Verdrängt, entrechtet, ausgeschaltet
Enteignet und vom Geschäftsleben ausgeschlossen (Modehaus in Klagenfurt nach dem »Anschluss« Österreichs im März 1938)
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»Die Judenfrage als Faktor der Außenpolitik im Jahre 1938«
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Die Verordnung, die am 12. November 1938 von Hermann Göring in seiner Eigenschaft als Beauftragter für den Vierjahresplan erlassen worden war, schrieb außerdem vor, dass Juden ab dem 1. Januar 1939 nicht mehr »Betriebsführer« sein durften. Jüdischen Staatsbürgern, die zu diesem Zeitpunkt noch als leitende Angestellte in einem Wirtschaftsunternehmen tätig waren, konnte mit einer Frist von sechs Wochen gekündigt werden. Ansprüche auf Betriebsrenten oder Abfindungen standen ihnen nicht zu.
Vermögensraub
Die Verordnung gehörte zu einem Paket staatlicher Maßnahmen, die Göring in Absprache mit dem »Führer« nach dem Pogrom vom 9. November verfügt hatte. Sie stützte sich auf Definitionen, die schon früher erfolgt waren. Wer im Nazistaat als »Betriebsführer« galt, war durch das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« vom 20. Januar 1934 geregelt worden. Der Begriff »Jude« war durch die Erste Verordnung des »Reichsbürgergesetzes« vom 14. November 1935 und, da jenes einige juristische und »rassenpolitische« Fragen offenließ, durch mehrere zusätzliche Verordnungen bestimmt worden. Nach welchen Kriterien ein Gewerbebetrieb als »jüdisch« zu behandeln war, stand in der »Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz«, die am 14. Juni 1938 erlassen worden war. Sie schrieb auch vor, alle so definierten Unternehmen »in ein Verzeichnis einzutragen«. Das war eine entscheidende Voraussetzung für die zentrale Zusammenfassung und Systematisierung der Verdrängung der Juden »aus dem deutschen Wirtschaftsleben«.
Schon vorher hatte die Verordnung vom 26. April 1938 »über die Anmeldung des Vermögens von Juden« für weitgehende Transparenz im Sinne der nazistischen Staats- und Parteiorgane gesorgt. Sie verpflichtete jeden einzelnen erwachsenen Juden und gegebenenfalls auch dessen nichtjüdischen Ehepartner, »sein gesamtes in- und ausländisches Vermögen (…) anzumelden und zu bewerten«. Die Anmeldepflicht bezog sich auch auf den Hausrat und alle anderen »beweglichen Gegenstände«. Davon befreit waren nur Juden, deren so umfassend verstandenes »Vermögen« einen Gesamtwert von 5.000 Reichsmark (RM) nicht überschritt.
Relevant wurde diese Verordnung insbesondere, als man die jüdischen Staatsbürger durch eine Anordnung vom 21. Februar 1939 zur Ablieferung aller individuellen »Wertsachen« gegen eine behördlich bestimmte Entschädigung zwang. Die Abgabepflicht trat zunächst bei Gegenständen im Wert von jeweils mehr als 300 RM ein, der am 31. März 1939 auf 150 RM herabgesetzt wurde. Bereits am 5. März 1939 war angeordnet worden, dass Juden bei der Zwangsablieferung ihrer »Wertsachen« bestenfalls ein Betrag von 500 RM ausgezahlt werden durfte. Der Rest musste »auf einem Sperrkonto gesichert werden«, auf das die Betroffenen nur im Falle einer »Ausreise« zugreifen oder es sich anrechnen lassen durften. Ausgenommen von der Ablieferungspflicht waren gemäß eines Erlasses vom 1. März 1939 nur die Eheringe der Betroffenen (und der verstorbenen Gatten), persönliche Armband- und Taschenuhren sowie »gebrauchtes Tafelsilber für den eigenen Bedarf« in sehr geringer Anzahl.
Es war eine staatlicherseits bis ins Detail regulierte, nötigenfalls durch zusätzliche Anordnungen immer weiter präzisierte Ausplünderung aller Angehörigen einer als solche definierten Bevölkerungsgruppe, die in ihrer deutschen »Gründlichkeit« weltweit und historisch beispiellos ist. Dennoch bleibt festzustellen, dass die mit der Verordnung vom 12. November 1938 angestrebte Frist, die totale »Arisierung« der deutschen Wirtschaft zum 1. Januar 1939, nicht ganz erreicht wurde. Das lag hauptsächlich daran, dass dieses Ziel mit der Absicht der Naziführung und namentlich Görings in Widerspruch lag, die Enteignung der deutschen Juden soweit wie möglich als zentral kontrollierten Prozess durchzuführen, wovon hauptsächlich die Staatsfinanzen profitieren sollten. Die hatten wegen der Kriegsplanungen Vorrang.
»Arisierung«
In diesem Zusammenhang sind die gesetzlichen Anordnungen und praktischen Maßnahmen zwischen der Verordnung vom 12. November 1938 und dem Jahresanfang 1939 zu betrachten. An erster Stelle gilt das für die Verordnung vom 3. Dezember 1938 »über den Einsatz des jüdischen Vermögens«. Sie schrieb erstens vor, dass »Inhaber eines jüdischen Gewerbebetriebs« dazu gezwungen werden konnten, ihre Unternehmen »binnen einer bestimmten Frist zu veräußern oder abzuwickeln«, und dass in diesem Fall von Staatsseite ein »Treuhänder« eingesetzt werden konnte. Auf diesen gingen dann alle Rechte der Eigentümer über, »über die Vermögenswerte zu verfügen«.
Darüber hinaus bestand die wesentliche Bedeutung der Verordnung vom 3. Dezember 1938 darin, dass sie jeden Besitzerwechsel »jüdischer Betriebe« von einer staatlichen Genehmigung abhängig machte. Behörden hatten demzufolge bei der Auswahl potentieller Erwerber eine maßgebliche Stellung und konnten dem Staat den Hauptanteil an der Differenz zwischen dem geschätzten Realwert von Betrieben und Grundstücken einerseits und dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis sichern. Das trug aber auch zur Verlängerung der Prozesse bei und war ein wesentlicher Grund dafür, dass das Zieldatum 1. Januar 1939 für die komplette »Arisierung der deutschen Wirtschaft« verfehlt wurde.
Zu diesem Zeitpunkt lag der Gesamtwert des theoretisch noch verfügbaren »jüdischen Vermögens« in Deutschland nach einer Schätzung, die die in den USA ansässige Nachrichtenagentur Jewish Telegraphic Agency (JTA) am 11. Januar 1939 veröffentlichte, bei etwa 1,5 Milliarden RM. Noch im Januar 1938 war es JTA zufolge von jüdischen Quellen auf fünf Milliarden RM geschätzt worden. Die Differenz begründete die Agentur hauptsächlich mit einem inzwischen erfolgten Wertverlust von 30 Prozent aufgrund der forcierten Zwangsverkäufe zu irreal niedrigen Preisen und mit der nach dem Novemberpogrom angeordneten, von der Gesamtheit aller deutschen Juden zu tragenden »Sühneleistung« in Höhe von einer Milliarde RM.
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