Dossier
“Der Entwurf für das Einwanderungsgesetz steht. Welche Voraussetzungen sieht er für ausländische Fachkräfte vor – und was wurde aus dem “Spurwechsel”? Lange wurde es diskutiert – nun soll das Einwanderungsgesetz am 19. Dezember vom Kabinett auf den Weg gebracht werden. Einen Entwurf haben Innen-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium den anderen Ministerien nun vorgelegt. Es soll Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern den Zuzug nach Deutschland erleichtern, wenn sie hier arbeiten wollen…” Die Eckpunkte im Überblick am 20.11.2018 bei tagesschau.de , siehe dazu Stellungnahmen:
- Fortschrittsfalle – Über den Entwurf zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz
“Der Entwurf ist noch nicht Gesetz, und aus der Union, also der Koalition selbst, kommen bereits Änderungswünsche. Gleichwohl ist das Fachkräftezuwanderungsgesetz, vor wenigen Jahren noch unvorstellbar, Beleg einer erstaunlichen Veränderung. Mit ihm erleidet nationale Engstirnigkeit eine Niederlage. Die mit spitzen Fingern in ein zweites Gesetz ausgelagerte Beschäftigungsduldung integrierter Flüchtlinge zeigt zugleich, wie verschwiemelt der Umgang von Konservativen mit dem Thema bleibt, die sich mit einem »Spurwechsel« nicht anfreunden konnten. Andererseits liegt im Fortschritt auch Gefahr. Klar sollte sein: Allein um die Bedürfnisse der Wirtschaft geht es bei der Fachkräftezuwanderung. Nicht um die von Arbeitsuchenden, erst recht nicht um menschenrechtliche Motive von wem auch immer. Die möglichst reibungslose, das heißt auch von nationalen Grenzen unbehelligte Behebung eines Arbeitskräftebedarfs ist das Ziel…”Kommentar von Uwe Kalb bei neues Deutschland vom 19. Dezember 2018
- Ausbildungs- und Arbeitsmarkt: Zuwanderungsgesetz schließt Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten aus
“Der Zuwanderungsgesetz-Entwurf sieht zahlreiche Verschärfungen des Aufenthaltsrechts vor. Betroffen sind vor allem Roma. Sie werden von Arbeit und Ausbildung quasi vollständig ausgeschlossen – eine kafkaeske Rechtsetzung. Da ist er also, der Entwurf für das sogenannte Zuwanderungsgesetz. Aber statt geduldeten Beschäftigten und Auszubildenden sowie ihren Betrieben Sicherheit zu bieten, sieht der Entwurf zahlreiche Verschärfungen des Aufenthaltsrechts vor. Unter anderem sollen Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten mit einer tautologischen Konstruktion vollständig von Arbeit und Ausbildungsduldung ausgeschlossen werden. Betroffen wären vor allem Roma. Schon seit einigen Jahren sind abgelehnte Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten von der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und (daran anknüpfend) von der Ausbildungsduldung ausgeschlossen (§ 60a Abs. 2 S. 4, Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG). Letztlich handelt es sich bei diesem Ausschluss um eine verfassungswidrige Kollektivstrafe, wie ich an anderer Stelle dargelegt habe (…) Im Referentenentwurf für das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird behauptet, dass „teilweise Asylbewerber ihren Asylantrag gezielt dann zurücknehmen, wenn deutlich wird, dass dieser zu keinem Schutzstatus führt, um dadurch das Erwerbstätigkeitsverbot zu umgehen.“ Der Ausschluss von Beschäftigung und Ausbildungsduldung soll daher nach dem Willen des BMI auch dann gelten, wenn der Asylantrag zurückgenommen oder gar nicht erst gestellt wurde. (…) Die Debatten der letzten Jahre um sogenannte Armutszuwanderung aus Osteuropa waren geprägt von antiziganistischen Ressentiments und Geschichtsvergessenheit, was auch bei der Ausweisung der sicheren Herkunftsstaaten eine Rolle gespielt hat. Der vorliegende Entwurf knüpft daran an...” Beitrag von David Werdermann vom 11. Dezember 2018 beim Migazin
- »Die Interessen der Einwanderer mit einbeziehen«. Bundesregierung will per Gesetz Fachkräfte anwerben – und schafft neuen Hürden für Asylbewerber
