Sonntag, 30. Dezember 2018

Anti-Atom-Jahreswechsel

zum Jahreswechsel melde ich mich bei Dir, weil ich zurückblicken möchte, auf das, was .ausgestrahlt 2018 bewegt hat und vorausblicken auf einiges, was im kommenden Jahr auf uns zukommt.

Dass es auch im Jahr 2019 möglich sein wird, in unserem Hamburger Büro mit zwölf Menschen (auf etwa neun Vollzeitstellen) zu arbeiten, ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit – sondern nur möglich, weil so viele Menschen dazu beitragen. Ich bin immer wieder dankbar dafür, dass ich meinen Lebensunterhalt mit so einer sinnvollen Arbeit bestreiten kann. So kann ich, zusammen mit dem ganzen .ausgestrahlt-Team, mit aller mir zur Verfügung stehenden Zeit und Kraft dafür streiten, dass die Nutzung der Atomenergie ein Ende findet.

Dabei ist mir sehr bewusst, dass wir zwölf in Hamburg alleine so gut wie nichts bewegen könnten. Erst wenn überall aktive Menschen unsere Anregungen aufgreifen, unsere Argumente weiter verbreiten, sich auf ihre eigene Art einmischen, dann entsteht wirklich so etwas wie politischer Druck und die Kraft der Veränderung.

Was war 2018?

„Netzverstopfer“ wurde so etwas wie das Anti-Atom-Wort des Jahres. Bevor .ausgestrahlt darauf aufmerksam machte, dass der Betrieb von Atomkraftwerken in Norddeutschland dazu führt, dass Windkraftanlagen abgeregt werden müssen, war das kaum jemand bekannt. Am Ende waren die Netzengpässe Hauptthema einer Anhörung im Bundestag zur Änderung des Atomgesetzes. Gescheitert ist das von .ausgestrahlt und anderen geforderte Verbot der Übertragung von Reststrommengen auf norddeutsche AKW an der Union und an der Koalitionsdisziplin der SPD, die inhaltlich durchaus mit einem Aus für die Netzverstopfer sympathisierte.

Tausende Schwarze Säcke mit kontaminierter Erde sind zu einem verstörenden Wahrzeichen der Region um Fukushima geworden. Um die Folgen der Reaktorkatastrophe von 2011 auch hierzulande sichtbar zu machen, veröffentlichte .ausgestrahlt eine Schablone und eine Fotomontage-Vorlage mit schwarzen Säcken, um damit Wahrzeichen deutscher Städte zu „verschönern“.

„Furusato – Wunde Heimat“ ist der Titel des preisgekrönten Dokumentarfilms über Menschen rund um das havarierte japanische AKW, der im Frühjahr von zahlreichen Kinos gezeigt wurde. .ausgestrahlt stellte Infomaterial für den Kinoausgang bereit, um die Besucher*innen auch über die atompolitische Situation hierzulande aufzuklären. Zusätzlich unterstützten wir zahlreiche Diskussionsveranstaltungen in den Kinos.

Die Castor-Zwischenlager für hochradioaktiven Müll sind wieder ein Jahr älter geworden, ohne dass es Überlegungen dafür gibt, was nach Ablauf der 40 Jahre passieren soll, wenn die Genehmigung für Behälter und Hallen auslaufen. Der vom Atommüll-Bundesamt angekündigte sogenannte Zwischenlager-Dialog entpuppte sich als nichts anders als eine plumpe Werbeveranstaltung nach dem Vorbild der 70er und 80er Jahre („Alles ist sicher – vertrauen Sie uns“). .ausgestrahlt hat vor den Toren protestiert und mit Initiativen von den Zwischenlager-Standorten Bedingungen für einen echten Dialog veröffentlicht. Zudem hat die Atommüllkonferenz Ende des Jahres ein ausführliches Positionspapier vorgelegt, in dem über 70 Initiativen und Umweltverbände dringenden Handlungsbedarf in Sachen Zwischenlagerung formulieren.

In Fessenheim läuft direkt an der deutschen Grenze das älteste französische AKW. Der Abschalttermin wird immer weiter nach hinten verschoben. Deshalb ging .ausgestrahlt mit der Idee einer grenzüberschreitenden deutsch-französischen Menschenkette auf Anti-Atom-Gruppen in der Region Südbaden/Elsass zu. Nach einer großen Umfrage, E-Mail-Debatten, mehreren Treffen vor Ort und dem Abwägen unterschiedlicher Varianten war zwar eine Mehrheit der beteiligten Initiativen dafür, das Projekt zu starten, doch von der französischen Seite des Rheins waren letztendlich die Zweifel doch zu groß. Auch das ist manchmal Teil unserer Arbeit: Zeit und Kraft in eine Idee zu stecken, die dann scheitert, weil wir nicht genügend Bündnispartner*innen überzeugen können. Was .ausgestrahlt nicht macht: gegen den Willen örtlicher Initiativen aktiv werden.

Kohle- und Atomausstieg – geht beides? Die Protestbewegung gegen die Kohle hat 2018 einen neuen Höhepunkt erreicht. Um zu zeigen, dass sowohl Kohle als auch Atom den Ausbau der Erneuerbaren Energien ausbremsen und ein zügigerer Ausstieg aus beiden eine schnellere Energiewende bedeutet, hat .ausgestrahlt breit informiert. Allein der .ausgestrahlt-Flyer „Stopp RWE“, mit dem wir zum Boykott des Atom- und Kohlekonzerns aufriefen, hat innerhalb kurzer Zeit über 19.000 Abnehmer*innen gefunden.

Das AKW Neckarwestheim hat zahlreiche Risse in Heizrohren, die zu einem schweren Störfall führen können. Mit spektakulären Aktionen und mit der Veröffentlichung einer Expertise machte .ausgestrahlt gemeinsam mit örtlichen Initiativen auf diesen Missstand aufmerksam und verlangte das Ende des Pannenmeilers. Die grüne baden-württembergische Atomaufsicht sah das anders und ließ das Kraftwerk wieder ans Netz. Doch zumindest berichteten die Medien breit über die Proteste und die Zweifel an der Sicherheit.

Die Standortsuche für ein tiefengeologisches Atommüll-Lager nahm 2018 Fahrt auf. Besser gesagt: Die neuen Behörden machen eine Menge, kommen aber nicht so recht voran. Voran kommt dagegen .ausgestrahlt, indem wir Regionen benannt haben, die von der Suche betroffen sein können. Unser kritisches Infomaterial zur Standortsuche ist begehrt, alleine die im November erschienene Atommüll-Zeitung hat inzwischen eine Gesamtauflage von 97.000 Exemplaren. Auch die Zahl der Informationsveranstaltungen mit Beteiligung von .ausgestrahlt wächst.

Da sind nur einige „Highlights“ unserer Arbeit, die erst durch die Unterstützung vieler Menschen möglich geworden sind.

Was kommt 2019?

Atomausstieg jetzt! Weil die immer älter werdenden deutschen AKW noch vier Jahre am Netz bleiben sollen – bis Ende 2022 – wird .ausgestrahlt Chancen suchen und nutzen, die zu einem früheren Abschalten beitragen könnten. Nötig ist es dafür etwa, dass die Länder-Atomaufsichten die alten Meiler strenger prüfen und den Betreibern mehr abverlangen – was im besten Fall auch zu einem schnelleren Aus für einzelne Anlagen führen kann.

Europa ohne Atom! .ausgestrahlt richtet den Blick auch über die deutschen Grenzen hinaus. So starten wir parallel zum Europa-Wahlkampf eine Aktion gegen die europäische Atomgemeinschaft Euratom, in die auch Deutschland immer noch große Summen einzahlt.

Echte Mitbestimmung bei der Standortsuche! Aufklärung über die Schwachpunkte des Standortauswahlverfahrens für ein langfristiges Atommüll-Lager und die Kritik am Vorgehen der Behörden wird auch im neuen Jahr ein Schwerpunkt der .ausgestrahlt-Arbeit. Ohne Mitbestimmung der Betroffenen wird es keine gesellschaftliche Verständigung geben können. Deshalb streiten wir dafür.

18 Jahre? Es reicht! 2019 jährt sich die Unterzeichnung des „Atomkonsens“-Vertrags der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit den AKW-Betreibern zum 18. Mal. Doch noch immer laufen sieben AKW in Deutschland. .ausgestrahlt plant dazu eine ganz besondere Aktion. Lass Dich überraschen!

Nie wieder Fukushima! Zum achten Jahrestag der Fukushima-Katastrophe im März ruft .ausgestrahlt zu dezentralen Mahnwachen auf und unterstützt die überregionalen Demonstrationen in Ahaus und Neckarwestheim. Die höhere öffentliche Aufmerksamkeit rund um den Jahrestag lässt sich auch immer gut nutzen, um die Mitmenschen über Atom-Themen zu informieren. Dazu bietet .ausgestrahlt über den Online-Shop unterschiedlichste Materialien an, vom Flyer bis zur Ausstellung, von der Broschüre bis zum Film.

Stopp Castor! Im neuen Jahr soll eine Menge Atommüll durch die Republik rollen: Castor-Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus atomwaffenfähigem hochangereicherten Uran sollen von Garching bei München ins westfälische Ahaus transportiert werden. Abfälle aus der Plutonium-Abspaltung im französischen La Hague sollen ins badische Philippsburg kommen. Und die 152 Castoren, die ohne Genehmigung in Jülich bei Aachen stehen, könnten ebenfalls auf den Weg nach Ahaus gebracht werden. An den Zielorten regt sich Protest, denn das Atommüll-Problem lässt sich nicht lösen, indem hochgefährliche Stoffe von A nach B transportiert werden. .ausgestrahlt wird die Initiativen vor Ort unterstützen – auch, um auf die ungelöste Zukunft der Zwischenlagerung hinzuweisen.

Raus aus Kohle und Atom! .ausgestrahlt möchte auch 2019 mit dafür sorgen, dass die wichtige Kohleausstiegs-Debatte nicht dazu missbraucht wird, Atomkraft wieder salonfähig zu machen. Besser ist es, kluge Wege zu gehen, die beides ermöglichen: Atomausstieg und Klimaschutz.

Zusätzlich zu den genannten Schwerpunkten kommt unsere umfangreiche alltägliche Infoarbeit: Newsletter, Regionalmails, .ausgestrahlt-Magazin, Podcast, Twitter, Facebook, Instagram, Presseerklärungen, .ausgestrahlt-Blog, Nachrichtenauswertung, Atomradar, Infoveranstaltungen, Flyer und Broschüren, Online-Shop, Hintergrundgespräche und und und …

Damit .ausgestrahlt funktioniert, braucht es dreierlei: Ein motiviertes Team mit guten Ideen im Hamburger Büro, Menschen, die die Finanzierung der Arbeit stemmen und schließlich diejenigen, die selbst aktiv sind und werden.

Wie jeden Herbst und Winter sammeln wir Spenden für den .ausgestrahlt-Basishaushalt des kommenden Jahres, aus dem wir unsere laufenden Kosten decken. Zu zwei Dritteln sorgen unsere Förderinnen und Förderer mit ihren regelmäßigen Beiträgen für die Deckung. Ein Drittel, also für 2019 etwa 250.000 Euro, hoffen wir über die Spenden zum Jahreswechsel zusammenzubekommen. Aktuell sind schon etwa 180.000 Euro dafür eingegangen. Es fehlen also noch etwa 70.000 Euro, damit wir gut aufgestellt ins neue Jahr gehen können.


Falls Du also etwas entbehren kannst, dann kannst Du unsere Arbeit hier unterstützen.

Und falls Du Dich noch bis zum 31.12. dafür entscheidest, .ausgestrahlt regelmäßig zu fördern, bekommst Du ein Geschenk und kannst zusätzlich sogar etwas gewinnen.

Natürlich hast Du alle Freiheit, jede unserer Spendenbitten zu ignorieren. Wir müssen halt immer wieder um Geld fragen, um unabhängig arbeiten zu können, denn .ausgestrahlt ist ausschließlich durch Spenden finanziert. Auch wenn wir den Basishaushalt gedeckt haben, werden wir übers Jahr immer wieder Spendenaufrufe starten, um für unsere aktuellen Aktionen und Kampagnen zu sammeln, denn die sind vom Basishaushalt nicht abgedeckt. Ich bitte um Dein Verständnis.


Dir alles Gute für 2019. Auf dass wir gemeinsam unseren atompolitischen Zielen ein Stück näher kommen.

Herzliche Grüße

Jochen Stay
und das ganze .ausgestrahlt-Team

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