Tja, der Rest ist Geschichte
Foto: Sophia Kembowski/dpa
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Es gibt Sachen, die gibt’s nicht, sagt man ... Ich aber sage: wieso? Eigentlich kann alles passieren! Mein Philosophie-Professor winkte bei diesem Thema jedesmal ab und knarzte: »Leute, Genossen! Nicht alles, was denkbar ist, ist gleichsam möglich. Das liegt doch auf der Hand! Denkt nur einmal, ihr spaziertet auf dem Mond. Und dort wüchse grünes Gras. Denken können wir uns das, freilich! Und ich könnte dann weiter denken: Gut, hole ich den Rasenmäher aus dem Schuppen. Genossen, was soll denn der Unfug! Ihr wisst doch ...«
Aber was würde er denn sagen, wenn er vom diesjährigen Silvester erführe? Jenem denkwürdigen Tag, als durch eine gar unglaubliche, niemals dagewesene Verkettung aller nur denkbaren Umstände, nennen wir das Phänomen einfach Entropie des Schicksals, folgendes geschah.
Es begann gegen 23 Uhr. Die ersten Silvesterraketen, von den leicht glasigen Blicken enthusiastischer Väter verfolgt, nicht weniger von den leuchtenden Augen der Söhne und Töchter, die erstmals, ihrem nunmehrigen Alter gemäß, Gelegenheit hatten, zu so später Stunde dabei zu sein, als das neue Jahre zischend, rauchend, knallend und vor allem glitzernd begrüßt wurde, diese ersten ernstgemeinten Raketen taten … nichts. Sie flogen zwar den Gesetzen der Ballistik folgend in die Höhe, aber ... Nun, es geschah nichts weiter! Egal, wie oft man es auch versuchte, und egal, wer welche Kampfmittelboxen auf den Boden stellte und zündete ... Es geschah nichts! Es blieb still. Dem Zischen folgte kein Knall, kein Peng oder »Ohhhh!« ... Nichts. Nichts außer tiefen Stirnfalten bei den väterlichen Raketentruppen. Es gab Kommentare von Söhnen: »Papa, was ist denn nun!?« Oder von Töchtern: »Macht nichts, Papa, das kann jedem mal passieren.«
Doch dann kam es, wie es der Berliner sagt, dicke, »aba rischtig dicke, wah!« Am schwarzen Himmel wuchs ein undeutliches Glimmen. All die abgefeuerten Raketen mussten sich dort oben gesammelt, mussten sich insgeheim verschworen und aufeinander gewartet haben. Sie erwachten nun! Es brandete auf, es röchelte am Himmel! Nun kamen aber Punkt zwölf die Abermillionen zur rechten Zeit in den Himmel geblasenen Raketen dazu. Das wuchs unheimlich heran, füllte sich zusehends. Es krachte weiterhin nichts, regnete keine Glanzfontänen, keine kirren Lichter flackerten, tobten oder karussellierten umher. Nichts! Bis es fünf nach zwölf war. Dann begann es:
Es hob ein infernalisches Kreischen an, welches man sich nur vorstellen kann, wenn man das Alte Testament gelesen hat. Es war wie 1.300 Stalinorgeln, wenn man sich Motörhead und AC/DC live dazu denkt. Gewaltige Blitze machten die Nacht nicht zum Tag, sondern gleichsam den Tag zum Mittelpunkt der Sonne! Herrje! Eine riesige Feuerkugel blähte sich wabernd immer weiter auf. Tja, der Rest ist Geschichte ... Kann man in der Zeitung nachlesen: »Totalizki Zerstörungski!« »Kapitol, Weißes Haus, Bundeskanzleramt, Vatikan, NATO-Hauptquartier und die Zentralen von Amazon, Facebook und Twitter liegen in Schutt und Asche! Wetterphänomen trug alle Silvesterraketen wie Kampfgeschosse in die genannten Gebäude. Aufgrund des Feiertags keine Toten! Staatsschutz ermittelt.«
Und nun, Herr Professor? Ha! Von wegen ... Die Weltgeschichte kennt eben Gesetze, die mehr drauf haben, als wir uns zwischen Himmel und Erde vorstellen können. Oder was?
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