“… AfD und andere Rechtspopulisten wollen in einen Nationalstaat zurück, in dem es keine Einwanderer gibt. Dabei stellen sie das Recht von Migranten, hier zu leben, selbst dann in Frage, wenn es im Interesse der deutschen Gesellschaft liegt. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich sinnvoll, wenn die Bundesregierung ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringt. Den aktuellen Entwurf kritisieren wir aber, weil er einen unüberwindbaren Hürdenlauf für die hier lebenden Schutzsuchenden darstellt. Ein jetzt bereits hier lebender abgelehnter Asylsuchender soll nur dann eine Beschäftigungsduldung bekommen, wenn er Vollzeit – mindestens 35 Stunden pro Woche – arbeitet, seinen Lebensunterhalt komplett sichern kann und ein sehr hohes Sprachniveau hat. Vor dieser Duldung besteht eine Wartezeit von sechs Monaten, während der diese Menschen abgeschoben oder zur Ausreise gedrängt werden. Diese Konstruktion ist perfide, weil sie vorgibt, eine Perspektive zu eröffnen, zugleich aber alle Hebel in Bewegung setzt, sie zu verhindern. Weiterer Kardinalfehler: Eine Ausbildungsduldung soll nicht möglich sein, wenn ein sogenanntes Dublin-Verfahren eingeleitet wurde. Es bleibt offen, für welchen Zeitraum dieses Duldungsverbot gelten soll. Da auf europäischer Ebene auch noch die Abschaffung der Fristenregelung von Dublin-Verfahren diskutiert wird, resultiert dessen »Einleitung« in einem Dauerzustand. Die Menschen landen in einer nie endenden Wartesituation. (…) Menschen sollten uns willkommen sein, auch wenn sie nicht Kategorien von ökonomischem Nutzen erfüllen. Weiterhin macht es keinen Sinn, Menschen abzulehnen und abzuschieben, die bereits Deutsch können und hier eine Schule besucht haben; zugleich aber andere nach Deutschland zu holen, die sich noch nicht eingelebt haben. Wenn abgelehnte Asylsuchende hier sind, bei denen alles darauf hindeutet, dass sie Teil dieser Gesellschaft werden, ist ein sogenannter Spurwechsel sinnvoll. Da schiebt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz aber mehrere Riegel vor…” Interview von Gitta Düperthal in der jungen Welt vom 08.12.2018 mit Günter Burkhardt, Geschäftsführer von »Pro Asyl«
- Weiterhin nur geduldet: Fachkräftezuwanderung wird restriktiv geregelt. Sie entspricht den Bedürfnissen der Wirtschaft. Nicht denen der Migranten
“Es mag der Einsicht geschuldet sein, dass die Koalition aus CDU/CSU und SPD ohnehin nichts anderes mehr hinbekommen wird – jedenfalls soll das Bundeskabinett noch vor Weihnachten das Fachkräftezuwanderungsgesetz verabschieden. Nach endlosen Debatten und Beratungen in den beteiligten Bundesministerien für Inneres, Wirtschaft sowie Arbeit präsentierte das BMI am 20. November einen 60seitigen Entwurf. Ein wahres Bürokratiemonster haben die Politiker auf den Weg gebracht, das am Ende nur wenigen Fachkräften aus anderen Ländern eine Perspektive auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt bieten dürfte. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bezeichnete den Entwurf als »kurzsichtig und integrationsfeindlich«. Er bleibe noch hinter dem zuvor veröffentlichten Eckpunktepapier zur Fachkräftezuwanderung zurück, das »einen sicheren Status für gut integrierte Geduldete in Sachen Ausbildung und Beschäftigung« vorgesehen habe. Außerdem fehle eine branchenbezogene Analyse des realen Fachkräftemangels, die auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeber für nötig erachtet hätte. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ausreisepflichtige Asylbewerber eine auf zwei Jahre befristete Beschäftigungsduldung erhalten können, die an Voraussetzungen gekoppelt ist. So müssen sie seit mindestens 18 Monaten einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, über eine Aufenthaltsduldung verfügen, ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse haben. Außerdem dürfen sie nicht wegen einer Straftat verurteilt sein, und ihre Identität muss geklärt sein. Statt eines »Spurwechsels« vom Asylstatus ohne Bleiberecht ins Einwanderungsverfahren, das die SPD durchsetzen wollte, habe in den Gesetzentwurf ein »Spurwechsel light« Eingang gefunden, wie es bei tagesschau.de hieß. (…) Viel Zeit für Änderungen gibt es nicht mehr; angeblich soll der Entwurf bereits am 19. Dezember verabschiedet werden.” Beitrag von Gudrun Giese in der jungen Welt vom 27. November 2018
- Ein Einwanderungsgesetz – “ohne Einwanderung”?
“Dazu schreibt Dinah Riese in der TAZ: “Ein klein bisschen Einwanderung” (http://www.taz.de/!5548753/ ). Jedoch dieser Entwurf geht nicht weit genug, erklärt Annelie Buntenbach (DGB): Es bleibt einfach Flickschusterei – und ist kein umfassendes Konzept – so bleibt dieser Entwurf kurzsichtig und integrationsfeindlich (http://www.dgb.de/presse/++co++33fb25f0-ecd4-11e8-b8fa-52540088cada ). Umfassendere Vorstellungen hatte Annelie Buntenbach schon bei der Vorlage des Migrationsberichtes dargelegt (http://www.dgb.de/themen/++co++f9f7df2a-a18b-11e4-9898-52540023ef1a )
Die Fachfrau bei den Grünen, Filiz Polat, sprach von einem Einwanderungsgesetz ohne Einwanderung (siehe dazu das Einwanderungsgesetz der Grünen: https://www.gruene-bundestag.de/integration-fluechtlingspolitik/deutschland-braucht-ein-einwanderungsgesetz-04-04-2017.html )” Kurzer Überblick von Volker Bahl vom 22.11.18 – wir danken!
- Einwanderungsgesetz: Geduldete Schüler/innen, Studierende und Alleinerziehende dürfen nicht vergessen werden“… Der Bundesfachverband umF und PRO ASYL befürchten, dass der laut Medienberichten erzielte Kompromiss beim Einwanderungsgesetz zu Bildungsabbrüchen führt, wenn nur eine Beschäftigungsduldung und nicht gleichzeitig Perspektiven für geduldete Schüler/innen und Studierende geschaffen werden. Zudem warnen die Organisationen davor, dass die Regelungen für Azubis und Arbeitnehmende ins Leere laufen, wenn die Beschäftigungsverbote für Geduldete bestehen bleiben. „Wir befürchten ein Förderprogramm für Schul- und Studienabbrüche“, erklärt Tobias Klaus vom Bundesfachverband umF. „Wenn Perspektiven für eine Aufenthaltssicherung nur über Arbeit und Ausbildung bestehen, werden zahlreiche junge Menschen die Schulen verlassen und arbeiten, statt ihren Bildungsweg fortzusetzen.“ Notwendig ist eine Regelung von der Studierende, Schüler, Azubis und Arbeitnehmende gleichermaßen profitieren. (…) Der Ansatz greift darüber hinaus zu kurz, wenn Geduldete zum Teil erst gar keine Arbeit aufnehmen dürfen. „Wir brauchen echte Perspektiven statt eiliger Kompromisse“, erklärt Günter Burkhardt von PRO ASYL. „Wenn Menschen weiterhin Arbeit und Ausbildung verboten werden kann, läuft jede Neuregelung ins Leere“…” Gemeinsame Pressemitteilung von PRO ASYL und Bundesfachverband umF vom 20. November 2018
- Standort Deutschland: Fachflüchtlinge gesucht! Fachkräftemangel: Ausländische Arbeitskräfte zwischen rassistischer Hetze, brutaler Ausbeutung und Integrations-Heuchelei“… Mehrere Ministerien haben ein Eckpunktepapier für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt. Es hat wenig mit der Realität zu tun und ist ein Versuch, die Wünsche des Kapitals zu verbinden mit der Abwehr von »Armutsmigration«. Es dreht sich allein um die Einwanderung von Fachkräften, die bereits Deutsch können. Da dies auch ohne Arbeitsvertrag zur Arbeitssuche möglich sein soll, müssen sie vorübergehend Arbeit unterhalb ihrer Qualifikation annehmen… Um die Geflüchteten, die bereits hier sind, geht es im Entwurf so gut wir gar nicht. Weil