessen Werk. Insofern wundert es nicht, wenn auch in ihren Tagebüchern ihre schaffende Sorge nur um den teuren Gatten Arno kreist. Arno hat keinen Schnaps mehr, Arno wird vom bitterbösen Rowohlt-Verlag geärgert, Arno hat keinen Bock, jeden Tag selbst gesuchte Pilze zu vertilgen, ja, es ist kein Geld in der Kasse. Die füllt sich nur dann auf, wenn Alice mit den feinen Paketen aus den USA (von Arnos Schwester) auf den Schwarzmarkt geht. Ohne diese Geschäfte wären die Schmidts wahrscheinlich in den Jahren 1948/49 verhungert. Es blieben nur trocken Brot und Kohlsuppe satt. Die Kohlsuppe natürlich ohne Fett. Vielleicht ein Schlückchen Cointreau. Oder zwei.
1948 betrugen die Gesamteinnahmen Arnos gerade einmal 538 Mark, inklusive einer Fahrgeldrückerstattung von Rowohlt über 17,50 Mark. Bücher konnte man damit nicht kaufen, geschweige denn die lieben Kollegen treffen, um mit ihnen über den Zustand der deutschen Literatur zu beraten.
Diese schrecklichen Wahrheiten und noch viel mehr schildert Alice in ihren Tagebüchern. Wir dürfen noch viel erwarten, die Sammlung der Stiftung ist beträchtlich. Kauft euch dieses Kleinod der Schmidtforschung und genießt die willkommene Unterbrechung eures langweiligen Alltags!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen