Freitag, 23. August 2013
Ägypten droht der Bürgerkrieg
Einheit von unten
Von Werner Pirker
jungeWelt vom 15.08.2013
Das von Washington alimentierte ägyptische Militär ist offenbar fest entschlossen, den islamistischen Aufruhr in Blut zu ertränken. Beim Sturm auf die beiden Protestlager sollen die Sicherheitskräfte Augenzeugenberichten zufolge auch scharfe Munition eingesetzt haben. Die Demonstranten wehren sich mit Knüppeln, Steinen und Macheten, weshalb die Bilder aus Kairo auch ein wenig an den Aufruhr der Palästinenser in den besetzten Gebieten erinnern.
Für derlei Assoziationen hat auch das Militärregime gesorgt, als es Mursi und seinen Brüdern den mit Hilfe der Hamas durchgeführten Gefängnisausbruch in den Umsturztagen 2011 zum Vorwurf machte und damit nicht nur den Volksaufstand gegen den Langzeitdiktator delegitimierte, sondern auch die islamische Widerstandsbewegung gegen das israelische Besatzerregime auf seine Terrorliste setzte. Die Generäle sind also keineswegs Treuhänder der ägyptischen Revolution, als die sie sich darzustellen belieben, sondern Nachlaßverwalter des Mubarak-Regimes.
Der Militärklüngel verstand es, die Erhebung von 2011 zu kanalisieren. Und es gelang ihm auch, die Massenproteste der säkularen Opposition gegen die Herrschaft der Islamisten zu seiner neuerlichen Machtergreifung zu nutzen. Die Aktivisten der Tamarod-Bewegung, die den Aufruhr organisiert hatten, unterstützten entweder direkt den Putsch oder ließen sich von den Militärs widerstandslos »entwaffnen«, das heißt, an die Wand drücken. Die säkulare Opposition aus Liberalen, Linken und Nasseristen verfügt zwar über ein gigantisches Mobilisierungspotential, hat sich aber in den Stunden der Entscheidung stets als machtlos erwiesen.
Die Islamisten schwankten lange zwischen Volksbewegung und Oligarchie. Auf demokratischem Weg an die Macht gelangt, waren sie bestrebt, die Demokratie zugunsten ihres Machterhalts weitgehend einzuschränken. Die Armee wähnten sie auf ihrer Seite. Doch die stürzte Mursi, bevor es zu einer weiteren Radikalisierung des Aufstandes kam. Die Stärke und Opferbereitschaft des islamistischen Widerstandes dürften die Herren Generäle und ihre »Übergangsregierung« indessen unterschätzt haben. Die Westmächte, die Armee und Muslimbrüder gerne in einem prokapitalistischen Ordnungsblock vereint gesehen hätten, sind über diese Entwicklung keineswegs erfreut. Zumal es äußerst fraglich ist, ob der politische Islam allein mit militärischer Gewalt besiegt werden kann. Ein Bürgerkrieg auch in Ägypten würde den »demokratischen Interventionismus« des Westens wohl endgültig überfordern.
Sollte es bei der Konfliktstellung Islamisten contra Säkulare bleiben, ergäbe sich aber auch für die ägyptische Gesellschaft keine neue Perspektive. Eine solche könnte nur ein Zusammenwirken der sozial fortschrittlichen und antiimperialistischen Kräfte beider Lager bieten, das heißt die Herstellung einer neuen nationalen Einheit von unten
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