aber im Alltag auch Unternehmern ständig Probleme entstehen, wenn Leute von Abschiebung bedroht sind, ist eine Debatte entbrannt, ob Geflüchtete, die sich bei der Arbeit bewährt haben, zu ArbeitsmigrantInnen werden können – »Spurwechsel«. (…) Kämpfe sind für Geflüchtete vor allem in Situationen möglich, die sie mit Vielen teilen. Die afrikanischen Erntearbeiter in Süditalien wehren sich regelmäßig gegen schlechte Löhne und die Brutalität des Mafiasystems, dem sie untergeordnet sind (dort ist die Lage allerdings auch ziemlich anders als in der BRD). Auch hier wehren sich Geflüchtete gegen Abschiebungen, Schikanen und rechtliche Einschränkungen, oft in Wohnheimen und Lagern, wo die Vereinzelung noch nicht so stark ist. In Ellwangen z.B. haben Geflüchtete gut organisiert auf einen völlig ausgeflippten Polizeieinsatz reagiert, schnell eine Demo gemacht und eine Pressekonferenz, auf der man ihnen zuhören musste. Auf Arbeit treffen oft Leute aus ganz unterschiedlichen Situationen aufeinander, ein paar Flüchtlinge, andere MigrantInnen, ein paar Leiharbeiter, langjährige Stammarbeiter… Jeder hat seine eigenen Probleme und ein gemeinsamer Kampf ist nicht leicht, wenn einer unkündbar ist und die anderen morgen vielleicht abgeschoben werden. Entlang dieser Unterschiede und über sie hinweg muss die Klasse handlungsfähig werden.” Beitrag aus Wildcat Nr. 102 bei arbeitsunrecht in Deutschland vom 20. November 2018
- Debatte: »Wir brauchen ein linkes Einwanderungsgesetz«“Im Mittelpunkt eines linken Einwanderungsrechts müssen der soziale Anknüpfungspunkt und die soziale Verwurzelung eines Menschen stehen. (…) Im Mittelpunkt eines Einwanderungsgesetzes müssen die Bedürfnisse der Menschen und damit die individuellen Gründe und Ursachen für Migration, nicht die Bedürfnisse und ökonomischen Zwänge des deutschen Arbeitsmarktes stehen. Ein linkes Einwanderungsrecht muss drei Aufgaben erfüllen: Es muss bestehende aufenthaltsrechtliche Fragen systematisieren, liberalisieren und entbürokratisieren. Dabei ist der Anspruch an ein linkes Einwanderungsrecht, menschenrechtliche Mindeststandards bei der Einwanderung wiederherzustellen, Zugänge zu sozialer Sicherung und gesellschaftlicher Teilhabe zu erleichtern und entsprechende Hürden abzubauen. Das geltende Recht verfolgt nur die »Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern«. Anstelle der Formulierung von Ausnahmen sollten die Voraussetzungen und rechtlichen Grundlagen für eine legale Einreise und den Aufenthalt bestimmt werden. Das Asylgrundrecht muss durch die Abschaffung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten-Regelungen wiederhergestellt und die Verletzung von grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten als Fluchtgründe anerkannt werden…” Beitrag con Susanne Hennig-Wellsow vom 8. Januar 2018 bei Marx21
- Siehe die DGB-Forderung von 2015: Migrationsbericht: Deutschland braucht ein modernes Einwanderungsgesetz. Rassismus und Ausgrenzung klar entgegentreten
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